Vakuumversiegelung bei der Therapie des Ulcus cruris

120/16 © 2004 Schattauer GmbH Vakuumversiegelung bei der Therapie des Ulcus cruris G. Halter1, K.-H. Orend1, F. Liewald1, M. Bischoff2. Abteilung fü...
Author: Emil Haupt
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120/16 © 2004

Schattauer GmbH

Vakuumversiegelung bei der Therapie des Ulcus cruris G. Halter1, K.-H. Orend1, F. Liewald1, M. Bischoff2. Abteilung für 1Thorax- und Gefäßchirurgie (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. L. Sunder-Plassmann), 2 Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. L. Kinzl), Universitätsklinikum Ulm Schlüsselwörter

Keywords

Mots clés

Ulcus cruris, Meshgraft, Vakuumversiegelung

Ulcus cruris, mesh graft, vacuum sealing

Ulcère variqueux, greffe en filet (mesh), pansement sous vide

Zusammenfassung

Summary

Die Behandlung zur Erzielung des Wundverschlusses bei Ulcus cruris gestaltet sich oft problematisch, da durch lokale Minderdurchblutung und chronische bakterielle Kontamination erschwerte Einheilungsbedingungen bestehen. Ziel, Patienten, Methode: Die Vakuumversiegelung (VVS) stellt ein geschlossenes Verbandssystem zur feuchten Wundbehandlung mit festem Kontakt zur Wundoberfläche sowie Schutz vor Kontamination mit Hospitalkeimen und Dekontamination von Bakterien durch ständigen Schwerkraft-unabhängigen Sekretabtransport dar. Insgesamt wurden 55 Patienten mit einem chronischen Ulcus cruris mit einer Vakuumversiegelung versorgt. Ergebnisse: Zur primär vollständigen Einheilung des Meshgraft-Transplantats kam es bei 30 Patienten (54,5%). Bei 19 Patienten (34,5%) heilte es zu 75-90%, bei 6 (11%) zu weniger als 75% ein, so dass eine erneute Meshgraft-Transplantation erfolgte. Schlussfolgerung: Die Wundkonditionierung und anschließende Hauttransplantation nach ursachenabhängiger Vorbehandlung des Ulcus cruris mit der VVS stellt ein einfaches, schnelles und billiges Verfahren dar.

Treatment to achieve wound closure in ulcus cruris often presents problems because of the more difficult incorporation conditions resulting from locally reduced blood flow and chronic bacterial contamination. Aim, patients, methods: Vacuum sealing (VS) is a closed dressing system for moist wound treatment which ensures firm contact with the wound surface and protects against contamination with hospital pathogens and provides antibacterial decontamination through constant gravityindependent secretion removal. Results: A total of 55 patients with a chronic leg ulcer have been treated with a vacuum sealing. In 30 patients (54.5%) there was full incorporation of the mesh graft transplant, in 19 patients (34.5%) an incorporation rate of 75-90% was achieved and, in 6 patients (11%), the incorporation rate was less than 75% with the result that another mesh graft transplant had to be carried out. Conclusions: Wound conditioning and subsequent skin grating after cause-dependent pre-treatment of the leg ulcer with VS is a simple, quick and inexpensive method.

Phlebologie 2004; 33: 120–4

Vacuum sealing in the treatment of ulcus cruris

Le pansement sous vide dans la thérapie de l’ulcère variqueux

D

rielle Mischformen häufiger, speziell im Zusammenhang mit Diabetes mellitus. Die schwerste Form des chronischvenösen Stauungssyndroms ist das chronische gamaschenförmige Ulcus cruris (11). Welche pathogenetischen Faktoren zu dem Krankheitsbild führen, ist nicht bekannt. Die Störungen der venösen Mikrozirkulation betreffen am häufigsten das postthrombotische Syndrom, aber auch die sekundäre Popliteal- und Femoralinsuffi-

zienz oder das arthrogene Stauungssyndrom (12, 17). Wahrscheinlich handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, an dessen Ende die ausgedehnte Sklerosierung der Haut, des Unterhautgewebes und der Fascia cruris steht (10, 11). In Folge der venösen Stauung mit rezidivierenden Entzündungen kommt es zu einem bindegewebigem Umbau von Epidermis, Dermis, Subkutis und der darunter liegenden Faszie. Diese so genannte Der-

er Verschluss bzw. die Defektdeckung des chronischen Ulcus cruris bedeutet für Therapeuten und Patienten – unabhängig von der Genese – eine Herausforderung. Etwa 1-2% der Bevölkerung leiden irgendwann in ihrem Leben an einem Ulcus cruris. Rund 90% aller Ursachen, die zu einem Unterschenkelgeschwür führen, sind venösen Ursprungs, ca. 6% haben eine arterielle Genese (14). Mit zunehmendem Alter werden venös-artePhlebologie 4/2004

Résumé Le traitement visant à la cicatrisation de l’ulcère variqueux est souvent problématique en raison d’une vascularisation locale réduite et de contaminations bactériennes chroniques qui donnent des conditions de guérison plus difficiles. Objectifs, patients, méthodes: L’occlusion sous vide (vacuum sealing) constitue un système de pansement étanche maintenant un degré d’humidité de la plaie. Le pansement est en contact étroit avec la surface de la plaie et assure une protection contre les germes nosocomiaux et une barrière contre les bactéries, grâce à un drainage de l’exsudat vers l’extérieur, indépendant de la gravité). Un total de 55 patients souffrant d’ulcère variqueux chronique a été traité par une greffe en filet avec un pansement sous vide. Résultats: La résorption primaire complète de la greffe en filet a été observée chez 30 patients (54,5%). Chez 19 patients, la cicatrisation était de 75 à 90% (34,5%) et de moins de 75% chez 6 patients (11%), de sorte qu’une nouvelle greffe en filet a dû être réalisée. Conclusions: Le traitement de la plaie par pansement sous vide suivi d’une greffe cutanée, après un traitement préalable en fonction des causes de l’ulcère, est un procédé simple, rapide et économique.

Eingegangen: 10, Februar 2004; angenommen: 16. März 2004

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matolipofasziosklerose führt unweigerlich zur Verschlechterung der Hautdurchblutung und bildet eine Stoffwechselbarriere, die die Ausbildung von trophischen Störungen fördert. Neben dem Ausschneiden des Ulkusgrundes ist es wichtig, die Faszie zu resezieren, um die Stoffwechselbarriere zu beseitigen und mit der gut durchbluteten Muskulatur einen geeigneten Wundgrund zur Anzüchtung eines Granulationsrasens zu schaffen (18, 19). Bei Ulzera arterieller Genese wird zur effektiven Defektdeckung eine arterielle Rekonstruktion notwendig. Trotz erfolgreicher Revaskularisation mittels Bypass gestaltet sich die Deckung bei bestehender arterieller Verschlusskrankheit oftmals problematisch, da durch ungünstige Lokalisation, starke Sekretion und Ödembildung bei chronischer bakterieller Kontamination auf dem Wundgrund für eine MeshgraftTransplantation erschwerte Einheilungsbedingungen bestehen. Zur Konditionierung des Wundgrundes beim Ulcus cruris, d. h. zur Anzucht eines Granulationsrasens und zur Vermeidung des Wegschwemmens des Hauttransplantats eignet sich die von Fleischmann et al. vorgestellte Methode der Vakuumversiegelung (6, 8). Mit der VVS steht ein geschlossenes Verbandssystem zur feuchten Wundbehandlung mit festem Kontakt zur Wundoberfläche sowie Schutz vor Kontamination mit Hospitalkeimen und Dekontamination von Bakterien durch ständigen schwerkraftunabhängigen Sekretabtransport zur Verfügung (7). Ziel unserer Untersuchung war es, den Nutzen der Vakuumversiegelung bei der Behandlung des Ulcus cruris venosum als auch dem Ulcus cruris arteriosum zu erfassen.

Patienten, Material, Methode Zwischen 1996 und 2003 wurden 55 Patienten (23 Männer, 32 Frauen, Durchschnittsalter: 68,3 Jahre) mit einem Ulcus cruris mit Hilfe der Vakuumversiegelung behandelt und im Rahmen einer prospektiven Studie untersucht.

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Es handelte sich bei 10 Patienten um Ulzera arterieller Genese, ● 18 Patienten um arterio-venöse Ulzera und bei ● 27 Patienten um rein venöse Ulzera. ●

Im Rahmen der präoperativen Abklärung wurde bei allen Patienten der arterielle Verschlussdruck gemessen. Bei venöser Genese des Ulkus wurde zusätzlich eine aszendierende Phlebographie, bei arterieller Genese eine digitale Subtraktionsangiographie vorgenommen. ● Beim Ulcus cruris arteriosum erfolgte zunächst nach antibiotischer Abdeckung eine arterielle Rekonstruktion. In gleicher Sitzung wurde das Ulkus ausgeschnitten und vakuumversiegelt. Dann wurde die VVS nach ca. vier Tagen gewechselt, bei gutem Wundgrund wurde in gleicher Sitzung ein Meshgraft transplantiert und erneut vakuumversiegelt. ● Beim Ulcus cruris venosum wurde in ähnlicher Weise verfahren. Nach stadiengerechter Sanierung der Varikosis wurde in gleicher Sitzung das Ulkus ausgeschnitten, eine Fasziektomie durchgeführt und anschließend eine VVS angelegt. Bei gutem Wundgrund wurde nach vier Tagen eine Meshgraft-Transplantation mit VVS angestrebt. In einigen Fällen musste mehrfach eine Vakuumversiegelung durchgeführt werden, um einen gut granulierenden Wundgrund für eine anschließende Defektdeckung mit Haut zu erhalten. Die VVS ist ein okklusiver Wundverband zur Behandlung von chronischen und infizierten Wunden. Die Wunde wird dabei mit einem offenporigen Polyvinylalkoholschwamm (PVA) ausgefüllt. Der PVASchwamm ist mit Redondrainagen durchzogen, die trans- oder epikutan ausgeleitet werden können. Das gesamte Wundareal wird mit einer semipermeablen, wasserabweisenden und atmungsaktiven Polyurethanfolie versiegelt. Beim Anlegen eines Unterdrucks zwischen 40 und 80 kPa mittels Redonflaschen oder mit einer Vakuumpumpe kollabiert der möglichst genau angepasste und an den Wundrändern

fixierte PVA-Schwamm. Der Unterdruck bewirkt einen Abtransport von Wundsekret aus der Wunde. Durch die in den PVA-Schwamm eingezogenen Redondrainagen wird ein gleichmäßiger Sog und Anpressdruck auf der Wunde verteilt. Kam es zum Verlust des Vakuums, wurde schnellstmöglich die VVS erneuert. Bei der vakuumversiegelten MeshgraftTransplantation ist das Vorgehen ähnlich. Die Entnahme der Spalthaut erfolgte in der Regel von der Außenseite des Oberschenkels mit Hilfe des Akku-Dermatoms der Firma Aesculap (Tuttlingen). Die Dicke der Spalthaut variierte – je nach Transplantationsort – zwischen 0,3 und 0,4 mm. Die Entnahmestelle wurde nach Desinfektion mit einem alkoholischen Präparat anschließend mit Fettgaze bestrichen, um ein Anhaften des Dermatoms zu verhindern. Standardmäßig verwenden wir ein Mesh-Verhältnis von 1 : 3. Das gedehnte Transplantat wird auf die Wundfläche gelegt und mit Nähten am Wundrand fixiert, da es sonst zum Verrutschen des Transplantates bei Freigabe des Vakuums durch das Zusammenziehen des Schwammes kommen würde. Die VVS wird nach 5-6 Tagen entfernt.

Ergebnisse An arteriellen Revaskularisationen wurden 16 PIII-Bypässe bzw. krurale Rekonstruktionen durchgeführt, 5 PI-Bypässe und 7 Femoralisgabel-Thrombendarteriektomien mit Profunda-Revaskularisation. Bei den Patienten mit venösen und gemischten Ulzera erfolgte 32-mal ein stadiengerechtes Varizenstripping mit Seitenast-Exhairese und/oder Perforansvenenligatur. Nach Gefäßrevaskularisation bzw. Varizenoperation erhielten 14 von 55 Patienten simultan eine vakuumversiegelte Meshgraft-Transplantation. Bei 22 Patienten wurde nach einer Versiegelungsdauer von 4-6 Tagen eine Meshgraft-Transplantation bei gutem Wundgrund erreicht und bei 19 Patienten war ein mehrmaliger Versiegelungswechsel zur Konditionierung eines geeigneten Wundgrundes nötig (Abb. 1a-d).

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a)

b)

c)

d)

Abb. 1 Chronisch-venöse Insuffizienz bei 71-jähriger Patientin a) präoperative Weichteilverhältnisse; b-d) Zustand nach Operation (chirurgisches Debridement und VVS-Entfernung) am Tag 6 (b), 11(c) und 22 (d)

Zur vollständigen Einheilung des Meshgraft-Transplantats kam es bei 30 Patienten (54,5%). Bei 19 Patienten (34,5%) heilte das Transplantat zu 75-90%, bei 6 Patienten (11%) zu weniger als 75% ein, so dass die Meshgraft-Transplantation wiederholt wurde (Tab. 1a). Bei einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten zeigten sich bei 41 Patienten die Ulzera verschlossen, bei 4 Patienten war es zu einem Rezidivulkus gekommen und bei 10 Patienten war das Ulkus nicht vollständig geheilt (Tab. 1b).

Tab. 1 Ergebnisse 12 Wochen nach Operation (a) und nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten (b) a)

b)

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Diskussion Die Vakuumtherapie, eine okklusive Methode zur Behandlung von akuten, chronischen und infizierten Wunden, ist ein gängiges und erfolgreiches Verfahren der Wundbehandlung bzw. der temporären Weichteildeckung. Wundgebiet und der in die Wunde eingebrachte Schwamm werden mit einer Polyurethanfolie luftdicht abgedeckt und der Unterdruck mit Hilfe einer Redonflasche oder einer Vakuumpumpe erzeugt. Hierdurch entsteht ein geschlossenes System, das vor bakterieller Besiedlung von außen schützt und durch den Sekretabtransport zu einer Keimreduktion in der Wunde führt. Beim Anlegen eines Unterdrucks kollabiert der eingelegte Schwamm. Zu beachten ist der Unterschied der beiden bekannten Vakuumsysteme für die Vakuumtherapie: Während bei V.A.C. (Vacuum assisted closure) aufgrund der Untersuchungen von Morykwas et al. (21) Unterdrücke bis maximal 200 mmHg angewandt werden, sind es bei VVS solche bis 600 mmHg. Der Unterdruck in handelsüblichen Redonflaschen beträgt 60-80 kPa (ca. 450-600 mmHg). Daher stammen auch die Bezeichnungen Niederdruck- (bei V.A.C.) und Hochdrucksystem (bei VVS) (2). Der Polyurethanschwamm des V.A.C.Systems ist schwarz, sehr elastisch, mit gleichmäßiger Porengröße und hydrophob, im Gegensatz zum weißen PVA-Schwamm der VVS, der bei variabler Porengröße reißfester und hydrophil ist. Bei der VVS wurde von Anfang an ein weißer PVA-Schwamm verwendet (8). Der Unterschied zwischen Polyurethan (PU) und PVA ist neben der Farbe die Fähigkeit Flüssigkeiten durchzuleiten. Während der PVA-Schwamm hydrophil ist und seine Poren in ihrer Größe variieren, zeichnet sich der PU-Schwamm durch seine hydrophobe Konsistenz und sehr gleichmäßige Porengröße aus. Der weiße PVA-Schwamm unterstützt das physiologisch feuchte Wundmilieu durch seine hydrophilen Eigenschaften. Die unterschiedliche Porengröße verhindert ein Einwachsen des Wundgrundes, so dass es beim Entfernen der Versiegelung nicht zum Abreißen der oberen Zellschichten kommt. Diese Art von Debridement ist besonders bei der Phlebologie 4/2004

vakuumversiegelten Hauttransplantation unerwünscht. Der schwarze PU-Schwamm transportiert dagegen Wundsekret aufgrund seiner hydrophoben Eigenschaften schneller von der Wundoberfläche ab und ist deshalb eher für akute und stark sezernierende Wunden geeignet. Ein weiterer Unterschied besteht in den Drainagen. Während beim PVA-Schwamm in beiden Systemen Redondrainagen der Größe 16 Charriere als Standard eingesetzt werden, wird beim PU-Schwamm aufgrund seiner größeren Poren und gleichmäßigeren Verteilung seiner Feinstruktur eine Drainage mit der Größe 20 Charriere genutzt, die weicher als herkömmliche Redondrainagen ist. Bei unseren Patienten kam nur die VVS als Therapieverfahren zum Einsatz. Bei der Behandlung chronischer Ulzera am Unterschenkel orientiert sich das weitere therapeutische Vorgehen an der Genese der Ulzera. Bei arteriellen bzw. gemischten Ulzera ist der therapeutische Ablauf in Anlehnung an das IRA-Prinzip (Infektionsbehandlung, Revaskularisation, Amputation) nach Vollmar in folgende Abschnitte gegliedert (24): ● Zunächst steht die Infektionsbehandlung mit systemischer Antibiose und/ oder lokalen Antiseptika im Vordergrund (3, 4, 18, 23). ● Dieser Maßnahme folgt der Revaskularisationsversuch mit operativen Mitteln und – falls nicht möglich – mit konservativen Maßnahmen im Sinne von rheologischer Infusionstherapie. ● Erst danach lassen Maßnahmen zur Deckung der Ulzera auf Erfolg hoffen (18, 22, 23). Bei venösen Ulzera geht den Defektdeckungen eine Infektions- und abgestufte Kompressionsbehandlung voraus sowie eine stadiengerechte operative Sanierung des extrafaszialen Venensystems (15). ● Sind die beschriebenen Vorbehandlungen bei den Ulzera arterieller und venöser Genese erfolgt, folgt das Debridement des Ulkusgrundes mit Exzision der darunter liegenden Faszie (18, 19). Dadurch wird ein gut durchblutetes Empfängerareal erreicht, das mit der Vakuumtherapie weiter konditioniert wird.

Die Sicherstellung der Ernährung des Transplantates durch das Wundbett gehört zu den vorrangigsten chirurgischen Überlegungen (25). Die komplette Einheilung einer Hauttransplantation zu erreichen ist schwierig. McGregor beschrieb 1980 die drei Hauptschwierigkeiten (20): ● Gefahr der schlechten Vaskularität und Infektion des Empfängergebiets, ● Hauttransplantat: Dehnen bewirkt keine veränderte Grundstruktur der Haut und somit keine höhere Einheilungsrate (5). ● Verbindung zwischen Graft und Wundbett: Häufigste Ursache für ein Nichteinheilen ist das Abheben des Transplantats durch Hämatom oder Ödem des Wundbetts. Problembehaftet sind ferner die Mikrobewegungen zwischen Graft und Wundbett, die vor allem in den ersten 72 Stunden die Revaskularisierung des Transplantats stören. Die vakuumversiegelte MeshgraftTransplantation bietet bei einigen dieser Probleme wesentliche Vorteile gegenüber der herkömmlichen Meshgraft-Transplantation. Mit der VVS besteht die Möglichkeit, die Wunde vor Kontamination von außen zu schützen (13). Dies ist besonders auf Intensivstationen mit erhöhtem Aufkommen nosokomialer Keime wichtig. Durch den Unterdruck von ca. 40-80 kPa kommt es gemäß dritten Newtonschen Axiom (Kraft = Gegenkraft) trotz der Energieverluste durch die Elastizität des Schwammes und der Folie zu einem positiven Anpressdruck auf die Wundfläche. Die Atmosphäre drückt auf den Schwamm und verhindert dadurch Mikrobewegungen zwischen Graft und Wunde. Dieser positive Anpressdruck erreicht Werte um 20 mmHg, so dass die Wundperfusion nicht beeinträchtigt wird (1). Durch das geschlossene Wundsystem ist eine feuchte Wundbehandlung garantiert, die schnelle Einheilung ermöglicht (13, 16). Durch den aktiven Abtransport des Wundsekrets durch Redondrainagen bzw. durch die Vakuumpumpe wird das so genannte Abschwimmen des Transplantates durch Flüssigkeitsansammlung verhindert. Außerdem führt es im Wundbereich zu einer Anhebung des

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pH-Werts auf >7,4, der das Einheilen von Hauttransplantationen begünstigt (3, 9). Der von uns verwendete weiße PVASchwamm ist hydrophil und besitzt kleine Poren. Ein Verkleben der Haut mit dem Schwamm wurde in keinem Fall beobachtet, ebenso wenig überschießendes Granulationsgewebe durch die Transplantatmaschen. Trotzdem ist auch hier bei der Entfernung der Versiegelung auf behutsames Vorgehen zu achten. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die primäre Mesh-Einheilungsrate von >75% des transplantierten Gewebes bei 49 von 55 Patienten (89%) gelang. Bei 6 Patienten (11%) kam es zu einer Einheilung von weniger als 75% des Transplantates (Tab. 1). Bei ihnen wurde durch operative und konservative Maßnahmen keine wesentlich verbesserte Einheilung erreicht. Unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraum von 40 Monaten (Tab. 2) zeigt sich, dass es bei vier Patienten zu einem Rezidivulkus kam. Bei einem dieser Patienten war es zu einem Bypassverschluss gekommen (der operativ revidiert wurde) und bei drei Patienten zu einer Rezidivvarikosis.

Schlussfolgerung Vor der Transplantation ist eine stadienadaptierte Sanierung und Wundkonditionierung unerlässlich. Neben der lokalen und systemischen Infektsanierung sollte bei venöser Genese eine stadiengerechte Sanierung der Varikosis mit Fasziektomie bzw. bei arterieller Genese eine Revaskularisation zur optimalen Vorbereitung des Wundgrundes erfolgen.

Wir zeigten, dass mit der VVS eine schnelle und effektive Wundkonditionierung möglich ist. Durch die kontinuierliche Sekretableitung werden verbesserte Einheilungsbedingungen für Hauttransplantationen geschaffen. Sie bewirkt einen positiven Anpressdruck auf den Wundgrund und verhindert zuverlässig das Abschwimmen des Meshgraft-Transplantates. Nach unseren Erfahrungen bietet der hydrophile weiße PVA-Schwamm bessere Voraussetzungen für eine hohe Einheilungsrate.

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Korrespondenzadresse: Dr. med. Gisela Halter Abteilung für Thorax- und Gefäßchirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm E-Mail: [email protected]

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