Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Urbane Kultur im Stadtquartier Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen für die Essener Stadtteile Schonnebeck, Stoppenberg und Katernberg mit Zeche Zollverein

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Studie: Urbane Kultur im Stadtquartier

Planungsbüro Drecker Ingenieur-, Grün- und Landschaftsplanung Bottroper Straße 6 46244 Bottrop-Kirchhellen

Bearbeiter:

Dipl.-Ing. Peter Drecker M. Sc. Viviane Trautvetter (Koautor und wissenschaftliche Beratung) Dipl. Geogr. Romy Zischner

Berater: Thies Schröder ts planungskommunikation, Berlin

Förderer: RAG Stiftung Rüttenscheider Straße 1-3 45128 Essen

I

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Inhalt Abbildungsverzeichnis................................................................................... IV Zusammenfassung ......................................................................................... VI 1

Einführung ..............................................................................................1 1.1 1.2

2

Problemstellung ............................................................................................................... 1 Möglichkeiten der Städtebauförderung auf Bundes- und Landesebene ......................... 3

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung....................6 2.1 2.2

3

Fragestellung und Aufbau der Untersuchung .................................................................. 6 Methodische Vorgehensweise ......................................................................................... 9

Der Stadtbezirk VI in Essen .................................................................17 3.1 3.2 3.3

4

Lage ............................................................................................................................... 18 Sozial- und Wirtschaftsstruktur ...................................................................................... 19 3.2.1 Einwohner- und Sozialstruktur .......................................................................... 19 3.2.2 Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur .......................................................... 28 Das Programm Soziale Stadt im Stadtbezirk................................................................. 34

Vergangenheit und Gegenwart der Zeche Zollverein........................39 4.1 4.2

5

Zeche Zollverein als ökonomischer Mittelpunkt der angrenzenden Stadtteile .............. 39 Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein und seine Neunutzung ....................................... 40

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk...................................................43 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

6

Beschäftigungseffekte im Stadtbezirk VI – heute und in Zukunft .................................. 43 Langjährige Kooperationsstrukturen als Grundlage für die heutige Zusammenarbeit .. 52 Bildung und Soziales im Stadtbezirk VI ......................................................................... 59 Kinder und Jugendliche im Stadtbezirk VI ..................................................................... 62 Selbst- und Fremdbild des Stadtbezirks VI.................................................................... 73 Nutzung und Funktion der Zeche Zollverein .................................................................. 77 Förderungen im Stadtbezirk VI ...................................................................................... 87

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen ..................................90 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

Beschäftigung ................................................................................................................ 91 Kooperation .................................................................................................................... 95 Bildung und Soziales...................................................................................................... 98 Kinder und Jugendliche................................................................................................ 101 Image ........................................................................................................................... 105 Zeche Zollverein als Freizeit- und Kulturort ................................................................. 108 II

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7

Schlussbemerkung ............................................................................112

8

Quellenverzeichnis.............................................................................114 8.1 8.2

Literatur ........................................................................................................................ 114 Gesprächspartner ........................................................................................................ 118

Anhang ..........................................................................................................120

III

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Mal-Aktion „Das gefällt mir in meiner Umgebung“........................................... 13 Abb. 2: Mal-Aktion in der Klasse 3a der Herbartschule ............................................... 13 Abb. 3: Beteiligte des Jugendhauses Stoppenberg..................................................... 14 Abb. 4: Beteiligte des Jugendhauses Nord ................................................................. 15 Abb. 5: Aufbau der Untersuchung............................................................................... 16 Abb. 6: Problemwirkungen im Stadtbezirk VI .............................................................. 17 Abb. 7: Stadtteile und Stadtbezirke der Stadt Essen, Hervorhebung des Stadtbezirks VI ................................................................................................................................... 18 Abb. 8: Bevölkerungsentwicklung von 1993 bis 2006 im Stadtbezirk .......................... 19 Abb. 9: Bevölkerung nach Altersgruppen von 1993 bis 2006 in den Stadtteilen.......... 20 Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung (unter 18 und über 65 Jahre) in Essen und im Stadtbezirk VI ............................................................................................................. 21 Abb. 11: Anteil der Personen mit Migrationshintergrund nach Stadtteilen 1993 und 2006 ........................................................................................................................... 21 Abb. 12: Personen mit Migrationshintergrund in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006 ................................................................................................................................... 22 Abb. 13: Bevölkerungsveränderung von 1993 bis 2006 (gesamt, deutsch, Migrationshintergrund) in den Stadtteilen des Stadtbezirks VI .................................... 23 Abb. 14: Einwohnerverteilung mit Migrationshintergrund nach Herkunftsland ............. 24 Abb. 15: Versorgungsquote von Kleinkindern (0 bis 3 Jahre) im Stadtbezirk VI .......... 25 Abb. 16: Versorgungsquote von Kindergartenkindern (3 bis unter 6 Jahre) im Stadtbezirk VI ............................................................................................................. 25 Abb. 17: Versorgungsquote von Schulkindern (6 bis 14 Jahre) im Stadtbezirk VI ....... 26 Abb. 18: Übergänge von Grund- auf weiterführende Schulen ..................................... 27 Abb. 19: Übergänge von Grund- auf weiterführende Schulen in Zahlen...................... 28 Abb. 20: Ausmaß der Arbeitslosigkeit unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Essen und im Stadtbezirk VI am 31.12.2006 ......................................................................... 29 Abb. 21: Arbeitslose in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006 ................................... 30 Abb. 22: Personen mit existenzsichernden Hilfen in den Stadtteilen, dem Stadtbezirk und der Gesamtstadt am 31.12.2006.......................................................................... 31 Abb. 23: Personen mit existenzsichernden Leistungen in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006.................................................................................................................. 32 Abb. 24: Altersstruktur der von existenzsichernden Hilfen Betroffenen in den Stadtteilen, im Stadtbezirk und in der Gesamtstadt am 21.12.2006 ............................ 33 IV

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Abb. 25: Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen................................................ 35 Abb. 26: Organisation und Kooperation im Stadtbezirk VI........................................... 37 Abb. 27: Synergien durch die Zusammenarbeit .......................................................... 54 Abb. 28. Potenzielle Wirkungskette zwischen Armut und Bildung im Stadtbezirk VI ... 60 Abb. 29: Wunsch nach mehr Freizeitmöglichkeiten, Kinderzeichnung ........................ 68 Abb. 30: Sportplatz und Erfolg, Kinderzeichnung ........................................................ 68 Abb. 31: Spielgeräte im Nordsternpark, Kinderzeichnungen ....................................... 69 Abb. 32: Freizeit im Nordsternpark, Kinderzeichnungen ............................................. 69 Abb. 33: Wunsch nach mehr Sicherheit, Kinderzeichnung.......................................... 71 Abb. 34: Negativbewertung der bestehenden Wohnsubstanz, Kinderzeichnung......... 72 Abb. 35: Fatih-Moschee, Kinderzeichnung.................................................................. 72 Abb. 36: Selbst- und Fremdbild des Stadtbezirks VI ................................................... 75 Abb. 37: Boccia-Treff auf dem Zollvereingelände........................................................ 78 Abb. 38: Kleiner Imbiss auf Zollverein......................................................................... 81 Abb. 39: Zeche Zollverein, Kinderzeichnung............................................................... 83 Abb. 40: Zeche Zollverein bei der Eröffnung zur Kulturhauptstadt, Kinderzeichnung .. 84 Abb. 41: Positive Entwicklung des Stadtbezirks VI einschließlich Zeche Zollverein .. 113

V

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Zusammenfassung Über die Synergieeffekte von Zeche Zollverein auf die umgebenden Stadtteile Schonnebeck, Schonnebeck, Stoppenberg und Katernberg (Stadtbezirk VI in Essen) liegen erst wenige Kenntnisse vor. Aufgabe der Studie ist es, bestehende vielschichtige wirtschaftliche, sozialen und kulturellen Problembereiche in den drei Stadtteilen analytisch aufzuzeigen, mit möglichen Potenzialen, die mitunter von Zollverein ausgehen könnten, in Verbindung zu bringen und Empfehlungen für das weitere Handeln vor allem unter Berücksichtigung der Teilhabe der Bewohner in den Stadtteilen und für Zollverein auszusprechen. Dabei stehen leitende Fragestellungen im Hinblick auf Entwicklungen, Auswirkungen sowie Potenziale im Mittelpunkt der Untersuchung (siehe Kapitel 2.1). Die Ergebnisse der Studie basieren dabei auf der Erfassung und Analyse von Primärund Sekundärdaten. Während sich die Sekundärdatenanalyse auf die Auswertung statistischer Daten der Stadt Essen, unterschiedlicher Projektberichte und Publikationen über die Historie und Entwicklung der Zeche Zollverein stützen, wurde zudem eine umfassende eigene empirische Erhebung durchgeführt. Einerseits wurden leitfadengestützte Interviews mit entwicklungsbestimmenden Vertretern und Akteuren der Bereiche Wirtschaft, Öffentlichkeit, Kultur, Bildung und Soziales des Stadtbezirks VI geführt, andererseits wurden Aktionsräume und Wahrnehmungen von Kindern und Jugendlichen mittels Erstellung von Mental Maps bzw. Tagesprotokollen ermittelt. Die Methodik ist somit eine Kombination aus analytischen und partizipativ-dialogorientierten Verfahren (siehe Kapitel 2.2). Bei dem Stadtbezirk VI der Stadt Essen handelt es sich um einen altindustriell geprägten Raum, der nach Beendigung der industriellen Nutzung überwiegend durch negative Standortmerkmale gekennzeichnet war. Noch heute ist der Stadtbezirk mit vielschichtigen wirtschaftlichen und sozialen Problemlagen wie einer hohen Arbeitslosigkeit, einem erheblichen Migrantenanteil, oftmals niedrigen bis fehlenden Bildungsabschlüssen sowie einer finanziellen und sozialen Armut bei den Bewohnern gekennzeichnet. Durch vielfältige Förderungen, Projekte und Maßnahmen, die vor allem durch das Programm „Soziale Stadt“ getragen wurden, konnten bereits erste Verbesserungsansätze hervorgerufen werden (siehe Kapitel 3 und 5.7).

VI

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Im Rahmen dieser Studie konnten sechs Schwerpunktthemen, die Potenziale und Handlungsfelder des Stadtbezirks VI kennzeichnen, erarbeitet werden. Dabei wird der Fokus auf die Bereiche Beschäftigung, Kooperation, Bildung und Soziales, Kinder und Jugendliche, Selbst- und Fremdbild sowie Nutzung und Funktion der Zeche Zollverein gerichtet (siehe Kapitel 5). Das Thema Beschäftigung hat für den Stadtbezirk vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der Zeche Zollverein (Kapitel 4) eine tragende Funktion. Nach der Schließung der Zeche Zollverein und deren Sanierung liegt nun der Beschäftigungsschwerpunkt im Bereich Design, welcher kaum Beschäftigungseffekte für die Bewohner der benachbarten Stadtteile hat. Im Dienstleistungs- und Tourismusbereich dagegen sind Beschäftigungspotenziale für die Bewohner festzustellen (siehe Kapitel 5.1 und 6.1). Ebenenübergreifende, langjährige Kooperationsstrukturen sind charakteristisch für den Stadtbezirk VI. Aus dieser Struktur der Zusammenarbeit haben sich bereits weitreichende Synergien ergeben. Gerade dieses Potenzial ist die Basis für eine zukunftsweisende Entwicklung des Stadtbezirks (siehe Kapitel 5.2 und 6.2). Im Bereich Bildung und Soziales sind im Stadtbezirk deutliche Schwächen zu vermerken. Trotz eines nicht geringen Engagements im Bildungsbereich seitens verschiedener Akteure, scheint eine Art Kreislauf von Armut, geringer Bildung und Arbeitslosigkeit schwer zu durchbrechen. Eine sich daraus entwickelnde Perspektivlosigkeit, welche bereits bei Kindern und Jugendlichen beginnt, lässt bewohnerseitige Entwicklungschancen im Stadtbezirk gering erscheinen und nur mit einer massiven Verbesserung im Bildungs- und Beschäftigungsbereich ermöglichen (siehe Kapitel 5.3 und 6.3). Kinder und Jugendliche stellen ein Schlüsselthema für die zukünftige Entwicklung dar. Während Städte generell eher dem Problem einer zunehmenden Alterung der Bevölkerung begegnen müssen, steht der Stadtbezirk VI dagegen eher vor der Herausforderung, das vorhandenen Potenziale an jungen Menschen zukunftsweisend zu nutzen. Um dieses Stadtteilentwicklungspotenzial wirksam einzusetzen, muss zunächst dringend eine umfangreiche Verbesserung insbesondere im sozialstrukturellen Bereich erfolgen. Weiterhin wird ein raumplanerisches Potenzial in der Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen in die zukünftige Entwicklung des Stadtbezirks sichtbar gemacht (siehe Kapitel 5.4 und 6.4). VII

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Als positiv zu verzeichnen ist das persönliche Empfinden und die Wahrnehmung (Selbstbild) der im Stadtbezirk VI lebenden Bewohner im Hinblick auf die eigene Umgebung und die bereits erkennbaren Veränderungen. Dagegen fällt die Beurteilung stadtbezirksferner Personen deutlich negativer aus (Fremdbild), was nicht nur auf Basis der vorhandenen Problemlagen entstanden ist, sondern auch vor allem durch ein gefestigtes Meinungs- und Stimmungsbild weitergetragen wird. Eine Lockerung dieses tendenziell negativen Fremdbildes wird in der Studie als bedeutsam herausgestellt (siehe Kapitel 5.5 und 6.5). Das Gelände von Zollverein wird sowohl von Touristen als auch von den Bewohnern der benachbarten Stadtteile sowie von hauptsächlich nicht im Stadtbezirk lebenden Arbeitnehmern genutzt. Während die Bewohner der angrenzenden Stadtteile das Gelände eher als Freizeit- und Identifikationsort in Anspruch nehmen, hat Zeche Zollverein für Touristen eine eher erlebnisorientierte Bedeutung. Eine weitere Nutzung kommt den dort Beschäftigten zu Gute, die Zollverein als Arbeitsort erleben. Aufgrund der diversifizierten Nutzung von Zollverein lassen sich Potenziale erkennen, die besonders im Bereich Beschäftigung den Bewohner der benachbarten Stadtteile zu Gute kommen sollten (siehe Kapitel 5.6 und 6.6). Mit der vorliegenden Studie liegen grundsätzliche Aussagen über den Wirkungszusammenhang von Zeche Zollverein und den umgebenden Stadtteile Schonnebeck, Stoppenberg und Katernberg vor. Durch das Herausarbeiten wichtiger Schwerpunktthemen sind Ansatzpunkte entwickelt worden, die für das Eingreifen und zukunftsfähige Verändern der momentanen Situation Möglichkeiten aufzeigen. Eine vertiefende Analyse dieser Themen und das darauf aufbauende Herausarbeiten von Konsequenzen und Empfehlungen spezifiziert diese (siehe Kapitel 6). Zur weiteren Verbesserung der Kenntnisse und des Entwerfens eines themenspezifischen Maßnahmenkatalogs ist eine weitere Intensivstudie ratsam.

VIII

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1 Einführung 1.1

Problemstellung

Die Metropole Ruhr ist mit einer Fläche von 4.435 km² und 5,25 Millionen Einwohnern der größte Ballungs- und Metropolraum Deutschlands. Seine zentrale Lage innerhalb Europas (weniger als zweieinhalb Stunden Flugzeit nach Paris, London, Amsterdam, Madrid, Rom oder Wien) ist mit ein Grund für 16 der 100 und für 43 der 500 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands, ihren Firmensitz in der Metropole Ruhr zu haben (WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG METROPOLERUHR GMBH 2009B, 6 – 9). Mit fünf Universitäten, zehn Fachhochschulen, vier Fraunhofer-Instituten, vier Leibnitz-Instituten, drei Max-PlanckInstituten und mehr als 30 Technologie- und Innovationszentren ist die Metropole Ruhr eine der dichtesten Forschungs- und Hochschullandschaften Europas. Darüber hinaus zeichnet sich die Metropole Ruhr über eine einzigartige, international anerkannte Kulturlandschaft aus, z. B. durch das Weltkulturerbe Zeche Zollverein, die Route der Industriekultur, die RuhrTriennale oder die Kulturhauptstadt Europas 2010. Doch weist die Region neben diesen Stärken auch Bereiche auf, in denen auffallende Defizite zu vermerken sind. Neben der Prägung der Region durch einen umfassenden Wandel der Wirtschaftsstruktur von der Monostruktur der Montanindustrie zu einer differenzierten, modernen Industrie- und Dienstleistungslandschaft steht die polyzentrische Region vor mehreren Herausforderungen. Kräftezehrend sind sowohl eine politische Gemengelage als auch ein intensiver Wettbewerb zwischen den einzelnen Kommunen und eine zunehmende Konkurrenz um die Ansiedlung von Unternehmen, um qualifizierte Arbeitnehmer, um Einwohner und Touristen, um die Austragung von Messen und Großveranstaltungen, um die Ansiedlung von renommierten Verwaltungs- und Wissenschaftseinrichtungen sowie um Fördermittel. Der starke demographisch bedingte Bevölkerungsrückgang und überregionale Abwanderungen bewirken einen drastischen Rückgang städtischer Bevölkerungszahlen, verbunden mit dem Verlust an qualifizierten Arbeitskräften. Begleitet wird dieser Prozess durch den allgemeinen Trend der Alterung unserer Gesellschaft und den Anstieg des Bevölkerungsanteils mit Migrationshintergrund. Leerstände sowohl im Wohnungs- (im Ruhrgebiet ca. 2,8 % im Durchschnitt) als auch im Gewerbebereich (Bsp.: Duisburg 2,1 %; Dortmund 3,8 %; Essen 4,8 % (ARMIN QUESTER IMMOBILIEN GMBH 2009, 4)) gekoppelt mit einer erheblichen Finanzknappheit der kommunalen Kassen führen im Resultat zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Abwertung von Citybereichen und innerstädtischen Wohnvierteln. Diese Einführung

1

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vielschichtige Problembündelung stellt eine gravierende Herausforderung sowohl für einzelne Städte als auch die gesamte Region Metropole Ruhr dar. Aufgrund der vielfachen Multiplizierung der Probleme in kommender Zeit und sinkenden staatlichen Handlungskapazitäten werden Städte vermehrt in eine Planung und Umsetzung vor Ort gedrängt (z. B. Arbeitsmarktpolitik, Kulturförderung, etc.). Eine dadurch oftmals entstehende Überforderung einzelner Kommunen wird durch die problematische Haushaltslage noch gesteigert. Trotz eines hohen Entwicklungspotenzials durch verschiedenste brachliegende bzw. freistehende Flächen und ungenutzte, altindustrielle Traditionswohnsiedlungen scheint das Interesse von Investoren bislang gedämpft, so dass die Immobilienwirtschaft, die sich mit der Entwicklung, Bewirtschaftung und Vermittlung von Wohn- und Gewerbeimmobilien befasst, ebenfalls vor großen Herausforderungen, aber auch entscheidenden zukunftsweisenden Entwicklungspotenzialen steht. Um langfristig neue Perspektiven schaffen und bestehende Potenziale der Metropole Ruhr nutzen zu können, werden bei der Stadt- und Regionalentwicklung Kreativität sowie Innovations- und Lernfähigkeit als Schlüsselfaktoren gesehen (LIEBMANN 2008, 1). So stehen heute kreative Wirtschaftsbranchen, wie die Musikwirtschaft, der Literatur-, Buch- und Pressemarkt, die Film-, Rundfunk- und Fernsehwirtschaft, der Theatermarkt (Darstellende Kunst und Unterhaltungskunst) und der Kunstmarkt mit den ergänzenden Branchen Mode, Werbung und Design, in vielen Metropolen deutschland-, europa- und sogar weltweit im Mittelpunkt integrierter Wirtschafts- und Stadtentwicklungsstrategien. Diverse Städte wie Singapur, New York, London, Wien oder Hamburg sind Beispiele für eine Neufokussierung der städtischen Entwicklungsstrategien. Mit der Entdeckung von Stadtquartieren durch „(kreative) Pioniere“, die weniger mit ökonomischem als mit kulturellem Kapital ausgestattet sind, beginnt ein Prozess der Raumaneignung, der Neuinterpretation und der Wiederbelebung, der in einem Aufwertungsprozess von Stadtvierteln münden kann. Um eine langfristige Image- und Wertsteigerung der problembelasteten Wohnquartiere zu erreichen, muss die anfängliche soziale und wirtschaftliche Dynamik weitere Qualifizierungsprozesse wie z. B. ergänzende Neubauten sowie sanierende Bestandspflege nach sich ziehen. Von den eben genannten Problemen ist auch die Stadt Essen in der Metropole Ruhr nicht verschont. Besonders der Essener Norden ist von vielschichtigen strukturellen Problemen betroffen und ihm haftet ein äußerst negatives Image an. Mit der SchlieEinführung

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ßung der rund 30 Jahre im Betrieb gewesenen Zeche Zollverein im Jahr 1986 und der Kokerei Zollverein im Jahr 1993 verlor der Essener Norden seinen entscheidenden Arbeitgeber. Ein enormer Abbau von Arbeitsplätzen auf der Zeche (1956 waren noch 8.100 Beschäftigte, im letzten Betriebsjahr 1986 nur noch 3.885 Beschäftigte auf der Zeche tätig (GANZELEWSKI; SLOTTA 1999, 39)) führte zu einer erheblichen Arbeitslosigkeit und löste einen strukturellen Wandel aus, dessen Folgen bis heute spürbar sind. Ein Reihe baulicher, sozialer und kultureller Probleme, wie z. B. schlechte Wohnverhältnisse, der Mangel an Zukunftsperspektiven vor allem für junge Leute und eine hohe Zahl an sozial benachteiligten Einwohnerinnen und Einwohnern machen den angrenzenden Stadtteilen Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg noch bis heute zu schaffen.

1.2

Möglichkeiten der Städtebauförderung auf Bundes- und Landesebene

Um den allgemein gewandelten wirtschaftlichen und sozialstrukturellen Rahmenbedingungen begegnen und die daran anschließenden Aufgaben und Herausforderungen bewältigen zu können, wurden auf Gesamtbundesebene unterschiedliche Programme initiiert. Aktuelle Programme sind: 

Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen seit 1971,



Städtebaulicher Denkmalschutz sei 1991,



Soziale Stadt seit 1999,



Stadtumbau Ost seit 2003,



Stadtumbau West seit 2004,



Aktive Stadt- und Ortsteilzentren seit 2008 und



Investitionspakt zur energetischen Modernisierung von Schulen und Kindergärten.

Diese Programme, die die Förderung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen zum Ziel haben, werden mit Mitteln der Länder und Kommunen ergänzt. Der Bund regt dazu an, die Veränderungen als Chance zu sehen und sich den Herausforderungen als Stadt aktiv zu stellen (BMVBS 2010). Wesentliche Grundlagen sind dabei eine Modernisierungsbereitschaft, Demokratie und der Wunsch, die wirtschaftlichen und ökologischen Grundlagen zu erhalten und zu verbessern (BMVBS 2010). Ebenfalls steht fest, dass Städte ihre neuen Aufgaben und Herausforderungen nur dann bewältigen können, wenn sie die Lebensinteressen aller Beteiligten unmittelbar berücksichtigen und Mitgestaltung und Mitbestimmung zunimmt (BMVBS 2010). Einführung

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Die Förderfähigkeit von Maßnahmen und Vorhaben sowie Förderschwerpunkte und nähere Auswahlkriterien werden nach den Förderrichtlinien der einzelnen Länder geregelt, so dass auf Länderebene die programmatische Zielsetzung stattfindet. Die Vorbereitung und Durchführung der Maßnahmen fällt unter die kommunale Planungshoheit und findet somit auf der kommunalen Ebene statt. Für die zukunftsfähige städtebauliche Entwicklung stehen insbesondere folgende Themenschwerpunkte im Mittelpunkt (BMVBS 2010): 

Siedlungsentwicklung unter veränderten Rahmenbedingungen – Orientierung auf die Städte,



Kooperation der Städte im regionalen Maßstab ausbauen,



Rückgang der Flächeninanspruchnahme als Chance nutzen – Wohnquartiere für Familien mit Kindern attraktiver machen,



Sozial stabile Stadtquartiere schaffen – Migration als Chance nutzen,



Altengerechten Umbau der Infrastruktur angehen,



Mobilität stadt- und umweltverträglich gestalten,



Städte als Wirtschafts- und Innovationsstandorte stärken,



Einzelhandel in seiner Vielfalt erhalten – Stärkung der zentralen Versorgungsbereiche,



Zusammenwirken von kommunaler Planung und privaten Investoren verbessern.

Das Land NRW hat für das Jahr 2009 den Kommunen insgesamt 261 Millionen Euro für Maßnahmen im Städtebau bereitgestellt. Dies ist seit zehn Jahren die höchste Fördersumme für den Ausbau der Innenstädte, die Sanierung unattraktiver Stadtteile und für Projekte des Strukturprogramms Regionale. Diese 261Mio. Euro verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Programme: 

Zuweisungen des Landes für die Förderung von Maßnahmen der Stadterneuerung von 118 Mio. Euro,



Bundesfinanzhilfen für städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen von 13 Mio. Euro,



Bundesfinanzhilfen für die Soziale Stadt von 24 Mio. Euro,



Bundesfinanzhilfen für den Stadtumbau West von 28 Mio. Euro,



Bundesfinanzhilfen für die Aktiven Stadt- und Ortsteilzentren von 9 Mio. Euro,

Einführung

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Bundesfinanzhilfen für den Städtebaulichen Denkmalschutz von 8 Mio. Euro,



Strukturbeihilfen der Europäischen Union von 61 Mio. Euro (MBV 2009A, 1).

Die Förderschwerpunkte der Städtebauinvestitionen des Landes NRW im Jahr 2009 sind die Stärkung der Innenstädte und Stadtteilzentren, die REGIONALEN in NRW sowie der Stadtumbau West und die Soziale Stadt (MBV 2009A, 4). Von den an das Land NRW beantragten 390 Zuschusserwartungen wurden insgesamt 301 Maßnahmen im Programm berücksichtigt. Das Zuschussvolumen von rund 299 Mio. Euro (259 Mio. Euro Förderung und 40 Mio. Euro Förderreserve) stellt sich verteilt auf die Handlungsschwerpunkte wie folgt dar: 

147 Maßnahmen zur nachhaltigen Stärkung der Innenstädte und Stadtteilzentren einschließlich der innerstädtischen Brachflächenentwicklung mit einem Zuschuss von 94 Mio. Euro aus den Programmen Sanierung und Entwicklung, Aktive Zentren und städtebaulicher Denkmalschutz sowie weiteren 36 Mio. Euro für innerstädtische Gebiete der Programme Soziale Stadt und Stadtumbau West, so dass ein Gesamtvolumen von ca. 130 Mio. Euro für die Innenstädte und Ortsteilzentren zur Verfügung steht,



57 Maßnahmen in der Sozialen Stadt mit einem Zuschuss von 76 Mio. Euro,



70 Maßnahmen zum Stadtumbau West mit einem Zuschuss von 88 Mio. Euro,



27 Maßnahmen mit einem Zuschuss von 22 Mio. Euro ausschließlich für die REGIONALEN und 34 REGIONALE-Projekte, die mit 32 Mio. Euro in der aktuellen Förderung aus den anderen Programmen bereitgestellt werden sowie



19 Mio. Euro aus der Förderreserve, die Maßnahmen in der aktuellen Förderung verstärken (MBV 2009A, 5).

In Essen gehören die Stadtteile Altendorf und Katernberg zum Bund-Länderprogramm Soziale Stadt. Während Katernberg 1993 in das Programm aufgenommen wurde und damit eines der ersten Gebiete in Deutschland war, ist Altendorf seit 1998 Programmgebiet der Sozialen Stadt.

Einführung

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2 Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung Für den Stadtteil Essen-Katernberg werden seit Ende der 1980er Jahre gebiets- und sachbezogene Stadterneuerungsprogramme entwickelt. Gemeinsam mit dem Institut für stadtteilbezogene Soziale Arbeit und Beratung (ISSAB) an der Universität DuisburgEssen und weiteren Partnern wurde auf Krisenerscheinungen in Essen-Katernberg reagiert und im Jahr 1993 der Stadtteil in das NRW-Programm „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf / Soziale Stadt“ aufgenommen. Dabei wurden Entwicklungsziele nicht nur für den Stadtteil Katernberg, sondern stadtteilübergreifend auch für die beiden Stadtteile Stoppenberg und Schonnebeck entwickelt. Aufgrund der langjährigen Teilnahme an dem Programm „Soziale Stadt“ wurden bereits vielseitige Untersuchungen durchgeführt, die durch die Stadt Essen mit umfangreichen Datenerhebungen seit 1985 untermauert wurden. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die aktuellen Strukturen im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich in dem Stadtbezirk VI aufzuzeigen und ein Meinungsund Stimmungsbild verschiedenster Akteure nachzuweisen. Es wird gezeigt, inwieweit das heutige Weltkulturerbe Zeche Zollverein mit den drei angrenzenden Stadtteilen wirtschaftlich, sozial und kulturell verflochten ist. Innovative Ideen führen zu neuen Denkanstößen und bestehende Potenziale für den Stadtbezirk inklusive der umgenutzten Zeche werden dargestellt. Diese Studie präsentiert keine fertigen Lösungsvorschläge, sondern zeigt auf, wie die Weiterentwicklung des Stadtbezirks einschließlich des Zollvereingeländes gestaltet werden kann. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Qualitätsverbesserung des Stadtbezirks im Sinne der dort lebenden Bevölkerung (PASTERNAK 2008, 71; STADT ESSEN 2004, 103).

2.1

Fragestellung und Aufbau der Untersuchung

Die Untersuchung „Urbane Kultur im Stadtquartier – Diagnose, Konsequenzen und Empfehlung für die Essener Stadtteile Schonnebeck, Stoppenberg und Katernberg mit Zeche Zollverein“ verfolgt das Ziel, auf der Erkenntnisgrundlage von bestehenden Analysen und Prognosen sowie im Dialog mit Bürgern, Experten und Institutionen Handlungsfelder und -optionen für die langfristige Perspektive der Stadtteilentwicklung im Essener Norden zu identifizieren. Mit den inhaltlichen Schwerpunkten Ökonomie, DeFragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

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mographie, Migration, soziale Segregation, Kultur und Lebensqualität werden die zentralen Handlungsfelder und Herausforderungen des Stadtteils bearbeitet. Die übergreifenden Fragestellungen der Untersuchung lauten:  Welche wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen herrschen im Stadtbezirk VI und inwiefern sind räumliche Schwerpunkte zu identifizieren?  Inwieweit haben sich die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen in den vergangenen 20 Jahren verändert?  Welche Initiativen haben zu einer positiven wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung beigetragen? Das Allgemeininteresse an diesem Themenbereich ist damit begründet, dass das soziale Zusammenleben aufgrund von Prozessen, die mit der Globalisierung, dem Strukturwandel, dem demographischen Wandel, etc. zusammenhängen, zunehmend gefährdet scheint und gleichzeitig die politischen Handlungsspielräume und die finanziellen Ressourcen, die zur Begegnung dieser Gefährdung nötig scheinen, auf allen Ebenen schwinden. Nicht zu unterschätzen ist auch die kulturelle Ebene in einem Stadtquartier. Unter den kulturellen Aspekten werden im Rahmen dieser Untersuchung vor allem weiche Standortfaktoren wie Image, Flair und Atmosphäre gefasst. Diese Fragestellungen bilden die Basis für die weitere Untersuchung, da die daraus gewonnenen Ergebnisse dieser Fragen die Ausgangslage des Stadtbezirks darstellen und die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre aufzeigt. Hier werden die Folgen des strukturellen Wandels untersucht, denen auf politischer, wirtschaftlicher und privater Ebene bereits begegnet wurde. Dabei soll auch ein Blick darauf gelenkt werden, welche Initiativen besonders erfolgreich waren und zu einer positiven Entwicklung beitragen konnten:  Welche Funktion hat die Zeche Zollverein für die Bewohner des Stadtbezirks VI?

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

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 Inwieweit bestehen wirtschaftliche, soziale und kulturelle Synergieeffekte zwischen Zeche Zollverein und dem Stadtbezirk VI?  Wie kann das Weltkulturerbe Zeche Zollverein seinem Auftrag zur räumlichen und funktionalen Integration in den Stadtbezirk VI noch stärker gerecht werden? Die Zeche Zollverein prägte die Entwicklungen des Stadtbezirks VI sehr. Die oben genannten Fragen dienen dazu, herauszufinden, welche Funktion der damalige Arbeitsort von einem Großteil der Bewohner des Essener Nordens heute erfüllt. Stellt die umgenutzte Zeche heute einen Arbeitsort für Bewohner des Stadtbezirks dar? Wird die Zeche in der Freizeit genutzt? Werden Kulturangebote auf der Zeche von den Bewohnern des Stadtteils wahrgenommen? Weiterhin soll untersucht werden, ob und wenn ja, inwieweit Synergieeffekte zwischen der Zeche Zollverein und dem Stadtbezirk VI bestehen. Zwar ist die Skepsis bei der Frage nach den positiven Effekten für die Stadtteile selbst meist groß, doch gilt es zu untersuchen, ob diese Skepsis berechtigt ist. Ebenfalls wird mit der vorliegenden Studie geprüft, wie die Zeche Zollverein noch stärker mit den Stadtteilen verknüpft werden könnte und weshalb eine Integration möglicherweise sinnvoll und auch (ökonomisch) vorteilhaft sein könnte:  Wie können die Entfaltung und Teilhabe der Bewohner unterschiedlicher Herkunft gefördert werden?  Welche ungeahnten Potenziale sind darüber hinaus in dem Stadtbezirk VI vorhanden, um den Herausforderungen zu begegnen? In der Aktivierung der Bewohner liegt eine zentrale Ressource, um den wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, die sich auf lokaler Ebene ergeben, gerecht zu werden. Entsprechend richtet sich die Forschungsfrage vor allem darauf, dieses Potenzial abzuschätzen und die Möglichkeiten auszuloten, dieses Potenzial zu aktivieren. Zudem sollen weitere entwicklungsleitende Potenziale herausgestellt werden.

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

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2.2

Methodische Vorgehensweise

Abgeleitet aus den oben benannten Frage- und Problemstellungen sind flexible empirische Methoden der Daten- bzw. Erkenntnisgewinnung gefordert. Starre und stark vorstrukturierte Erhebungsverfahren sind der Erkenntnisgewinnung weniger dienlich, da diese zu stark richtungweisend und damit aussagebeschränkend wirken können. Insbesondere qualitative Verfahrensweisen der empirischen Sozialforschungen sind geeignete Erhebungsmethoden, da – wie bei dieser Studie erforderlich – eine hohe Flexibilität und Offenheit im Forschungszusammenhang zugelassen wird. Speziell die Betonung der Subjektivität sind Vorteile und Stärken qualitativer Herangehensweisen (U.A. LAMNEK 1995, WESSEL 1996, MAYRING 2002)

und bilden gleichzeitig grundlegenden Anspruch

dieser Untersuchung. Strukturell ergänzend wird sich einer Sekundärdatenanalyse bedient, welche sowohl für grundlegende, aber auch gewonnene Erkenntnisse dienlich ist. Demnach beinhalteten die bei der Studie eingesetzten Methoden sowohl analytische als auch partizipativ-dialogorientierte Verfahren.

Beschreibung des methodischen Vorgehens Als Sekundärdaten dienen vor allem diverse statistische Daten der Stadt Essen sowie Projektevaluationen und Projekterläuterungen zu dem Programm Soziale Stadt. Weitere Literatur, die sich mit der Historie und der Entwicklung bzw. dem Image der Zeche Zollverein auseinandersetzt, wurde ebenfalls in die Untersuchung mit einbezogen. Um darüber hinaus entwicklungsbestimmende Erfahrungen, Meinungen und Stimmungen mit einfließen lassen zu können, wurden weiterhin leitfadengestützte Interviews mit unterschiedlichsten Informanten und Diskutanten der Bereiche Wirtschaft und Soziales, Politik und Öffentlichkeit, Kultur und Bildung geführt. Sowohl Wissenschaftler, lokale Experten und Bewohner wurden mittels leitfadengestützter Interviews befragt. Ausgehend von den übergreifenden Fragestellungen in Kapitel 2.1. wurden themenspezifische Unterfragen aufgestellt, die zur Konzeption der Leitfäden für die Experteninterviews beitrugen (Anhang). Dabei fanden die speziellen Kompetenzbereiche der einzelnen Gesprächspartner Berücksichtigung. Der Ablauf der leitfadengestützten Interviews war an keine feste Reihenfolge gebunden, um individuell auf den Gesprächspartner einzugehen. Insgesamt wurden elf Interviews geführt. Die Interviewfragen waren als offene Fragestellungen formuliert, so dass die Befragten „mit ihren jeweils eigenen Worten antworten können […], sie bei der Antwort nicht durch vorinterpretierte Alternativen beeinflusst sind [und] sie entsprechend vor allem bei Einstellungs- und Bewer-

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

9

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

tungsfragen eine sehr viel differenziertere und nuancenreichere Antwort geben können als bei einer geschlossenen Frageformulierung“ (REUBER & PFAFFENBACH 2005, 77F). Die unterschiedlichen Interviewpartner hatten im Vorfeld des Interviews den Gesprächsleitfaden in schriftlicher Form erhalten. Alle Gespräche wurden auf Tonband aufgenommen und später teils wörtlich und teils inhaltlich transkribiert. Die protokollierten Gespräche liegen als separater Interviewband vor. Auf Wunsch der Gesprächspartner werden diese Aufzeichnungen nicht veröffentlicht. Die Interviews fanden in den Monaten Februar und März 2010 statt. Die Auswertung der transkribierten Interviews erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalysen. Dabei findet eine Verringerung des gewonnenen Materialumfangs mit der Zunahme des Abstraktionsniveaus statt und Bedeutungseinheiten werden integriert und gebündelt (MAYRING 2008).

Gesprächspartner Im Vorfeld der Durchführung der leitfadengestützten Interviews fand ein narratives Interview1 mit einer Verwaltungsangestellten der Stadt Essen (Gesprächspartner 1) statt. Die Gesprächspartnerin ist im Büro für Stadtentwicklung langjährige Mitarbeiterin und erfahrene Ansprechpartnerin für den Stadtbezirk VI, so dass es durch ihre Erzählungen möglich war, einen anfänglichen Ein- bzw. Überblick über wichtige Akteure und Maßnahmen zu bekommen. Aus dem Bereich Wirtschaft wurden vier Gesprächspartner interviewt. Gesprächspartner 2 wohnt seit seiner Geburt in Katernberg (Unterbrechung lediglich während seiner Ausbildungszeit). Er betreibt dort ein langjähriges Familienunternehmen. Als Einzelhändler ist er im Katernberger Werbering e. V. aktiv. Er verfügt über ein umfangreiches Stadtteilwissen und ist bei den verschiedensten Akteuren und Bewohnern bekannt und geschätzt. Gesprächspartner 3 ist ebenfalls ist im Stadtbezirk VI geboren und in unmittelbarer Nähe zur Zeche Zollverein aufgewachsen. Sie hat lange Jahre in Stoppenberg gewohnt, lebte dann in Schonnebeck und ist nun wieder in Stoppenberg zu Hause. Als engagierte Bürgerin leitet sie ein bürgerinitiiertes Unternehmen mit fünf Festangestellten und einigen freien Mitarbeitern im Stadtbezirk VI, das in direkter Verbindung zur Zeche Zollverein tätig ist. 1

Ein narratives (von lat. narrare – erzählen) Interview ist eine Form der Befragung, die darauf zielt, den Befragten zum Erzählen persönlicher Erfahrungen zu veranlassen, um so etwas über seine Einstellungen zu erfahren (GABLER VERLAG 2010).

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

10

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Gesprächspartner 4 wohnt in Mülheim an der Ruhr und ist seit 1995 im Stadtbezirk VI tätig. Er war an der Gründung eines Unternehmens maßgeblich beteiligt und ist nun geschäftsführendes Vorstandsmitglied desselbigen. Vor seiner Tätigkeit im Stadtbezirk war er auf lokaler Ebene bei der Wirtschaftsförderung der Stadt Essen beschäftigt. Sein umfangreiches Netzwerk zu verschiedenen Akteuren zeichnet seine Arbeit aus. Gesprächspartner 5 ist bei der Wirtschaftsförderung Essen tätig und beschäftigt sich dort mit dem Bereich Kreativwirtschaft. Bis zum Jahr 2002 war er für die Bereitstellung von Flächen und die Vermarktung von Zeche Zollverein für Unternehmen zuständig. Als städtischer Angestellter hat er neben seinem wirtschaftlichen Verständnis einen guten Einblick über die Ziele und Pläne der Stadt Essen. Weiterhin wurden drei Interviews mit Akteuren geführt, die in die sozialen Belange und Aktivitäten Einblicke haben. Gesprächspartner 6 ist langjähriger Partner im Stadtteilprojekt Katernberg und Mitarbeiter eines sozialen Trägers im Stadtbezirk VI. Obwohl er nicht im Stadtteil, sondern im Essener Süden wohnt, fühlt er sich sehr mit den Bewohnern verbunden. Gesprächspartner 7 ist erst seit sechs Jahren im Stadtbezirk tätig. Er ist Mitarbeiter des Instituts für stadtteilorientierte Soziale Arbeit und Beschäftigung der Universität Duisburg-Essen und im Stadtbezirk als Moderator tätig. Er sieht seine Aufgabe in der „Vernetzung von Lebenswelten und Systemen“. Als Stadtteilmoderator hat er keinen festen Arbeitsort im Stadtbezirk, sondern ist an verschiedenen Orten tätig. Er ist in verschiedenste Arbeitskreise eingebunden bzw. leitend tätig. Gesprächspartner 8 ist städtischer Mitarbeiter und als Sozialarbeiter für das Jugendhaus Stoppenberg tätig. Er wohnt in Bochum, hat aber lange Zeit in Essen gelebt und fühlt sich mit der Stadt bzw. der gesamten Region sehr verbunden. Besonders gefällt ihm die Art der Menschen, die hier wohnen. Als Mitarbeiter im Jugendhaus hat er hauptsächlich mit Teenagern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Migrations- und sozialen Hintergründen im Alter von 10 bis Mitte 20 zu tun. Aus dem Bereich Öffentlichkeit, Kultur und Bildung wurden drei Experten interviewt. Gesprächspartner 9 ist im öffentlichen Dienst beschäftigt. Bereits vor über 40 Jahren war er in Katernberg dienstlich beschäftigt. In dieser Zeit hat er verschiedene Funktionen bei der Polizei übernommen. Erst war er im Streifendienst, dann als Leiter eines Einsatztrupps zur Kriminalitätsbekämpfung und seit 1999 nun in der Funktion als Präventionsbeamter tätig. Als Jugendkontaktbeamter hat er viel Kontakt mit Kindern und

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

11

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Jugendlichen bzw. deren Eltern. Ebenfalls wird er als Experte für Zusammenarbeit mit libanesischen Familien innerhalb der Stadt Essen eingesetzt. Gesprächspartner 10 ist Direktorin einer Grundschule im Stadtbezirk VI, in dem sie auch wohnt. Als Frau eines evangelischen Pastors ist sie neben ihrem schulischen Einsatz auch ehrenamtlich sehr aktiv. Gesprächspartner 11 ist bei der Stiftung Zollverein für die Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation tätig. Als ehemaliger Chefredakteur der Radiosender Essen und Emscher-Lippe hat er vielfältige Erfahrungen in diesem Bereich. Er leitet den Bereich bei der Stiftung Zollverein nun seit ca. einem Jahr. Sein Arbeitsort befindet sich auf Schacht XI der Zeche. Die Mitwirkungsbereitschaft auf kommunaler und lokaler Ebene war durchweg sehr hoch und die zentralen Ansprechpartner standen rasch für Gespräche und die Beantwortung von Fragen zur Verfügung. Ihnen sei hier ausdrücklich für ihre Auskunftsbereitschaft, Geduld und aktive Mithilfe bei der Recherche gedankt. Da Kinder und Jugendliche allgemein in der Gesellschaft und insbesondere auch im Stadtbezirk VI einen besonderen Stellenwert einnehmen (größter Anteil von Kindern und Jugendlichen in Essen) und ihr Meinungs- und Stimmungsbild hinsichtlich des Wohnquartiers ebenso wichtig wie entwicklungsbestimmend ist, wurde es vorgezogen, mit Kindern im Alter von 6 bis 8 Jahren und Jugendlichen im Alter von 14 bis 16 Jahren ein gesondertes Erhebungsverfahren durchzuführen. Bei der Wahl geeigneter Erhebungsmethoden wurden insbesondere das Alter und die damit verbundenen Ausdrucksmöglichkeiten von Meinungen, Ideen und Vorschlägen berücksichtigt. Eine Datengewinnung insbesondere im Fall der Kinder, aber auch im Fall der Jugendlichen ist nur schwer über z. B. leitfadengestützte Interviews realisierbar. In Abhängigkeit kognitiver Leistungen von Kindern und Jugendlichen wurden dementsprechende Erhebungsmethoden gewählt, die als praktikabel eingestuft wurden.

Gruppe Kinder Ein empirisches Vorgehen, um vor allem Erfahrungen und Meinungen von Kindern über ihr nahes räumliches Wohnumfeld zu ermitteln, ist die Anfertigung von so genannten Mental Maps. Unter Mental Maps wird allgemein „eine subjektiv reduzierte Wirklichkeit, die als Informations- und Entscheidungsebene Grundlage für räumliche Entschlüsse ist (z. B. sich orientieren und sich über Orte verständigen können, die Umwelt Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

12

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

kennenlernen und begreifen)“ (BÖHN 198,: 204) verstanden. Kinder im Grundschulalter sind zwar nicht in der Lage, kartenähnliche Darstellungen anzufertigen, sie besitzen aber durchaus die Fähigkeit, abgeschlossene tuationen

zu

Einzelsieinem

be-

stimmten Themenbereich in gezeichneter Form wiederzugeben. Kinder im Grundschulalter greifen für sie bedeutende Aspekte oder Ereignisse auf und setzen diese in ihren Zeichnungen um. Die zeichnerische Darstellung entspricht der direk-

Abb. 1: Mal-Aktion „Das gefällt mir in meiner Umgebung“

ten Blickrichtung des Kindes

(HERBARTGRUNDSCHULE MÄRZ 2010)

(KAMPMEIER 1953).

Kinder aus der Herbartgrundschule wurden daraufhin aufgefordert, zeichnerisch auszudrücken, welche Aspekte ihnen in ihrer nahen Wohn- und Schulumgebung sehr gut gefallen bzw. welche ihnen gar nicht gefallen oder fehlen. Dazu wurde in Zusammenarbeit mit der Rektorin der Herbartgrundschule, Frau Sass-Leich, eine Kunstunterrichtsstunde thematisch vorbereitet und im Rahmen dieser die Anfertigung der Mental Maps vorgenommen. Insgesamt sind 30 Zeichnungen entstanden, von denen 16 Zeichnungen ausdrücken, was in der Wohn- und Schulumgebung gefällt und 14 Zeichnung darstellen, welche Aspekte noch fehlen. Auf Grundlage einer qualitativen

und

quantitativen

Analyse der Zeichnungen können Aussagen

zu

Meinungs-

und

Stimmungsbildern der Kinder aufgezeigt werden (SCHMEINCK 2007). Schriftliche

Erläuterungen

der

Kinder zu ihren eigenen Zeichnungen wirken dabei unterstütAbb. 2: Mal-Aktion in der Klasse 3a der Herbartschule (HERBARTGRUNDSCHULE MÄRZ 2010)

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

zend.

13

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Gruppe Jugendliche Die Altersgruppe 14-16 Jahre wurde mit Hilfe einer anderen Erhebungsmethode erfasst. Jugendliche verfügen – im Vergleich zu Erwachsenen – über mehr Freizeit, von der sie laut Statistischem Bundesamt etwa die Hälfte außer Haus verbringen (STATISTISCHES

BUNDESAMT 2003, 41).

Öffentliche Räume stellen dabei für Jugendliche Darstellungs-,

Erprobungs- und Aufenthaltsräume dar. Sie werden zum Treffen, Kommunizieren, „Chillen“ (Erholen), etc. aufgesucht. Sport wird z. B. in Grünanlagen oder im Wohnumfeld betrieben. Jugendzentren, Brachflächen oder Kinderspielplätze sind Rückzugsorte, die regelmäßig oder periodisch

genutzt

werden. Für die Untersuchung ist interessant,

inwieweit

der öffentliche Raum von

Jugendlichen

genutzt wird und ob z. B. die Zeche Zollverein in das Raumnutzungsverhalten der

Jugendlichen

einbezogen ist oder nicht. Dafür wurden

Abb. 3: Beteiligte des Jugendhauses Stoppenberg (DRECKER 2010)

Jugendliche dazu aufgefordert, Tagesprotokolle zu erstellen, die die Raumpraxis der Jugendlichen darstellen. Um Unterschiede zwischen Alltag und Wochenende zu erfassen, wurde jeweils ein Freitag und ein Samstag protokolliert. Den Jugendlichen wurde dazu ein Zeitstrang angereicht, bei dem sie auf der linken Seite vermerken sollten, welche Aktivitäten und Tätigkeiten sie im jeweiligen Zeitraum ausüben. Zur Protokollierung der Tätigkeiten blieb Platz für die genaue Ortsangabe bzw. Wegbeschreibung. Weiterhin wurden den Jugendlichen Einwegkameras mitgegeben, um für sie wichtige Orte an den beiden Tagen zu fotografieren. Um die Fotografien anschließend verorten zu können, sollten die Jugendlichen den Ort und den Zeitpunkt des Fotos auf den Tagesprotokollen mit einem grünen Klebepunkt markieren. Die Tagesprotokolle und Fotodokumentationen wurden im Hinblick auf die aufgesuchten räumlichen Situationen qualitativ und quantitativ ausgewertet.

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

14

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Der Kontakt zu den Jugendlichen wurde über das Jugendhaus Stoppenberg und das Jugendhaus Nord hergestellt.

Insgesamt

nahmen 15 Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren an dieser Erfassungsmethode teil, neun gaben ihre ausgefüllten

Dokumente

und Fotos ab (drei MädAbb. 4: Beteiligte des Jugendhauses Nord

chen und sechs Jungen).

(DRECKER 2010)

In der folgenden Abbildung (vgl. Abb. 5) werden der Aufbau und das Vorgehen der Studie schematisch dargestellt.

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

15

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Untersuchungsraum Zeche Zollverein und die angrenzenden Stadtteile (Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg)

Auswertung von Sekundärdaten Literaturanalyse Sekundärstatistische Datenanalyse

Erhebung von Primärdaten Narratives Interview Leitfadengestützte Interviews Mental Maps Tagesprotokolle

Entwicklungen

Auswirkungen

Welche wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen herrschen im Stadtbezirk VI und inwiefern sind räumliche Schwerpunkte zu identifizieren?

Welche Funktion hat die Zeche Zollverein für die Bewohner des Stadtbezirks VI?

Inwieweit haben sich die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen in den vergangenen 20 Jahren verändert? Welche Initiativen haben zu einer positiven wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung beigetragen?

Inwieweit bestehen wirtschaftliche, soziale und kulturelle Synergieeffekte zwischen Zeche Zollverein und dem Stadtbezirk VI? Wie kann das Weltkulturerbe Zeche Zollverein seinem Auftrag zur räumlichen und funktionalen Integration in den Stadtbezirk VI noch stärker gerecht werden?

Potenziale

Wie können die Entfaltung und Teilhabe der Bewohner unterschiedlicher Herkunft gefördert werden? Welche ungeahnten Potenziale sind darüber hinaus in dem Stadtbezirk VI vorhanden, um den Herausforderungen zu begegnen?

Analyse von Schwerpunktthemen im Untersuchungsraum

Diagnose, Konsequenzen, Empfehlungen

Abb. 5: Aufbau der Untersuchung (EIGENE DARSTELLUNG 2010)

Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung

16

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

3 Der Stadtbezirk VI in Essen Die Entwicklungen des Stadtbezirks VI in Essen sind durch die Zeche Zollverein stark geprägt. Die Schachtanlage Zollverein entwickelte sich nach 1850 zum ökonomischen Mittelpunkt Katernbergs, Stoppenbergs und Schonnebecks und beeinflusst seine Siedlungsstruktur bis heute: Zahlreiche Bergarbeitersiedlungen, Halden und Bahnanlagen bestimmen noch immer das Ortsbild. Mit dem Rückzug des Bergbaus begann im Stadtteil eine Umbruchsituation: Die Schließungen der Zeche Zollverein (1986) und der Kokerei Zollverein (1993) führten zu massiven Arbeitsplatzverlusten und erheblichen sozialen Problemen. So zogen bedingt durch die SchlieZuzug von einkommensschwachen Bevölkerungsschichten

Wegzug von vielen Bewohnern wegen Nordwanderung des Bergbaus

ßung der Zeche viele Familien aus dem

Stadtbezirk

fort, um dem Bergbau in den Norden nachzuwandern.

Preisniveau sinkt

Einzelhandel und Kleingewerbe verzeichnen Einbußen

Durch

diesen

Wegzug

hatten

viele

Einzelhänd-

ler und das Kleingewerbe

große

Einbußen.

Abb. 6: Problemwirkungen im Stadtbezirk VI (EIGENE DARSTELLUNG 2010)

Weiterhin ist das Preisniveau gesunken, so dass sich durch günstigere Mieten überwiegend Menschen mit geringen Einkünften aus der näheren Umgebung, häufig mit Migrationshintergrund, im Stadtbezirk niederließen (PASTERNAK 2008, 75FF). Dadurch wurden die bereits existierenden Probleme noch verschärft. Als Grundlage für die Analyse und Auswertung werden im Folgenden die sozialen und wirtschlichten Daten kurz umrissen.

Der Stadtbezirk VI in Essen

17

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

3.1

Lage

Der Stadtbezirk VI der Stadt Essen ist einer von neun Stadtbezirken und liegt im Nordosten der Stadt. Er untergliedert sich in die Stadtteile Schonnebeck (37), Stoppenberg (38) und Katernberg (39). Der Stadtbezirk hat insgesamt eine Fläche von 13,02 km². Den größten Anteil daran hat Stoppenberg mit 5,37 km², gefolgt von Katernberg mit 4,82 km² und Schonnebeck mit 2,83 km². Insgesamt leben 51.150 Einwohner im Stadtbezirk VI, wobei in Katernberg mit 23.018 Einwohnern knapp die Hälfte wohnt (STADT ESSEN 2009).

Abb. 7: Stadtteile und Stadtbezirke der Stadt Essen, Hervorhebung des Stadtbezirks VI (BAUMER 2007 UND STADT ESSEN 2007)

Der Stadtbezirk VI in Essen

18

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

3.2

Sozial- und Wirtschaftsstruktur

3.2.1 Einwohner- und Sozialstruktur Im Stadtbezirk VI leben 51.150 Personen (Stand: 31.12.2009). Trotz einer in den Jahren 1993 bis 2006 durchweg negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung (mehr Sterbefälle als Geburten) nahm in den Jahren 1994, 1999 und 2000 die Bevölkerung im Stadtbezirk VI dennoch zu (vgl. Abb. 8). Dies ist in den Jahren 1994 und 1999 Wanderungsgewinnen von Bewohnern innerhalb der Stadt Essen zu verdanken, im Jahr 2000 gab es auch Zuzüge von außerhalb. Insgesamt hat sich die Zahl der Bewohner des Stadtbezirks von 1993 bis 2009 um knapp 3 % verringert (Gesamtstadt: -7%).

53000

52964 52715

52500

52561 52403 52157

52123

52000 51805

52088

52076

52072

51878

51931 51775

51790

51768 51494

51500

51150

51000

50500

50000 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Bevölkerungszahl im Stadtbezirk VI

Abb. 8: Bevölkerungsentwicklung von 1993 bis 2006 im Stadtbezirk (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

Unabhängig von der Gesamtentwicklung sind die Entwicklungen in den einzelnen Stadtteilen unterschiedlich verlaufen. Während Stoppenberg als einziger Stadtteil über diesen Zeitraum einen Zugewinn von +6 % aufweisen kann, ist in Schonnebeck und Katernberg einen Bevölkerungsrückgang von -9 % bzw. -6 % zu verzeichnen. Besonders Neubauaktivitäten haben in Stoppenberg zu diesem Zugewinn geführt, der in einem einzelnen Stadtteilbereich bei +58 % liegt.

Der Stadtbezirk VI in Essen

19

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Besonders interessant bei der Bevölkerungsstruktur ist der Anteil an Kindern und Jugendlichen. Während gesamtstädtisch betrachtet 16 % der Bevölkerung unter 18 Jahre alt ist, liegt dieser Anteil im Stadtbezirk VI bei 20 % (10.482 Personen), so dass der Stadtbezirk als kinderreich zu bezeichnen ist. Dagegen ist die Zahl älterer Menschen – im Gegensatz zu der Gesamtstadt – geringer als die Zahl der Kinder und Jugendlichen. Im Stadtbezirk VI sind 19 % der Bewohner 65 Jahre alt oder älter, in der Gesamtstadt sind dies 22 %.

1993

20,4

2006

20,2

63,9

15,8

Stadtbezirk VI

16,4

1993

Gesamtstadt

16

2006

0%

10%

60,8

19

65,2

16,4

62

20%

30%

40%

unter 18 Jahre

50% 18-64 Jahre

22

60%

70%

80%

90%

100%

65 Jahre und älter

Abb. 9: Bevölkerung nach Altersgruppen von 1993 bis 2006 in den Stadtteilen (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

Im Vergleich zu 1993 hat sich der Anteil der Minderjährigen an der Bevölkerung sowohl im Stadtbezirk VI als auch in der Gesamtstadt kaum verändert. Ebenfalls sind die Entwicklungen des Anteils an älteren Menschen einheitlich, so dass sich sowohl im Stadtbezirk als auch in der Gesamtstadt der Anteil an Menschen über 65 Jahre um +3 % bzw. +4 % verändert hat (vgl. Abb. 9). Grundsätzlich verlaufen die Trends der Bevölkerungsentwicklung aus gesamtstädtischer Sicht ähnlich denen im Stadtbezirk. Gesamtstädtisch hat die Zahl der Minderjährigen um -9 % abgenommen und die der Älteren um +11 % zugenommen. Im Stadtbezirk ist der Trend ähnlich, doch ist der Verlust an jungen Menschen mit -2 % wesentlich geringer und der Zugewinn an älteren Menschen mit +19 % wesentlich höher (vgl. Abb. 10).

Der Stadtbezirk VI in Essen

20

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

11,1 Stadt

-9

18,6 Stadtbezirk

-2,1

-10

-5

0

5

unter 18 Jahre

10

15

20

65 Jahr e und älter

Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung (unter 18 und über 65 Jahre) in Essen und im Stadtbezirk VI (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

Eine weitere Besonderheit stellt der hohe Anteil an Personen mit Migrationshintergrund im Stadtbezirk VI dar. Insgesamt haben fast ein Viertel (24 %, 12.362 Personen) der Bewohner einen Migrationshintergrund (Vergleich Gesamtstadt: 17 %), wobei die Verteilung auf die einzelnen Stadtteile unterschiedlich ist.

14,7

Schonnebeck

17,8 13

Stoppenberg

22,8 21,5

Katernberg

27,6

17,3

Stadtbezirk VI

23,8 9,4

Gesamtstadt 0

5

16,8

10

15 2006

20

25

30

1993

Abb. 11: Anteil der Personen mit Migrationshintergrund nach Stadtteilen 1993 und 2006 (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

Der Stadtbezirk VI in Essen

21

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

In Katernberg ist der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund mit 28 % (6.503 Personen) am höchsten, während Stoppenberg und Schonnebeck mit 23 % (3,814 Personen) bzw. 18 % (2.045 Personen) darunter liegen, wenngleich der Anteil immer noch überdurchschnittlich hoch ist (vgl. Abb. 11). Betrachtet man darüber hinaus die einzelnen Stadtteilbereiche des Stadtbezirks VI, erkennt man in Katernberg sechs Bereiche, in denen der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund über 30 % liegt. In Stoppenberg liegen zwei Bereiche über 30 %, in Schonnebeck einer. In der folgenden Abbildung sind die Anteile der Personen mit Migrationshintergrund im Stadtbezirk VI in den einzelnen Stadtteilbereichen aufgeführt (vgl. Abb. 12).

Abb. 12: Personen mit Migrationshintergrund in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006 (STADT ESSEN 2007)

Der Stadtbezirk VI in Essen

22

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Abbildung 13 zeigt, dass sich die Bewohnerzahl im Stadtbezirk VI in dem Zeitraum von 1993 bis 2006 insgesamt um 771 Personen verringert hat. Insgesamt befanden sich im Jahr 2006 4.037 Personen mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit weniger im Stadtbezirk VI als im Jahr 1993. Ähnliche Tendenzen spiegeln sich in den Stadtteilen Katernberg und Schonnebeck wider. Auffällig ist dagegen die Entwicklung in Stoppenberg. Hier wohnen im Vergleich zu 1993 979 Menschen mehr, wobei der Anteil an Personen mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit abgenommen (-784 Personen) und der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund deutlich gestiegen ist (+1.763 Personen) (vgl. Abb. 13).

4000 3000

3266

2000 1763 1302

1000 0

979

-686

-1000

202 -784

-1064 -1266

-771

-1987

-2000 -3000 -4037 -4000 -5000 Katernberg

Stoppenberg

Schonnebeck

Stadtbezirk

Bevölkerungsentwicklung insgesamt Personen mit ausschliesslich deutscher Staatsangehörigkeit Personen mit Migrationshintergrund

Abb. 13: Bevölkerungsveränderung von 1993 bis 2006 (gesamt, deutsch, Migrationshintergrund) in den Stadtteilen des Stadtbezirks VI (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

Grundsätzlich lässt sich erkennen, dass zwar ein leichter Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen ist, der wesentlich vom Rückgang der deutschen Bewohner ausgeht und durch den Anstieg an Bewohnern mit Migrationshintergrund nicht vollständig kompensiert wird. Hauptherkunftsland der im Stadtbezirk lebenden Personen mit Migrationshintergrund ist die Türkei. Im Stadtbezirk VI haben mehr als ein Drittel (36 %) die türkische Staatsangehörigkeit, was deutlich mehr als im gesamtstädtischen Vergleich (23 %) ist.

Der Stadtbezirk VI in Essen

23

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Das darauffolgende häufigste Herkunftsland der im Stadtbezirk VI lebenden Migranten ist Polen mit 19 % der Migranten (Gesamtstadt: 17 %). Jeweils 5 % haben die kasachische bzw. die Staatsangehörigkeit der Russischen Förderation, was ebenfalls über dem Durchschnitt der Gesamtstadt liegt. Weitere Herkunftsländer sind Afghanistan (468 Personen), Serbien und Montenegro (429 Personen), Libanon (402 Personen), Marokko (373 Personen), Spanien (217 Personen) und Kroatien (193 Personen). 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500

Schonnebeck

Stoppenberg

ek lä rt ng

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Sp

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Tü rk e

i

0

Katernberg

Abb. 14: Einwohnerverteilung mit Migrationshintergrund nach Herkunftsland (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

Die Haushaltsstrukturen im Stadtbezirk VI unterscheiden sich stark von denen der Gesamtstadt. Während die durchschnittliche Haushaltsgröße in der Gesamtstadt bei 1,9 liegt, befindet sich der Wert im Stadtbezirk bei 2,2. So gibt es im Stadtbezirk im Vergleich zu der Gesamtstadt (46 %) weniger Einpersonenhaushalte (37 %). Dagegen gibt es vergleichsweise viele Haushalte mit Kindern und Jugendlichen im Stadtbezirk VI (26 %), während Minderjährige gesamtstädtisch gesehen nur in jedem fünften Haushalt (20 %) leben. Der Stadtbezirk VI in Essen

24

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Versorgungslage von Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen Die Versorgungslage von Kleinkindern hat sich gegenüber früher verbessert, was einerseits mit der Ausweitung der Betreuungskapazitäten vor allem in Stoppenberg und Katernberg, aber auch in der Gesamtstadt zusammenhängt, sich andererseits durch die rückläufige Entwicklung der Anzahl an Kleinkindern ergibt. So ist die Versorgungsquote im Stadtbezirk mit 8 % höher als in der Gesamtstadt (6 %).

9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

1993

2000

2006

Abb. 15: Versorgungsquote von Kleinkindern (0 bis 3 Jahre) im Stadtbezirk VI (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

Im Kindergartenbereich liegt die Versorgungsquote mit 84 % etwas unter der gesamtstädtischen Quote von 87 % und hat sich im Vergleich zu 1993 ebenfalls verbessert (vgl. Abb. 16).

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

1993

2000

2006

Abb. 16: Versorgungsquote von Kindergartenkindern (3 bis unter 6 Jahre) im Stadtbezirk VI (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

Die Betreuungssituation für Kinder und Jugendliche (Hort) ist im Stadtbezirk VI rückläufig (vgl. Abb. 17), was aber durch die Förderung und schließlich die Einrichtung von offenen Ganztagsschulen im Stadtbezirk zu erklären ist.

Der Stadtbezirk VI in Essen

25

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

6 5 4 3 2 1 0

1993

2000

2006

Abb. 17: Versorgungsquote von Schulkindern (6 bis 14 Jahre) im Stadtbezirk VI (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

Im Gegensatz zu der Versorgungsquote der Kinder und Jugendliche sind die Zahlen der Übergänger und Übergängerinnen von Grund- zu weiterführenden Schulen, insbesondere auf Gymnasien sehr gering. Im Vergleich zur Gesamtstadt, wo 44,1 % der Kinder auf ein Gymnasium wechseln, sind es im Stadtbezirk VI nur 27,8 %. Deutlich abweichende Zahlen liegen ebenfalls bei dem Übergang zur Hauptschule vor. Während in der Gesamtstadt lediglich 8,6 % der Kinder auf eine Hauptschule wechseln, sind dies im Stadtbezirk VI 20,4 %, also gut ein Fünftel der Kinder. Erstaunlich ist hier auch die Entwicklung. Im Vergleich zur Gesamtstadt, in der die Übergänger zur Hauptschule in den Schuljahren 2005/2006 bis 2007/2008 von 10,3 % auf 8,6 % abnahmen, stieg im Stadtbezirk der Anteil von 16,6 % auf 20.4 % (vgl. Abb. 18).

Der Stadtbezirk VI in Essen

26

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

45 40

Schuljahr 2005/2006

35 30 25 20 15 10 5 0 Hauptschule

45 40

Realschule Schonnebeck

Schuljahr 2006/2007

Stoppenberg

Gymnasium Katernberg

Stadtbezirk VI

Gesamtschule Gesamtstadt

35 30 25 20 15 10 5 0 Hauptschule

50 45

Realschule Schonnebeck

Schuljahr 2007/2008

Stoppenberg

Gymnasium Katernberg

Stadtbezirk VI

Gesamtschule Gesamtstadt

40 35 30 25 20 15 10 5 0 Hauptschule

Realschule Schonnebeck

Stoppenberg

Gymnasium Katernberg

Stadtbezirk VI

Gesamtschule Gesamtstadt

Abb. 18: Übergänge von Grund- auf weiterführende Schulen (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007) Der Stadtbezirk VI in Essen

27

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Hauptschule

Realschule

Gymnasium

Gesamtschule

Schonnebeck

8,6

29,5

29,5

32,4

Stoppenberg

19,9

25,4

32,3

22,4

Katernberg

18,3

29,0

25,1

27,6

Stadtbezirk VI

16,6

27,9

28,4

27,0

Gesamtstadt

10,3

23,6

41,8

24,2

Schonnebeck

10,8

18,3

28,3

42,5

Stoppenberg

14,5

33,0

31,8

20,7

Katernberg

19,9

26,8

26,1

27,2

Stadtbezirk VI

16,3

27,0

28,4

28,4

Gesamtstadt

9,0

23,8

42,2

25,0

Schonnebeck

18,1

30,2

28,4

23,3

Stoppenberg

19,8

30,8

30,2

19,2

Katernberg

21,8

18,2

26,1

33,9

Stadtbezirk VI

20,4

24,5

27,8

27,3

Gesamtstadt

8,6

23,9

44,1

23,4

Schuljahr 2005/2006

Schuljahr 2006/2007

Schuljahr 2007/2008

Abb. 19: Übergänge von Grund- auf weiterführende Schulen in Zahlen (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)

3.2.2 Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur Im Stadtbezirk VI lebten in der Jahresmitte 2006 13.888 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Damit ist die Quote der sozialversicherungpflichtig Beschäftigten mit 44 % etwas geringer als in der Gesamtstadt (46 %). Lediglich in Katernberg liegt die Qutoe sozialversicherungpflichtig Beschäftigter mit 41 % der 18- bis 64-jährigen unter dem Durchschnitt. Dennoch sind im Vergleich zu der Gesamtstadt im Statdbezirk VI keine

auffälligen

Strukturunterschiede

festzustellen.

Die

Anteile

an

den

sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männern (59 %; Stadt: 55 %), jungen Menschen unter 25 Jahren (9 %; Stadt 8 %) und Nichtdeutschen (9 %; Stadt 7 %) sind im Stadtbezirk eher noch höher. Deutlich geringer ist dagegen der Anteil von Frauen Der Stadtbezirk VI in Essen

28

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

(38 %) an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Auch hier weist Katernberg wieder den geringsten Wert mit nur 34 % auf (Gesamtstadt: 41 %). Vergleicht man ebenso die Strukturen der Arbeitslosen mit denen der Gesamtstadt, spiegeln sich hier ebenfalls die Ergebnisse. Während z. B. in der Gesamtstadt 55 % der Arbeitslosen männlich sind, sind dies im Statdbezirk VI nur 52 %. Unter den Arbeitslosen sind 22 % im Stadtbezirk Nichtdeutsche, in der Gesamtstadt sind es 21 %. Auch die Anteile an den Arbeitslosen von unter 25-jährigen (Stadtbezirk: 10 %; Gesamtstadt: 10 %), von 55-jährigen oder Älteren (Stadtbezirk: 11%; Gesamtstadt: 14 %) und Langzeitarbeitlosen (Stadtbezirk: 55 %; Gesamtstadt: 56 %) sind im Verhältnis zur Gesamtstadt ähnlich. Erst in der Betrachtung der Arbeitslosen im Verhältnis zu der Bevölkerung wird das Ausmaß der Arbeitslosigkeit deutlich (vgl. Abb. 20). Im Alter von 18 bis 64 Jahre sind 13 % der Bewohner des Statdbezirks VI arbeitslos, was über dem Durchschnitt der Gesamtstadt (11 %) liegt. Dabei ist sowohl der Anteil der Männer (14 %; Stadt: 12 %) und der Frauen (13 %; Stadt: 10 %) zwar nicht wesentlich, aber dennoch höher als auf der Ebene der Gesamtstadt. Besonders hoch ist der Anteil der arbeitslosen Nichtdeutschen an der Bevölkerung (19 %), der zwar genauso hoch ist wie auf gesamtstädtischer Ebene, aber dennoch viel höher als der Anteil der arbeitslosen Deutschen (Stadtbezirk: 12 %). Dieser Wert wiederum liegt über dem Durchschnitt der Gesamtstadt (10 %). Insgesamt liegen die Anteilswerte im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung über denen der Gesamtstadt. 25

20

15

10

5

0 insgesamt

Männer

Frauen

Deutsche

Nichtdeutsche

Stadtbezirk VI

13,1

13,7

12,6

12

19,1

10

7,8

Gesamtstadt

10,9

12

9,9

9,9

18,6

8,2

7,7

Stadtbezirk VI

18- bis unter 55jährige und 25jährige Ältere

Gesamtstadt

Abb. 20: Ausmaß der Arbeitslosigkeit unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Essen und im Stadtbezirk VI am 31.12.2006 (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007

Der Stadtbezirk VI in Essen

29

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Drei Bereiche im Stadtbezirk weisen besondere Werte im Bezug auf die Arbeitslosenzahlen auf (vgl. Abb. 21). Zwei Stadtteilbereiche liegen davon in Katernberg. Sowohl der Stadtteilbereich 2 als auch der Stadtteilbereich 6 haben mit 21,7 % bzw. 18,3 % einen sehr hohen Anteil an Arbeitslosen und liegen damit deutlich über dem Durchschnitt des Stadtteils Katenberg (14,9 %), des Stadtbezirks (13,1 %) bzw. der Gesamtstadt (10,9 %). Anteile an der Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren in %:

Abb. 21: Arbeitslose in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006 (STADT ESSEN 2007)

Der Stadtbezirk VI in Essen

30

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Ebenfalls auffällig, diesmal aber in positiver Weise, sind die Stadtteilbereiche 2 in Stoppenberg und 7 in Schonnebeck (vgl. Abb. 21). In beiden Stadtteilbereichen ist die Arbeitslosendichte sehr gering, da nur 5,9 % der Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren arbeitslos ist. Im Stadtbezirk VI sind mehr als ein Fünftel (21 %) der Bewohner auf existenzsichernde Hilfeleistungen angewiesen, was deutlich mehr als im Vergleich zur Gesamtstadt (15 %) ist. Während in Schonnebeck der Anteil Hilfebeziehender mit 16 % gegenüber dem Stadtbezirk VI relativ gering ist, liegt er doch über dem Durchschnitt der Stadt. In Stoppenberg liegt der Anteil mit 20 % deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtstadt. Katernberg weist mit 24 % den höchsten Anteil an Bevölkerung auf, die von existenzsichernden Hilfen abhängig sind (vgl. Abb. 22). 25

23,5 20,7

19,9

20 16,3

15,3

15

10

5

0 Schonnebeck

Stoppenberg Stadtteile

Katernberg

Stadtbezirk VI

Gesamtstadt

Abb. 22: Personen mit existenzsichernden Hilfen in den Stadtteilen, dem Stadtbezirk und der Gesamtstadt am 31.12.2006 (STADT ESSEN 2007)

Einige Bereiche der Stadtteile stechen aufgrund überdurchschnittlicher Anteile von Personen mit existenzsichernden Hilfen hervor. Darunter vor allem der Bereich 2 in Katernberg (34,3 %), Bereich 4 in Stoppenberg (33,1 %), Bereich 2 in Schonnebeck (28,0 %).

Der Stadtbezirk VI in Essen

31

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Abb. 23: Personen mit existenzsichernden Leistungen in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006 (STADT ESSEN 2007)

Betrachtet man die Hilfedichte auf die unterschiedlichen Altersgruppen bezogen, muss man feststellen, dass eine Einkommensarmut vor allem die Jüngeren betrifft (vgl. Abb. 24). Während in der Gesamtstadt 29 % der Minderjährigen in einkommensarmen Haushalten leben, sind es im Stadtbezirk VI 36 %. Katernberg weist den höchsten Anteil mit knapp 40 % auf.

Der Stadtbezirk VI in Essen

32

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

39,4

40

35,6

33,3

35 30,2

29,1

30

23,3

25 19,7

20

20,6

16,4

16

15 10

6,5 3,3

5

5,5

5,3

3,5

0 unter 18 Schonnebeck

18 - 64 Stoppenberg

65 Jahre

Katernberg

Stadtbezirk VI

Gesamtstadt

Abb. 24: Altersstruktur der von existenzsichernden Hilfen Betroffenen in den Stadtteilen, im Stadtbezirk und in der Gesamtstadt am 21.12.2006 (EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist in viel geringerem Maße auf Existenz sichernde Transferleistungen angewiesen als Kinder und Jugendliche. Neben einer Armut bei Kindern und Jugendlichen ist ebenfalls die Armut von Älteren (5 %) etwas stärker ausgeprägt als im gesamtstädtischen Vergleich (4 %). Das Ausmaß der Betroffenheit ist allerdings gegenüber der Problematik bzgl. der Kinder und Jugendlichen vergleichsweise gering. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Stadtbezirk VI im Vergleich zur Gesamtstadt

überdurchschnittlich

viele

Personen

mit

Migrationshintergrund

verzeichnet, überdurchschnittlich viele Personen arbeitslos sind bzw. existenzsichernde Hilfeleistungen empfangen. Besonders auffällig sind die Werte im Bereich der Kinder und Jugendlichen, die zwar im Vergleich zur Gesamtstadt einen wesentlich höheren Anteil an der Bevölkerung einnehmen, deren Situation aber problematisch ist. Viele Kinder und Jugendliche leben in einkommensarmen Haushalten bzw. sind selber von Arbeitslosigkeit betroffen. Zwar haben sich die Betreuungssituationen und die Menge an Angeboten verbessert, doch scheint dies nicht unmittelbar Auswirkungen auf die Gesamtlage zu haben.

Der Stadtbezirk VI in Essen

33

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

3.3

Das Programm Soziale Stadt im Stadtbezirk

Bereits Anfang der 1980er Jahre waren soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, schlechte Wohnverhältnisse, Mangel an Zukunftsperspektiven vor allem für die damaligen jungen Bewohner und/oder die hohe Zahl an sozial benachteiligten Bewohnern prägend für den Stadtbezirk VI (siehe Kapitel 3). Durch den Wegfall der Zeche Zollverein und ihrer Kokerei, dem größten Arbeitgeber im Essener Norden, wurden die Probleme zum Teil ausgelöst oder in ihrer Intensität verstärkt (PASTERNAK, 2008, 78). Dass eine schwierige und vielschichtige soziale und wirtschaftliche Situation im Stadtbezirk VI vorzufinden war, nahm die Stadt seit Beginn der 1980er Jahre wahr. Vor allem die Integration von Einwohnern mit Migrationshintergrund war damals ein brisantes Thema, so dass das erste Projekt in Katernberg, das bereits 1981 von der Stadt beim heutigen Regionalverband Ruhr (RVR) in Auftrag gegeben wurde, der besseren Integration von Ausländerinnen und Ausländern diente (PASTERNAK 2008, 79). In diesem Projekt wurde ein Programm für stadtteilbezogene soziale Arbeit erarbeitet, welches direkt im Stadtteilbereich Katernberg-Beisen eingesetzt worden ist. Nachdem 1986 das Institut für Stadtteilbezogene Soziale Arbeit und Beratung der Universität Essen gegründet wurde, wurden weitere Projekte in Kooperation der Stadt Essen, der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und später auch der Evangelischen Kirchengemeinde Katernberg durchgeführt. Bereits vor der Förderung durch Städtebaumittel wurde in Essen eine ressortübergreifende Arbeitsweise in der Verwaltung eingeführt, um auf Grundlage der Analyse von Problemlagen ausgewählter Stadtteile (Hörsterfeld, Katernberg, Überruhr, Bergmannsfeld und Altendorf) die Verbesserung von Lebensbedingungen zu erreichen (STADT ESSEN 2004, 100).

Weiterhin wurden sowohl Schul-, Jugend-, Sozial- und Kulturpolitik als auch

die kleinräumigen Wirtschaftsförderungen stärker in die Stadtteilentwicklung eingebunden. Ein bereichsübergreifendes Quartiersmanagement, das über drei Aktionsebenen gesteuert wird, soll dies fördern. Die Ebenen bestehen aus dem Gebietsbeauftragten, den intermediären Akteuren und der Stadtteilarbeit. Vor diesem Hintergrund gilt das Programmgebiet Essen-Katernberg, das den gesamten Essener Stadtbezirk VI umfasst, „als Labor für das Programm Soziale Stadt in NRW sowie auf Bundesebene“ (STÄDTENETZ SOZIALE STADT NRW 2007, 83).

Der Stadtbezirk VI in Essen

34

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Das Programm Soziale Stadt NRW seit 1993 – Initiativen im Stadtbezirk VI Auf dieser Kooperations-, Erfahrungs- und Projektbasis wurde 1993 ein Erneuerungskonzept für den gesamten Stadtbezirk VI entwickelt und in das NRW-weite Programm „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“ (heute: Soziale Stadt) aufgenommen. Ziel des Programms ist es, „eine stabilisierende Entwicklung in Gang zu bringen: Es muss gelingen, dass die Bewohner der Stadtteile Teil der städtischen Gemeinschaft bleiben und dass die Quartiere selbst als Wohn-, Arbeits- und Lebensraum bestehen können“ (STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010). Das Programm Soziale Stadt NRW hat zum Ziel, „Vorhandenes“ – damit sind Organisationen, Fachleute, engagierte Bürger, Geldmittel, Erfahrungen, etc. gemeint - und „Neues“ – damit sind zusätzliche Angebote, neue Infrastruktur oder ergänzende bauliche Maßnahmen gemeint – so miteinander zu verknüpfen, dass ein „nachhaltiger Anschub guter Entwicklungen“ (STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010) stattfindet.

Abb. 25: Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen (STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010)

Dabei wird besonders auf integriertes, also ebenen- und fachübergreifendes Arbeiten geachtet, welches durch neue Arbeitsformen, z. B. Arbeitskreise oder Stadtteilkonferenzen, möglich ist und „eine gezielte und transparente Kooperation“ (STÄDTENETZES SOZIALE

STADT NRW 2010)

schafft (vgl. Abb. 25). Ein Stadtteil wird in das Programm Soziale

Stadt aufgenommen, wenn Land und Kommune darin übereinstimmen, dass ein StadtDer Stadtbezirk VI in Essen

35

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

teil besondere Unterstützung benötigt – „starre Kriterien gibt es nicht. Der ausdrückliche Wille von Lokalpolitik und Stadtverwaltung, sich einem Stadtteil intensiv zu widmen, ist dabei unverzichtbar“ (STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010). Ebenso unverzichtbar und immer wieder als wesentliches Merkmal des Programms vermerkt ist „die Aktivierung und Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner, der Unternehmen und der Not-Profit-Organisationen vor Ort“ (STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010). Durch das Programm Soziale Stadt sollen vielfältige Probleme wie Beschäftigung, Qualifizierung und Ausbildung, Wertschöpfung im Gebiet, soziale Aktivitäten und soziale Infrastruktur, Schule und Bildung, Gesundheitsförderung, Umwelt und Verkehr, Stadtteilkultur, Sport und Freizeit, Zusammenleben unterschiedlicher sozialer und ethnischer Gruppen, Wohnungsmarkt und Wohnungsbewirtschaftung, Wohnumfeld und öffentlicher Raum sowie Imageverbesserung und Öffentlichkeitsarbeit angegangen sowie die Potenziale der Programmgebiete genutzt werden, indem ein leistungsfähiges Koordinierungs-, Kooperations- und Partizipationsmanagement aufgebaut wird. Dafür werden folgende strategische Instrumente gefördert:



Integrierte Entwicklungs- bzw. Handlungskonzepte,



Gebietsbezug,



Ressourcenbündelung,



Quartiersmanagement,



Aktivierung und Beteiligung,



Evaluierung,



Monitoring.

Die Steuerung des Programms übernahm in Essen eine Lenkungsgruppe, in der sich Vertreter verschiedener städtischer Ämter, der politischen Fraktionen der Bezirksvertretung VI, der Essener Wirtschaftsförderung, des ISSABs, der AWO und der Ev. Kirchengemeinde Katernberg befinden. Die Lenkungsgruppe ist für die Steuerung der Programmumsetzung verantwortlich, dessen Federführung das Amt für Stadtentwicklung übernommen hat. Die politische Legitimation und Unterstützung des integrierten Handlungskonzeptes erfolgt durch Beschlüsse des Rates und der Fachausschüsse (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 4) (vgl.

Der Stadtbezirk VI in Essen

Abb. 26).

36

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Auf der Stadtteilebene findet eine Beteiligung und Aktivierung von Bewohnern, Vereinen, Verbänden, Einzelhändlern, etc. durch verschiedene themenspezifische Arbeitskreise und die Katernberg Konferenz statt (siehe Kapitel 5. Zusammenarbeit). Die Katernberg Konferenz wurde 1993 ins Leben gerufen und wird von Bewohnern aus den Stadtteilen

als

ein

„ein sehr gutes Instrument, um Probleme und Vorteile im Stadtteil zu besprechen“ (GESPRÄCHSPARTNER

3 2010, 1)

wahrge-

nommen.

Die

Ka-

ternberg

Konferenz

wurde auf Initiative vom Werbering Katernberg e. V. – ein Zusammenschluss der Einzelhändler im Stadtteil

Katernberg

– initiiert und im Zusammenschluss den

mit

Werbegemein-

schaften in Stoppenberg und SchonneAbb. 26: Organisation und Kooperation im Stadtbezirk VI (STADT ESSEN 2004, 104)

beck organisiert (GESPRÄCHSPARTNER

1FF).

2 2010,

Das Besondere

an dieser Konferenz, die mindestens zweimal im Jahr stattfindet, ist, dass sie losgelöst von anderen Projekten oder Förderungen aus Eigeninitiativen im Stadtteil entstanden ist. Mittlerweile dient sie als „sehr gute Möglichkeit der unmittelbaren Bürgerbeteiligung an den laufenden Projekten“ (PASTERNAK 2008, 84). Zusätzlich gibt es seit Oktober 2006 das Bürgerzentrum „Kon-Takt" am Katernberger Markt. Dafür wurden die ehemals eingerichteten Stadtteilbüros „Holzhaus Beisen“ (seit 1986) und „Stadtteilladen“ (seit 1988) aufgegeben und am Katernberger Markt vereint.

Der Stadtbezirk VI in Essen

37

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Während der mittlerweile 17-jährigen Förderung des Programmgebiets wurden viele Projekte angestoßen, die sich mit den Themen •

Wohnen, Wohnumfeld, Beteiligung, Integration,



Wiedernutzung von Denkmälern, Städtebauliche Planungen, Umwelt,



Arbeitsmarkt und Beschäftigung, Strukturwandel, Tourismus

beschäftigten.

Der Stadtbezirk VI in Essen

38

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

4 Vergangenheit und Gegenwart der Zeche Zollverein 4.1

Zeche Zollverein als ökonomischer Mittelpunkt der angrenzenden Stadtteile

Ausgang für die Entwicklung von Zollverein war der Erwerb von 13 zusammenhängenden Grubenfeldern in der Nähe der Ortschaften Katernberg und Stoppenberg in den 1840er Jahren durch Franz Haniel, der das neue Bergwerk „Zollverein“ nannte. Bereits 1847 wurde mit der Abteufung begonnen. Drei Jahre später wurde die erste Kohle gefördert und mithilfe von 256 Bergleuten insgesamt 13.000 Tonnen Kohle zu Tage gebracht. Von diesem Punkt an wuchs Zollverein bis zum Ersten Weltkrieg unaufhörlich. Die Belegschaft wurde verzehnfacht und die Fördersumme auf eine Million Tonnen Kohle pro Jahr erhöht. Neben dem Bergwerk wurden zahlreiche Arbeitersiedlungen und Bahnschienen erbaut, die den ehemals landschaftlichen Charakter des Gebiets verdrängten. In Katernberg, Stoppenberg und Schonnebeck ist die Bevölkerungszahl in dieser Zeit enorm angestiegen. Der steigende Arbeitskräftebedarf auf der Zeche konnte nicht mehr von den Menschen aus der Umgebung gedeckt werden, so dass neben Zuwanderern aus Westfalen und dem Rheinland vor allem Menschen aus den polnischen Provinzen Preußens in den Essener Norden zogen. Durch die gemeinsame Arbeit unter Tage und eines gemeinsamen Werteverständnisses durch den christlichen Glauben war eine Integration in das Leben des heutigen Stadtbezirks schnell möglich (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 21).

Die erste Krise erreichte den Bergbau während der Weimarer Republik. Durch Rationalisierungsmaßnahmen sowie Fusionen und Zusammenschlüsse sollte dieser Krise begegnet werden. Somit wurde auf Zollverein eine umfangreiche Erweiterung geplant, die zu einer Optimierung der Betriebsabläufe, einer Erhöhung der Produktionskapazitäten und einer Kosteneinsparung führen sollte. In knapp vierjähriger Bauzeit entstand Zeche Zollverein Schacht XII, der durch die Architekten Franz Schupp und Martin Kremmer geplant wurde. Es entstand eine funktionale, monumentale Schachtanlage, die sowohl durch ihre Leistungsfähigkeit als auch durch ihren repräsentativen Charakter die Öffentlichkeit beeindruckte (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 25-29). Zollverein stellte für die angrenzenden Stadtteile Stoppenberg, Schonnebeck und Katernberg einen ökonomischen Mittelpunkt dar. Zu Spitzenzeiten beschäftigte Zollverein bis zu 9.000 Arbeitskräfte. Dabei lag der Schwerpunkt der Arbeiter unter Tage. Auch wenn viele Arbeiter aus den angrenzenden Stadtteilen auf Zollverein beschäftigt waren, war das Zechengelände für die Bewohner nicht einsehbar. Hohe Mauern umgaben Vergangenheit und Zukunft der Zeche Zollverein

39

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

die Arbeitsstätte und nur mit besonderer Erlaubnis war eine Besichtigung möglich. Unter den Bewohnern wurde daher das Zechengelände auch als „verbotene Stadt“ bezeichnet (MÜLLER 2008, 172 F.). Besonders zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs lief die Produktion auf Zollverein (besonders für die Rüstungsindustrie) intensiv weiter, so dass daran anschließend in der Zeit des Wirtschaftswunders eine Erweiterung der Anlage um eine Kokerei stattfand (von 1957 bis 1961) (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 31). Auf den erneut anwachsenden Arbeitskräftebedarf reagierte die Bundesrepublik mit so genannten Anwerberverträgen mit verschiedenen Staaten Süd- und Osteuropas. Dadurch wanderten in einer ersten Phase insbesondere Italiener, Spanier und Griechen ins Ruhrgebiet ein. In einer zweiten Phase stellten Türken die größte Einwanderungsgruppe dar. Ziel dieser Gastarbeiter war zunächst das Verdienen von viel Geld in einer möglichst kurzen Zeit und die anschließende Rückkehr in ihre Heimat. Während Italiener, Spanier und Griechen aufgrund der verbesserten ökonomischen Situation häufig in ihre Heimatländer zurückkehrten, stellte sich die wirtschaftliche Situation in der Türkei anders dar. Dies führte dazu, dass viele Türken in Deutschland blieben und ihre Familien nachziehen ließen (FLEIß 2008, 126 FF.). Der Niedergang der Montanindustrie führte zu einem beständigen Abbau von Arbeitsplätzen (Dezember 1986: 1.265 Mitarbeiter) und letztlich zur Schließung der Zeche Zollverein am 23.12.1986. Sieben Jahre später, am 30. Juni 1993, folgte die Schließung der Kokerei (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 31). Damit verloren die Stadt Essen und besonders ihre nördlichen Stadtteile den wichtigsten Arbeitgeber.

4.2

Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein und seine Neunutzung

Bereits während der letzten Produktionsjahre auf Zollverein wurde über die zukünftige Nutzung und den möglichen Erhalt Zollvereins nachgedacht. Dabei schwankten die Überlegungen zwischen einem Abriss und dem Erhalt der Gebäude als Industriedenkmal. Nur wenige Tage vor der Schließung wurde am 16.12.1986 die endgültige Entscheidung für einen Erhalt von Schacht XII inklusive seiner technischen und maschinellen Ausstattung getroffen, indem per Ministererlass durch Minister Christoph Zöpel die Gesamtanlage unter Denkmalschutz gestellt wurde. Dieser Erlass galt als InitialVergangenheit und Zukunft der Zeche Zollverein

40

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

zündung für das Fortbestehen zahlreicher Industrieanlagen innerhalb des Ruhrgebiets. Der Gedanke, Neues zu entwickeln und dabei das Alte nicht zu negieren, wurde dadurch zu einem festen Bestandteil in der Stadtplanung (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 37-39).

Mit dem Ziel des Erhalts von Zollverein waren allerdings vielschichtige Probleme verbunden. Das Gebäudeensemble von Schacht XII wurde beim Bau für ca. 50 Jahre konzipiert, sollte nun aber – 60 Jahre später – dem Denkmalschutz gerecht werden. Da eine reine Bewahrung als Denkmal schon aufgrund der Größe (fast 27 Hektar und 23 Gebäude und Anlagen) und Baufälligkeit nicht finanzierbar war, musste eine Umnutzung der Hallen und Anlagen angestrebt werden (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 41).

Große Flächen von Zollverein gingen in den Besitz der Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen über. Sie rief einen Arbeitskreis „Nutzungskonzept Industriedenkmal Zollverein XII“ ein, der ein mehrstufiges Nutzungs- und Sanierungskonzept inklusive der voraussichtlichen Kosten erarbeitete und neue Nutzungen der Anlage vorschlug sowie Kernthemen definierte. Besonders zwei Themen wurden hervorgehoben, die bis heute ihren Stellenwert nicht verloren haben. Zollverein soll einerseits Kultur- und Industriegeschichte verkörpern, andererseits sich dem Thema Design öffnen. Im Jahr 1989 wurde eine Baugesellschaft, die so genannte Bauhütte Zeche Zollverein Schacht XII GmbH (Gesellschafter sind die Stadt Essen und die Landesentwicklungsgesellschaft) gegründet, die bis 1999 eine entscheidende Entwicklungs- und Aufbauarbeit leistete. Dabei war die Herrichtung der Gebäude für neue Nutzungen (Kultur- und Veranstaltungszentrum, Büroräume, gehobene Veranstaltungsgastronomie) nur durch eine finanzielle Unterstützung des Ministeriums für Städtebau und Wohnen möglich. Bereits 1993 bezogen verschiedene Firmen (Grafikbüros, Werbeagenturen) und Künstler die ersten Büros. Neben der neuen gewerblichen Nutzung wurden weiterhin Kulturprojekte (z. B. Ausstellung von Leonardo Mosso im Jahr 1995) forciert. Die Öffnung des ehemaligen Zechengeländes stieß besonders bei der breiten Öffentlichkeit auf Anklang. Neben den Touristen konnten nun auch die Bewohner der benachbarten Stadteile das Gelände mit eigenen Augen erleben. Weitere Entwicklungsanstöße gab es durch die IBA Emscher Park, die z. B. den Impuls für den Erhalt der im Jahr 1993 stillgelegten Anlage der Kokerei Zollverein gab (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN

MBH

2009, 43-47).

Vergangenheit und Zukunft der Zeche Zollverein

41

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Nach Beendigung der auf zehn Jahre befristeten Arbeiten der Bauhütte im Jahr 1999 war die im Jahr 1998 gegründete Stiftung Zollverein nun für den langfristigen Erhalt, die Verwaltung und laufende Instandsetzung der Gebäude sowie die Planung und Gestaltung ihrer Nutzung zuständig. Ein weiterer wichtiger Meilenstein für Zollverein war die Ernennung zum UNESCOWelterbe im Jahr 2002. Während die Stiftung Zollverein für die kulturelle Entwicklung zuständig war, fehlten nach Beendigung der IBA Emscher Park im Jahr 1999 die finanziellen Mittel und ein Gesamtkonzept für die weitere Entwicklung von Zollverein. Angeregt durch Prof. Dr. Karl Ganser wurde ein Entwicklungskonzept (Denkschrift Zollverein 2010) entworfen. Im weiteren Prozess wurde für diese zweite Entwicklungsphase von Zollverein die Entwicklungsgesellschaft Zollverein mbH (EGZ) vom Land NRW (vertreten durch die Projekt Ruhr GmbH) und der Stadt Essen gegründet. Für das Großprojekt „Designund Kulturstandort Zollverein“ wurden durch die Europäische Union 30 Mio. Euro bewilligt; weitere 30 Mio. Euro stellten das Land NRW und die Stadt Essen bereit. Bei anderen Förderprogrammen sollten zusätzliche 35 Mio. Euro beantragt werden. Diese Mittel sollen dazu verwendet werden, den Gesamtstandort Zollverein zu einem „integrierten Design- und Kulturstandort von nationaler und internationaler Bedeutung“ (aus: Antrag an Europäische Union 2001) auszubauen. In einem kontinuierlichen Prozess werden im Austausch zwischen der Entwicklungsgesellschaft Zollverein mbH, den Ministerien des Landes, der Stadt Essen und externen Partnern die Anfangsideen weiterentwickelt, durch die Masterplanerstellung von Rem Koolhaas ergänzt und neue Ideen entwickelt. So sieht sich Zollverein heute im ökonomischen Bereich nicht mehr nur als Kultur- und Designstandort, sondern als Zentrum der Kreativwirtschaft (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 49-57).

Heute stellt Zollverein einen Tourismus-, Architektur- und Wirtschaftsstandort dar. Das Ruhr Museum, das neue Portal der Industriekultur und das Naherholungsgebiet Zollverein Park locken jährlich ca. 800.000 Gäste auf das Zollvereinareal. Als Architekturstandort ist Zollverein sowohl durch die Gebäudearchitektur von Schacht XII (Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer) als auch durch Bauten von Heinrich Böll, Hans Kramel, Lord Norman Foster, Rem Koolhaas, Christoph Mäckler und SANAA weltweit beachtet. Als Wirtschaftsstandort zeichnet sich Zollverein durch Unternehmen der Kreativwirtschaft aus. Im Jahr 2008 befanden sich 170 Unternehmen mit rund 1.000 Arbeitsplätzen auf dem Gelände (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 157-159). Vergangenheit und Zukunft der Zeche Zollverein

42

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

5 Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 5.1

Beschäftigungseffekte im Stadtbezirk VI – heute und in Zukunft

Die Stadtteile des Stadtbezirks VI sind durch den Niedergang des beschäftigungsintensiven Bergbaus und somit durch die Schließung der Zeche und Kokerei Zollverein starken Änderungen in der Wirtschaftsstruktur ausgesetzt. Sie sind – seit ihr größter Arbeitgeber 1986 bzw. 1993 weggebrochen ist – herausgefordert, ihre ökonomischen Strukturen zu revitalisieren. Besonders problematisch stellte sich damals auch die Beschäftigungssituation für die heranwachsenden Generationen dar. Die geplante Beschäftigungsbiographie, die ein „Berufsleben in der Zeche“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 4) vorsah, musste nun abrupt verändert werden. Die damaligen Jugendlichen hatten zunächst keine beruflichen Perspektiven und mussten sich neu orientieren, obwohl sie z. B. schon ihre Ausbildung als Bergleute absolviert hatten.

Fördergelder als „push“-Faktoren Viele Ansätze zur integrativen Entwicklung dieser strukturschwachen Stadtteile wurden im Stadtbezirk VI seit Mitte der 1980er Jahre erprobt und im Jahr 1993 in das Programm Soziale Stadt aufgenommen. In den Anfängen des Stadtentwicklungsprojekts wurden mit Städtebauförderungsmitteln viele Maßnahmen umgesetzt, die auch die Beschäftigung von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen förderte, indem z. B. Gebäude, die unter Denkmalschutz standen, mit Arbeitsmarktmaßnahmen saniert worden sind. Dadurch konnten besonders in den Jahren 1994 bis 2005 die Beschäftigungsförderung und die Städtebauförderung gut miteinander kombiniert werden, so dass einerseits „Qualifikationsangebote und Jobs entstanden sind“, andererseits aber auch „Dinge tatsächlich gebaut bzw. umgesetzt worden sind“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 1).

Durch Änderungen der Arbeitsmarktmaßnahmen im Zuge der Hartz-Reformen (kei-

ne gruppenbezogene, sondern eher einzelpersonbezogene Förderung) und der Städtebauförderung wurden diese Maßnahmen allerdings deutlich reduziert (STÄDTENETZWERK SOZIALE STADT NRW 2007, 87).

Von 2003 bis Juni 2008 konnten im Stadtbezirk VI mit dem Programm „Lokales Kapital für Soziale Zwecke“ (LOS) Klein- und Kleinstvorhaben mit bis zu 10.000 Euro für die Laufzeit eines Jahres finanziell unterstützt werden. Das Programm wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie vom Europäischen Sozial-

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

43

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

fond gefördert und hat zum wesentlichen Ziel, benachteiligten Menschen eine Chance zur Eingliederung bzw. Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu ermöglichen. LOS ist verknüpft mit dem Programm Soziale Stadt, da es sich nur an Menschen richtet, die in einem solchen Fördergebiet leben. Die Fördermittelvergabe wird auf der lokalen Ebene mittels eines örtlichen Begleitausschusses durchgeführt; dabei kommen als Träger für Maßnahmen Initiativen, Vereine, Genossenschaften, Bildungs- und Maßnahmenträger, Wohlfahrtsverbände, Kirchengemeinden, örtliche Unternehmen, Wirtschaftsverbände, Lehrstellenbündnisse und Einzelpersonen in Frage (STADT ESSEN 2008, 6-7).

Das Programm vermittelte in Einzelfällen Jugendlichen (wieder) eine Perspektive

(z. B. durch das Projekt „Website – Junge Werkstatt zur Erstellung von Internetseiten“, 2003/2004, 20 Teilnehmer oder „Access allowed – Zugang zur Arbeitswelt“, 2004/2005, 80 Teilnehmer), verhalf Spätaussiedlern zu besseren Startchancen im Berufsleben (z. B. durch das Projekt „Beratung und Vermittlung arbeitsloser junger Spätaussiedler und ihrer Familienangehörigen“, 2004/2005, 42 Teilnehmer), vermittelte türkischen Migranten verbesserte Sprachkenntnisse und berufliche Orientierungsangebote (z. B. durch das Projekt „Erlernung / Verbesserung der sozialen Kompetenzen für den Umgang im Berufsalltag“, 2006/2007, 18 Teilnehmer), erleichterte Frauen die Rückkehr in den Beruf oder den Start in die Selbstständigkeit (z. B. durch das Projekt „Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, 2006/2007, 58 Teilnehmer) und ermöglichte eine Ausweitung der touristischen Angebote auf Zollverein (siehe unten) (STADT ESSEN 2008, 24FF).

Nach Auslauf des Programms LOS wurde im Dezember 2009

das Programm STÄRKEN vor Ort eingeführt, das bis Dezember 2011 vorgesehen ist. Die Kommunen müssen dabei eine Kofinanzierung in Höhe von 15 Prozent erbringen. Wie im Vorgängerprogramm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ werden die Projekte zu 100 Prozent aus ESF2-Mitteln finanziert.

Gründerzentrum mit großem Erfolg, aber geringen Beschäftigungseffekten für den Stadtbezirk VI Das Zukunftszentrum Zollverein (TripleZ) ist „ein wichtiger Anker“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 2)

im Bereich der Beschäftigung für den Stadtbezirk. Das Gründerzentrum befin-

det sich auf der früheren Schachtanlage 4 / 5 / 11 der Zeche Zollverein, in der sich bis 2

„Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist einer der Strukturfonds der EU, die eingerichtet wurden, die Unterschiede bei Wohlstand und Lebensstandard in den Mitgliedstaaten und Regionen der EU abzubauen und dadurch den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu fördern. Der ESF dient der Förderung der Beschäftigung in der EU. Er steht den Mitgliedstaaten zur Seite, wenn es darum geht, Europas Arbeitskräfte und Unternehmen für die neuen und globalen Herausforderungen zu rüsten.“ (EUROPÄISCHE UNION 1995-2010) Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

1994 die Lehrwerkstatt der Deutschen Steinkohle AG befand. Ziel der TripleZ AG, die 1996 gegründet wurde, war „die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Förderung von Existenzgründungen“ (ZUNKUNFTSZENTRUMZOLLVEREIN 2006, 22). Aktuell befinden sich im TripleZ 80 Unternehmen mit ca. 500 Mitarbeitern. Die AG wird von dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied als „ökonomisches Herz von Zollverein“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 1)

bezeichnet. Bei der Darstellung nach außen werden „von unserem großen Bru-

der da drüben“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 1) – gemeint ist Schacht 12 – die Unternehmen und Arbeitsplätze von TripleZ mitgezählt, so dass auf dem gesamten Gelände von Zollverein – also auf Schacht 1 / 2 / 8, dem Choreographischen Zentrum, Schacht 3 / 7 / 10, dem Bürger- und Handwerkerpark, Schacht 4 / 5 / 11, dem TripleZ und Schacht 12 – insgesamt 1.200 bis 1.300 Arbeitsplätze gezählt werden. Wird dies getrennt betrachtet, „haben wir hier [TripleZ] die meisten Unternehmen und die meisten Arbeitsplätze, also mehr als bei 12“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 1). TripleZ beherbergt überwiegend Kleinst- bzw. Einzelunternehmen. Allerdings sind auch größere Unternehmen bei TripleZ anzutreffen, die ca. 50 % des Umsatzes ausmachen. Im vergangenen Jahr ist z. B. eine Firma, die im TripleZ gegründet wurde und gewachsen ist, aus dem Gründerzentrum auf die Kokerei gezogen, wo sie selbst investiert und gebaut hat. Dies ist natürlich „wünschenswert “ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 2). Allerdings wurden dadurch große Flächen frei, deren Vermietung 8 % des Umsatzes von TripleZ ausgemacht haben. „Weil wir knapp kalkulieren, können wir uns keinen hohen Leerstand leisten“ (GESPRÄCHSPARTNER

4 2010, 3).

Probleme bei der Neuvermarktung stellen teilweise größere

Flächen dar, da Gründerfirmen eher kleinere Flächen benötigen (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 2).

Das TripleZ fördert einen Branchenmix, um eher eine Kooperations- als Kon-

kurrenzsituation zu schaffen. Diese Philosophie trägt Früchte, indem die verschiedenen Unternehmen z. B. gemeinsam an Wettbewerben teilnehmen oder sich gemeinsam für den Standort einsetzen; TripleZ beteiligt sich z. B. an dem Projekt Schachtzeichen der Kulturhauptstadt 2010, indem sie einen Ballon finanzieren. Der Gesprächspartner betont, dass das TripleZ einen „sehr engen Draht“ zu den Unternehmen hat und durch diverse Projekte „eine Identität mit dem Standort geschaffen“ wurde (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 6).

Trotz der nicht unerheblichen Anzahl an Arbeitsplätzen, die beim TripleZ vor-

handen sind, hat das Gründerzentrum keine großartigen Beschäftigungseffekte für die Bewohner des Stadtbezirks. Unternehmensgründer aus dem Stadtbezirk werden nicht in besonderer Weise, sondern vielmehr normal behandelt. „Wie bei den Firmen und Leuten, die von überall herkommen, gucken wir auch bei den Unternehmen aus dem Stadtbezirk, ob es passt oder nicht“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 7). Es gibt einige kleinere Unternehmen, die aus dem Stadtbezirk sind, z. B. ein türkischer Unternehmensberater. Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

TripleZ versteht sich als Gründerstandort, der sich durch flexible Mietverträge, zusätzliche Dienstleistungsangebote wie Catering, Konferenzräume, ein Bistro sowie weitere weiche Standortfaktoren wie Ambiente, Charme der Gebäude, große Außenanlagen etc. auszeichnet. Daher müssen Mieter mit höheren Nebenkosten rechnen. Als positive Auswirkung von TripleZ auf den Stadtbezirk ist die Aneignung von Eigentum durch hier angesiedelte Unternehmer zu verzeichnen. In Einzelfällen fand bereits ein Zuzug von jungen Familien statt, „die aus einer ganz anderen Regionen kommen“ (GESPRÄCHSPARTNER

4 2010, 12).

Dadurch können sich ein Stadtteil und dessen Sozialstruktur punktuell

ändern. „Das sind keine gigantischen Sprünge, aber es sind kleine Sprünge“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 12).

Potenziale im Tourismus Der Bereich Tourismus spielt ebenfalls bei dem Thema Beschäftigung eine sehr wichtige Rolle und hat das „Potenzial auf Erweiterung“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 2). 1998 wurde auf Initiative von Bürgerinnen und Bürgern aus den Stadtteilen Stoppenberg, Schonnebeck und Katernberg ein Verkehrsverein gegründet, „um die von Zeche Zollverein ausgehende Wirtschaftskraft für die Stadtteile zu nutzen“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 1).

Die Idee dazu kam auf einer Katernberg Konferenz. Hauptaufgabe des Ver-

kehrsvereins war zunächst eine Privatzimmervermittlung unter dem Motto „Übernachten unter dem Förderturm“. Mit der Fachkompetenz von der Touristikzentrale Essen und dem Büro für Stadtentwicklung wurde dieses Projekt weiter entwickelt (GESPRÄCHSPARTNER

3 2010, 1).

Zollverein Touristik erhielt durch das Programm LOS Fördergelder für

drei Mikroprojekte. Das erste Mikroprojekt bestand im Coaching des Personals und einer Konzeptentwicklung zur wirtschaftlichen Etablierung (2004/2005), das zweite Mikroprojekt handelte von der Erweiterung des Führungs- und Ausflugsangebots rund um das Weltkulturerbe Zollverein (2005/2006) und das dritte Projekt hatte zur Aufgabe, die Sparte Catering der Zollverein Touristik wirtschaftlich und personell zu stärken (2006/2007) (STADT ESSEN 2008, 26 FF.). Trotz einer guten Unterstützung der Projekte von Zollverein Touristik z. B. bei der Öffentlichkeitsarbeit oder bei der Einrichtung einer Vermittlungszentrale von 1999 bis 2005 mit nahezu 55.000 Euro aus Pauschalmitteln des Programms Soziale Stadt und weiteren Fördermitteln gestaltet sich die aktuelle Finanzierung von Zollverein Touristik nicht immer wirtschaftlich problemfrei (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 4).

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Auch wenn der Bereich Tourismus von den Umsatzstärken noch nicht sehr groß ist, gibt es erfolgreiche ökonomische Effekte. Ein ökonomischer Effekt wird durch die Zimmervermietung (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 2) erzielt. Durch einen Aufruf, sich als Vermieter für Bed & Breakfast-Angebote zu melden, der mit Hilfe der Lokalpresse 1999 gestartet wurde, hatten sich bis zum Jahresende 2002 elf Vermieter etabliert. Bis zum Herbst des Jahres 2005 hatte sich die Gruppe der Vermieter auf 40 erweitert (STÄDTENETZ SOZIALE STADT NRW 2007, 86).

Positiv wird vermerkt, dass Touristen vermehrt bei privaten Vermie-

tern verweilen und dadurch eine „viel engere Bindung zum Stadtteil“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 9)

bekommen.

Weitere Synergien haben sich durch das Gestalten und Vermarkten typischer Souvenirs ergeben. Ein kleines Mutter-Tochter-Unternehmen stellt aus Grubenhandtüchern diverse Artikel wie z. B. Topflappen (so genannte Pottlappen, daher auch der Name der Firma) oder ein Fenster-raus-guck-Kissen her (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 2). Ebenfalls positive Effekte ergaben sich für die Menschen, die sich engagieren wollten. Diese konnten z. B. bei einem Infopunkt mitarbeiten und auf diese Art Geld verdienen. Nach Aussagen von Zollverein Touristik war es allerdings sehr schwer, ausländische Bewohner des Stadtbezirks zu motivieren. Vielmehr „arbeiteten ältere Frauen mit, die auch einen Bezug zu der Zeche hatten“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 2). Vereinzelt haben auch Jugendliche auf der Zeche mitgearbeitet, z. B. beim Infopunkt (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 9).

Weiterhin werden seit drei Jahren von Zollverein Touristik Tagestouren angeboten, die eine Eigendynamik entwickelt haben. Während im Jahr 2009 insgesamt 135 Touren gebucht wurden, waren dieses Jahr 100 Touren bereits im März 2010 gebucht. Dieses Angebot wird hauptsächlich von Vereinen, von der Freiwilligen Feuerwehr, Seniorenclubs und Kegelvereinen wahrgenommen. Darüber hinaus sind Gäste vermehrt an einer Übernachtung interessiert, so dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Zollverein Touristik und den Hotels im Umkreis der Zeche Zollverein besteht., Indirekte Effekte auf die Stadtteile ergeben sich auch durch das bereits bestehende Angebot auf Zollverein. Das Erfahrungsfeld der Sinne – Phänomania – auf dem Standort 3/7/10 wird von vielen Menschen – sowohl von jungen als auch von alten Menschen – genutzt und hat ca. 30.000 bis 40.000 Besucher jährlich (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 8). Ebenso lockt das Ruhrmuseum 4.000 Besucher täglich an; zusätzlich gibt es weitere Veranstaltungen auf Zollverein. Ziel ist es, die Besucherströme, die auf Zollverein sind, möglichst in den Stadtteil zu lenken (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 2), damit sich dadurch Synergien für die Stadtteile ergeben. Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Mit steigendem Tourismus sind auch gastronomische Angebote gefragt. In diesem Bereich existiert zwar Potenzial und die Hoffnung auf wirtschaftlich positive Effekte auf den Stadtbezirk, allerdings besteht noch deutlicher Verbesserungsbedarf, da „die Gastronomen nicht ausreichend auf den Ansturm, der eigentlich da ist, vorbereitet sind. Die könnten viel mehr Leute bei sich empfangen“(GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 12). Trotz zunehmender Besucherzahlen auf Zollverein schaffen die Gastronomen es nicht, die Besucher an sich zu binden: „Die Gastronomie hat sich immer schwer getan“ (GESPRÄCHSPARTNER

3 2010, 3).

Um das Marktpotenzial im Verständnis der Gastronomen stärker zu ver-

ankern, wurde von Zollverein Touristik und dem ISSAB mit Hilfe einer Befragung und einer Versammlung versucht, diesen Prozess anzustoßen. Ziel war es, die „umliegenden Lokale und Gastronomen stärker auf diesen Zollverein Tourismus hinzuorientieren – aber wenn hier ein Gastwirt in dritter Generation seine Eckkneipe führt, dann denkt der noch nicht so. Und es ist auch eher unwahrscheinlich, dass er einen Schalter umlegt und sagt, jetzt mache ich hier Großküche und werde jeden Tag hier Busladungen voll bekochen.“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8). Mittlerweile gibt es im Stadtbezirk drei Lokale in der Nähe, in die auch größere Gruppen passen und „wo man weiß, dass es hinterher keine Beschwerden gibt“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 3). Zollverein Touristik versucht, mittels eines Flyers die gastronomischen Strukturen transparenter zu machen und ein Angebot aufzuzeigen. Trotz Interesse der Gastronomen an einem gemeinsamen Flyer ist das Zusammentragen der dafür benötigten Daten mühselig, „da die Gastronomen schon mit ganz normalen Strukturen nicht vertraut“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 4) sind und dadurch die Arbeit der Zollverein Touristik sehr gebremst wird. „In Bayern ist bei halbwegs gutem Wetter jeder Biergarten offen. […] Das gibt’s hier nicht. Wir sind ja eine Servicewüste“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 14). Ein weiteres Potenzial würde sich aus dem Fahrrad-Rikscha-Projekt ergeben, das die ökonomischen Effekte des Tourismus auf Zollverein für junge Erwachsene nutzbar machen soll. Schüler und Schülerinnen sowie Jugendliche sollen in Beschäftigungsmaßnahmen Touristen mit Fahrrad-Rikschas über das Gelände von Zollverein fahren und qualifiziert werden, Führungen über Zollverein zu leiten. Momentan werden für dieses Projekt noch Werbepartner gesucht. Außerdem muss noch eine Abstimmung mit den Essener Jobcenters erfolgen, inwieweit sie die Qualifizierung mitfinanzieren würden (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 9).

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

48

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Einzelhandel im Stadtbezirk VI profitiert von Zollverein Wichtig für die Beschäftigung im Stadtbezirk war auch das Engagement der Werberinge. In Katernberg konnten Discounter wie Aldi und Lidl im Stadtteilzentrum gehalten werden, so dass die Laufkundschaft für die Einzelhändler zugenommen hat (GESPRÄCHSPARTNER

7 2010, 6).

Dennoch weist der Stadtbezirk VI den höchsten Kaufkraftverlust im

Essener Stadtgebiet auf. Durch Besucherströme auf Zollverein profitiert aber nach Ansicht der Werberinge auch der Einzelhandel im Stadtbezirk (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 9).

Insgesamt noch zu wenige Beschäftigungseffekte Es wurde von mehreren Seiten beklagt, dass sehr viele Aufträge für die Sanierung und den Bau von Projekten auf dem Zollvereingelände „nach außen gingen und man das vor Ort gar nicht mitbekommen hat“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 8). „Ich weiß gar nicht, ob das ein organisatorisches oder ein rechtliches Problem ist, auf jeden Fall kann die Kommune nur insgesamt [arbeitsuchende] Menschen benennen, die für eine solche Maßnahme geeignet sind und kann nicht sagen, guck mal, dass die aus Katernberg kommen“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 6). Besonders wäre auch die Einbindung von Jugendlichen bei Aufbau- und Sanierungsarbeiten gewünscht gewesen, um so Vandalismus vorzubeugen. „Aber das ist leider am Stadtteil vorbei gegangen. Wir haben hier eine hohe Arbeitslosigkeit und im Endeffekt hat keiner von dem Aufbau der Zeche Zollverein profitiert“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 10). Auch wenn heute bei dem Bau oder der Sanierung von Gebäuden Dienstleistungen offiziell ausgeschrieben werden müssen, versucht

das

Büro

für

Stadtentwicklung einzugreifen,

„Wir haben einige kleinere Unter-

um durch Baumaßnahmen an

nehmen, die aus dem Stadtbezirk

der Zeche mehr ökonomische Effekte auf den Stadtbezirk zu

kommen, aber das erheben wir gar

lenken. Um dies zu ändern

nicht richtig und ist uns nicht so

wird nun darauf geachtet, dass

wichtig.“

die

Unternehmen

im

Stadtbezirk überhaupt von den Ausschreibungen erfahren, um sich dann auch bewerben zu können (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 8). Auch die Arbeitsplätze, die auf Schacht 12 der Zeche entstanden sind, bieten nach Meinung der Gesprächspartner keine bzw. zu wenige Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen aus dem Stadtteil. „Ich denke, dass 80 % derer, die auf Schacht 12 arbeiSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

49

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

ten, sich abends in ihre Autos setzen und Richtung Süden fahren“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 6).

In der Stiftung Zollverein auf Schacht 12 arbeiten spezialisierte Leute, die

überwiegend nicht aus dem Stadtbezirk kommen und als Voraussetzung ein Kunststudium oder ein Studium im Bereich Design mitbringen.

Chancen für (arbeitslose) Jugendliche – Beschäftigungspotenziale im Dienstleistungsbereich Unabhängig vom Arbeitsplatzangebot vor Ort sind die „Chancen der Arbeitssuchenden [im Stadtbezirk VI] ungünstig, da viele Menschen mit niedrigen oder gar keinen Bildungsabschlüssen das Schulsystem verlassen“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 4), so dass die Qualifikation für das berufliche Leben fehlt. Daher sind im Bereich Beschäftigung Ausbildungsplätze (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 13) ein wichtiges Thema für die Zukunft. Der Stadtbezirk VI ist durch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit geprägt. Während der Anteil junger Menschen an den Arbeitslosen in Stoppenberg mit 8 % geringer im Vergleich zur Gesamtstadt (10 %) ist, sind in dem Stadtteil Schonnebeck 11 % und in dem Stadtteil Katernberg 12 % der Arbeitslosen unter 25 Jahren. Teilweise erreichen einzelne Bereiche in den Stadtteilen bis zu 15 % (STADT ESSEN 2007, 25). Die Schaffung von Ausbildungsplätzen und das Durchführen von Praktika im Bereich Design und auch in den Bereichen Gastronomie, Veranstaltungsmanagement, Bühnenaufbau, Sicherheitspersonal, etc. (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 15) auf Zollverein wären da hilfreich. Ebenfalls wird eine „Ausbildungsstätte neben den Kulturstätten, wo sich auch Katernberger, Stoppenberger und Schonnebecker angesprochen fühlen“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 13) vorgeschlagen. Der Gesprächspartner vom Jugendhaus Stoppenberg denkt da direkt praktisch und schlägt z. B. einen „Partymanager auf Zollverein“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 12) vor. Diese Meinung wird auch durch die AWO unterstützt, die „Arbeitsplätze im Niedriglohnsegment“ auf Zollverein fordert, wie z. B. „Parkplatzwächter, Personen, die Eintrittskarten abreißen, beim Veranstaltungsauf- und -abbau mitwirken, Wachdienste, etc.“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 10). Dank einer sehr engen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren hat selbst die Polizei Einfluss auf die Beschäftigungsmöglichkeiten von Jugendlichen, indem der Jugendkontaktbeamte in Katernberg durch enge Kontakte zu den Jugendlichen Berufsperspektiven aufzeigen oder Kontaktgespräche vermitteln kann (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 2). Durch einige Neugründungen auf dem Zechengelände (im Triple Z, auf Schacht 12, auf der Kokerei z. B. Kalle Krause) könnten unterschiedliche Anforderungen an das QualiSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

fikationsprofil entstehen, so dass auch „einfachere Dienstleistungen wie Catering oder Security“ gefragt sind, „die von Leuten aus dem Stadtbezirk erfüllt werden können“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 7).

Das Thema Sicherheit auf dem Zeche Zollverein Gelände ist ebenfalls ein Thema, das immer wieder diskutiert wird. In diesem Bereich lägen sicherlich auch Beschäftigungsmöglichkeiten für Bewohner des Stadtbezirks VI, allerdings wird „lieber für die Versicherung bezahlt, als ständig einen Wachdienst zu beschäftigen, weil man das Problem nicht in den Griff bekommt, weil das Gelände so riesig ist, dass eine Bewachung nicht bezahlbar ist.“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 13). Es wurde die Idee geäußert, dass die „bösen Buben“ aus dem Stadtbezirk selbst die Wächter sein könnten, aber gelöst ist das Problem bis heute nicht. Ein weiteres Thema im Bereich Beschäftigung ist die Gesundheitswirtschaft, in der für die Zukunft gute Chancen für eine Beschäftigung der Bewohner des Stadtbezirks gesehen werden (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 11). Schon heute ist es so, dass ein Altenheim und der Schacht 3/7/10 am Handwerkerpark stärker für Arbeitsplätze, die von den Bewohnern des Stadtbezirks genutzt werden können, sorgen als Schacht 12. Das Patentrezept für die hohe Arbeitslosenzahl gibt es nach Meinung der Befragten nicht, sie sehen aber ein großes Potenzial im eben beschriebenen Dienstleistungsbereich. „Nicht alle werden im Tourismus beschäftigt werden, die Designstadt löst das Problem auch nicht. Im Dienstleistungsbereich wird es schon noch einige Arbeitsplätze geben“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 15). Kleinere Projekte sind da aber erfolgreicher (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8).

Auch wenn es auf Zollverein keine direkten Arbeitsplätze gibt, sind dort „viele wirtschaftlichen Interessen vorhanden“, die positive Effekte auf die Unternehmen im Stadtbezirk haben. Vermehrt werden Unternehmen im Stadtbezirk VI von Unternehmen auf Zollverein z. B. gastronomische und handwerkliche Tätigkeiten nachgefragt (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 9).

Kritische Sichtweise gegenüber der Essener Wirtschaftsförderung Die Essener Wirtschaftsförderung, „die ein zentraler Akteur sein könnte“ (GESPRÄCHSPARTNER

7 2010, 8),

ist nicht in kleinere Projekte im Stadtteil eingebunden und arbeitet

nicht stadtteilspezifisch, „sondern nach anderen Kennziffern“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8). Für eine Verknüpfung zwischen Zollverein und den Stadtteilen sind auch ökonomische Effekte entscheidend, so dass hier ein stärkeres Engagement der Essener Wirtschaftsförderung hilfreich wäre. Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

51

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

5.2

Langjährige Kooperationsstrukturen als Grundlage für die heutige Zusammenarbeit

Das Thema Zusammenarbeit spielt im Stadtbezirk VI schon lange eine wichtige Rolle. Bereits Anfang der 1980er Jahre wurde der Grundstein für eine ausgeprägte Kooperation gelegt (siehe Kapitel 3.3) und durch eine dauerhaft angelegte vertragliche Zusammenarbeit zwischen der Universität Duisburg-Essen und der Stadtverwaltung Essen auf den Gebieten der Stadtteilentwicklung und der sozialen Arbeit gefestigt. In Katernberg wurde zudem bereits 1981 eine Projektgruppe gegründet, in der neben der Stadt Essen und dem Institut für stadtteilbezogene soziale Arbeit (ISSAB), der Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und die Evangelische Kirchengemeinde Katernberg einbezogen wurden. Ziel war und ist es, Schulen, Polizei, soziale Dienste und Kirchen vor Ort für Schwierigkeiten zu sensibilisieren und sie in ihrem immerwährenden Anpassungsprozess in der jeweils aktuellen Situation zu unterstützen. Die Kooperationsstrukturen im Essener Stadtbezirk VI sind ebenenübergreifend, da sowohl Verwaltung, Politik, Institutionen und Privatpersonen in die Stadtteilarbeit eingebunden sind. Eine Lenkungsgruppe, in der sich Vertreter verschiedener städtischer Ämter, der politischen Fraktionen der Bezirksvertretung VI, der Essener Wirtschaftsförderung, des ISSABs, der AWO und der EV. Kirchengemeinde Katernberg befinden, hat die Aufgabe, den Stadtentwicklungsprozess zu begleiten, einen Gesamtblick zu wahren, über Mittelverwendungen der Pauschalmittel der Städtebauförderung und der „Lokales Kapital für Soziale Zwecke“-Mittel (LOS) bzw. „Stärken vor Ort“-Mittel3 zu entscheiden und Projektgruppen einzurichten. Neben dieser Lenkungsgruppe gibt es verschiedenste weitere Projektgruppen und Arbeitskreise (AK) zu unterschiedlichen Themen, z. B. den AK Schule, den AK Kriminalprävention, den AK Kinder- und Jugendarbeit, das Jugendhilfe Netzwerk, das Mieternetzwerk, etc. Diese Gremien arbeiten jeweils themenspezifisch und sind aus fachspeziellen Akteuren zusammengesetzt. Wichtig bei der Zusammenarbeit ist es, die verschiedensten Akteure „thematisch zu sortieren“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 5) sowie „verschiedene Federführungen“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 5) bei den Arbeitskreisen zuzulassen, um die jeweiligen Stärken der Akteure nutzen zu können und eine Überforderung einzelner Personen möglichst zu vermeiden. So ist z. B. die AWO federführend beim Das Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke" (LOS) wird in der neuen Förderperiode unter dem Namen „STÄRKEN vor Ort" fortgeführt. Es wird in der Laufzeit von Dezember 2008 bis Dezember 2011 an 280 Standorten in 158 Kommunen und 45 Landkreisen bundesweit umgesetzt (ESF 2010).

3

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Jugendhilfenetzwerk, und die Rektorin einer Grundschule ist die Leiterin des Arbeitskreises Schule. Dies bedeutet nicht, dass nicht auch die AWO z. B. im AK Schule ist, allerdings ist sie dort nicht federführend, sondern unterstützend und beratend beteiligt. Bei der Zusammenarbeit im Stadtbezirk VI ist als bemerkenswert hervorzuheben, dass „Bürger, Institutionen und Unternehmen – zumindest Einzelhändler – […] wenig Zeit damit verschwenden, sich gegenseitig vors Schienenbein zu treten“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 10).

Eher ist das Gegenteil der Fall, zumal die Kooperation mit anderen Akteuren

als hilfreich und Ressourcen einsparend wahrgenommen wird (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 13).

Durch die vielfältige und enge Zusammenarbeit in unterschiedlichen Gremien ken-

nen sich die verschiedenen Akteure untereinander, so dass „eine gute Vernetzung der Akteure“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14), eine „hohe Informationsdichte“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 10),

eine „kommunikative Offenheit“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 12), das „gemeinsame

Auftreten“ (GESPRÄCHSPARTNER 5 2010, 8) und „keine Berührungsängste“ (GESPRÄCHSPARTNER 3

„Es ist erstaunlich, mit wie viel Ver-

2010,12)

als charakteristische

Merkmale

der

Zusammen-

trauen hier Menschen miteinander

arbeit

umgehen, die sonst als Konkurrenten

können.

auftreten. Und das ist natürlich ge-

untereinander wird von den

wachsen, indem man gemerkt hat,

genannt Die

werden Kooperation

Experten deutlich als Stärke im Stadtbezirk hervorgehoben.

dass man sowohl kleinere als auch

Aufgrund einer thematischen

größere Projekte gemeinsam auf die

und

Beine gestellt bekommt.“

situationsbezogenen

Zusammenarbeit sind kurze Kommunikationswege

entstanden, die ein zeitnahes Bearbeiten von dringenden Problemen und Themen möglich werden lässt. „Durch dieses Kennen brauchen einige Handlungsabläufe nicht besprochen werden, da die automatisch laufen. […] dann wissen in kürzester Zeit alle Akteure, die das wissen müssen, über einen Umstand Bescheid und dann finden sich auch in kürzester Zeit die Akteure zusammen, um das Problem zu lösen“ (GESPRÄCHSPARTNER

9 2010, 12 F).

Es gibt laut Experten „nicht viele Alleingänge oder institutionelle

Eitelkeiten“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 12).

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

53

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Strukturen und Synergien der Zusammenarbeit Für das Arbeiten im Stadtbezirk ist es nach Meinungen der Experten sehr wichtig, dass man „Vertrauen aufbaut, dass man auch zusammen auf Leute zugeht wenn irgendetwas mal nicht läuft und dass man gemeinsam Erfolge abfeiert“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 5).

Durch dieses entwickelte Vertrauen zwischen den verschiedenen Akteuren kommt

es zu Synergien (vgl. Abb. 27). So findet z. B. durch das gewonnene Vertrauen bei der Zusammenarbeit in einem Arbeitskreis ein „vertrauensvoller Austausch“ (GESPRÄCHSPARTNER

8 2010,57)

von Informationen zwischen dem Jugendhaus Stoppenberg und der Poli-

zei Katernberg statt. „Da braucht man nicht immer groß erklären, wie man mit Daten und Informationen umgeht“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 12).

- Lösen von Problemen - Erarbeiten von Maßnahmen - Ansprechen weiterer Akteure - Feiern gemeinsamer Erfolge

- Mitteilen von Problemen und Sorgen - Informationsaustausch - Berichterstattung Kommunikationsebene

Vertrauen

Arbeitsebene

Zusammenarbeit im Arbeitskreis

Vertrauensebene

Vertraulicher Austausch von Daten und Informationen

Vertrauen Vertrauensebene

„kurze Wege“

Aufbau eines engmaschigen Netzwerkes

Abb. 27: Synergien durch die Zusammenarbeit (EIGENE DARSTELLUNG 2010)

Die Polizei – als ein bedeutsamer Akteur im Stadtbezirk – unterstreicht die Wichtigkeit der vertrauensvollen Kooperation. „Das Netzwerk macht besonders die tägliche Arbeit aus“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 1). Das Hauptanliegen der Polizei – „das gesellschaftliche Zusammenleben an die Menschen herantragen und sie dafür gewinnen, daran mitzuarbeiten“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 1) – ist nach Meinung des Jugendkontaktbeamten nur in Kooperation mit dem Jugendamt, der AWO, der Diakonie und den Jugendhäusern möglich. Ebenfalls wird die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Schulen aufgeführt. Auch hier lässt sich wieder feststellen, dass durch die enge Zusammenarbeit, z. B. im AK Schule, Vertrauen aufgebaut wurde, so dass Informationen auf schnellstem Weg weitergegeben werden und dadurch kriminellen Auffälligkeiten bereits im Kindesalter begegnet werden können. „Das Frühwarnsystem hier besteht und funktioniert“ (GESchwerpunktthemen im Stadtbezirk

54

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

SPRÄCHSPARTNER

9 2010, 7).

Nach Aussagen der Polizei führt dieses „engmaschige Sozial-

netz“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 3) dazu, dass kaum geplante Straftaten ausgeübt werden und kriminelle Taten „früher gestoppt“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 4) werden können. Als besonders erfolgreich wird die Zusammenarbeit zwischen der Jugendhilfe, der Polizei und dem Moscheeverein betont (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 2). Dieser „bemerkenswerte Verbund“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 9) war der Grund für eine erhebliche Senkung der Anzahl von Intensivtätern und der Menge der Straftaten von Jugendlichen im Stadtbezirk (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 3). Zollverein Touristik beschreibt die Arbeit im Stadtbezirk folgendermaßen: „Man könnte hier gar nicht arbeiten, ohne die ganzen Beteiligten zu kennen. Das ist selbstverständlich. Wir arbeiten da z. B. sehr eng mit dem ISSAB zusammen“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 4).

Eine Zusammenarbeit findet ebenfalls zwischen der Wirtschaftsförderung Essen (EWG) und dem Triple Z statt, die sich vor allem aus der personellen Situation ergeben hat, da der Geschäftsführer vom TripleZ ein ehemaliger Mitarbeiter der EWG ist (GESPRÄCHSPARTNER

5 2010, 7).

Obwohl die EWG einst für die Vermarktung der Flächen auf

Zollverein zuständig war, besteht zwischen der Stiftung Zollverein – die gegenwärtig die Verantwortung für die Entwicklung und Vermarktung von Zollverein trägt – und der EWG nur noch ein „loser Kontakt“ (GESPRÄCHSPARTNER 5 2010, 7). Für die AWO spielt eine enge Zusammenarbeit auch mit Bewohnern eine besondere Rolle, da „Zugänge zu Leuten“ und der „Puls am Stadtteil“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 11) nur durch eine Zusammenarbeit mit Bewohnern erreicht werden kann. Demgemäß bringen sich z. B. „türkische Kioskbesitzer als interkulturelle Konfliktvermittler“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 11)

ein.

Eine andere Art der Zusammenarbeit ist die Katernberg Konferenz, die sich aufgrund von Initiativen aus dem Stadtteil heraus gegründet hat. Die Katernberg Konferenz wird von den Werbegemeinschaften aus den drei Stadtteilen des Stadtbezirks VI sei 1993 organisiert und widmet sich verschiedensten Themen. Die Besucher der Konferenz sind die Bewohner des Stadtbezirks, Politiker, Verwaltung, Institutionen, Vereine und Verbände. Zwischen Herrn Maas, dem Vorsitzenden des Katernberger Werberings, und dem Büro für Stadtentwicklung findet ein intensiver Austausch statt, so dass auch Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

55

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Themenwünsche seitens der Verwaltung in die Katernberg Konferenzen einfließen können (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 5). Eine Vernetzung zwischen den verschiedenen Ebenen wie Verwaltung, Politik, Institutionen und Bewohnern im Stadtbezirk wird durch die Arbeit des ISSAB verstärkt. „Ich bin jeden Tag mehrfach zu verschiedensten Themen mit verschiedensten Leuten und verschiedenen Hierarchieebenen zugange“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 2), so der Gesprächspartner vom ISSAB. Für das Institut ist bei der Arbeit im Stadtbezirk nicht nur die Verknüpfung innerhalb des Bezirks, „sondern auch die Verknüpfung mit der gesamtstädtischen Ebene“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 3) von Bedeutung. „Wir wollen ja nicht im Lokalen stecken bleiben. Ohne die gesamtstädtische Entwicklung und Politik im Boot zu haben, denkt man hier zu kurz“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 3). Zusammenfassend formuliert der Gesprächspartner vom ISSAB die Kooperation zutreffender Weise wie folgt: „Das finde ich schon erstaunlich, mit wie viel Vertrauen hier Menschen miteinander umgehen, die sonst als Konkurrenten auftreten. Und das ist natürlich gewachsen, indem man gemerkt hat, dass man sowohl kleinere als auch größere Projekte gemeinsam auf die Beine gestellt bekommt“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 10).

Kritische Sichtweisen an der Zusammenarbeit Neben zahlreichen sehr positiven Äußerungen und Schilderungen der Kooperationsstrukturen im Stadtbezirk VI werden auch Kritikpunkte bei der Zusammenarbeit deutlich. So wird z. B. moniert, dass eine Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche nicht vorhanden ist, weil sich „die katholische Kirche aus dem Stadtteil rausgezogen hat“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 7).

Problematisch wird auch die Zusammenarbeit mit der Stif-

tung Zollverein wahrgenommen. Es wird kritisiert, dass eine Kontaktaufnahme zur Stiftung sehr langwierig ist und dass es sehr „viele Entscheidungswege“ gibt (GESPRÄCHSPARTNER

8 2010, 14).

Ebenfalls wird die Art und Weise der Kommunikation seitens der Stif-

tung Zollverein gerügt, die als äußerst unangenehm und abwertend beschrieben wird (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 5).

Anstatt einer Kooperation scheint eher eine Konkurrenz zwi-

schen der Stiftung Zollverein und Zollverein Touristik zu bestehen. Der Gesprächspartner von Zollverein Touristik beschreibt, dass eine gewisse Angst besteht, dass die Stiftung Zollverein Aktivitäten im touristischen Bereich aufnehmen könnte. Weiterhin gibt es kein Gremium, in dem Meinungen und Ideen ausgetauscht werden könnten. Vielmehr bezieht sich die Kommunikation auf einzelne Personen, die dann wiederum „nicht auf einer Ebene“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010,11) stattfindet. „Da kann man die tollsten VorSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

56

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

schläge im Bereich Tourismus machen. Außer, dass die vielleicht abgegriffen werden […] und als die eigenen Vorschläge verkauft werden, ist da bislang keine konstruktive Zusammenarbeit möglich“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11). Es wird deutlich, dass die Stiftung Zollverein in solch einem Falle mehr Einfluss und Unterstützung seitens der Politik erhalten würde, als Zollverein Tourismus. „Man merkt ganz deutlich die Hierarchie. Die müssen mir nicht antworten“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 13). Neben der Sorge um die eigene Existenz wird die Weiterführung der bislang mühevollen partizipatorischen Arbeit angezweifelt. „Und dann sind wir weg vom Fenster. Dann sind die Stadteileinbeziehungen [gemeint sind die aufwendigen Maßnahmen zwecks Einbeziehung der Bewohner) und die Initiativen – wie z. B. den Gastronomen 27 Briefe zu schreiben – weg vom Fenster. Das macht doch dann keiner mehr“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 8).

Partizipation durch Eingehen auf Interessen Um eine möglichst breite Mitarbeit bei Projekten zu erreichen, ist es wichtig, „dass man nicht einfach irgendwie Projekte verkündet und aufsetzt“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 6), sondern die Interessen der Bevölkerung berücksichtigt und auf ihre Ideen und Wünsche eingeht. Nur auf diese Weise findet man nach Meinung der Gesprächspartner vom Büro für Stadtentwicklung der Stadt Essen Personen, „die einer Idee folgen, weil sie selber Spaß dran haben oder weil sie selber Interesse haben. Wenn ein Interesse da ist, dann bewegt das auch etwas“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 6). Eine Zusammenarbeit mit Bürgern des Stadtteils Katernberg findet auch über die Schulen statt. Der Gesprächspartner erwähnt z. B. die Unterstützungsbereitschaft der Eltern gegenüber der Schule. „Wenn Not am Mann ist, dann springt hier jeder für jeden ein. Das finde ich bezeichnend für Katernberg“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 13). Eine Einbeziehung der Bewohner und Bewohnerinnen der Stadtteile findet auch durch Zollverein Touristik statt. Z. B. wurden für die Besetzung des Infopunktes in der Mischanlage auf Zollverein über Inserate im Wochenblatt Ehrenamtliche zur Mitarbeit gesucht. „Über diesen Weg haben wir immer sehr gut Menschen, die sich engagieren wollten, mit einbeziehen können“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 2). Eine andere Art von Beteiligung findet durch das TripleZ statt. Da TripleZ eine Aktiengesellschaft ist, muss es sich durch seine Aktionäre und sein Einkommen selbst finanzieren. Durch das Modell der Aktiengesellschaft findet über viele Aktionäre eine Bürgerbeteiligung statt. „Wie haben 1.000 Kleinaktionäre und das ist auch eine andere Art, Leute für ein Projekt zu begeistern“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 8).

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

57

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Politische Unterstützung Aus Sicht der Verwaltung erhalten die Aktivitäten im Stadtbezirk VI durch die Politik „starke Unterstützung. […] Sowohl auf lokaler Ebene bei der Bezirksvertretung als auch beim Rat ist die Unterstützung keine Diskussion. Bisher war es auf Landesebene auch so“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 3). Auf dieser Ebene besteht allerdings aufgrund der Finanzkrise und der damit einhergehenden schwindenden finanziellen Mittel Skepsis. Trotz erwähnter Unterstützung der Politik auf den verschiedenen Ebenen könnte „zwischen Ratspolitik und Bezirksvertretung noch ein besserer Austausch sein“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 5).

Auch wenn aus Verwaltungssicht eine Unterstützung auf kommunaler Ebene zugesichert wird, nehmen die Akteure im Stadtbezirk dies anders war. „Es gibt immer noch zu wenig Unterstützung für die Belange der Stadtbezirke V und VI“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 3).

Ebenfalls wird vermutet, dass „die finanzielle Unterstützung in Zukunft eher

zurückgefahren“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 6) wird und man daher künftig von Seiten der Stadt finanziell „nicht mehr viel erwarten kann“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 6). Eine Unterstützung der Politik auf lokaler Ebene dagegen wird von vielen Gesprächspartnern positiv wahrgenommen und geschätzt. „Die Politik vor Ort schaut immer wieder rein. […] Das finde ich toll und ich wüsste auch, wen ich ansprechen müsste, wenn ich Dinge hätte, die von denen geklärt werden könnten“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 6). Die Unterstützung wird auch durch die Anwesenheit politischer Vertreter in einigen Arbeitskreisen deutlich (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 13). Es findet eine Kommunikation zwischen Ortspolitik und Verwaltung der Stadt und zwischen Ortspolitik und Trägern sozialer Arbeit statt. „Das ist schon ein großes Pfund!“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 13). Der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Essen, Dr. Reiniger, zeigte z. B. seine Unterstützung, indem er an dem 10-jährigen Bestehen von Zollverein Touristik teilnahm (GESPRÄCHSPARTNER

3 2010, 8). Auch

die Katernberg Konferenz wird von den lokalen Politikern unter-

stützt, wobei es den Werbegemeinschaften wichtig ist, dass sie sich von der Politik nicht „vor den Karren spannen lassen“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 3). Das TripleZ ist bei der Unterstützung seitens der Bezirksvertretung schon skeptischer. „Da pflegen wir den Kontakt, auch wenn wir da nicht viel erwarten wollen. Wir haben viele Freunde und Förderer, die das Projekt gut finden, aber die sind auch nur so lange unsere Freunde, wie der Laden läuft“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 8).

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

58

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

5.3

Bildung und Soziales im Stadtbezirk VI

Das Thema Bildung war bereits während des Zechenbetriebs ein wichtiges Thema im Stadtbezirk VI. Die Stadtteile Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg haben traditionell einen hohen Anteil an ungelernten oder schlecht ausgebildeten Bewohnern, die durch die Tätigkeiten in der Zeche trotz eines geringen Bildungsgrades einen Arbeitsplatz erhielten. Auch heute sind die Bildungsabschlüsse im Stadtbezirk VI eher gering und es gibt einen hohen Anteil an Bewohnern, die eher als bildungsfern einzustufen sind. Durch die wirtschaftliche Neuausrichtung seit der Schließung von Zeche und Kokerei bestehen in einem viel geringeren Umfang Arbeitsplätze für gering Qualifizierte. Mit dieser negativen Arbeitsplatzsituation gehen vielschichtige soziale Probleme einher (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 3),

die in einer körperlichen (Gewalt, Suchtproblematik, Miss-

handlung, Läusebefall, Krätze, mangelnde Ernährung, etc.), seelischen (mangelnde Bindungsfähigkeit zwischen Eltern und Kindern, Probleme zwischen den Partnern, etc.) und wohnraumbezogenen (Vermüllung des Haushalts, Schuldenproblematik, etc.) Verwahrlosung münden können. Die Problematik des Stadtbezirks wird dabei nicht in den einzelnen, sondern in der Vielzahl solcher Familien gesehen. „Wir haben hier Wohnbereiche, in denen wir eine Hartz-IV Anhängigkeit von 70 bis 80 % haben.“ (GESPRÄCHSPARTNER

6 2010, 6).

Weiterhin wird deutlich, dass diese tiefgreifenden sozialen Pro-

bleme nicht auf den kulturellen Hintergrund zurückzuführen sind. Vielmehr wird momentan „die verarmte deutsche Unterschicht“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 12) als Problemlage gesehen, weil sich zu ihr sehr schlecht Zugänge aufbauen lassen. „Das Problem sind nicht mehr die ausländischen Gruppen, wir haben wirklich einen guten Zugang zu dem türkischen und libanesischen Gemeinwesen. Aber wir verlieren den Kontakt zu den deutschen Gruppen“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 12). Dabei liegt ein großes Problem in der finanziellen Lage der Kirchengemeinden. Die evangelische Kirche musste z. B. zwei Standorte schließen, die katholische Kirche ist ebenfalls aus dem Stadtbezirk gegangen und damit auch der katholische Kindergarten. „Der nächste Schritt ist, dass die evangelische Kirche ihr Kirchengebäude aufgibt“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 7). Darüber wird Unmut geäußert und dieser Weggang kirchlicher Einrichtungen aus dem Stadtbezirk wird als enorme Schwächung gesehen. „Eine der letzten deutschen Gemeinwesen bricht zusammen“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 12).

Wechselseitige Auswirkungen zwischen Bildung und Sozialem Diese wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse wirken sich auf den Bildungsbereich aus und verstärken sich gegenseitig. Im Stadtbezirk VI verlassen viele Kinder und JuSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

59

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

gendliche das Schulsystem mit niedrigem oder gar keinem Bildungsabschluss (GESPRÄCHSPARTNER

7 2010, 4).

In den verschiedenen Gesprächen wird von „massiven schuli-

schen Problemen“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14), einem „nicht gut funktionierenden Bildungssystem“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 6) und „katastrophalen Bildungsabschlüssen“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 5)

gesprochen. Dabei spielt auch die Situation in den Schulen

eine entscheidende Rolle. Die Klassen sind häufig überbesetzt. Die Lehrer können oftmals nur schwer ihrem Bildungsauftrag nachkommen, da sie viel Zeit z. B. für die Schlichtung von sozialen Konfliktsituationen oder die Essensversorgung der Schüler aufbringen müssen. Die Übergangsquote von Grundschulkindern z. B. auf Gymnasien zeigt, dass im gesamtstädtischen Vergleich das Bildungsniveau im Stadtbezirk VI deutlich geringer ist. Aufgrund des hohen Anteils an Bewohnern mit nicht-deutscher Herkunft im Stadtbezirk VI und der Tatsachen, dass hier Menschen aus 40 verschiedenen Nationen (GESPRÄCHSPARTNER

9 2010, 1)

wohnen, liegt der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund in eini-

gen Schulklassen bei fast 95 Prozent. Dieser extrem hohe Prozentsatz erklärt sich aber auch dadurch, dass Kinder, von denen ein Elternteil nicht-deutscher Herkunft ist, bereits als Kinder mit Migrationshintergrund gelten (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 1). Besonders dieser hohe Prozentsatz führt bei einigen deutschen Familien zu Überlegungen bzgl. des Verbleibs oder des Wegzugs aus dem Stadtbezirk VI, wenn sich ihre Kinder altersmäßig vor dem Zeitpunkt der Einschulung befinden. „Die deutschstämmigen, bildungsorientierten Familien schreckt dieser hohe Migrantenanteil ab, so dass sie ihre Kinder hier nicht anmelden“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 2). Bildung spielt demnach eine entscheidende Rolle bei der Wohnortsuche (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 5).

Eltern: Kein Arbeitsplatz

Eltern: Armut

Kinder: Geringe Bildung

Kinder: Kein Arbeitsplatz

Kinder: Armut

Abb. 28. Potenzielle Wirkungskette zwischen Armut und Bildung im Stadtbezirk VI (EIGENE DARSTELLUNG 2010)

Weiterhin ist natürlich Bildung Voraussetzung für das spätere berufliche Leben bzw. stellt eine fehlende Bildung „die Schwelle [dar], wo man halt dann nicht mehr weiter kommt“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 6). Um diesen Kreislauf zwischen Arbeitslosigkeit, Armut und Bildung, der sich auch auf die nachfolgenden Generationen auswirken wird, (vgl. Abb. 28), zu durchbrechen, müssen massive strukturelle Maßnahmen unternommen werden. Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

60

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Ebenfalls kann festgestellt werden, dass die Kriminalitätsbereitschaft bei Jugendlichen und Erwachsenen mit geringer Bildung und problematischer sozialer Situation wesentlich höher ist. Daher sind auch hier Vorurteile gegenüber Bewohnern mit Migrationshintergrund falsch. Die Bereitschaft zur Kriminalität ist in keinem Zusammenhang mit der Herkunft, sondern vielmehr mit der sozialen und Bildungsebene zu sehen. „Wir haben hier sehr viele Jugendliche aus muslimischen Ländern, die absolut unauffällig und bildungsorientiert sind und höhere Schulen besuchen. Die haben mit Kriminalität nichts zu tun, besitzen aber die gleiche Religion wie andere, die sehr auffällig sind“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 4).

Engagement im Bildungsbereich Einer Vielzahl von Akteuren im Stadtbezirk VI sind die problematische Situation im Bereich Bildung und Soziales bewusst. Mittels der Fokussierung auf diese Themen z. B. im Arbeitskreis Schule oder bei einer thematischen Sitzung zu diesem Thema auf der Katernberg Konferenz wurden bereits

erste

Schritte

Sensibilisierung

für

Problembereich,

aber

zur

„Es gibt da viele Akteure, die da eine

diesen

ganze Menge Projekte machen. Und

auch

dennoch ist es noch nicht genug,

erste Maßnahmen angekurbelt. Weiterhin flossen Fördergelder

man müsste noch viel mehr machen.“

in den Bildungsbereich. Im Bericht „Schulen im Stadtteil“ wurde aufgezeigt, dass es allein für den Schulbereich eine Förderung von 1,2 Mio Euro gegeben hat (STÄDTENETZ SOZIALE STADT NRW (2005).

So werden z. B. an der Herbartschule diverse musisch-

kulturelle Angebote seitens der Schule durch Fördergelder gestützt (z. B. Projekt MUSE). Die Verbindung zwischen Schulbildung und musisch-kulturellen Angeboten in Schulen wurde als sehr positiv analysiert, weil „Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder gefordert und gefördert werden, die wir im gesamten Schulalltag, also auch, wenn es um die klassischen Fächer wie Mathe, Deutsch, etc. geht, brauchen.“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 3).

Durch diese musischen Angebote werden Disziplin, Konzentration und ein

soziales Miteinander – das Grundgerüst für ein schulisches Zusammenleben – gefördert, ohne dass das von den Kindern bewusst, wie z. B. eine Reglementierung, wahrgenommen wird. Ebenso gibt es ein Angebot der offenen Ganztagsbetreuung. Allerdings ist eine Teilnahme nicht verpflichtend und kostenpflichtig, so dass aufgrund von FinanzierungsSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

61

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

schwierigkeiten einige Kinder diese Möglichkeit nicht nutzen können. Dabei wäre die Betreuung durch den Ganztagsunterricht oftmals gerade bei diesen Kindern sinnvoll, deren Familien sich das nicht leisten können. Neben den einzelnen, verschiedenen Maßnahmen an den Schulen gibt es weitere engagierte Träger, wie z. B. die AWO, die evangelische Kirche, das ISSAB, Jugendberufshilfe, Moscheevereine, etc. im Stadtbezirk VI, die sich im Bereich Soziales und Bildung engagieren und sich den Problemen stellen.

Verbesserung des Bildungssystems erforderlich Die bislang geringen Bildungserfolge im Stadtbezirk sind wenig motivierend. Aufgrund eines hohen Anteils von Kindern mit Migrationshintergrund sind die Anforderungen an die betreuenden Fachkräfte z. B. bei der Unterstützung des Spracherwerbs bei den Kindern wesentlich höher als in anderen Stadtteilen. Durch diese höhere Belastung in der Kinder- und Jugendarbeit ist im Stadtbezirk VI eine höhere Fluktuation der Mitarbeiter festzustellen. „Ich würde mir wünschen, dass sich die Bildungschancen verbessern“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 13).

Obwohl schon gut vorzeigbare Maßnahmen unternommen wurden, beste-

hen weiterhin massive schulische Probleme (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14). „Die derzeitigen Bildungssysteme in Katernberg und Stoppenberg funktionieren nicht gut“ (GESPRÄCHSPARTNER

6 2010, 6),

und ein schlecht funktionierendes Bildungssystem manifestiert

wiederum den Verbleib in der Armut. Dagegen muss dringend vorgegangen werden, denn die Kinder müssen die Chance bekommen, aus der Armut zu entkommen. „In Stadtteilen, in denen der Anteil der Familien, die von Hartz IV leben, bei 70 bis 80 % liegt, muss die außerfamiliäre Unterstützung unbedingt gestärkt werden“ (GESPRÄCHSPARTNER

6 2010, 6).

„Kinder befinden sich nicht nur in einer materiellen, sondern auch in

einer emotionalen Armut sowie einer schlechten gesundheitlichen Versorgung“ (GESPRÄCHSPARTNER

6 2010, 5). „Und

wenn 20 % eines Jahrgangs ungebildet die Schule verlas-

sen, ist es auch nicht ein Gewinn, dass es viele davon gibt“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 13).

5.4

Kinder und Jugendliche im Stadtbezirk VI

Im gesamtstädtischen Vergleich leben im Stadtbezirk VI deutlich mehr Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. In den drei Stadtteilen Katernberg, Stoppenberg und Schonnebeck sind ca. 20 % der Bewohner unter 18 Jahren alt. Damit liegt die Anzahl Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

62

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

an Kindern und Jugendlichen deutlich über dem Durchschnitt in der gesamten Stadt Essen (16 %). Als Besonderheit des Stadtteils im Bereich Kinder und Jugendlicher gilt weiterhin der hohe Anteil an Minderjährigen mit Migrationshintergrund. 38 % der Minderjährigen im Stadtbezirk VI haben einen Migrationshintergrund. Dieser Anteil ist im Stadtteil Katernberg mit 43 % am höchsten (Stoppenberg: 35 %; Schonnebeck: 31 %), in einzelnen Stadtteilbereichen in

Katernberg

erreicht

der

„Ich sehe eine Stärke in der Jugend.

Anteil sogar 50 % bzw. 56 %.

Während die wohlhabenden südli-

Vor dem Hintergrund des de-

chen Stadtteile wirklich bald ein Al-

mographischen

Wandels

nimmt der Stadtbezirk VI durch die

hohe

Anzahl

jüngerer

tenheim sind, wird das hier nicht passieren. Das ist nicht automatisch

Sonderrolle

eine Stärke, aber dieses Potenzial

ein. Das Thema Kinder und

muss man auch nutzen.“

Menschen

eine

Jugendliche spielt daher eine tragende Rolle für den Stadtbezirk, eventuell könnten hier sogar besondere Potenziale identifiziert werden. Mit Blick auf die Gesamtstadt sind allerdings die Ausgangsbedingungen für Kinder und Jugendliche im Stadtbezirk VI als „extrem ungleich“ (GESPRÄCHSPARTNER

1 2010, 14)

zu bewerten. Die vielschichtigen sozialen Probleme vieler Familien

wirken sich auf die Kinder und Jugendlichen in den verschiedenen Bereichen aus. Das Außenimage besonders von ausländischen Jugendlichen im Stadtbezirk VI ist eher negativ. Jugendliche werden als provozierend und frech wahrgenommen, die besonders durch ihr Verhalten an bestimmten Aufenthaltsorten negativ auffallen. Allerdings sollte davor gewarnt werden, alle Jugendlichen gleich zu bewerten. „Ich weiß, dass z. B. libanesische Jugendliche nicht alle per se gut sind, aber ich bin auch der Letzte, der sagt, dass es alles Hammerwerfer sind. […] Ich weiß von vielen Jugendlichen, dass sie hier in guten Regelstrukturen eingebunden sind.“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 4). Das Stimmungsbild gegenüber dem Stadtbezirk bzw. den Jugendlichen im Stadtbezirk ist womöglich auf Vorurteilen beruhend. Viele erfolgreiche Bemühungen seitens unterschiedlicher Akteure haben bereits beeindruckende Ergebnisse erreicht, die aber die gewachsenen Denkstrukturen noch nicht vollständig aufbrechen konnten.

Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen Eine Vielzahl der Kinder und Jugendliche wachsen in mitunter sehr schwierigen familiären Verhältnissen auf. Angefangen bei Versorgungsdefiziten bis hin zu körperlicher Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

63

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Misshandlung, Scheidung der Eltern, Geldnöte und Suchtprobleme leiden viele Kinder und Jugendliche unter einer mangelnden Aufmerksamkeit ihrer Eltern und einer fehlenden Bindungsfähigkeit zu den Eltern. Die Kinder und Jugendliche befinden sich in einer materiellen Verwahrlosung: „Es gibt Kinder und Jugendliche, die teilweise mit dem gleichen Paar Schühchen rumlaufen, bis es fast von den Füßen fällt“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 6). „Mich haben Grundschullehrer angerufen, weil Schüler ihnen das Butterbrot aus der Tasche geklaut haben, weil sie Hunger haben“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 5). „Es scheitert am Geld. […] Wenn ich sehe, wie schwer es ist, wie viel Mühe es immer wieder macht, das Essensgeld zu bekommen“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 6).

Darüber hinaus befinden sie sich oft auch in einer emotionalen Armut und in einer schlechten gesundheitlichen Verfassung. Die desolaten Familienverhältnisse treten meist in finanziell schwachen Familien auf. „Armut und familiäre Probleme sind Geschwister. Nicht umsonst sind fast 100 % unserer Klienten Armutsfamilien“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 5).

Diese gebündelten familiären Probleme haben häufig schon Einfluss auf die Kleinsten, so dass bereits eine fehlende soziale Kompetenz im Kindergartenalter festzustellen ist. „Aufgrund von finanziellen Problemen, Beziehungsproblemen, Suchtproblemen und teilweise auch Problemen mit ihren Jugendlichen bekommen die jüngeren Kinder oft zu wenig Zuwendung und Anregungen. […] Es gibt durchaus Familien und Zusammenhänge, wo es total in Ordnung ist und total intakt läuft. Aber es gibt halt auch – und nicht in unerheblicher Anzahl – die anderen“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 8).

Neben den familiären Problemen besteht bei einigen Jugendlichen eine allgemeine Perspektivlosigkeit. Der Stadtbezirk ist von einer enorm hohen Jugendarbeitslosigkeit gekennzeichnet, die mit 12 % über der gesamtstädtischen (8 %) liegt. Dies hängt natürlich einerseits mit dem Themenfeld Beschäftigung bzw. Möglichkeiten einer Beschäftigung zusammen. Andererseits ist den Jugendlichen oftmals auch gar nicht die Vielfalt an beruflichen Möglichkeiten und eine davon ausgehende mögliche positive Lebensgestaltung bekannt. So gibt es z. B. Schulklassen, „in denen keiner erzählen kann wie das ist, wenn der Papa arbeitet. Wir haben Leute, die auf die Frage nach ihrem Beruf „Hartz IV“ antworten und die meinen das nicht als Scherz“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 6).

„Wenn die Jugendlichen keine Zukunft haben und sich von vornherein in ein

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

64

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

bestimmtes Alimentierungssystem einbetten, dann sehe ich für den Stadtteil schwarz“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 14).

Natürlich muss auch an dieser Stelle wieder davor gewarnt werden, dies auf alle Jugendlichen zu übertragen. Es gibt auch Jugendliche, die eine Zukunftsperspektive ha-

„Dieser Stadtbezirk ist nicht gekippt.

ben. „Viele wissen, dass sie über einen guten schulischen

Das hat was mit den Ressourcen zu

Abschluss eine gute Lehrstelle

tun, die in den 25 Jahren immer wie-

bekommen können. […] Viele

der mühevoll aktiviert wurden.“

möchten

einen

guten

Job

haben, eine gute Arbeitsstelle

finden, Frau und Familie haben, also ganz klassisch“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 5-6). Es wird sehr positiv erwähnt, dass trotz dieser Vielfalt und Schwere der Probleme der Stadtbezirk dennoch – vor allem durch das Engagement verschiedenster Akteure – „noch nicht gekippt“ ist (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 11).

Kinder- und Jugendkriminalität Nach Aussagen des örtlichen Jugendkontaktbeamten sind die Anzahl an Straftaten unter den Kindern und Jugendlichen gesunken. „Der Stadtteil ist ruhiger und friedlicher geworden“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 5). Auch hier helfen vor allem präventive Maßnahmen wie Aufklärungsarbeit, Informationsarbeit und Gespräche, aber auch Eingriffe mit Signalwirkung. Besonders wichtig bei der Bekämpfung von Kinder- und Jugendkriminalität ist die Zusammenarbeit mit verschiedensten Akteuren. Besonders durch ein engmaschiges Sozialnetz und den dadurch oft schnellen Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen Akteuren ermöglicht spontanes und zügiges Handeln und Erfolge. Es gibt keine Jugendgangs im Stadtbezirk, die ihre ethnischen Konflikte miteinander austragen, und keine zielgerichteten Straftaten. Allerdings treten emotional bedingte Straftaten auf. Grundsätzlich kann herausgestellt werden, dass die Bereitschaft zur Kriminalität eher von sozial schwachen Gruppen ausgeht. Aus Sicht der Polizei kann davon ausgegangen werden, dass im Stadtbezirk VI keine deutlich benennbaren Angsträume existieren. Orte, an denen mitunter vermehrt Konflikte entstehen können, sind „Räume, wo sich Jugendliche in größeren Gruppen auf der Straße treffen“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 6), bevorzugt in den wärmeren Monaten. (Nienhauser Busch, Katernberger Markt). Konfliktpotenzial kann ebenfalls zwischen Jugendlichen in Bus und Bahn oder zeitweise am Abzweig Katernberg beobachtet Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

65

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

werden. Dies ist vor allem auf das periodisch wiederkehrende gleichzeitige Nutzen von Orten zurückzuführen, deren Kapazität für solch eine große Ansammlung von Menschen nicht konzipiert ist. So wird z. B. der Abzweig Katernberg besonders vor Schulbeginn oder nach Schulschluss als verkehrlicher Knotenpunkt gesehen, bei dem innerhalb kürzester Zeit über tausend Schüler in Bus oder Bahn ein- oder aussteigen. Dass in solchen Situationen kleinere Rangeleien entstehen, ist fast unabdingbar und kann als nicht sonderlich bedenklich eingestuft werden.

Engagement im Stadtbezirk für Kinder und Jugendliche Eine wichtige Rolle beim Vermitteln zwischen den Kindern und Jugendlichen, die sowohl unterschiedliche soziale Familienstrukturen erleben als auch verschiedene kulturelle Hintergründe haben, sowie zwischen Kindern, Jugendlichen und anderen Personen (z. B. Familienmitglieder, Lehrer, Ausbildungsleiter, etc.) spielen die verschiedenen ca. 70 Personen und Institutionen des Jugendhilfenetzwerkes. Neben z. B. dem Jugendhaus Nord in Katernberg, das von der evangelischen Kirche unterstützt wird, und dem Jugendhaus Stoppenberg, das von der Stadt finanziert wird, gibt es weitere Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. „Über solche Einrichtungen sowie zusätzliche pädagogische Angebote wird den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben, Gleichaltrige zu treffen sowie Erfahrungen über Sportangebote, Tanzgruppen oder Kochangebote zu sammeln“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010). Jugendhäuser stellen für Jugendliche einen Rückzugsort dar und einen Ort, wo sie einen Ansprechpartner finden. Eine teilweise Segregation der Jugendlichen bei dem Besuch der Jugendhäuser wirkt erst etwas verwunderlich, muss aber nicht unbedingt negativ bewertet werden. Diese sozialen Einrichtungen stellen einen Ankerpunkt im Tagesablauf der Jugendlichen dar, was anhand der Tagesprotokolle der Jugendlichen deutlich herausgestellt werden konnte. Die Existenz und damit verbundene Bedeutung derartiger Räume für Kinder und Jugendliche ist ohne Zweifel zu betonen und in ihrer Beständigkeit zu befürworten. Ebenso bemüht sich die AWO um familiäre Probleme. Ziel ist es, schon frühzeitig Zugänge zu Familien zu bekommen, um spätkorrektive Maßnahmen oder einen Zwangskontext zu umgehen. „Die Hilfen sind immer am erfolgreichsten, wenn man mit ‚Selbstmeldern’ zusammenarbeitet“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010). Als Träger von Jugendhilfeleistungen betreuen Mitarbeiter der Institution Familien im Stadtbezirk, um soziale Problemlagen zu analysieren und ihnen zu helfen, die familiären Probleme stabil zu halten. „Glückliche Familien werden das nie. Das werden Familien, die wir in der WaaSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

ge halten.“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 6). Leider wird oftmals die Situation in den Familien als unzumutbar eingestuft, so dass dann auch Kinder aus den Familien herausgenommen und in Heimen untergebracht werden müssen. Diese Bewertung eines derartigen Handlungszwangs ist ohne Zweifel für alle Beteiligten unerfreulich und nicht erstrebenswert. Aufgrund des frühzeitigen Eingreifens und Unterstützens der Familien ist erfreulicherweise bereits ein Rückgang der Fremdplatzierungen zu verzeichnen. Vorbildcharakter hat das folgende Projekt, welches von der Herbartschule gemeinsam mit der „Ehrenamtsagentur“ durchgeführt wird. Ehrenamtliche Erwachsene kommen regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen zusammen, um mit ihnen gemeinsam etwas zu unternehmen. Dabei nimmt sich ein Erwachsener für je ein Kind Zeit, um mit ihm etwas zu unternehmen. Für die Kinder sind das zum Teil ganz neue Erfahrungen, dass ihm ein Erwachsener so viel Zeit widmet und vor allem Aufmerksamkeit schenkt (GESPRÄCHSPARTNER

10 2010, 9).

Durch dieses Projekt lernen Kinder andere Sichtweisen ken-

nen und erhalten Einblicke in andere Lebenswelten. So kann mitunter z. B. eine Perspektive für das spätere Leben wachsen. Ein hohes Engagement findet ebenso seitens der Moscheevereine statt. Besonders hervorzuheben ist weiterhin das kriminalpräventive Netzwerk zwischen der Polizei, Moscheevereinen, dem Jugendamt, der AWO und weiteren Akteuren aus dem Stadtbezirk. Durch eine enge Zusammenarbeit konnte z. B. die Straßenkriminalität und die Zahl der Intensivtäter sowie die Menge der Straftaten reduziert werden. „Früher hatten wir teilweise Täter, die im Jahr 60 bis 70 Straftaten begangen haben“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 3).

Fehlende Angebote für Kinder und Jugendliche Trotz verschiedener Bemühungen gibt es immer noch zu wenige Angebote für Kinder und Jugendliche. Neben einigen Aussagen seitens der befragten Akteure äußerten sich vor allem auch die Kinder und Jugendliche diesbezüglich sehr kreativ und deutlich. Die Kinder und Jugendlichen in den Stadtteilen Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg benötigen vor allem Ansprechpartner, die ein offenes Ohr für ihre Nöte und Ängste haben“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 3). Die Befragung der Kinder und Jugendlichen, die im Stadtbezirk VI leben, hat ergeben, dass bevorzugt Freizeitmöglichkeiten und Treffpunkte erwünscht sind, an denen sich die Kinder und Jugendlichen zurückziehen können, wo sie beschäftigt werden. Beispielhaft erkennt man dies an der Abbildung 29.

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Abb. 29: Wunsch nach mehr Freizeitmöglichkeiten, Kinderzeichnung (HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)

Hier wird der konkrete Wunsch nach mehr Joggingstrecken geäußert. Neben einer angenehmen und grünen Freiraumgestaltung lässt sich an der Zeichnung erkennen, dass Raum für Aktivitäten von Kindern, wie z. B. Roller fahren, Skateboarden oder Basketball spielen, bedeutungsvoll sind. Auch der Wunsch nach einem Sportplatz bestätigt diese Aussage (vgl. Abb. 30). Interessant erscheint diese Zeichnung besonders, wenn man den Blick auf die Zuschauer lenkt.

Abb. 30: Sportplatz und Erfolg, Kinderzeichnung (HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Eine besondere Rolle bei den zeichnerischen Darstellungen der Kinder nahmen Kinderspielgeräte wie z. B. eine Rutsche, ein Sandkasten, eine Nestschaukel, eine Wippe oder ein Trampolin ein, die mit der Aussage „Das gefällt mir im Stadtteil“ als bereits vorhandene Freizeitmöglichkeiten, z. B. im Nordsternpark, abgebildet wurden (vgl. Abb. 31 und 32).

Abb. 31: Spielgeräte im Nordsternpark, Kinderzeichnungen (HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)

Abb. 32: Freizeit im Nordsternpark, Kinderzeichnungen (HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

An den Bildern der Kinder, die sowohl positive Bewertungen als auch Wünsche ausdrücken, lässt sich ablesen, dass das Thema Freizeitgestaltung für Kinder ein sehr wichtiger Themenbereich ist. Die zeichnerischen Darstellungen zeigen ebenso, dass das Spielen und Bewegen im Raum einen hohen Stellenwert einnimmt - entgegen dem Vorurteil, dass Kinder – besonders die aus sozial schwächeren Familien – nur vor dem Fernseher sitzen wollen. Von den Jugendlichen wurde auf die Frage „Was fehlt dir noch in deinem Stadtteil?“ ebenfalls vor allem die Thematik Freizeitangebote betont. Es wurden mehr Aufenthaltsmöglichkeiten für Jugendliche in Form von Sportanlagen und Schwimmbädern hervorgehoben. Ebenfalls wurden vermehrt Shoppingmöglichkeiten für Mädchen gewünscht und ein Jugendcafé im Stadtteil vorgeschlagen, „damit man nicht bis in die Stadt hinein fahren muss“. Der Wunsch, seine Freizeit lokal im Stadtteil zu verwirklichen, wird an diese Stichproben offensichtlich. Die Identifikation mit dem eigenen Stadtteil und der Wunsch nach mehr Identifikationsmöglichkeit werden so vermittelt. Von den Akteuren in der Jugendarbeit wurden fehlende Alltagsangebote für Kinder und Jugendliche genannt, die z. B. auch auf Zollverein platziert sein könnten. Es wurde eine „normale Kunstschule“ vorgeschlagen, „wo die Eltern ihre Kinder hinschicken“ können (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 13). In der Vergangenheit gab es einige kulturelle Angebote für Kinder und Jugendliche, z. B. das Projekt „homestories“, das durch Fördermittel der Sozialen Stadt finanziert wurde, oder die Einrichtung einer Mädchenband, die mit Mitteln der Kulturhauptstadt 2010 gefördert wurde, aber „davon bräuchte man noch mehr“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 11). Da diese Projekte zur Stärkung der Jugendkultur durch Fördermittel finanziert wurden, endeten sie jeweils mit Beendigung der Förderung. Die Einrichtung einer Jugend- und Newcomerband auf dem Zechenfest wurde 2007 durch den Werbering Katernberg initiiert und ist seitdem ein fester Bestandteil des Festes.

Wohlfühlen im Stadtbezirk Ein interessanter Aspekt, der sowohl von Kindern als auch von Jugendlichen unabhängig voneinander genannt wurde, ist das Thema Sicherheit. So würde sich z. B. ein jugendliches Mädchen mehr „Sicherheit, Sauberkeit und mehr Straßenlaternen“ wünschen. Dies wurde ebenfalls in einer Zeichnung eines Drittklässers deutlich, der beim Thema Sicherheit vor allem die Verkehrssicherheit abbildete. Diese Aspekte verdeutliSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

70

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

chen, dass ein sich Wohlfühlen auch vom Aspekt des subjektiven Sicherheitsempfindens geleitet sein kann.

Abb. 33: Wunsch nach mehr Sicherheit, Kinderzeichnung (HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)

Ebenfalls wurde von den Kindern der desolate Zustand von einigen Wohnhäusern wahrgenommen, was mitunter daraus resultiert, dass sie selbst in desolaten Zuständen wohnen und täglich damit in Berührung kommen. Der Wunsch wurde geäußert, dass die Häuser „neu und schön“ gemacht werden (vgl. Abb. 33). Dies lässt darauf schließen, dass sich Kinder in der heute teils gegebenen Atmosphäre nicht wohlfühlen und sich Veränderungen wünschen.

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Abb. 34: Negativbewertung der bestehenden Wohnsubstanz, Kinderzeichnung (HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)

Im Vergleich dazu wurde die Fatih-Moschee im Stadtteil Katernberg, deren Bau im Jahr 2002 abgeschlossen wurde, als positiv und schön bewertet (vgl. Abb. 35). Dies kann einerseits an der persönlichen Beziehung zu der Moschee liegen, andererseits aber auch an dem neuwertigen Erscheinungsbild. Positive Aspekte bezüglich der Bausubstanz werden ebenfalls wahrgenommen. Es bleibt festzustellen, dass bereits junge Kinder ihr Umfeld sehr gut wahrnehmen und reflektieren können. Kinder wollen sich in ihrer Umgebung wohlfühlen und sich nach ihren ganz persönlichen Bedürfnissen beAbb. 35: Fatih-Moschee, Kinderzeichnung (HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

wegen können. Dafür sind für sie eine posi72

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

tive Atmosphäre und gute Möglichkeiten, um ihrem Bewegungsdrang nachzukommen, bedeutend. Weiterhin benötigen Kinder und Jugendliche in den Stadtteilen Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg vor allem „Ansprechpartner, die ein offenes Ohr für ihre Nöte und Ängste haben“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 3).

5.5

Selbst- und Fremdbild des Stadtbezirks VI

Schon bei der Aufnahme des Stadtbezirks VI in das Programm Soziale Stadt war das problembelastete, negative Image (siehe Kapitel 3) ein wesentlicher Faktor. Dabei lassen sich zwei Arten von Image unterscheiden. Einerseits das Bild, das die Bewohner selber von ihrem Wohnumfeld und ihrem Stadtteil haben (Selbstbild), und andererseits das Bild, das Bewohner innerhalb und außerhalb der Stadt Essen von dem Stadtbezirk haben (Fremdbild). Ein negatives Image des eigenen Wohnquartiers (negatives Selbstbild) birgt die Gefahr, das Selbstbewusstsein der Bewohner zu schwächen, so dass sich daraus schließlich eine „Kultur der Armut“ (ILS 2006, 39) bilden kann, die eine „Reintegration in die Lebenswelt der Mittelschicht“ (ILS 2006, 39) erschwert. Ein negatives Fremdbild dagegen kann von Meidung des Raums bis zu seiner Stigmatisierung führen. Eine Image-Analyse aus dem Jahr 2007/2008 hat herausgestellt, dass die Bewohner des Stadtbezirks VI ihre Stadtteile positiver bewerten, als es die Gesamtstadt vornimmt. Im Vergleich dazu sehen z. B. die Bewohner des Essener Stadtteils Altendorf (ebenfalls Programmgebiet des Programms Soziale Stadt) ihren Stadtteil selber eher negativ, während das Außenimage positiver ist (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 13).

Negative Berichterstattung trotz positiver Wahrnehmung seitens der Bewohner

„Ich will nur klar machen, dass hier

Aus den Gesprächen hat sich ergeben, dass eine vielfach

auch nette Menschen wohnen und

negative Berichterstattung, z.

dass hier auch Menschen wohnen,

B. über eine hohe Kriminalitäts-

die was auf dem Kasten haben. Wir wollen einfach nur normal behandelt

rate und einen hohen Ausländeranteil zu Unmut bei den Bewohnern des Stadtbezirks

werden.“ Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

führte (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 4). Das Unverständnis über derartige Berichte ist damit zu erklären, dass die Bewohner des Stadtbezirks VI selbst Verbesserungen in ihrer Wohnumgebung bzw. dem Stadtbezirk wahrnehmen. „Der Stadtteil ist ruhiger und friedlicher geworden“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 5). „Ich glaube, dass Katernberg auf einem absolut guten Weg ist. Katernberg ist schon lange nicht mehr das größte Problem in Essen. Ich würde mir wünschen, dass sich dieses Negativimage umkehrt“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 13).

Weiterhin wird von einem Gesprächspartner hinterfragt, ob eine hohe Zahl von Migranten unter den Bewohnern automatisch ein Argument für ein schlechtes Image ist. „Das ist doch gar nicht schlimm. Gucken sie sich Vancouver an. Die sind daraus entstanden, dass sie so viele Ausländer hatten. Und das war doch keine schlechte Entwicklung“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 11).

Bemerkenswert ist ebenso, dass in den Gesprächen Ka-

ternberg als ein „wunderschöner, grüner Stadtteil“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 10) mit „vielen Freiräumen und viel Grün“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14) sowie „sehr tollen Wohnlagen“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14) bzw. als ein Stadtteil mit „unheimlich viel Charme und unheimlich viel Witz und bodenständigen Menschen“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 10) beschrieben wird. In diesen Beschreibungen wird deutlich, dass das Selbstbild und die positiven Seiten des Stadtbezirks sehr wohl wahrgenommen werden. Weiterhin wird herausgestellt, dass die Bewohner der Stadtbezirks stolz auf die Zeche Zollverein sind (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 9).

Aus der Tatsache, dass die Fluktuation im Stadtbezirk sehr gering, also die Wohndauer der Bewohner überdurchschnittlich lange ist (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14), wird weiterhin der Schluss gezogen, dass der „Katernberger ja irgendwie zufrieden sein“ muss (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 13).

Außenimage Leider hat das positive Selbstbild bislang keine Auswirkungen auf das Fremdbild. Zwar wurde bereits in den ersten Jahren der Projektarbeit mittels offensiver Pressearbeit versucht, eine Imageverbesserung zu erreichen, doch da sich die Berichterstattung auf die lokalen Medien beschränkte, blieb das Image des Stadtbezirks unverändert negativ (PASTERNAK 2008, 101).

In einem Interview wurde die Vermutung geäußert, dass das Image

des Stadtbezirks teilweise sogar stigmatisierend wirkt. Auch wenn dies nicht direkt bewiesen werden kann, wurde vermutend geäußert, dass „je nach Personalchef, der anhand der Postleitzahl oder der Straße Katernberg sieht, […] Bewerbungen aussortiert werden.“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 4F). Ein weiteres Beispiel wurde von einem anderen Interviewpartner genannt, der erzählte, dass ein Hauseigentümer aus dem Stadtbezirk Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

sein Haus zur Vermietung in der Zeitung inseriert hatte. „Nach der ersten Frage ‚Wo liegt denn die Wohnung?’ haben schon 8 von 10 Anrufern aufgelegt“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 5).

Auch außerhalb Essens und der Region konnte bislang kein positives Bild der Stadt bzw. der Region hergestellt werden. Eine Imagestudie des Regionalverbands Ruhr aus dem Jahr 2004 zeigt, dass fast die Hälfte der Befragten (47 %), die außerhalb des Ruhrgebiets wohnen, das Ruhrgebiet immer noch mit Kohle, Stahl und Industrie in Zusammenhang bringen. Im Vergleich dazu haben nur 24 % der Ruhrgebietsinternen das Gebiet mit diesem Image assoziiert.

Wahrnehmung des Stadtbezirks VI (Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg) Allgemein negative Vorstellung vom Ruhrgebiet sowie negative Berichterstattung

Eigene Erfahrungen

Selbstbild

Fremdbild

viel Freiraum

Sorge um negative Effekte

grün tolle Wohnlagen

„auf einem guten Weg!“ ruhiger und friedlicher geworden

dreckig hohe Arbeitslosigkeit

viel Charme und Witz bodenständige Menschen

Montanregion / „Kohlenpott“

hoher Ausländeranteil Hoffnung auf positive Effekte

Kriminalität Armut

Chance der Imageaufbesserung durch Zeche Zollverein als touristisches Ziel Abb. 36: Selbst- und Fremdbild des Stadtbezirks VI (EIGENE DARSTELLUNG 2010)

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Image entscheidend für Entwicklung Nach einer Studie des OECD wirken die Lage eines Standorts, seine infrastrukturelle Ausstattung und sein Image maßgeblich auf die Entscheidung eines Unternehmens zur Errichtung oder Aufgabe eines Standorts ein (OECD 2003, 39). Um das Image des Stadtbezirks VI weiterhin zu verbessern, werden einige Maßnahmen unternommen. Der Webering Katenberg e. V. arbeitet z. B. mit dem TripleZ zusammen an der Erstellung einer Leerstandsbörse. Zukünftig sollen ungenutzte Ladenlokale schnellstmöglich alternativ genutzt werden, um dem „Image eines aufgegebenen Standorts entgegenzuwirken“ (STÄDTENETZWERK SOZIALE STADT 2007, 14). Dazu werden von den örtlichen Gewerbetreibenden und Ladenlokalbesitzern leer stehende Räumlichkeiten Künstlern zur Ausstellungsfläche angeboten (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 7). Der Gesprächspartner vom ISSAB prognostiziert: „Wer sein Leben mittelschichtsorientiert ausrichtet, wird irgendwann aus Katernberg wegziehen. Das tun nicht alle, aber viele.“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 5). Dies ist nach Meinung des Befragten auch unabhängig vom kulturellen Hintergrund. „Das tun die Türken genauso wie die Deutschen“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 5).

Chance durch Welterbe Zeche Zollverein Seit der Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO ist das Gelände von Zeche Zollverein nicht nur das Industriedenkmal der Stadt Essen, sondern hat auch eine enorme Symbolwirkung in der Außendarstellung des Ruhrgebiets (SCHWARZ 2008, 318). Im Vergleich mit anderen Industriedenkmälern hat Zollverein durch das Prädikat Weltkulturerbe einen Image- und Bekanntheitsvorteil. Inwieweit sich dieser Vorteil in Zukunft auf das Image der umliegenden Stadtteile positiv auswirken wird, bleibt abzuwarten. Momentan haftet den Stadtteilen trotz der Nähe zum Zollverein das Image des Problemviertels an. Die Befragten sehen in Zollverein zur Imageverbesserung eine große Chance: „im Umfeld der Zeche [wird] ein interessantes Pflaster“ entstehen (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14). Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass ein historischer Zusammenhang zwischen der Zeche Zollverein und den angrenzenden Stadtteilen, z. B. durch Arbeitersiedlungen, besteht. Erst „hier im Stadtteil kann man die ganze Historie sehen“. (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 12).

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

76

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

5.6

Nutzung und Funktion der Zeche Zollverein

Bereits vor der Schließung der Zeche und Kokerei Zollverein fand ein Tauziehen zwischen verschiedenen Akteuren um den Erhalt bzw. den Abriss der Gebäude statt. Während die Ruhrkohle eher den Abriss und die daran anschließende wirtschaftliche Neunutzung der Flächen präferierte, plädierten die Denkmalbehörden dafür, die Gesamtanlage Zollverein zu erhalten. In einer Arbeitsgruppe, die sich 1987 gründete und aus Vertretern der Stadt Essen, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Landesverbands Rheinland, des Kommunalverbands Ruhrgebiet, der Bergbau AG Lippe und der Ruhrgebietsuniversitäten zusammensetzte, wurde ein Sanierungs- und Nutzungskonzept erstellt. Dieses Konzept bot die Grundlage für die heutige Nutzung von Zollverein als Tourismus-, Architektur- und Wirtschaftsstandort. „Heute wird an diesem Ort Industriekultur inszeniert und stilisiert“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 12).

Differenziertes Nutzungsverhalten unterschiedlicher Akteursgruppen auf Zollverein In der heutigen Form wird das Zollverein-Gelände und seine sich darauf befindenden Gebäude durch drei Akteursgruppen genutzt: Bewohner der angrenzenden Stadtteile, Besucher von außerhalb und Beschäftigte auf Zollverein. Diese Nutzungen differenzieren sich jedoch nach Art und Intensität. Während die Bewohner der angrenzenden Stadtteile das Gelände eher als Freizeitund Identifikationsort nutzen und betrachten, hat Zeche Zollverein für Touristen eher eine erlebnisorientierte Bedeutung. Eine weitere Nutzung kommt natürlich den dort Beschäftigten zu gute, die Zollverein als Arbeitsort erleben. Bewohner – „mitten drin, aber kaum dabei“ Bei den Bewohnern des Stadtbezirks steht die Freizeitnutzung deutlich im Vordergrund. „Ich habe den Eindruck, dass Zollverein immer mehr genutzt wird. Gerade Sommertags wird das Gelände als Freizeitort genutzt“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 7). „Die Menschen gehen hier viel spazieren, besonders durch die Verbindungswege von Stoppenberg über das Zechengelände nach Schonnebeck“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 9). Der Park bzw. die Grünflächen eignen sich gut zum Fahrradfahren, Joggen oder Spielen (z. B. Bocciaspielen neben dem PACT Gebäude, vgl. Abb. 37). „Der Park wird auch von allen Altersgruppen genutzt“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 9). Weitere saisonal begrenzte Aktionen, die von Zollverein geboten werden und die von den Bewohnern aufgesucht werden, sind z. B. eine Eisbahn, die vor der Industriekulisse im Winter aufgebaut wird, Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

oder ein kleines Werksschwimmbad, dessen Wasserbecken sich in zwei Containern auf dem Gelände der Kokerei Zollverein befindet. „Da gehen sehr viele aus dem Stadtbezirk hin. Das ist natürlich erstmal für Jüngere interessant, aber das wird auch von vielen angenommen und ist auch für die Migranten interessant. Ich hab das nie gezählt, aber die sind auch da“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 7). Als ein fester Bewohnermagnet für Zollverein gilt das so genannte Zechenfest,

dass

regelmäßig

auf

dem Gelände von Zeche

Zollverein

stattfindet und von der Werbegemeinschaft

und

der

Stiftung Zollverein organisiert Von

wird.

mehreren

Abb. 37: Boccia-Treff auf dem Zollvereingelände (DRECKER 2010)

Experten wird das Zechenfest sehr positiv erwähnt, da es „kein Fest der Elite, sondern wirklich ein Stadtbezirksfest“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 14) ist. Initiiert wurde das Zechenfest von der Werbegemeinschaft Katernberg. Es existiert mittlerweile knapp zehn Jahre und ist „ein Highlight für Zollverein. Wir haben es geschafft, dass da vom Kleinkind bis zum Großvater jede Altersgruppe hinkommt. Das wiederum animiert die einzelnen Altersschichten, die sonst nicht unbedingt zusammen irgendwo hingehen, sich mit dem Bereich Zollverein zu beschäftigen“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 7). Die vorbildliche Integration von den verschiedenen Altersgruppen, aber auch von Personen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund wird vom Werbering Katernberg bewusst gesteuert. So initiierte z. B. der Vorsitzende des Werberings, Herr Maas, eine Jugendbühne, auf der verschiedene Jugendmusikbands aus den Stadtteilen auftreten können. Außerdem gibt es ein Kindertheater sowie ein Seniorentheater. Bei der Ansprache der Bewohner mit Migrationshintergrund gibt es aufgrund von kulturellen Verhaltensgewohnheiten noch Schwierigkeiten. „Es ist unheimlich schwer, die muslimischen Migranten anzusprechen, weil die vom Hinterrund eher reservierter sind. Die können mit Zollverein wenig oder gar nichts anfangen, da ist wenig Interesse da. Menschen mit anderen Migrationshintergründen, wie polnische oder russische Hintergründe, haben da schon mehr InteresSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

se und sind integrationsfähiger“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 8). Grundsätzlich ist die zeitweise intensive Freizeitnutzung zwar als positiv zu bewerten, allerdings ist dies aufgrund der eigentlichen Ausrichtung von Zeche Zollverein und der vorhandenen Angebotsstruktur nur ein geringer Anteil an den Projekten und Aktivitäten, die es auf Zollverein zu erleben gäbe. Nach Aussagen der Befragten wird Zollverein seitens der Bewohner zunehmend kulturell genutzt. Bislang war das Interesse für die Nutzung von kulturellen Angeboten wie z. B. Konzerten seitens der Bewohner eher gering, während neuerdings Angebote des Ruhrmuseums scheinbar intensiver wahrgenommen werden. „Die Neugier wird immer stärker, das höre ich von den Leuten“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 9). Andere

Angebote wie Theaterveranstaltungen, Kunstausstellungen oder Designvor-

träge übersteigen hingegen meist das kulturelle Interesse der Stadtteilbewohner, so dass sich die „Menschen in den Stadtteilen nicht transparent in den Angeboten wiederfinden“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 9) können. „Die kulturelle Ebene ist einfach zu hoch für viele“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11). Ebenfalls wirken Eintrittspreise, die für die Bewohner der angrenzenden Stadtteile nicht erschwinglich sind, ausgrenzend für eine Vielzahl an Angeboten. Seitens der befragten Experten wurden z. B. das Projekt „Palace of pro-

„Der Stellenwert wird deutlich unter-

jects“ oder ein Projekt mit eingesperrten Tigern in der

schätzt. Wir haben hier 55.000 Ein-

Kokerei als absolut publikums-

wohner im Stadtbezirk und ich habe

fern beschrieben. „Also das hat

den Eindruck, dass Zollverein immer

niemanden mitgenommen. Das waren

quasi

abgehobene

mehr genutzt wird. Gerade Sommer-

Kunstwerke,

tags wird das Gelände als Freizeitort

waren und vor Ort viel Kritik

genutzt.“

die

befremdlich

erfahren haben. Da fragt sich jeder, was soll das, welche

Funktion hat das, wem nützt das?“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 11-12). Auch das gastronomische Angebot auf Zollverein, wie z. B. das Casino Zollverein, oder aber die dort zu erwerbenden Verkaufsprodukte (zumeist Designmöbel) sind eher auf zahlungskräftige Kunden und damit auf die Akteursgruppe der Besucher ausgerichtet. Dies hemmt eine Integration der Bewohner in die Strukturen von Zollverein und kann mitunter zu einem Gefühl des Ausgeschlossen seins beitragen. Es wird die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass „der Bezug zu den Menschen im Stadtbezirk immer mehr zurückgeht“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 9). Da der Hauptteil der Arbeitsplätze im Bereich Design angesiedelt ist, findet auch hier kaum eine Beteiligungsmöglichkeit seiSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

tens der Bewohner statt. Zwar gibt es wirtschaftliche Interessen seitens Zollvereins, die auf die Unternehmen im Stadtbezirk VI ausstrahlen, doch ist dies eher ein geringer Effekt (siehe Kapitel 5.1). Trotz dieser evtl. unbewussten Ausgrenzungsprozesse der Bewohner hinsichtlich des Weltkulturerbes übernimmt dieses für die Bewohner der angrenzenden Stadtteile die Rolle als Identifikationspunkt. „Also für mich ist die Zeche sehr wichtig, sie hat ja immer zu meinem Leben gehört“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11). Neben den Menschen, die früher auf Zollverein gearbeitet haben bzw. deren Eltern auf Zollverein gearbeitet haben, ist auch mittlerweile ein Stolz bei den Bewohnern darüber vorhanden, dass sich in ihrer direkten Wohnnähe ein Weltkulturerbe befindet. „Wenn unser Verwandter aus Bayern anruft oder wir Besuch von außerhalb bekommen, dann zeigen wir auch Zollverein“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 9).

Ebenfalls stolz sind die Bewohner darauf, dass Zollverein

national und international bekannt ist und aus diesem Grund Menschen aus der ganzen Welt in „ihren“ Stadtbezirk kommen und durch „ihren“ Stadtteil fahren (GESPRÄCHSPARTNER

8 2010, 10).

Besonders positiv ist festzustellen, dass die Bewohner ein großes

Potenzial durch Zollverein wahrnehmen und eine Einbindung von ihrer Seite aus sehr erwünscht ist. „Für mich hat Zollverein dazu geführt, dass wir einen Identifikationspunkt haben, womit wir uns nicht rühmen sollten, aber worauf wir mit unserer Entwicklung im Stadtteil aufbauen können“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 9). Touristen – „die Stars in der Manege“ Zollverein ist ein Ort, welcher insbesondere auf Touristen ausgerichtet ist. Sie spielen hinsichtlich der Angebotsstruktur eine übergeordnete Rolle. Aus der Perspektive der Besucher stellt Zollverein ein touristisches Highlight dar. Die Besucherzahlen sind von 1998 bis 2010 kontinuierlich gestiegen. Aufgrund der Kulturhauptstadt 2010 und des spektakulären Eröffnungsevents im Januar 2010 werden für dieses Jahr über zwei Millionen Besucher erwartet. Sowohl der Titel „Welterbe der Vereinten Nationen“ als auch die Möglichkeit des Erlebens des ehemaligen Industriezeitalters durch die Besichtigung der imposanten, erhaltenen Schachtanlagen, Kokereien und Halden auf dem Zollverein-Gelände sind Tourismusmagneten. Weiterhin bietet Zollverein ein künstlerisches und kulturelles Programm, das für viele Besucher verlockend ist. Eine Attraktion an sich stellt die historische Bausubstanz von Zollverein dar.

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Arbeitnehmer – „der gute Nebeneffekt“ Weiterhin gilt die Zeche Zollverein als ein Kreativstandort, der seit 2004 stetig durch die Stiftung Zollverein entwickelt wurde. Zahlreiche Flächen werden für Hauptversammlungen, Kundenaktivitäten und Fachsitzungen wie das Design-Frühstück oder die Jahrestagung Design genutzt. Eine zunehmende Nutzung des Areals der Zeche Zollverein verspricht man sich in Essen auch durch die 600 Folkwang-Studenten, die es demnächst hier geben wird. Man erhofft sich davon sowohl einen wirtschaftlichen Aufschwung als auch einen Aufschwung auf dem Wohnungsmarkt (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 7).

Zollverein wird von auswärtigen Personen und Nutzern sehr positiv wahrgenommen und intensiv besucht. Für sie hat das Gelände die Funktion des Besuchens, Erlebens und Lernens. Allgemein negativ ist ein mangelndes Angebot an Gastronomie für Touristen und Bewohner zu vermerken. Zwar gibt es ein Casino, das erstklassige Speisen anbietet, doch sind dessen Angebote sehr kostspielig und für „einfache“ Fahrradtouristen, geschweige denn für die Bewohner des Stadtbezirks nicht bezahlbar. Ebenfalls muss die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Anbietern für Tagungen, Events und

Abb. 38: Kleiner Imbiss auf Zollverein (DRECKER 2010)

Veranstaltungen verbessert werden. Da die Gebäude unterschiedlichen Besitzern gehören, wurde bislang keine gemeinsame Angebotsstruktur zur Vermietung von Räumen entwickelt. Das Organisieren einer Veranstaltung und das Beschaffen eines Raumes auf Zollverein sind sehr mühselig und kompliziert.

Steuerung der Entwicklung von Zollverein – Stiftung Zollverein Die Entwicklungen, Planungen und Vorhaben werden seit 1998 durch eine gemeinnützige Stiftung, die Stiftung Zollverein gelenkt. Die „Stiftung Zollverein“ wurde von der Stadt Essen und dem Land Nordrhein-Westfalen gegründet. Ziel und Zweck der Stiftung sind „die Erhaltung des Welterbes und die Förderung der Kultur sowie die Entwicklung von Zollverein zu einem internationalen Kultur- und Wirtschaftsstandort“ (STIFTUNG ZOLLVEREIN 2010).

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Seitens der Bewohner des Stadtbezirks VI wird die Arbeit der Stiftung Zollverein kritisch betrachtet. Die Bewohner fühlen sich ausgeschlossen und nicht beteiligt. Zwar wurde z. B. eine Sozialraumkonferenz zum Thema „Wie könnte die Verbindung zwischen Zollverein und den Stadtteilen besser funktionieren“ organisiert, bei der auch eine Person der Entwicklungsgesellschaft Zollverein anwesend war, doch wurde der Wunsch, dass Zollverein auch die Rolle eines Bürgertreffpunkts für Jugendliche und Ältere, wie z. B. ein Jugendtreff oder eine Café, erhält, kategorisch abgelehnt. „Man würde das eher auf der kulturellen Ebene betrachten als mit der Funktion einer Begegnungsstätte“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 11). Das Gefühl, dass die Entwürfe und Planungen nicht gemeinsam mit der Bevölkerung entwickelt, sondern von oben aufgesetzt wurden, wurde so zunehmend verstärkt. Weiterhin befürchten einige Bewohner des Stadtbezirks, dass Zollverein aufgrund der kulturellen Ausrichtung keine richtige Bindung an die umliegenden Stadtteile erfährt. „Ich will das nicht in Abrede stellen: kulturell, informativ, auch mit dem neuen Museum ist das sicher Klasse, und es zieht Leute von außen an, die sich informieren wollen und die auch begeistert sind. Aber es ist irgendwie wie ein Museum und nicht wie eine Begegnungsstätte und der Bezug zu den Menschen im Stadtteil geht immer mehr zurück“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 9).

Ebenso wird die Erwartung geäußert, dass durch die thema-

tische Distanz zu den Stadtteilen „das Projekt Zollverein nicht wieder die Mauern so aufbaut wie früher“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 9). Aus einer relativ objektiven Sichtweise des Büros für Stadtentwicklung Essen heraus wird erläutert, dass eine gegenwärtige gehemmte Beziehung zwischen den Akteuren in den Stadtteilen und den Akteuren der Stiftung vor allem mit einzelnen Personen in der Vergangenheit zu tun hat und deren Auftritt in der Öffentlichkeit. „Der persönliche Auftritt einzelner Leute hat viel Porzellan zerschlagen, das nur mühsam wieder aufgepäppelt werden konnte“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 12). Es wird beschrieben, dass z. B. bei der Einweihung Zollvereins zum Welterbe „die Leute aus den Stadtteilen nur davor standen“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11), während „die VIPs hinterher ihre Canapés aßen“ (GESPRÄCHSPARTNER

4 2010, 13).

„Wenn Termine stattfinden, kommt da direkt der Ministerpräsi-

dent, dann werden Reden geschwungen, die immer auf höchster Ebene stattfinden. Wen soll denn das hier interessieren? Das schreckt doch eher ab, als dass es einbindet“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 10). Das Problem einer fehlenden Berücksichtigung der Zollverein umgebenden Stadtteile ist die mangelnde Auseinandersetzung mit deren Problemen und das ungenügende Bewusstsein, dass durch Zeche Zollverein positive Änderungsprozesse im Stadtbezirk Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

VI ausgehen könnten. „Die haben das nicht so als Zusammenhang gesehen. Oder vielleicht ihre Konzentration auf den Standort Zollverein zum Maß aller Dinge gemacht“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 11).

„Bei der Stiftung Zollverein gibt es einige Personen, die

haben mit dem Stadtbezirk nichts am Hut. Im Gegenteil, die sagen, wenn wir die Stadtteile rundherum nicht hätten, dann hätten wir das Kulturhighlight Nordrhein-Westfalens oder sogar der Welt“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 10). Man spürt deutlich die Enttäuschung und das Missfallen bei dem bisherigen Vorgehen der Stiftung. „Das ist eine Szenerie, die sich selbst feiert“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11).

Kinder und Jugendliche auf Zollverein Zollverein wird von Kindern und Jugendlichen als sehr positiv wahrgenommen und vor allem dessen abwechslungsreiche Natur von Heranwachsenden aller Altersstufen intensiv genutzt (vgl. Abb. 39). Der Grund der positiven Wahrnehmung muss aber differenzieren. Es gibt einerseits Jugendliche, die von Zollverein aufgrund des Status Welterbe begeistert sind. „Da kommt dann auch ein gewisser Stolz und Gespräche zum Thema Tradition auf“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 9).

Anderseits gibt es auch Jugendli-

che, die „eher weniger damit [Zeche Zollverein und ihrer Geschichte] anfangen können“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 10), sich dort aber aufgrund des Reizes des Geländes treffen und verweilen und evtl. mit der Schulklasse mal vor Ort waren. Abb. 39: Zeche Zollverein, Kinderzeichnung (HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)

Während jüngere Kinder auf den verwilderten Halden und Flächen eher eine Chance

„zum ungehemmten Ausleben ihres Bewegungs- und Entdeckungsdrangs“ (KEIL 1998, 64) sehen, bietet Zollverein den älteren Jugendlichen Gelegenheit, außer Sichtweite von Erwachsenen teils untersagten Tätigkeiten wie Alkoholkonsum oder wildes Grillen nachzukommen (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 7). In einer Umfrage äußerten sich ein Großteil der befragten Kinder und Jugendlichen, dass sie die Atmosphäre der Zeche Zollverein sehr schätzen, ebenso die Größe des Geländes und die Möglichkeiten, sich im Park o. ä. vom Alltagsstress zu erholen. Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Zwar haben sich die Jugendlichen schon selber Räume angeeignet, an denen sie sich treffen, wie z. B. „auf einem alten Parkplatz – im Westerbruch bei der Neubaussiedlung – und einer riesigen Parkanlage (Stauderstraße)“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 9), dennoch wird es als notwendig erachtet, „weitere attraktivere Aufenthaltsorte zu entwickeln, die den Jugendlichen die Möglichkeiten geben, sich zu treffen oder auch gemeinsam Sport zu treiben“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 9). Damit ist die Hoffnung verbunden, dass der Ort von Jugendlichen selbstverständlicher aufgesucht werden würde. „Sie selbst würden sich in ihrem Stadtteil nicht verdrängt, sondern angenommen fühlen“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 12).

Weiterhin sollte die grundsätzlich positive Wahrnehmung des Areals genutzt

werden, um die Kinder und Jugendlichen bei den Planungen zu integrieren. Neben der Nutzung als Freizeitort setzen sich viele Jugendliche z. B. in Internetforen mit Zollverein auseinander. „Wenn sie in die Schule gehen und dann die Schüler fragen, die kennen alle Zeche Zollverein besser, als meine Generation“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 7). Anscheinend hat auch die Eröffnung der Kulturhauptstadt im Januar 2010 Eindruck auf die Kinder gemacht, wie Abbildung 40 zeigt.

Abb. 40: Zeche Zollverein bei der Eröffnung zur Kulturhauptstadt, Kinderzeichnung (HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)

Leider fallen auch einige Jugendliche bzw. deren Verhalten auf Zollverein negativ auf, z. B. durch das Einwerfen von Fensterscheiben, das Belästigen von Besuchern oder Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

das Sprühen von Graffitis. Andere Jugendliche dagegen gestalten ihre Freizeit auf Zollverein damit, interessante Fotos zu machen oder einfach nur rumzusitzen. Dies wird als positiv gesehen. „Das habe ich früher auch gemacht. Das sollte man ruhig zulassen, das baut nämlich Hemmungen ab und dann kommen sie auch später zur Zeche. Und es bindet ja auch an einen Standort“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 10). Positiv bewertet wird eine auf Zollverein ansässige Kindertagesstätte, die „einen wichtigen Effekt auf die Stadtteile hat, weil sie gleichermaßen bürgerbezogene und gewerbliche Aktivitäten vereint“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 8). Auch die RAG Bildung hat das Potenzial von Zollverein für Kinder nutzbar gemacht, indem sie eine Sommerfreizeit für Kinder aus dem Stadtbezirk angeboten hat. Unter dem Motto „Piraten auf Zollverein“ wurde so ein Angebot für Kinder geschaffen und dafür das Ambiente von Zollverein sinnvoll eingesetzt. Teilweise gibt es aber auch Jugendliche, auf die einerseits die mit Kunst, Kultur und Geschichte in Verbindung stehende Neunutzung des Geländes abschreckend wirkt, die andererseits aber auch durch Schule oder Elternhaus zu wenig mit Zollverein in Kontakt gekommen sind. Es wird beklagt, dass viele Nutzungen, die auf Zollverein vorhanden sind, nichts mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben und dass Jugendliche von Seiten der Stiftung nicht genug beteiligt werden, bzw. diese „es nicht Ernst meint“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 8).

Leider wurde bislang eine Anfrage seitens der AWO, einen

Sozialarbeiter auf Zollverein zu etablieren, um den Jugendlichen einen „Anteil an Zollverein“ zu geben, bislang seitens der Stiftung Zollverein nicht beantwortet, so dass seitens der AWO der Eindruck entstanden ist, dass diese Idee nicht gewollt ist (GESPRÄCHSPARTNER

6 2010, 8).

Ebenfalls wurde bemängelt, dass auf Zollverein kein Treffpunkt

oder Café für Jugendliche geschaffen wird, da Zollverein eher eine kulturelle Funktion, als die einer Begegnungsstätte innehaben soll (siehe oben). Eine wichtige Funktion von Zollverein für Kinder und Jugendliche übernimmt das Gelände als Ort des Lernens. Diese Funktion wird bislang noch zu wenig genutzt. Gegenwärtig gibt es nur wenige Kooperationen zwischen den auf Zollverein ansässigen Museen bzw. Veranstaltungen und den Schulen im Stadtbezirk. Aufgrund fehlender finanzieller Mittel der Eltern können einige Schulen sich eine Führung über Zollverein oder einen Besuch z. B. im Phänomania – Erfahrungsfeld der Sinne – nicht leisten. Da eine Unterstützung von Klassenausflügen für Hartz IV-Empfänger erst mit einer Übernachtung gewährleistet wird, ist der Besuch des direkt im Umfeld liegenden Zollvereingeländes nicht möglich. „Wenn wir als Schule hingehen würden und die Kinder dann zu Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Hause erzählen würden, wie toll das da ist, dann würde eine stärkere Identifikation mit Zollverein vielleicht vorhanden sein. Aber dann hindert wieder der Eintrittspreis“ (GESPRÄCHSPARTNER

10 2010, 12).

Das Vermitteln von industriegeschichtlicher Vergangenheit

und das Kennenlernen der Arbeitswelt, die das Leben der Groß- und Urgroßeltern prägte, sind notwendig, um eine stadtteilbezogene Wir-Identität schon bei den Kindern zu prägen. Um eine Bereitschaft zur Gestaltung von Gegenwart und Zukunft zu fördern, ist es wichtig, die Leistungen der Menschen aus der Vergangenheit kennenzulernen und so ein Verantwortungsgefühl zu entwickeln. Durch das Zeigen und Entdecken von stadtteilprägenden Merkmalen wie Fördertürmen oder typischen Zechenhäusern kann bei den jungen Menschen ein Stolz und eine innere Verbundenheit zu ihrem Lebensumfeld geweckt werden, die sich in Zukunft positiv auf ihre „Bereitschaft zu mehr Engagement für ihr unmittelbares Lebensumfeld“ (MÜLLER 2008, 195) auswirken.

Impulse von Zeche Zollverein auf die angrenzenden Stadtteile Von der Zeche Zollverein gehen unterschiedliche Impulse sowohl kulturell als auch wirtschaftlich in die umliegenden Stadtteile aus. Die Stärke der Impulse ist jedoch noch differenziert zu betrachten. Die stärksten wirtschaftlichen Effekte haben bislang die Übernachtungen von Touristen bei privaten Vermietern im Stadtbezirk (siehe Kapitel 5.1) bewirkt. Ziel ist es zwar, die Wirtschaftskraft der Besucher auch in die umliegenden Stadtteile zu lenken (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 8), doch müsste dazu auch die Attraktivität in den Stadtteilen erhöht werden, z. B. durch den Ausbau von gastronomischen Angeboten. Die Beschäftigten von Firmen, die sich auf Zeche Zollverein befinden, sind größtenteils keine Bewohner des Stadtbezirks VI. Allerdings strahlen die wirtschaftlichen Interessen der in der Zeche Zollverein ansässigen Unternehmen auch auf die Unternehmen der umliegenden Stadtteile aus. Ziel muss es sein, diesen Effekt noch zu stärken. „Wenn sich die Zeche Zollverein als Wirtschaftsstandort entwickelt und sich neben dem Tourismus auch eine wirtschaftliche Dynamik entfaltet, dann kann es auch gelingen, dass die umliegenden Stadtteile davon profitieren“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 10 F.). Weitere Impulse durch Zeche Zollverein waren bauliche Veränderungen. Auch wenn es eher eine geringe Anzahl an Veränderungen war, gab es doch einige Personen, die „kleinere Familienhäuser gebaut haben“ (z. B. am Kemper Weg) (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 9).

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Ein besonderer Impuls geht durch die Funktion als Identifikationspunkt für die Bewohner aus. Damit diese Identifikation nicht gehemmt wird, muss von Zollverein eine stärkere Bindung zum Stadtteil ausgehen. Gegenwärtig wird Zollverein seitens der Bewohner zwar grundsätzlich als eine Stärke für den Stadtbezirk gesehen, doch wird auch bemerkt, dass „die Zeche noch nicht richtig angedockt ist, und ich weiß auch gar nicht, ob das zu leisten ist“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 12). Um eine stärkere Identifizierung mit der Zeche Zollverein zu erreichen bzw. die vorhandene Identifikation zu stärken, fehlen bisher aber noch weiterreichende Angebote. „Dazu wäre ein stärkerer Bezug zu der Bevölkerung, vor allem zu den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen, notwendig, der leider nicht gegeben ist“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 9).

5.7

Förderungen im Stadtbezirk VI

Nachdem sich bereits das Kapitel 3.3 der Thematik Soziale Stadt mit seinem Grundanliegen und lokalen Verankerungen widmete, wird sich in diesem Abschnitt im Speziellen mit den lokalen Wirkungsweisen auseinandergesetzt. Eines der ersten Projekte in Katernberg war die Umgestaltung des Katernberger Marktes Anfang der 1990er Jahre. Bis 2004 schlossen sich daran 41 Projekte an, mittlerweile sind es noch einige mehr (konkrete Zahlen liegen bis zum Jahr 2004 vor). An der Förderung durch das Soziale Stadt-Programm wird die „sehr steinelastige“ (GESPRÄCHSPARTNER

6 2010, 7)

bzw. „betonlastige“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8) Förderung kriti-

siert, wobei die Kritik nicht an die Kommune, sondern an den Fördermittelgeber adressiert ist. Die Gefahr wird darin gesehen, dass lediglich Gebäudekomplexe saniert werden, ohne soziale Probleme zu beheben. In diesem Falle wäre das Programm „reine Geldverschleuderung“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8). Achtet man bei der Fördermittelverteilung von Städtebauförderungsmitteln schwerpunktmäßig auf Großprojekte, scheinen die absoluten Zahlen diese Aussagen zu bestätigen, da viele Mittel in die Bereitstellung von neuen Kunst- und Gewerbeflächen oder Bau- und Sanierungsprojekte geflossen sind (STADT ESSEN, 2004, 13F). Allerdings sind neben diesen großen Projekten, die gefördert wurden, eine sehr große Anzahl an kleineren Projekten zu finden, (z. B. Bewohnerbeteiligung und Aktivierung in belasteten Wohnbereichen (35.790 Euroi, Interkulturelle Konfliktvermittler (25.000 Euro), Anschub Verkehrsverein (25.564 Euro), etc. (STADT ESSEN 2004, 15F). Sicherlich sind die Fördersummen bei diesen eher sozial ausgerichteten Projekten wesentlich geringer, doch scheinen sie nach den Beschreibungen der Befragten fruchtbringend gewesen zu sein (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, GESPRÄCHSPARTNER 8 2010). WeiSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

terhin benötigt der Tourismus z. B. eine bauliche Infrastruktur sowie die Erhaltung der Bausubstanz von Zeche Zollverein, die ja in diesem Fall als Tourismusmagnet fungiert (PASTERNAK 2008, 89).

Ferner argumentiert Gesprächspartner 1, dass das Programm Sozi-

ale Stadt zwar den Titel „Soziale Stadt“ trägt, aber ein Investitionsprogramm ist, das aus Städtebaumitteln finanziert wird. Aus dieser Sicht betrachtet, scheint dieses Städtebauprogramm einen anderen Weg eingeschlagen zu haben, indem die Bevölkerung „mitgenommen wird“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 10). „Vielleicht ist es ein überzogener Anspruch zu glauben, wir schaffen mit diesem Programm die Lösung aller sozialen Probleme“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 9). Neben dem Vorwurf einer steinelastigen Förderung gehen Vermutungen einzelner Akteure dahingehend, dass das Programmgebiet „Soziale Stadt“ von Katernberg auf den gesamten Bezirk ausgedehnt wurde, weil „Zollverein nicht in Katernberg liegt, sondern in Stoppenberg und natürlich mit in diese Förderkulisse rein sollte“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 11).

Daraufhin wurde auch der Vorwurf genannt, dass „auch Fördermittel aus der

Sozialen Stadt nach Zollverein geflossen [sind], und zwar richtig viel“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 11).

Diesen Behauptungen widersprechen jedoch zwei Tatbestände: Erstens

wurde das Programmgebiet Katernberg nicht ausgeweitet. Als Fördergebiet für das Programm Soziale Stadt wurde von Anfang an, also seit 1993, der Stadtbezirk VI ausgeschrieben. Ausgeweitet wurde lediglich die Arbeit des ISSAB (s. o.), die sich zuvor nur auf Katernberg-Beisen beschränkte (PASTERNAK 2008, 79F). Zweitens gibt der Gesprächspartner vom Büro für Stadtentwicklung zu bedenken, dass das Programm Soziale Stadt unter anderem auch deshalb begonnen hat, weil es Zeche Zollverein und den Förderbedarf gegeben hat. „Da gab es ein erhebliches Landesinteresse, das aus Zollverein auch was wird – es gehört ja größtenteils dem Land – und es war ein Angebot an die Stadt, könnt ihr euch vorstellen, dass ihr um Zollverein Sachen entwickelt. Und dafür hat das Land auch ganz schön viele Mittel zur Verfügung gestellt“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 10).

Dennoch ist das Gefühl, dass dem Industriedenkmal wesentlich mehr Geld zugute gekommen ist bzw. dass „relativ viel Soziale Stadt-Knete bei Zeche Zollverein liegt“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 11.

Ein erhöhtes Interesse an Zeche Zollverein und den angrenzenden Stadtteilen seitens des Landes lässt sich auch daran erkennen, dass insgesamt wesentlich mehr Gelder in das Programmgebiet Essen-Katernberg geflossen sind als in andere Gebiete. Die Förderung durch das Programm Soziale Stadt „wird von anderen Stadtteilen mit sehr groSchwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

ßem Neid beobachtet“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 6). Betrachtet man die landesweite Verteilung von Fördergeldern des Soziale Stadt-Programms, ist die Spanne der Mittel, die in der Summe auf einzelne Gebiete entfallen sind, sehr groß. Im Zeitraum von 1993 bis 2005 sind in Nordrhein-Westfalen rund 425 Mio. Euro in die Gebiete der Sozialen Stadt geflossen. Im Durchschnitt wären das für jedes Gebiet knapp 8 Mio. Euro. Die Summe der Förderung in diesem Zeitraum reichte aber von 1 Mio. Euro bis 65,2 Mio. Euro pro Gebiet, wobei das Programmgebiet Essen-Katernberg diese Höchstsumme erhalten hat (STÄDTENETZ SOZIALE STADT 2008, 25). Ebenfalls kritisch wurde die Dauer einiger Förderprojekte gesehen, besonders die Förderung aus dem Programm LOS. „Das Problem ist nur, dass die Förderstruktur so angelegt ist, dass ein Projekt, egal ob das gut oder schlecht ist, nicht fortführen darf. Zumindest nicht mit dieser Finanzierung. Das ist halt die Projektitis, in der wir leben“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 7).

Auswirkungen des Programms Soziale Stadt im Stadtbezirk VI Eindringlich zu betonen ist, dass sich in den letzten zwanzig Jahren in Katernberg und Umgebung einiges getan hat. „Wir haben doch mit diesem Programm eine ganze Menge ausgelöst“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 9). Zwar konnten grundlegende Problemlagen nicht endgültig behoben werden, doch wurden Verbesserungen erzielt, die den richtigen Weg markieren. Daher scheint auch das Motto vom Stadtbezirk VI „Ein Stadtteil macht sich auf den Weg“ die aktuelle Situation treffend zu charakterisieren: Katernberg ist auf dem Weg, aber noch längst nicht am Ziel (PASTERNAK 2008, 87). Dies spiegelt sich auch in den Meinungen der Befragten wieder, die ihre realistische Einschätzung des Stadtbezirk VI in zehn Jahren äußern sollten. Es wurde prognostiziert, dass sich der Stadtbezirk „stärker normalisieren“ und „gegenüber anderen Stadtteilen angleichen“ wird (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 15). „Insgesamt könnte ich mir vorstellen, dass der Stadtbezirk so stabil ist, dass er nicht mehr als benachteiligter Stadtbezirk gilt“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 16). „Ich denke, der Stadtbezirk wird sich weiter positiv entwickeln“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 16). Ebenfalls positiv äußert sich der Jugendkontaktbeamte: „Wenn ich das vor zehn Jahren sehe und wenn ich das hier jetzt sehe, hat es eine unheimliche Entwicklung gegeben. Und in der Hoffnung sollte man auch die nächsten 10 Jahre angehen!“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 14).

Schwerpunktthemen im Stadtbezirk

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

6 Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen Aufgrund der bereits in Kapitel 1 erwähnten allgemeinen Problemlage und Überforderung einzelner Kommunen, gewinnt die Rolle der Unternehmen und privaten Initiativen für kommunale Aktivitäten stetig an Bedeutung. Ein daraus resultierender wachsender Einfluss der privaten Wirtschaft auf Gesellschaft und Politik, schafft gleichzeitig die Möglichkeit, Unternehmen zur Übernahme von Verantwortung aufzufordern (Corporate Social Responsibility). Dieser Gedanke, dass Unternehmen Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen, ist nicht neu, da bereits in früheren Jahrhunderten Unternehmen vor allem in durch Kaufmannstradition geprägten Städten einen Teil der Wohlfahrtsaufgaben für ihre Umgebung übernommen haben (TAUBKEN 2006, 154). Das seit einigen Jahren viel diskutierte Konzept von Corporate Social Responsibility stellt laut Definition der Europäischen Kommission ein Konzept dar, „[…] das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeiten und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren.“ (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2002, 5). Dabei kann von dem Engagement eines Unternehmens eine Stärkung der Stadt bzw. Region ausgehen, die über klassische ökonomische Aspekte hinausgeht. Gleichzeitig wirkt sich das Übernehmen gesellschaftlicher Verantwortung auf den Unternehmensstandort aus, so dass zwischen Stadt und Unternehmen Wechselwirkungen bestehen. Da ein Unternehmen ein intaktes Unternehmensumfeld benötigt, um langfristig erfolgreich wirtschaften zu können, ergeben sich so Synergien zwischen Unternehmen und Stadt. Vor dem Hintergrund, der in Kapitel 3 und 5 dargestellten vielschichtigen Problemlage des Stadtbezirks VI, scheint das gemeinsame Agieren von öffentlichen und privaten Trägern dahingehend anstrebenswert. Die folgenden Ausführungen sollten daher vor der Idee betrachtet werden, dass nicht ausschließlich die öffentliche Hand der tragende Akteur ist, sondern zusätzlich insbesondere wirtschaftsstarke private Akteure aktiv werden.

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

6.1

Beschäftigung

Diagnose Das Thema Beschäftigung hat einen hohen Stellenwert im Stadtbezirk VI. Besonders seit der Schließung der Zeche und Kokerei Zollverein – der ehemals größte Arbeitgeber des Essener Nordens – wurde die Arbeitsplatzsituation aus naheliegenden Gründen als vordringlichstes Problem gesehen. Aufgrund der problematischen Lage in vielerlei Hinsicht sind viele Fördergelder aus unterschiedlichen Programmen in den Stadtbezirk VI geflossen. Finanzielle Unterstützungen durch Fördermittel im Bereich Beschäftigung wirkten allgemein betrachtet in vier Bereichen: 1. Direkte Beschäftigungsverhältnisse, aber keine nachhaltigen Einerseits bewirkte der Einsatz von Fördermitteln eine Beschäftigung auf Zeit für Arbeitssuchende im Stadtbezirk VI, in dem z. B. Städtebaufördermittel mit Arbeitsmarktmaßnahmen kombiniert werden konnten. Bei dieser Art der Förderung wurden direkte Beschäftigungseffekte für die Bewohner des Stadtbezirks VI erzielt, allerdings waren diese nicht langfristig, sondern nur für einen festgelegten Zeitraum während der Tätigkeit angelegt. Durch den Einsatz von Fördermitteln in diesem Bereich konnten daher nur geringe langfristige und nachhaltige Beschäftigungseffekte für die Bewohner des Stadtbezirks VI erzielt werden. Als positive Auswirkungen könnte allerdings das Sammeln von Erfahrungen und Kontakten während der Beschäftigung oder ein potentieller Anschub zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt angesehen werden. 2. Unternehmensneugründungen mit Beschäftigungseffekten Ein weiterer Effekt auf den Beschäftigungsbereich durch Fördermittel ist die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen im Stadtbezirk VI. Gefördert wurden dabei besonders Neugründungen von Unternehmen. Neu geschaffene Arbeitsplätze können jedoch nur in geringem Umfang die Arbeitsplätze der ehemaligen Zeche und Kokerei ersetzen. Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Touristik Zollverein) wurden zwar neue Unternehmen gegründet – allerdings hauptsächlich von Firmengründern, die keine Bewohner des Stadtbezirks VI waren. Da bei Neugründungen von Unternehmen aufgrund der noch bestehenden finanziellen Instabilität oftmals keine Beschäftigung von mehreren Arbeitnehmern möglich ist, gab es hier bislang ebenfalls nur geringe Beschäftigungseffekte für Bewohner des Stadtbezirks.

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

3. Aufwertung von Zollverein Weiterhin konnte durch Fördermittel die grundsätzliche Sanierung von Zollverein ermöglicht werden. Erst eine Nutzbarmachung und Aufwertung des Geländes ermöglichte die Schaffung neuer Arbeitsplätze auf dem Gelände. Die städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen sind somit als Voraussetzung der nachfolgenden Maßnahmen zur Förderung der lokalen Ökonomie zu sehen, so dass der Umbau der Zeche und Kokerei Zollverein letztendlich eine Voraussetzung z. B. zur Errichtung des Gründungszentrums TripleZ und für neue lokale Wertschöpfungen in Form des Projekts „Zollverein Touristik“ darstellte. Bei der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen auf Zollverein durch die vorangegangene Sanierung ist allerdings wiederum darauf aufmerksam zu machen, dass der größte Teil der Arbeitsplätze im Bereich Kreativwirtschaft liegt, so dass hier eine Einbindung bzw. Beschäftigung der Bewohner des Stadtbezirks aufgrund bestehender Bildungsbeschränkungen nicht möglich ist. Dennoch sollte eine grundsätzliche Verurteilung des Einsetzens von Fördergeldern in Zeche Zollverein zur Sanierung und zum Umbau nicht stattfinden. Da ein großes Beschäftigungspotenzial für die Bewohner des Stadtbezirks im Bereich Tourismus gesehen wird, ist eine Erhaltung der Bausubstanz des Industriedenkmals wichtig, damit es nun als Touristenattraktion fungieren kann. 4. Maßnahmen zur Berufsqualifizierung Ein weiterer Bereich des Fördermitteleinsatzes ist der Bereich Berufsqualifizierung. Die verschiedenen Maßnahmen (z. B. Computerkurs, interkulturelles Kompetenztraining, Telefontraining, Stärkung der Kommunikationsfähigkeit für Migranten) waren teilweise erfolgreich, allerdings kann keine genaue Zahl derer genannt werden, die daraufhin einen Ausbildungsplatz bzw. eine Arbeitsstelle gefunden haben. Inwieweit daher der Einsatz von finanziellen Mitteln zur Vermittelung dieser Kenntnisse Beschäftigungseffekte im Stadtbezirk bewirken konnten, kann bislang zwar vermutet, aber nicht nachgewiesen werden. Zusammenfassend lässt sich herausstellen, dass lokale Fördermaßnahmen sowohl im materiellen als auch im nicht-materiellen Bereich teilweise sinnvoll und insbesondere entwicklungsgreifend waren. Allerdings kann ebenfalls konstatiert werden, dass in dem Bereich Beschäftigung durch diese Fördermaßnahmen keine komplette Problembeseitigung im wirtschaftlichen Bereich herbeigeführt, sondern lediglich ein Anschub zu ersten Ansätzen einer Trendwende geleistet werden konnte. Das Auslaufen von Fördermaßnahmen birgt jedoch die Gefahr, dass bereits begonnene Prozesse und Strukturen Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

potenziell gebremst werden, sich zunehmend verlangsamen und schließlich zum Stillstand kommen (z. B. Zollverein Touristik). Hoffnung schüren aber Entwicklungen innerhalb des Stadtbezirks, bei denen durch das Engagement ortsansässiger Unternehmen, die nicht von einer Förderung abhängig sind, besonders nachhaltige und langfristige Strukturen – wie z. B. Beteiligungsprozesse und eine Verbesserung kultureller Angebote durch die Schaffung und finanzielle Förderung von Stadtteilfesten – aufgebaut und gestärkt werden.

Konsequenz und Empfehlung Ein großes Beschäftigungspotenzial für die Bewohner des Stadtbezirks VI wird dem Tourismus beigemessen. Aufgrund des steigenden Interesses an dem Weltkulturerbe Zollverein – vor allem vor dem Hintergrund, dass das Ruhrgebiet in diesem Jahr Kulturhauptstadt Europas ist – werden für dieses und die kommenden Jahre weiter steigende Tourismuszahlen erwartet und durch einen Buchungsanstieg innerhalb der ersten drei Monate im Jahr 2010 bereits belegt. Dieses Potenzial gilt es in den kommenden Jahren zu nutzen. Dazu müsste eine umfassende Tourismusstrategie in Zusammenarbeit zwischen den bestehenden Akteuren im Tourismus – Zollverein Touristik und Stiftung Zollverein - möglichst zügig entwickelt werden. In einer solchen Tourismusstrategie sollten Zuständigkeiten, eine gemeinsame Vermarktung, die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen für Bewohner, etc. Schwerpunkt sein. Ist das gemeinsame Erarbeiten einer Tourismusstrategie aufgrund unterschiedlicher monetärer und ideeller Interessen nicht möglich, könnte hier die Stadt Essen vermittelnd agieren. Ebenso werden große Hoffnungen in den Dienstleistungssektor gesetzt. Durch die bereits ansässigen Unternehmen auf dem Zeche Zollverein-Gelände könnten Beschäftigungseffekte ausgehen, die auch für die Bewohner des Stadtbezirks ansprechend und realisierbar wären. Hier werden Ansatzmöglichkeiten in Bereichen wie Veranstaltungsauf- und -abbau, Gastronomie, Sicherheitspersonal, etc. erkannt. Um dabei positive Effekte für Stadtbezirksbewohner zu erzielen, ist eine Sensibilisierung der auf Zollverein ansässigen Unternehmen für die stadtbezirkbezogene Problematik von Nöten. Dies könnte durch die Stiftung Zollverein erreicht werden, da sie als Eigentümer eines Großteils der Flächen eine „Philosophie“ für Zollverein am besten vermitteln kann. Solch eine Philosophie sollte z. B. den Aspekt der Integration der Bewohner des Stadtbezirks VI beinhalten. Sollte eine Sensibilisierung durch persönliche Gespräche, Unternehmensabende, Informationsveranstaltungen, etc. der Unternehmen keine Erfolge zeiDiagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

gen, könnten an die Vermietung von Flächen bzw. Gebäuden z. B. ein „Unternehmenskodex“ gebunden sein, nach dem sich die angesiedelten Unternehmen halten müssten. Weiterhin festzuhalten gilt, dass das Ausbildungsangebot auf Zollverein unzureichend ist. Da Bildung aber als eine der wichtigsten Ressourcen für Zukunftsbranchen gesehen wird, besteht hier unbedingter Handlungsbedarf. Durch die Schaffung von Ausbildungsangeboten für Jugendliche (hier könnte ebenfalls die Stiftung steuernd eingreifen) ergeben sich gleichzeitig für Zollverein Standortvorteile für Unternehmen. Die auf Zollverein ausgebildeten Mitarbeiter, die durch die Arbeit vor Ort mit Arbeitsabläufen und den örtlichen Gegebenheiten vertraut sind, könnten von dort bereits ansässigen Unternehmen übernommen werden, so dass sich Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Unternehmen ergeben.

Weiterhin könnte das „kreative Ambiente“ auf Zollverein im Bereich Beschäftigung und Bildung inspirierend und motivierend wirken. Neuartige Modelle der Beschäftigung von gering qualifizierten Personen oder andere Formen der Bildungsangebote (z. B. HolzKreativwerkstatt für Kinder) bieten Möglichkeiten, eine Einbeziehung der Bewohner zu erreichen. Insgesamt lässt sich eine Unzufriedenheit seitens der Bewohner und Akteure im Stadtbezirk VI darüber feststellen, dass im Ganzen noch zu wenige Beschäftigungseffekte von Zeche Zollverein auf die angrenzenden Stadtteile und damit die Bewohner ausgehen. Trotz dieses Unmuts besteht im Stadtbezirk eine hohe Bereitschaft der dort ansässigen Unternehmen, durch eigene Leistungen zur Standortaufwertung beizutragen. Es ist im weiteren Vorgehen darauf zu achten, dass diese engagierte Bereitschaft seitens der Bewohner des Stadtbezirks eine intensivere Berücksichtigung findet. Durch das gemeinsame Entwickeln einer Strategie für Zollverein zwischen den Bewohnern des Stadtbezirks VI und den Akteuren auf Zollverein, vor allem der Stiftung Zollverein, könnten Potenziale und Ideen für die Förderung von Beschäftigungseffekten auf den Stadtbezirk freigesetzt werden. Sicherlich wird der Wunsch nach einer Stärkung der örtlichen Wirtschaftsstruktur in Verbindung mit der Schaffung und Sicherung quartiersnaher Arbeitsplätze schwer zu erfüllen sein. Doch sollte man die Einbeziehung und Mobilisierung des privaten Engagements auch im Bereich Beschäftigung anstreben.

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

6.2

Kooperation

Diagnose Ein hohes Maß an Wertschätzung gilt dem Aspekt der Kooperation und seinen damit verbundenen vielschichtigen Strukturen und einhergehenden umfangreichen Erfolgen im Stadtbezirk. Die derzeit bestehenden ebenenübergreifenden Kooperationsstrukturen sind der Erfolg langjähriger gemeinsamer Arbeit und eines auffallend hohen Engagements der Akteure vor Ort. Im Zentrum der Initiativen stehen gemeinsame und dauerhafte Zielverfolgung, Offenheit und Vertrauen sowie gegenseitiges Respektieren. Genau diese sind die Basis für die funktionierende Kooperation im Stadtbezirk VI. Auf Grundlage dieser Strukturen konnte ein funktionierendes engmaschiges Netzwerk aufgebaut werden, welches durch eine hierarchieübergreifende Akteursvielfalt zu charakterisieren ist. Bei der Thematik Kooperation ist jedoch die Intensität der Zusammenarbeit quantitativ und qualitativ zu unterscheiden, so dass man von einer inneren und äußeren Kooperationsstruktur sprechen muss. Mit „innerer Kooperation“ sind die soeben beschriebenen funktionierenden Kooperationssysteme zwischen Akteuren innerhalb und außerhalb des Stadtbezirks gemeint. Hervorzuheben ist die hervorragende Zusammenarbeit der ansässigen Akteure im Stadtbezirk selbst. Dagegen bezeichnet die „äußere Kooperationsstruktur“ eher schwache Verbindungen und fehlende Strukturen. Neben den geringeren Verbindungen zur katholischen Kirche und zu einzelnen kommunal- und landespolitischen Partnern außerhalb des Stadtbezirks sind besonders die bislang unzureichenden oder abgebrochenen Strukturen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Stiftung Zollverein hervorzuheben. Besonders negativ fällt dabei auf, dass sich das Zeche Zollverein-Areal im Mittelpunkt der drei Stadtteile befindet. Gerade diese räumliche Nähe müsste eine intensive Zusammenarbeit und damit eine Zugehörigkeit zur inneren Kooperationsstruktur nicht nur voraussetzen, sondern unabdinglich machen. Gemeinschaftliches Handeln basierend auf Offenheit und Vertrauen als Ausgangspunkt für stadtteilbezogene Erfolgsmodelle müssen hier stärker aufgebaut werden, so dass gemeinschaftlich Kooperationsstrukturen entstehen, die für alle Beteiligten gleichermaßen gewinnbringend sind. Die gefestigten inneren Kooperationsstrukturen scheinen hinsichtlich einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit als eine gute Vorraussetzung. Grundvorrausetzung für das Gelingen des Kooperationsaufbaus sind Akzeptanz gegenüber den bereits aktiven Beteiligten und eine grundlegende Bereitschaft für ein Miteinander. Selbstverständlich ist auch hier eine vertrauensvolle Basis als Grundlage einer erfolgreichen Zusammenarbeit unabdingbar. Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Konsequenz und Empfehlungen Handlungsbedarf besteht ohne Zweifel im Ausbau und der Intensivierung der Kooperationsstrukturen. Vorraussetzung für ein gemeinsames Handeln ist die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses. Möglicherweise ist das unzureichend wahrgenommene Miteinander von verschiedenen Akteuren ungewollt oder auf Missverständnissen beruhend. Hier wäre von jedem die Reflektion des eigenen Meinungsbildes anzuregen und gegebenenfalls verfestigte Verhaltensweisen aufzubrechen. Als ersten Schritt in der Erweiterung der inneren Kooperationsstrukturen sollte eine engere Zusammenarbeit mit der Stiftung Zollverein angestrebt werden. Der Stadtbezirk und die Zeche Zollverein dürfen sich nicht als getrennte und konkurrierende Standorte im Wege stehen. Vielmehr ist eine gemeinsame Zielverfolgung nötig, welche dem Stadtbezirk und der Zeche Zollverein nützlich sind. Vor allem in den Bereichen Tourismus, Bildung, Beschäftigung, Image und Identität werden potenzielle Handlungsfelder gesehen. Der florierende Tourismus auf dem Zollvereingelände könnte noch stärker mit dem Stadtbezirk verzahnt werden. Dabei scheinen der weitere Ausbau der Gastronomieund Übernachtungsstrukturen geeignete Ansatzpunkte. Die personelle Stärkung der touristischen Beschäftigungsstruktur auf der Zeche Zollverein ist durch den gezielten Einsatz von ehemaligen Zechenarbeitern denkbar, die am Besten die ehemalige Zeche als touristische Attraktion vorstellen können. Unter dem Motto die „Zeche zum Anfassen“ könnte ein derartiges Konzept verstanden werden. Identifikationssteigerung zwischen den Stadtteilbewohnern und der Zeche Zollverein wäre ein wünschwerter Nebeneffekt dabei. Im Bereich der Bildung könnte insbesondere die Zusammenarbeit mit den im Stadtbezirk ansässigen Schulen und Kindergärten ein Ansatzpunkt darstellen. Kindern und Jugendlichen des Stadtbezirk könnte der Zugang zur Zeche Zollverein erleichtert werden, indem gezielte, themenbezogene und dauerhafte Angebotsstrukturen geschaffen werden (z. B. kostengünstige Eintrittspreise für die Stadtteilbewohner, problembezogene Veranstaltungen für Kindergärten und Schulen des Stadtteils), welche in die Lerninhalte des Schul- und Kindergartenalltags integriert werden können. Auch die angesprochene ausbaufähige Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche ist zu aktivieren. Das Engagement der katholischen Kirche darf sich nicht zunehmend aus dem Stadtbezirk entfernen, sondern muss gerade hier gezielt aktiv wer-

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

den. Neue Herangehensweisen bei der Widerannäherung an den Stadtbezirk sind zu überlegen. Dabei dienen die umfangreichen Kenntnisse und Erfahrungen der Akteure vor Ort als eine entscheidende Handlungsbasis für die erneute Etablierung der katholischen Kirche im Stadtbezirk. Bei der Zusammenarbeit mit der Stadt(verwaltung) Essen ist besonders die Kooperationspflege keinesfalls zu vernachlässigen, um die bereits gut funktionierende Kooperation nicht zu gefährden und weiter auszubauen sowie neue Projekte / Themen der Zusammenarbeit zu kreieren. Wichtig ist die Zusicherung von Verlässlichkeiten in unterschiedlichen Bereichen der Stadtteilarbeit. Insbesondere sollte es darum gehen, das Interesse für den Stadtbezirk wahrnehmbar für die Akteure vor Ort anzuheben, was in einem gesteigerten Vertrauensverhältnis münden sollte. Dabei stehen die Zusicherung finanzieller Unterstützungen, Wertschätzung des Stadtteils und allgemeines Interesse an der weiteren Stadtteilentwicklung im Zentrum der Überlegungen. Allgemein scheint für die funktionierenden Kooperationsstrukturen sowohl ein zunehmender Aufbau von Netzwerken von Nöten, als auch die weitere Stärkung und Sicherung des Bestehenden, welche zu einer zeitlichen Beständigkeit der gut funktionierenden Kooperationsstrukturen führt. Zielführend wäre dabei ein Monitoring der Kooperationsstrukturen, um zum Beispiel neue Akteure zu lokalisieren. Durch Beendigung größere Förderinitiativen (wie u. a. Soziale-Stadt-Programm) besteht die Gefahr, dass finanzielle Unterstützungen stark minimiert werden oder gar absolut auslaufen. Im ungünstigsten Fall kann es dadurch zum Zerstören gefestigter Netzwerke kommen und jahrelange Mühen sowie Erfolge geraten in Zweifel. Dies gilt es zu verhindern, denn die bestehenden Kooperationsstrukturen bilden eine Basis für die weitere Entwicklung des Stadtbezirks. Insofern sind neue Finanzierungsmodelle zu schaffen, welche neben öffentlichen Trägern insbesondere auch private Träger beinhalten sollten.

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

6.3

Bildung und Soziales

Diagnose Der Bereich Bildung und Soziales stellte in den vergangenen Jahren ein entscheidendes und aktiviertes Handlungsfeld im Stadtteil dar. Unterschiedliche Akteure sowie differenzierte Ansätze waren und sind maßgebend und gleichzeitig entwicklungsbestimmend. Verschiedenste kleinere und größere Erfolgsentwicklungen können dadurch vernommen werden. Diese reichen jedoch bislang nicht aus, um aus einem stark sozial benachteiligten Stadtteil einen Stadtteil mit ausreichend positiver raumwirksamer, sozialer Wirkung werden zu lassen. Die Bildungs- und Sozialsituation im Stadtteil stellt sich zwar differenziert dar, wobei aber von einer allgemein problematischen Gemengelage ausgegangen werden muss. Die Problembereiche sind vielschichtig und führen in ihrer Wirkungsgesamtheit zu einer mitunter generationsübergreifenden sozialen Benachteiligung eines erheblichen Bevölkerungsanteils. Neben extremen sozialen Problemlagen bestehen aber auch mitunter stabilere soziale Lagen, welche weniger durch eine vielschichtige Problembelastung charakterisiert sind. Innerhalb der sozial benachteiligten Bewohner kann zwischen Bewohnern mit Migrationshintergrund und Bewohnern ohne Migrationshintergrund unterschieden werden. Soziale Benachteiligung ist somit nicht zwingend an die ethnische Herkunft gebunden. Die multi-ethnische Zusammensetzung der Bewohner ist im Stadtteil typisch und führt insbesondere im Bildungsbereich (frühkindliche Bildung und schulische Bildung) auch zu starken Konfliktpunkten. Im Bildungs-Lebenslauf der Bewohner kommt es erfahrungsgemäß zu einer sukzessiven Konfliktintensivierung, welche ihren Höhepunkt in der (mangelhaften oder fehlenden) beruflichen Ausbildung und in (Nicht-) Erwerbstätigkeit erreicht. Bestehendes hohes Engagement im Bildungsbereich durch verschiedene Träger und Lehrkräfte schaffen zwar erste Ansätze positiver sozialer Bedingungen und Strukturen. Sie reichen aber bislang nicht aus, um eine langfristige soziale Stabilität im Stadtteil zu sichern. Insbesondere knappe finanzielle Ressourcen sowie ein Bildungssystem, was nicht auf eine derartige sozial-räumliche Situation ausgerichtet ist, erschweren den sozialen Erfolg und damit die Bildungs- und Sozialchancen der ansässigen Bewohner. Die geschaffenen Bildungs- und Sozialstrukturen können als „erste Hilfe“ für eine soziale Sicherung im Stadtteil verstanden werden, welche weiter ausbaufähig und zu intensivieren ist. Neben schulischer und beruflicher Armut ist eine Armut im Stadtteil hervorzuheben, welche sich zum einen durch eine Armut an finanziellem Kapital und zum anderen, und Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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dies ist das Problematische, auch durch eine Armut in sozialer Kompetenz, welche sich in (häuslicher) Gewalt und/oder Kriminalität äußern kann – mitunter als Ausdruck allgemeiner Überforderung mit der eigenen bzw. familiären Lebenssituation zeigt.

Konsequenz und Empfehlung Unabdinglich sind nachhaltig wirksame Maßnahmen im Bereich von Bildung und Soziales. Dabei sind insbesondere dauerhafte Strukturen (u. a. Personal- und Projektbeständigkeit) zur Sicherung einer langfristigen Erfolgsentwicklung maßgebend, gekoppelt an einen stabilen und dauerhaft angelegten finanziellen Rückhalt. Insbesondere die Stärkung des Bildungssektors, vor allem im Bereich frühkindlicher, schulischer und beruflicher Bildung von Kindern und Jugendlichen, um stabile Bildungs-Lebensläufe zu ermöglichen, sollte prioritäre Bedeutung haben. Die Kinder des Stadtteils müssen als Hoffnungsträger für zukünftige positive Stadtteilentwicklung gelten und demnach eine ganz besondere Aufmerksamkeit erhalten. Nicht zu vernachlässigen im Bildungszusammenhang ist der Bereich der Erwachsenenbildung, um bislang schwierige Bildungs-Lebensläufe zu durchbrechen und (neue) Zukunftsperspektiven zu schaffen. Bei allen sozialen Maßnahmen ist zu betonen, dass ausschließlich Beständigkeit gekoppelt an (gewachsenem) Vertrauen zum Erfolg führt. Dabei wirken langfristig angelegte Strukturen besser als kurzfristige Maßnahmen. Bei der Stärkung von Bildung ist projektbezogenes- und planbares Handeln genauso unabdinglich wie situationsabhängiges und spontanes Agieren von Akteuren. Beide Handlungsstrategien müssen dabei gleichberechtigt im Stadtteil einsetzbar sein. Die soziale Stabilität im Stadtteil ist auch von dem Wanderungsverhalten der derzeit ansässigen und stadtteilfremden Bevölkerung abhängig. Wichtig scheint, dass sozial stabile Haushalte im Wohnquartier gehalten und gleichzeitig neue stabile soziale Bevölkerungsgruppen für den Stadtteil gewonnen werden. Eine Chance kann in diesem Zusammenhang in der Inszenierung von attraktiven, mitunter alternativen Wohnprojekten (u. a. Mehr-Generationen-Modelle, Familienbezogene-Modelle, Junges-WohnenModelle) betrachtet werden, welche sich von konventionellen Wohnformen abgrenzen und durch ihren Ausnahmecharakter attraktiv sind. Das gezielte Aufgreifen spezieller studentischer, urbaner familienbezogener Wohnpräferenzen und/oder Wohnvorstellungen von älteren Menschen in einem städtischen Umfeld könnten dabei eine Gelegenheit für den Stadtteil darstellen, um Ansätze eines ersten sozialen Wandels auszulösen. Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Zudem tritt die Sicherung sozialer Institutionen als entwicklungsrelevant hervor. Die Gewinnung und das Halten attraktiver Träger von sozialen Einrichtungen im Stadtteil sind zukunftsbestimmend. Beispielsweise kann ein interessantes KindertagesstättenKonzept, was beispielsweise ethnische Vielfalt als Chance sieht, zukunftswirksam sein und auch Familien ohne Migrationshintergrund begeistern und zum Verbleiben bzw. zu einem Zuzug in den Stadtteil motivieren, was die Stärkung eines sozial gemischten Stadtteils induziert. Fortgeführt werden kann dies durch kompetente, alternative Schulkonzepte (welche u. a. keine Trennung der Kinder nach der 4. Schulklasse vorsehen), nicht mit Herangehensweisen konventioneller Schulen arbeiten. Ein längeres Nebeneinader von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichem sozialem Hintergrund wäre so potenziell möglich. Im Idealfall führen derartige Maßnahmen zu einer Wertsteigerung des Stadtteils, was wiederum zu einer Verbesserung des Außen-Images führen kann. Einen Beitrag zur Identifikationsstärkung zwischen Zeche Zollverein und den Bewohnern, kann auch im Bereich Bildung und Soziales erkannt werden. Bislang fast fehlende Synergieeffekte zwischen Zeche Zollverein und den Bewohnern können gerade hier erzeugt und als eine entscheidende Chance gesehen werden. Zeche Zollverein könnte sich durch seine Kompetenzen im Bildungs- und Wohnsektor etablieren und erste Strukturen neuer Bildungs- und Wohnprojekte mit Pioniercharakter schaffen. Dabei sind auch langfristige Beschäftigungsverhältnisse als positiver Nebeneffekt für den Stadtteil denkbar.

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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6.4

Kinder und Jugendliche

Diagnose Der Bereich Kinder und Jugendliche stellt ein Schlüsselthema für die zukünftige Entwicklung des Stadtbezirks VI dar. Der große Anteil an Kindern und Jugendlichen im Stadtbezirk VI nimmt im gesamtstädtischen Vergleich eine Sonderrolle ein, die als große Chance gesehen werden muss. Während andere Stadtteile mit enormen Problemen aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung zu kämpfen haben, steht der Stadtbezirk VI in Essen eher vor der Herausforderung, das vorhandene Potenzial an jungen Menschen zukunftsweisend zu nutzen. Eine reine Anwesenheit von vielen jungen Menschen reicht jedoch als Standortvorteil nicht aus. Es muss deutlich herausgestellt werden, dass vielmehr das daraus resultierende Potenzial zu nutzen ist. Gegenwärtig gibt es im Stadtbezirk VI einige Familien, in denen aufgrund von wirtschaftlichen und / oder sozialen Problemen eine ausgeprägte positive Entwicklung der Kinder nicht bzw. nur eingeschränkt möglich ist. Besonders problematisch daran ist eine bestehende und sich zunehmend verstärkt entwickelnde Perspektivlosigkeit bei den Kindern und Jugendlichen, die wiederum Auswirkungen auf ihren späteren Lebensalltag als Erwachsene hat. Eine hohe Zahl an jugendlichen Arbeitslosen belegt dies bereits heute deutlich. Das Thema Jugendkriminalität hat aufgrund zahlreicher gemeinschaftlicher Initiativen deutlich an Brisanz verloren, was als eine sehr positive Entwicklung zu werten ist. Leider ist diese Entwicklung vor allem Außenstehenden nicht gegenwärtig, so dass das Außenimage des Stadtbezirks weiterhin unter der verfestigten negativen Meinung über Kriminalität von Kindern und Jugendlichen leidet. Der Bereich Jugendkriminalität ist nur ein Themenfeld von vielen, in denen bereits ein starkes Engagement der lokalen Akteure zu verzeichnen ist. Einrichtungen wie Jugendhäuser, Kindertagesstätten, Arbeitsgemeinschaften, Musikgruppen etc. bieten den Kindern und Jugendlichen zum einen eine Vielzahl an Angeboten und zum anderen mitunter einen Halt in ihrem alltäglichen Leben. Derartige Angebote schaffen oftmals eine beständige Struktur in dem oft wenig strukturierten Tages- bzw. Wochenablauf. Einige Maßnahmen für Kinder und Jugendliche – vor allem im kulturellen Freizeitbereich – sind durch Fördermittel finanziert worden. Kritisch zu betrachten ist, dass viele Maßnahmen dabei einen Projektcharakter hatten. Diese auf einen gewissen Zeitraum festgelegte Projektarbeit ist allerdings wenig förderlich, da durch das Auslaufen von Projekten keine kontinuierliche Begleitung und damit positive Einflussnahme (u. a. kognitive Förderung) auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen möglich ist. Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Der Wohlfühl- und Freizeitaspekt hat für die Kinder und Jugendlichen eine besondere Bedeutung. Anhand der Äußerungen der befragten Kinder und Jugendlichen konnte herausgestellt werden, dass hier ein deutlicher Verbesserungsbedarf besteht. Durch das Interesse am Verbessern und Mitgestalten „ihres“ Stadtbezirks zeigen sich Ansätze einer Identifizierung mit der Wohnumgebung der Kinder und Jugendlichen. Eine ausgeprägte Identifikation mit dem Stadtbezirk schon in jungen Jahren würde evtl. einen Wegzug in späteren Jahren vermeiden und eine positive Einstellung bzgl. des Engagements für den Stadtbezirk stärken.

Konsequenz und Empfehlung Vor dem Hintergrund, dass die momentan dort ansässigen Kinder und Jugendliche, die Zukunft des Stadtbezirks darstellen und somit ein großes Potenzial offenbaren, muss in diesem Bereich ein intensives Maßnahmenpaket entwickelt werden, welches vielschichtig ist und unterschiedliche Schwerpunkte in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Soziales, Freizeit, etc. beinhalten sollte. Grundanliegen muss es sein, dass vor allem im Bereich Bildung und Soziales für Kinder und Jugendliche vermehrt ein Angebot geschaffen wird. Da dieser Bereich einen sehr hohen Stellenwert hat, wurde er bereits in einem gesonderten Abschnitt thematisiert (siehe Kapitel 5.3 und 6.3). Dieser Abschnitt wird aus Sichtweise von Kindern und Jugendlichen besonders der Freizeitstruktur gewidmet, wobei dieser Aspekt natürlich immer auch Einfluss auf den Bereich Bildung und Soziales hat. Die vorgeschlagenen Freizeitstrukturen sollen neben den Bewegungs- und Vergnügensaspekten auch Bildung und Soziales stärken und integrieren. Absolut entscheidend dabei ist das Anlegen langfristiger Strukturen, da kurzfristig angelegte Maßnahmen, die lediglich einen Projektcharakter aufweisen, mitunter frustrierend wirken. Da sich z. B. kleinere Kinder im Laufe der Zeit emotional stark auf ihr Gegenüber einlassen, wirkt das plötzliche Wegbrechen solcher Strukturen sehr enttäuschend und erzeugt (erneut) eine Haltlosigkeit. Damit Maßnahmen diese wichtige Beständigkeit aufweisen können, ist es notwendig, die bereits vorhandenen Kooperationsstrukturen zu nutzen und alle beteiligten Akteure einzubinden. Besonders das Einbinden der Akteure vor Ort ermöglicht eine langfristige Handlungsbasis und verhindert das Wegbrechen geschaffener Strukturen. Empfohlen werden ebenfalls eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Altersgruppen und das Anpassen von Maßnahmen nach altersgerechten Kriterien. Auch in diesem Falle ist natürlich eine finanzielle Festigung unabdinglich. Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Ziel der Maßnahmen im Bereich Kinder und Jugendliche muss es sein, den Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Haushalten die Chance zu ermöglichen, aus ihren tradierten Lebensläufen auszubrechen. Dazu sind einerseits Förderungen in der Bildung, aber auch in Gesundheit und Sozialverhalten nötig, um ein mögliches Fehlverhalten im Elternhaus zu kompensieren. Besonders durch eine intensive Betreuung von Einzelpersonen z. B. in sozialen Einrichtungen erleben die Kinder und Jugendliche Wärme, die sich positiv auf ihr Sozialverhalten auswirken kann. Kinder und Jugendliche erfahren so Vertrauen, lernen mit Verantwortung umzugehen und erfahren ihnen vielleicht bislang unbekannte positive Alltagseindrücke. Eine Einbeziehung der Eltern ist in solchen Maßnahmenzusammenhängen ebenfalls empfehlenswert, um die ElternKind-Beziehung und damit familiäre Strukturen zu festigen. Maßnahmen könnten z. B. eine Kreativschule nicht nur für Kinder, sondern gemeinsam mit Eltern, ein ElternKinder-Nachmittag oder Babyschwimmen sein. In all diesen Prozessen sollte möglichst qualifiziertes Personal mitwirken, um problemspezifische Entwicklungsarbeit z. B. im gesundheitlichen Bereiche (u. a. durch medizinisches Fachpersonal), im Bildungsbereich (durch pädagogisches Fachpersonal) zu leisten. Darauf zu achten ist auch, dass bei den Maßnahmen nicht nur sozial benachteiligte Haushalte angesprochen werden, sondern eine soziale Durchmischung befürwortet wird. Neben der Stärkung oder evtl. Neuschaffung von sozialen Einrichtungen ist der Aufbau weiterer Freizeitmöglichkeiten von Nöten. Da die Kinder aus benachteiligten Haushalten aufgrund fehlender finanzieller Mittel kaum die Möglichkeiten haben, an Vereinsaktivitäten teilzunehmen, müssten weitere Spielgeräte angeschafft und Freizeiträume geschaffen werden, die frei verfügbar sind. Durch das Einrichten von Spielplätzen wird neben der positiven physischen und psychischen Entwicklung auch die Identität mit der Umgebung gestärkt. Kinder und Jugendliche nehmen den öffentlichen Raum sehr bewusst wahr, was oftmals unterschätzt wird. Eine Einbeziehung der Jüngeren in die Maßnahmenkonzeption zur Gestaltung des Freiraums z. B. durch eine Ideenwerkstatt speziell mit Kindern und Jugendlichen wäre sehr wertvoll. Neben der Konzeption von Maßnahmen, die eine Zustimmung und damit auch Nutzung von Kindern und Jugendlichen erfahren, würde möglicherweise Vandalismus vorgebeugt werden können. Zu empfehlen wäre auch die Durchführung weiterer Ideenwerkstätten zu anderen Themen wie z. B. Städtebau und Wohnraumsituation.

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kinder und Jugendliche ein Potenzial für die Stadtentwicklung darstellen, das es durch die Durchführung intensiver, langfristiger Maßnahmen zu entfalten gilt. Um eine andauernde und ausgeprägte Identifikation der Kinder und Jugendliche schon heute mit dem Stadtbezirk zu erreichen, sind sie in die Ideenentwicklung und Planung mit einzubeziehen. Auch die Beteiligung der Akteure und Bewohner sind von Nöten. Anhand z. B. einer „Zukunftswerkstatt 2015“ könnte man gemeinsam mit tragenden Entwicklungsakteuren und der Jugend vor Ort Ideen austauschen und entwickeln, die zunächst einmal losgelöst von Trägerinteressen und Verwaltungsvorschriften sind.

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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6.5

Image

Diagnose Das Selbst- und Fremdbild im Stadtbezirk VI ist aufgrund deutlicher Unterschiede voneinander abzugrenzen. Während das persönliche Empfinden und die Wahrnehmung (Selbstbild) der im Stadtbezirk VI lebenden Bewohner im Hinblick auf die eigene Umgebung und die bereits erkennbaren Veränderungen positiv sind, fällt die Beurteilung seitens Außenstehender negativer aus. Dieses eher negative Außenimage basiert zwar auf vorhandenen Problemlagen, doch werden das Stimmungsbild prägende Informationen nur reduziert oder selektiert, teilweise sogar manipuliert (z. B. durch Negativ-Berichterstattungen in der Presse) wahrgenommen. Neben den bestehenden sozialen Problemen wird zusätzlich das gebündelte Negativbild des Ruhrgebietes auf den Stadtbezirk VI projiziert. Ein einmal bestehendes Image eines Stadtteils bzw. Stadtbezirks ist meist verfestigt und wird nicht selten generationsübergreifend weitervermittelt (ILS 2005, 6).

Aufgrund des negativen Außenbildes von dem Stadtbezirk besteht die Ge-

fahr einer Stigmatisierung. Demnach wird in der deutlichen Verbesserung des Außenimages ein wichtiger Handlungsansatz gesehen. Erst ein Wandel des Außenimages wird dazu beitragen, dass sich insbesondere externe wirtschaftliche und kulturelle Akteure raumwirksam im Stadtteil etablieren werden. Während der Stadtbezirk tendenziell eher mit negativen Aspekten des Zechenstandorts in Verbindung gebracht wird, hat es Zollverein dagegen geschafft, die positiven Aspekte auf sich zu beziehen. Das Welterbe Zollverein hat mittlerweile eine Signalund Symbolwirkung in der Außendarstellung inne und lockt jährlich tausende Besucher an. Um dieses positive Image von Zollverein für die Stadtteile zu nutzen, müssen die eher positiven Wertvorstellungen der Montanindustrie wie Wirtschaftskraft und Leistungsfähigkeit ihrerseits auf die Stadtteile übertragen werden. Ebenfalls müssten die Potenziale, die sich durch das Image als Design-Standort und durch die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 ergeben, auch in den Stadtteilen Schonnebeck, Stoppenberg und Katernberg wiederzufinden sein, damit Zollverein sich nicht vom Stadtbezirk löst, sondern mit ihm verwurzelt ist.

Konsequenz und Empfehlung Bei einer gesteuerten Imageaufwertung spielt es eine enorme Rolle, dass die Außendarstellung eines Stadtbezirks authentisch ist. Es sollte vermieden werden, eine Imageaufwertung lediglich durch Werbeaktivitäten erreichen zu wollen, ohne eine tatDiagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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sächliche Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bewohner durchzuführen. Eine Verbesserung der Lebensbedingungen geht einher mit einer Wohnzufriedenheit im Stadtteil, die eine Identifizierung mit dem Stadtteil stärkt und die Fluktuation von Bewohnern gering hält. Zur Verbesserung der Lebensbedingungen und Steigerung der Wohnzufriedenheit können z. B. Maßnahmen im baulichen Bereich und im Wohnumfeld beitragen, die eine allgemeine Attraktivitätssteigerung des Gebiets bewirken und dieses nachfrageorientierter gestaltet. Weiterhin würden Qualifizierungsmaßnahmen (vgl. Kapitel 6.1) und Maßnahmen im Bereich Bildung und Soziales (vgl. Kapitel 6.3) dazu beitragen, die bestehenden Problemlagen in den Stadtteilen zu entschärfen. Im Stadtbezirk VI gibt es bereits einige Maßnahmen in diesen Bereichen, die durch Fördermittel und ein hohes Engagement verschiedenster Akteure und einer guten Zusammenarbeit zwischen ihnen (vgl. Kapitel 6.2) umgesetzt wurden bzw. werden. Besonders imagewirksam sind künstlerische und kulturelle Projekte (z. B. MUS-E Projekte oder Gestaltung von Straßenraum), dessen Besonderheit darüber hinaus auch in der Aktivierung des nachbarschaftlichen Engagements liegt. Besonders für Kinder und Jugendliche ergibt sich in diesem Bereich die Möglichkeit, ihre Umgebung aktiv mit zu gestalten und damit ihre Identifikation mit dem Stadtteil zu stärken. Diese bereits begonnenen Entwicklungen sollten verstärkt unter Einbeziehung von Kommunikationsinstrumenten nach innen und außen getragen werden, um eine positive Veränderung in der Außenwahrnehmung zu erreichen. Zusätzliche Stadtteilfeste könnten Bürger und Besucher über Entwicklungen informieren und lassen Besucher den Stadtteil und die dort lebenden Bewohner neu erleben. Weiterhin könnten Broschüren, Internetseiten und Stadtteilzeitungen über aktuelle Entwicklungen und Neuigkeiten berichten. Ferner könnte eine gezielte Ansprache der örtlichen Presse dazu führen, dass die Stadtteile nach außen in einem besseren Licht präsentiert werden. Es müsste geprüft werden, ob bereits gute Kontakte zu den lokalen Medien bestehen. Sollte dies nicht der Fall sein, müssten diese aufgebaut werden, um eine faire Berichterstattung einzufordern und so das Außenimage zu verbessern. Weiterhin müsste das von Zollverein ausgehende Potenzial stärker für die Stadtteile genutzt werden. Es besteht die Hoffnung, dass Touristen, die Industriekultur im Essener Norden erleben wollen, selbst erfahren, dass es mehr Grün gibt als vermutet und sich damit alte Bilder vom „schmutzigen Ruhrgebiet“ wandeln. Dabei sind Werbeeffekte von den Angeboten, die durchaus auch die Bewohner der umgebenden Stadtteile anDiagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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sprechen wie z. B. das Werksschwimmbad, die Eisbahn oder Zechenfest, etc. nicht zu unterschätzen. Durch diese Angebote lassen sich auch auswärtige Besucher anlocken, die so die Bewohner erleben und im Idealfall auch gleichzeitig noch die Fremdenverkehrsangebote oder die privaten Übernachtungsangebote nutzen. Zwar sind die Auswirkungen durch den Fremdenverkehr nicht immer direkt messbar, doch wird das eigene Erleben immer stärker wirken, als Meinungen, die durch Presse oder andere Personen vermittelt wurden. Eine deutliche Imageaufwertung könnte sich auch durch die Folkwang-Studierenden ergeben. Studierende könnten das Flair des Stadtbezirkes entscheidend mitbestimmen und gleichzeitig die Attraktivität steigern, indem gerade sie den Stadtbezirk als etwas Besonderes wahrnehmen. Hier gilt es, attraktive und mitunter auch besondere Wohnangebote für Studierende aufzubereiten, um durch eine gute Angebotsübersicht das Mieten einer Immobilie im Stadtbezirk zu erleichtern. ‚In der Regel ist die Änderung des Images eines Stadtbezirks oder Stadtteils ein langwieriger Prozess. Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit in Kombination mit den realen Veränderungen vor Ort ist die Bedingung für eine nachhaltige Imageverbesserung. Dazu ist das Nutzen der vorhandenen Kooperationsstrukturen und die enge Einbindung von wichtigen Akteuren wie z. B. Wohnungsunternehmen Voraussetzung für einen langfristigen Aufwertungsprozess des Stadtbezirks und eine dauerhafte Imageverbesserung.

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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6.6

Zeche Zollverein als Freizeit- und Kulturort

Diagnose Das Gelände der ehemaligen Zeche Zollverein bot über Jahrzehnte hinweg Arbeitsplätze für viele Beschäftigte. Heute stellt Zollverein einen geschichtsträchtigen Ort für Tourismus und Kreativwirtschaft dar und dient der Entwicklung des Stadtbezirks VI sowie des gesamten Ruhrgebietes als Impulsgeber. Mit Zollverein kann der Stadtbezirk seine Entwicklung vorantreiben, wenn in der bislang unterentwickelten Kooperationsund Kommunikationsstruktur zwischen den Akteuren des Stadtbezirks und den Akteuren von Zollverein in der Zukunft deutliche Veränderungen stattfinden. Von Bewohnern wird vor allem das Außengelände Zollvereins zu Freizeitzwecken genutzt. Neben verschiedenen Freizeitangeboten (Werkschwimmbad, Eisbahn, etc.) ist vor allem das Zechenfest vorbildlich, das sowohl Menschen verschiedenen Alters als auch verschiedener kultureller Hintergründe integriert. Eine zunehmende Kulturnutzung seitens der Bewohner wird zwar schwach wahrgenommen, doch sind Art und Preise der Angebote nicht auf den Stadtbezirk zugeschnitten. Die zahlreichen Angebote im Event- und Veranstaltungsbereich auf Zollverein werden von Touristen gut angenommen, wie steigende Besucherzahlen belegen. Prinzipiell hat bislang vor allem eine Ausrichtung des Angebotes auf Touristen stattgefunden, was allgemein nicht zu kritisieren ist. Grundsätzlich sollten aber fehlende finanzielle Mittel der Bewohner kein Ausschlusskriterium für die Nutzung von Zollverein sein. Die geschaffenen Angebote auf Zollverein wurden insbesondere durch die Stiftung Zollverein gelenkt. Bei der Auswahl und Planung sind Bewohner des Stadtbezirks kaum integriert. Es ist anzunehmen, dass dies einerseits aufgrund von mangelndem Interesse und andererseits aufgrund nicht vorhandener Kooperations- und Kommunikationsstrukturen geschehen ist. Allgemein wird Zollverein dennoch von den Bewohnern des Stadtbezirks positiv wahrgenommen und als Entwicklungschance gesehen. Besonders Kinder und Jugendliche haben Zollverein für sich entdeckt und nutzen das Gelände als Abenteuerspielplatz und Erholungsraum. Neben der Stärkung dieser Funktion für die Kinder und Jugendlichen in den Stadtteilen muss Zollverein stärker als Ort des Lernens genutzt werden. Eine Beschäftigung schon in jungen Jahren mit der stadtteilprägenden Geschichte und Identität trägt neben der Stärkung der Identität und der Bereitschaft für ein späteres Engagement dazu bei, dass Kinder und Jugendliche den Vorurteilen und dem negativen Image – welches vor allem von außen dem Stadtbezirk aufgesetzt wird (siehe Kapitel 6.5) – ein Gegengewicht entgegenzusetzen haben. Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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Eine stärkere Ausrichtung auf die Belange der „Nachbarn“ von Zollverein würde eine Integration fördern und letztendlich zu einer Aufwertung der Stadteile im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich führen. Dabei sind Offenheit und Transparenz wichtige Motoren, um die Gesamtstimmung zwischen den verschiedenen Akteuren zu verbessern.

Konsequenz und Empfehlung Für die zukünftige Entwicklung ist es daher absolut wichtig, Angebote zu schaffen, die auf die Bedürfnisse der Bewohner in den angrenzenden Stadtteilen zunehmend ausgerichtet sind. In unterschiedlichen Handlungsfeldern werden dabei Potenziale gesehen: 1. Beschäftigungsangebote für Gering-Qualifizierte oder Unqualifizierte Wie bereits in Kapitel 6.1 beschrieben, besteht ein dringender Handlungsbedarf bei der Schaffung eines Beschäftigungsangebots für gering Qualifizierte oder Unqualifizierte des Stadtbezirks VI. Neben einer Qualifizierung über die Vermittlung von Fachkenntnissen, Bewerbungshilfen und das Training sozialer Verhaltensweisen müssen konkrete Arbeitsplätze geschaffen werden, die für gering Qualifizierte und Unqualifizierte geeignet sind. Ein hervorragendes Beispiel ist das Rikscha-Projekt, das durch Dr. Oliver Fehren vom ISSAB initiiert wurde (siehe Kapitel 5.1). Weitere Beschäftigungsmöglichkeiten auf Zollverein wären z. B. Parkplatzwächter, Wachdienste, Veranstaltungsaufbau, etc.

2. Unterschiedliche Bildungs- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche Um den Kindern und Jugendlichen neben der Freizeitnutzung auf dem Außengelände auch einen weiteren Zugang zu Zollverein zu ermöglichen, müssen weitere Bildungsund Freizeitangebote geschaffen werden. Bildungsangebote könnten sich einerseits auf die Ausbildung von Jugendlichen beziehen. Für Zollverein spezifische Angebote wie eine Ausbildung im Eventmanagement, Gastronomiebereich, Veranstaltungsmanagement, Bühnenaufbau, Sicherheitspersonal etc. könnten einen späteren Berufseinstieg erleichtern und den anbietenden Unternehmen Standortvorteile verschaffen (siehe Kapitel 6.1). Anderseits müssten auch Angebote für die frühkindliche Bildung z. B. im musischen, künstlerischen Bereich oder handwerkliches Gestalten geschaffen werden. Angebote wie beispielsweise eine Holzwerkstatt könnten Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeitgestaltung aufwerten und möglicherweise auch berufliche Perspektiven aufzeigen. Weiterhin sollte eine Integration zwischen Zollverein und den Bewohnern Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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(insbesondere Familien) des Stadtbezirks intensiviert werden. Eine Möglichkeit wäre z B.

die Etablierung eines Spielmobils, eine Art „reisender Spielplatz“. Unter einem

Spielmobil versteht man ein Fahrzeug, das mit verschiedenen Spiel- und Sportgeräten ausgestattet ist. Zu regelmäßigen Terminen steuert das Spielmobil fest vereinbarte Plätze (z. B. Grünflächen, Spielplätze, Schulen, etc.) an, um dort Familien diese Geräte zur Verfügung zu stellen. Durch dieses Angebot werden Spielaktionen und kreative Projekte möglich. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass sowohl Zollverein als auch die einzelnen Stadtteile in einem ähnlichen Verhältnis angesteuert werden. Es müsste bei den Angeboten darauf geachtet werden, dass eine Teilnahme auch von Kindern aus finanziell schwachen Familien möglich ist. Auch ist eine stärkere Kooperation zwischen der Stiftung Zollverein und den sich im Stadtbezirk befindenden Schulen anzustreben, um neben Finanzierungsproblemen auch Lehrinhalte und Zeitpläne für Besuche und Führungen abzustimmen. Bei Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche müssen natürlich die Ideen und Vorschläge der Akteure des Stadtbezirks und der Kinder und Jugendlichen selber Berücksichtigung finden. Wie bereits in Kapitel 6.3 dargestellt, können Kinder und Jugendliche sehr gut ihr Umfeld wahrnehmen und kreative Ideen zum Ausdruck bringen. Evtl. könnten weitere Freizeitangebote auf Zollverein den bislang unerwünschten Freizeitbeschäftigungen der Jugendlichen wie z. B. Vandalismus entgegen wirken. Hier wäre über ausgefallene Angebote, wie ein Kletterpark oder eine Mountainbikestrecke, zu überdenken. Diese könnten evtl. auch mit Übungen zur Verbesserung des Sozialverhaltens verknüpft werden. Ein extra dafür eingestellter Sozialarbeiter mit ausgesprochener Lokalkenntnis auf Zollverein könnte denkbar sein.

3. Differenziertes gastronomisches Angebot Um einerseits die Bewohner des Stadtbezirks VI stärker in die Strukturen von Zollverein zu integrierten, andererseits eine Imageaufwertung seitens der übrigen Stadtbewohner anzustreben und für die Touristen eine Attraktion zu schaffen, muss eine differenziertere gastronomische Angebotsstruktur geschaffen werden. Hier wäre über ein Nebeneinander von Biergarten-Kultur, Scene-Cafés und gehobenem Restaurant vorstellbar. Weiterhin wäre die Stärkung der Übernachtungsstruktur durch attraktive Angebote neben der Privat-Vermietung zusätzlich sinnvoll. Eine Idee wäre z. B. ein „kreatives“ Hotel, das in der mittleren Preisklasse angesiedelt ist. Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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4. Strukturen zur Identitätssteigerung Ein wesentliches Ziel sollte es sein, die Akteure aus dem Stadtbezirk mit in die Planungen und Ideenentwicklungen von Zollverein einzubinden. Hierzu müssten zunächst Kooperationsstrukturen aufgebaut werden (siehe Kapitel 6.2). Um eine langfristige Unterstützung bei der Umsetzung von Projekten, die den Stadtbezirk betreffen, zu gewährleisten, ist hierzu ein transparentes Vorgehen und ein offenes Handeln von Nöten. Gerade auch Kinder und Jugendliche neigen zu einem intensiven Gestaltungsdrang. Dieser sollte positiv genutzt werden. Bisher fand eine Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in die Entwicklung und vor allem Gestaltung der Zeche Zollverein zu wenig Berücksichtigung. Das sollte sich in Zukunft ändern. So sollte erfragt werden, welche Angebote von Seiten der Kinder und Jugendlichen erwünscht sind.

Insgesamt lässt sich erkennen, dass alle Empfehlungen in diesem Bereich nur durch die bewusste und gewollte Steuerung seitens der Akteure von Zollverein möglich sind. Ohne eine gewünschte Verbesserung der Kooperationsstrukturen und ein ehrliches „auf den anderen Zugehen“ werden eine Umsetzung zur Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten und eine Erweiterung der Funktionen von Zollverein für die Bewohner nicht möglich sein.

Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen

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7 Schlussbemerkung Final lässt sich anhand der Auseinandersetzungen mit Zeche Zollverein und dem Stadtbezirk VI aus wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Blickrichtungen herausstellen, dass auffallend vielschichtige Handlungsbereiche weiterhin bestehen. Auch wenn verschiedene Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen bereits zu einer positiven Entwicklung beitragen konnten, ist auf die Dringlichkeit des weiteren Handlungsbedarfs im Stadtbezirk nachdrücklich hinzuweisen. In Bereichen, die durch positive Entwicklungsansätze bereits gekennzeichnet sind, muss eine Intensivierung der Erfolge maßgebend sein. Darüber hinaus sollte auch eine Neustrukturierung stattfinden, um zu einer neuen und noch erfolgreicheren Entwicklungsstrategie zu gelangen. Dabei ist nur eine komplexe sowie problemspezifische und differenzierte Herangehensweise zielführend, um die noch immer umfassenden Herausforderungen zu meistern. Dazu sind weiterführende Studien, welche die einzelnen Schwerpunktthemen intensivierend betrachten, unabdinglich. An dieser Stelle könnten die privaten wirtschaftsstarken Akteure als Initiator hervortreten. Ein bedeutender Ansatzpunkt für eine zukunftsfähige Entwicklung des Stadtbezirks ist die Schaffung neuer Nutzungsformen für das Zeche Zollverein Gelände. Dabei sind einerseits der weitere Erhalt der historischen Bausubstanz im Sinne von Industriedenkmälern und andererseits eine Neubewertung als Wirtschafts-, Wohn-, Bildungsund Freizeitstandort anzustreben. Selbstverständlich muss der Standort Zeche Zollverein als Touristenattraktionen weiter gestärkt werden. Gleichzeitig ist bei all diesen Ambitionen die Integration der drei Stadtteile als prozessbegleitend und als gleichwertige Herausforderung zu behandeln. Synergien zwischen den Stadtteilen und der Zeche Zollverein sind nicht nur als anstrebenswert zu betrachten, sondern müssen eine maßgebende Priorität im Handeln erfahren. Um eine dauerhafte positive Entwicklung des Stadtbezirks inklusive der Zeche Zollverein im Sinne dieses Integrationsgedankens zu gewährleisten, müssen langfristige und integrierte Strukturen aufgebaut und stabilisiert werden. Grundvoraussetzung für eine zukunftsfähige Entwicklung ist aber auch ein prinzipielles Umdenken der verschiedenen am Prozess beteiligten Akteure, wobei ein Abbauen von entwicklungshemmenden Emotionen maßgebend für eine aufbauende Entwicklung scheint.

Schlussbemerkung

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Laufende positive Entwicklungen der unterschiedlichen entwicklungsbedürftigen Bereiche können im Sinne eines Kreislaufprinzips weitere Positivwirkungen ankurbeln und in einem sich selbst verstärkenden Prozess münden (vgl. Abb. 41).

Soziales und Bildung

Beschäftigung

Positive Entwicklung des Stadtbezirks VI einschließlich Zeche Zollverein

Kinder und Jugendliche

Nutzung und Funktion Zeche Zollverein

Eigen- und Fremdbild

Kooperation

Abb. 41: Positive Entwicklung des Stadtbezirks VI einschließlich Zeche Zollverein (EIGENE DARSTELLUNG)

Abschließend ist festzuhalten, dass der Stadtbezirk nicht einer Chancenlosigkeit ausgeliefert ist, sondern über verschiedene Positiv-Kräfte verfügt. Steuerungsinstrumentarien und finanzielle Unterstützungen sind jedoch zwingend, damit der Stadtbezirk nicht nur eine Anschubentwicklung gewährleistet bekommt, sondern eine beständige „Aufwärtsfahrt aus der Tiefe“ erfährt.

Schlussbemerkung

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8 Quellenverzeichnis 8.1

Literatur

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Literatur

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

FLEIß, DANIELA (2008): Die türkische Migrantenbevölkerung in KAternberg und das Weltkulturerbe In: Schwarz, Angela (2008): Industriekultur, Image, Identität. Die Zeche Zollverein und der Wandel in den Köpfen, Essen GABLER VERLAG (HG.) (2010): Gabler Wirtschaftslexikon, narratives Interview In: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/11043/narratives-interview-v5.html (abgerufen am 22.03.2010) GANZELEWSKI, MICHAEL; SLOTTA, RAINER (1999): Die Denkmal-Landschaft „Zeche Zollverein“. Eine Steinkohlezeche als Weltkulturerbe?!, Bochum KAMPMEIER, H. (1953): Kindliche Geländedarstellung. In: Westermanns Pädagogische Beiträge (5), S. 244-254 KEIL, ANDREAS (1998): Industriebrachen: Nicht nur Nischen für Pflanzen und Tiere In: LÖBF-Mitteillungen, Heft 2, 1998, S. 62 - 69 LAGEMAN, B.; TH. BAUER; W. DÜRIG; R. KAMBECK; J. KLUVE; U. NEUMANN UND CH. M. SCHMIDT (2005): Strukturwandel ohne Ende? Aktuelle Vorschläge zur Revitalisierung des Ruhrgebiets und ihre Bewertung (=RWI: Materialien 20), Essen LAMNEK, S. (1995): Qualitative Sozialforschung. Band 1 Methodologie, Weinheim LIEBMANN, HIEKE (2008): Stadtentwicklung unter Schrumpfungsbedingungen – ein Impuls für städtische Kreativität? In: Heinrich Böll Stiftung (2008): Kreative Wirkungen. Urbane Kultur, Wissensökonomie und Stadtpolitik, Berlin, S. 21-24 MAYRING, P. (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zu qualitativem Denken, München MAYRING, P. (2008): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, Weinheim, Basel

Literatur

115

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

MINISTERIUM FÜR BAUEN UND VERKEHR NRW (MBV) (2009A): Städtebauinvestitionen des Landes NRW 2009. Einführung In: http://www.mbv.nrw.de/Service/Downloads/Stadtentwicklung/Staedtebaufoerderung/Ei nf__hrungstextSt__dtebauinvestitionen-2009.pdf (abgerufen am 11.12.2009) MINISTERIUM FÜR BAUEN UND VERKEHR NRW (MBV) (2009B): Städtebauinvestitionen des Landes NRW 2009. Übersicht aller geförderten Projekte In:http://www.mbv.nrw.de/Service/Downloads/Stadtentwicklung/Staedtebaufoerderung/ Projektliste-St__dtebauinvestitionen2009.pdf (abgerufen am 11.12.2009) MÜLLER, MARION (2008): Von der Arbeitsstätte hinter hohen Mauern zum Ort des Lernens über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft In: Schwarz, Angela (2008): Industriekultur, Image, Identität. Die Zeche Zollverein und der Wandel in den Köpfen, Essen OECD (HG.) (2003): Entrepreneurship and Local Economic Development – Programme And Policy Recommendations. Paris: OECD PASTERNAK, JAN (2008): Essen-Katernberg: Image und Identität und die sozialen Probleme In: Schwarz, Angela (2008): Industriekultur, Image, Identität. Die Zeche Zollverein und der Wandel in den Köpfen, Essen REUBER, PAUL; PFAFFENBACH, CARMELLA (2005): Methoden der empirischen Humangeographie, Braunschweig QUESTER IMMOBILIEN (2009): 38. Marktbericht 2009. Gewerbeimmobilien in Duisburg, Duisburg SCHMEINCK, D. (2007): Wie Kinder die Welt sehen. Eine empirische Ländervergleichsstudie zur räumlichen Vorstellung von Grundschulkindern, Bad Heilbrunn STÄDTENETZ SOZIALE STADT NRW (2005): Schulen im Stadtteil. Fallstudie im Rahmen der Evaluation des integrierten Handlungsprogramms „Soziale Stadt NRW“, Hannover, Essen Literatur

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

STÄDTENETZ SOZIALE STADT NRW (2007): Förderung der Lokalen Ökonomie. Fallstudie im Rahmen der Evaluation des integrierten Handlungsprogramms „Soziale Stadt“ in Nordrhein-Westfalen. Projektbericht, Essen STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010: Soziale Stadt NRW. Das Programm. Philisophie In: http://www.soziale-stadt.nrw.de/programm/philosophie.html STADT ESSEN (2004): Essen Katernberg / Soziale Stadt. Ein Stadtteil macht sich auf den Weg. Stand der Projekte 2004. Informationen und Berichte zur Stadtentwicklung Nr. 105, Essen TAUBKEN, N. (2006): Corporate Social Responsibility und Regional Governance - ein Zusammenhang? In: KLEINFELD ET AL. (Hrsg.): Regional Governance, Bd. 2. Osnabrück, 153-166 WESSEL, K. (1996): Empirisches Arbeiten in der Wirtschafts- und Sozialgeographie. Eine Einführung. Paderborn u.a. WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG METROPOLERUHR GMBH (2009): Informationen über die Zukunftsregion Ruhr, 2. Auflage, Mülheim (Ruhr)

Literatur

117

Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

8.2

Gesprächspartner

Gesprächspartner 1 Gespräch am 08. Februar 2010, 16.00 Uhr und am 17. Februar 2010, 9.00 Uhr Gesprächspartner 2 Gespräch am 17. Februar 2010, 10.30 Uhr Gesprächspartner 3 Gespräch am 02. März 2010, 9.00 Uhr Gesprächspartner 4 Gespräch am 16. Februar 2010, 14.00 Uhr Gesprächspartner 5 Gespräch am 19. Februar 2010, 11.00 Gesprächspartner 6 Gespräch am 19. Februar, 13.00 Gesprächspartner 7 Gespräch am 17. Februar 2010, 8.30 Uhr Gesprächspartner 8 Gespräch am 04. März 2010, 15.00 Uhr Gesprächspartner 9 Gespräch am 02. März 2010, 11.00 Uhr Gesprächspartner 10 Gespräch am 05. März 2010, 10.00 Uhr Gesprächspartner 11 Gespräch am 26. März 2010, 9.00 Uhr

Literatur

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Kinder- und Jugendhaus Stoppenberg, Gelsenkirchener Str. 89 a, Essen Austeilen der Tagesprotokolle und erklären des Ablaufs am 04. März Ausfüllen der Protokolle seitens der Jugendlichen: 05. und 06. März 2010 Einsammeln der ausgefüllten Unterlagen am 08. März 2010

Jugendhaus Nord, Evangelische Kirchengemeinde Katernberg, Joseph-Hoeren Str. 274, Essen Austeilen der Tagesprotokolle und erklären des Ablaufs am 18. März Ausfüllen der Protokolle seitens der Jugendlichen: 20. und 21. März 2010 Einsammeln der ausgefüllten Unterlagen am 22. März 2010

Herbartschule – Gemeinschaftsgrundschule mit Offenem Ganztag – Auf der Reihe 106, Essen Kontaktaufnahme und Abklären der Aufgaben am 05. März 2010 Einsammeln der Mental Maps der Kinder der Schulklasse 3a am 26. März 2010

Literatur

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Anhang

Anhang 1: Tagesprotokolle mit Jugendlichen (Muster).............................................. 121 Anhang 2: Interviewleitfaden (Muster)....................................................................... 129

Anhang

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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung

Anhang 1: Tagesprotokolle mit Jugendlichen (Muster)

Tagesprotokolle und Fotodokumentation Die Tagesprotokolle sollen am Freitag, den 05. März und am Samstag, den 06. März geführt werden.

1. Dokumentiere bitte alle „Stationen“ schriftlich an diesen beiden Tagen. Wann stehst Du auf? Wann gehst Du von zu Hause los? Wie kommst Du zur Schule? Wie lange bist Du in der Schule? Wo gehst Du nach der Schule hin? Was machst Du am Nachmittag? Triffst Du Dich mit Freunden? Wo trefft ihr euch? Was macht ihr? Was machst Du am Abend? Triffst Du Dich mit Freunden? Wo trefft ihr euch? Was macht ihr? Wann kommst Du abends nach Hause? Wo wohnst Du?

2. Mache bitte Fotos von den Orten, an denen Du Dich aufhältst. Zuhause Schulweg (Bushaltestelle, vor der Schule, etc.) In der Schule (in der Pause auf dem Hof, etc.) Am Nachmittag Am Abend

3. Beantworte bitte die Fragen auf Seite 7 und 8.

Anhang

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Freitag, 05. März 2010

WAS

WANN

WO

Was habe ich während des Weges und während des Aufenthalts gemacht? (Aktivitäten auflisten)

Markiere den Beginn und das Ende deiner Wege und Aktivitäten

Zu welchen Orten bin ich gegangen und welche Wege habe ich genommen? (Genaue Wegbeschreibung bzw. Ortsangabe, Klebepunkt für Ort des FOTOs!)

6 6.30 7 7.30 8 8.30 9 9.30 10 10.30 11 11.30 12 12.30 13 13.30 14 14.30 15 15.30 16 16.30 17 17.30 18 Anhang

122

Freitag, 05. März 2010

18.30 19 19.30 20 20.30 21 21.30 22 22.30 23 23.30 24 0.30 1 1.30 2 2.30 3 3.30 4 4.30

Anhang

123

Samstag, 06. März 2010

WAS

WANN

WO

Was habe ich während des Weges und während des Aufenthalts gemacht? (Aktivitäten auflisten)

Markiere den Beginn und das Ende deiner Wege und Aktivitäten

Zu welchen Orten bin ich gegangen und welche Wege habe ich genommen? (Genaue Wegbeschreibung bzw. Ortsangabe, Klebepunkt für Ort des FOTOs!)

6 6.30 7 7.30 8 8.30 9 9.30 10 10.30 11 11.30 12 12.30 13 13.30 14 14.30 15 15.30 16 16.30 17 17.30 18 Anhang

124

Samstag, 06. März 2010

18.30 19 19.30 20 20.30 21 21.30 22 22.30 23 23.30 24 0.30 1 1.30 2 2.30 3 3.30 4 4.30

Anhang

125

Nun noch ein paar Fragen zu deiner Freizeitgestaltung: 1. Wo sind Deine Lieblingsorte im Stadtteil?

2. Was findest Du an diesen Ort am schönsten?

3. Wo hältst Du Dich in Deiner Freizeit nicht gerne auf?

4. Was fehlt Dir noch im Stadtteil?

Anhang

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5. Warst Du schon mal auf dem Gelände von der Zeche Zollverein?    

nein, noch nie ja, aber erst 1 oder 2 mal ja, schon öfters als 10 mal klar, ich bin da regelmäßig

6. Was findest Du an der Zeche Zollverein cool?

7. Was könnte noch besser an der Zeche Zollverein sein?

Anhang

127

Hiermit erkläre ich, dass die obigen Angaben der Wahrheit entsprechen. _____________________ (Unterschrift)

_______________ (Datum)

Danke, dass Du mitgemacht hast! Wir können Deine Antworten sehr gut gebrauchen. Evtl. wird unsere Studie veröffentlicht. Dann können wir Deinen Namen nennen. Wenn Du das möchtest, dann schreibe uns doch bitte Deinen Namen und Deine Adresse auf: Name: Straße und Hausnummer: PLZ und Ort: Alter:

Anhang

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Anhang 2: Interviewleitfaden (Muster) Die Leifäden für die unterschiedlichen Interviewpartner variieren aufgrund des jeweiligen Themenschwerpunktes des Befragten. Im Folgenden ist als Beispiel für die Interviewleitfäden der Leitfaden für das Gespräch mit dem Vorsitzenden des Katernberger Werberings verzeichnet. Fragen zum Werbering Katernberg e.V. 1. Erläutern Sie mir bitte wer Mitglied im Werbering ist und wie viele Unternehmen es insgesamt sind. 2. Was ist die Intention / das Ziel des Werbering Katernberg e.V.? Welche Vorteile bietet eine Mitgliedschaft im Werbering Katernberg? 3. Inwieweit hat der Werbering Katernberg Einfluss auf die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung des Stadtbezirks VI? a. Welche Initiativen gab es oder gibt es? b. Welche Initiativen waren besonders sinnvoll? Warum? Warum nicht? c. Welche Initiativen waren weniger sinnvoll? d. Welche Projekte hatten eher kurzfristigen, welche längerfristigen Erfolg? e. Wer finanziert diese Initiativen? 4. Inwieweit sind die Unternehmen des Stadtteils Katernberg kooperationsbereit und offen für Projekte? Was sind die möglichen Gründe für eine Scheu/Skepsis gegenüber neuen Projekten bei den Unternehmen? 5. Inwieweit unterstützt die (lokale, nationale, EU) Politik (immer noch) die Aktivitäten des Werberings Katernberg? Wären Ihnen politische Unterstützungen (weiterhin) wichtig und warum? 6. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen dem Werbering Katernberg und den Akteuren des Stadtbezirks VI? (Triple Z, EGZ, Stadtteilzentrum, Stadt Essen, Kontakt, etc.) Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?

Anhang

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Wo liegen die Ursachen für eventuell fehlende Zusammenarbeit (in einzelnen Fällen)?

Fragen zur Unternehmenssituation im Stadtteil Katernberg 7. Wie bewerten Sie die Situation von Unternehmen im Stadtteil heute? Und wie bewerten Sie die Situation von Unternehmen im Stadtteil noch vor etwa 20 Jahren? 8. Welche Entwicklungen haben in den letzten 20 Jahren Einfluss auf die Unternehmenssituation im Stadtbezirk gehabt (positive und negative Sichtweise)? 9. Welchen akuten Handlungsbedarf sehen Sie für Unternehmen im Stadtbezirk? Welche Strategie würden Sie wählen? 10. Gibt es neben der Konzentration von Unternehmen auf Zeche Zollverein weitere räumliche Schwerpunkte für Unternehmen im Stadtbezirk VI? 11. Sehen Sie Potenzial für die Kreativwirtschaft auf der Zeche Zollverein bzw. im Stadtbezirk? Wenn ja, in welchen konkreten Branchen? Welche Standorte wären geeignet? Welchen Ansprüchen müssten potentielle Standorte genügen, um eine Ansiedlung zu fördern/gewährleisten?

Fragen zur Funktion der Zeche Zollverein 12. Welche Funktion hat die Zeche für die Bewohner und Unternehmer des Stadtbezirks (Aufenthalts-, Freizeit-, Kultur-, Arbeitsort)? (Differenzierung nach Alter, Herkunft, etc.) 13. Gibt es Unterschiede bei der Wahrnehmung der Zeche Zollverein zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund? Inwiefern? 14. Wie unterschiedet sich die positive Wahrnehmung der Zeche Zollverein zwischen jüngeren (Kindern, Jugendlichen) und älteren (Senioren, über 65) Menschen?

Anhang

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15. Wie unterschiedet sich die negative Wahrnehmung der Zeche Zollverein zwischen jüngeren (Kindern, Jugendlichen) und älteren (Senioren, über 65) Menschen? 16. Welche positiven Effekte gehen von der Entwicklung der Zeche Zollverein auf die angrenzenden Stadtteile bzw. auf die Unternehmen aus? Werden diese von den Unternehmern wahrgenommen? 17. Was fördert die Einbindung der Zeche in die Stadtteile? 18. Was behindert die Einbindung des Geländes in die Stadtteile? 19. Welche Maßnahmen könnten eine stärkere Einbindung der Zeche Zollverein in die Stadtteile fördern? Ist eine Einbindung seitens der Bewohner und Unternehmer, aber auch seitens der Zeche Zollverein-Akteure überhaupt gewünscht?

Fragen zum Stadtbezirk VI insgesamt 20. Welche Stärken sehen Sie im Stadtbezirk? Welche bislang ungenutzten Potentiale sehen Sie? (wirtschaftlich, sozial, kulturell) 21. Welche Schwächen weist Ihrer Meinung der Stadtbezirk auf? Wo ist der dringende Entwicklungsbedarf (wirtschaftlich, sozial, kulturell)? 22. Inwieweit besteht Ihrer Meinung nach eine Verknüpfung zwischen Zeche Zollverein und dem Stadtbezirk VI? Inwieweit hat sich dies verändert? 23. Wie könnten stärkere Synergien zwischen Zollverein und den umgebenden Stadtteilen entstehen? 24. Wer sind die tragenden Entwicklungsakteure derzeit und zukünftig? (wirtschaftlich und sozial) 25. Wie stellen Sie sich realistisch den Stadtbezirk VI in 10 Jahren vor?

Kontaktherstellung 26. Welche Kontakte zu Unternehmen können Sie für weitere Gespräche empfehlen? Anhang

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