Theoretische Physik IV: Statistische Physik

Skript zur Vorlesung Theoretische Physik IV: Statistische Physik von Volker Meden gehalten im Wintersemester 2009/2010 an der RWTH Aachen 20. April ...
Author: Kristin Böhme
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Skript zur Vorlesung

Theoretische Physik IV: Statistische Physik von Volker Meden gehalten im Wintersemester 2009/2010 an der RWTH Aachen

20. April 2010

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Inhaltsverzeichnis 1 Eine kurze Einfu ¨hrung

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2 Grundu ¨berlegungen 2.1 Eigenschaften makroskopischer Systeme . . . . . . 2.2 Grundbegriffe der mathematischen Statistik . . . 2.3 Die mikrokanonische Zustandssumme . . . . . . . 2.4 Die Zustandssumme des idealen Gases . . . . . . 2.5 Nebenbedingungen, Gleichgewicht, Irreversibilit¨at 2.6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . 2.7 Vollst¨andige Differentiale . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Quasistatische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Temperatur und Entropie . . . . . . . . . . . . . 2.10 Kleine W¨armemengen . . . . . . . . . . . . . . . 2.11 Die kanonische Verteilung . . . . . . . . . . . . . 2.12 Nochmal: Das klassischen idealen Gases . . . . . . 2.13 Gleichgewicht, Entropie und Kr¨afte . . . . . . . . 2.14 Der zweite und der dritte Hauptsatz . . . . . . . 2.15 Messung makroskopischer Parameter . . . . . . .

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3 Thermodynamik 3.1 Differentiale . . . . . . . . . . . . . 3.2 Zustandsgleichungen . . . . . . . . 3.3 Thermodynamik des idealen Gases 3.4 Potentiale und Maxwell-Relationen 3.5 Zustands¨anderungen . . . . . . . . 3.6 W¨armekraftmaschinen . . . . . . . 3.7 Variierende Teilchenzahl . . . . . . 3.8 Mischungen, L¨osungen, Reaktionen

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65 . 65 . 73 . 79 . 83 . 87 . 91 . 97 . 103

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4 Klassische statistische Mechanik 117 4.1 Mikroskopische Dynamik und Phasenraum . . . . . . . . . . . . . 117 4.2 Ensembles der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3

4 5 Quantenstatistik 5.1 Dichtematrix und von Neumann-Gleichung 5.2 Die Ensembles der Quantenstatistik . . . . 5.3 Fermi-Dirac und Bose-Einstein Verteilung 5.4 Klassischer Limes und Virialentwicklung . 5.5 Die Bose-Einstein Kondensation . . . . . . 5.6 Das entartete Fermigas . . . . . . . . . . . 5.7 Photonen und Phononen . . . . . . . . . .

INHALTSVERZEICHNIS

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Kapitel 1 Eine kurze Einfu ¨ hrung In der statistischen Physik versucht man (traditionell) die physikalischen Eigenschaften von makroskopischen Systemen, also z.B. einem Beh¨alter mit einem Liter Gas bei “normalem” Druck, einem St¨ uck Eisen der Gr¨oße 1cm3 oder eine Polymerl¨osung in einem Reagenzglas zu beschreiben. Da sie hinreichend groß sind, sind solche Systeme direkter Bestandteil unserer Sinneswelt. Wie wir heutzutage wissen, bestehen die makroskopischen K¨orper jedoch aus mikroskopischen Bausteinen. Da es von der untersuchten Fragestellung abh¨angen mag, welche mikroskopischen Teilchen man als die Elementaren betrachten sollte (z.B. Elektronen und Atomkerne, Atome oder Molek¨ ule), werden wir die in der statistischen Physik untersuchten Systeme zun¨achst verallgemeinernd als solche mit vielen mikroskopischen Freiheitsgraden bezeichnen. Im Laufe ihres bisherigen Studiums haben sie gelernt, daß die Bewegung auf der atomaren (mikroskopischen) Skala durch die Gesetze der Quantenmechanik beschrieben wird. Unter gewissen einschr¨ankenden Bedingungen kann manchmal auch die klassische Mechanik angewandt werden.1 In beiden Teilgebieten der theoretischen Physik haben sie die physikalischen Eigenschaften von Systemen mit nur wenigen Freiheitsgraden erfolgreich untersucht.2 Mit diesem Vorwissen liegt es nahe, die physikalischen Eigenschaften von Systemen mit vielen Freiheitsgraden durch Anwenden der Quantenmechanik oder der klassischen Mechanik auf das Vielteilchenproblem zu berechnen. Betrachten wir dazu ein Beispiel. Uns in¨ teressiere die Anderung des Drucks (Kraft pro Fl¨ache) eines Gases auf einen Kolben, wenn wir das Volumen beliebig langsam von V1 nach V2 a¨ndern. Es wird sofort ein grunds¨atzliches Problem klar. Um eine einzige Meßgr¨oße zu berechnen muß man bei diesem Vorgehen einen extrem großen Satz von Bewegungsglei1

In einem Gas z.B. dann, wenn die mittlere de Broglie Wellenl¨ange sehr viel kleiner ist, als der mittlere Abstand der Konstituenten. 2 Es sei daran erinnert, daß in der klassichen Mechanik auch ausgedehnte K¨orper (z.B. Planeten) meist als Punktteilchen idealisiert werden, welche nur drei Freiheitsgrade der Bewegung haben. Bei der Diskussion des makroskopischen starren K¨orpers wird auch dieser aufgrund seiner Starrheit als ein System mit wenigen Freiheistgraden behandelt.

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¨ KAPITEL 1. EINE KURZE EINFUHRUNG

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chungen l¨osen und einen großen Satz von Anfangsbedingungen kennen.3 Kurzes Innehalten macht klar, daß eine alternative Herangehensweise w¨ unschenswert w¨are und ihnen in Form der Thermodynamik auch bereits begegnet ist (siehe die Experimentalphysik I Vorlesung). Die Thermodynamik liefert (einfache) Zusammenh¨ange zwischen Meßgr¨oßen, jedoch keine mikroskopische Erkl¨arung f¨ ur die relevanten Konzepte, wie z.B. das der Temperatur. Im obigen Beispiel des Gasdrucks, in dem wir ausgehend von den Anfangsbedingungen des Vielteilchensystems die Bewegungsgleichungen l¨osen, w¨are der Druck auch nach erreichen von V2 eine Funktion der Zeit mit kleinen Fluktuationen auf sehr kurzen Zeitskalen. Fluktuationen dieser Art sind unserer Sinneswahrnehmung in sehr vielen f¨ ur uns relevanten Situationen nicht zug¨anglich4 und oft auch in Messungen nicht nachweisbar (nachdem V2 erreicht wurde zeigt unser Meßger¨at innerhalb der Meßzeit einen zeitlich konstanten Druck an). Wir sind daher gar nicht an einer mikroskopisch detaillierten Beschreibung interessiert, da wir die mikroskopischen Details der mehr als 1023 (=1 Mol) Teilchen weder kontrollieren noch messen k¨onnen.5 Anders gesagt, liefert die mikroskopische Rechnung zu viel Information und wir sind vielmehr an Mittelwerten (wie den obigen Druck) interessiert. Dabei stellt sich sofort die Frage, ob wir Mittelwerte u ¨ber verschiedene nahezu identische Systeme oder u ¨ber die Zeit bilden sollten. Wir werden im Laufe der Vorlesung auf diesen wichtigen Punkt zur¨ uckkommen. Die Aufgabe besteht also darin eine statistische Beschreibung zu finden, mit deren Hilfe man viele Ph¨anomene und Experimente beschreiben kann. Die St¨arke der statistischen Vorgehensweise besteht darin, Verfahren anzugeben, mit deren Hilfe man Zusammenh¨ange zwischen Kontrollparametern (dem Volumen) und Mittelwerten (dem Druck) direkt bestimmen kann, nach der Devise: Erst mitteln und dann rechnen – nicht umgekehrt. Ziel der neuen Theorie, der statistischen Mechanik, ist es, die Parameter zu identifizieren, die f¨ ur eine makroskopische Beschreibung am brauchbarsten sind, um die wesentlichen Eigenschaften und Gesetzm¨aßigkeiten von Vielteilchensystemen aufzuzeigen und die es uns erlauben quantitative Vorhersagen zu machen. So liefert sie die mikroskopische Begr¨ undung f¨ ur die Thermodynamik, die isoliert betrachtet, eine ph¨anomenologische Theorie darstellt. Wenn sie sich an die Vorlesung zur Experimentalphysik I zur¨ uck erinnern, so sollte ihnen klar sein, daß die Thermodynamik Zusammenh¨ange zwischen makroskopischen Eigenschaften (Druck, Temperatur, usw.) von Systemen mit vielen Freiheitsgraden liefert, ohne dabei eine mikro3

Im quantenmechanischen Fall ist es mit Hilfe von Computern m¨oglich die Dynamik von Systemen mit einigen hundert Freiheistgraden (auf sehr kurzen Zeitskalen) zu berechnen und im klassischen Fall sogar f¨ ur Systeme im Bereich von 104 Teilchen. Ein makroskopischer K¨oper besteht jedoch aus sehr viel mehr Teilchen, n¨amlich meist mehr als 1023 (=1 Mol). 4 Ein Gegenbeispiel ist die Brownsche Bewegung, die in Form der Zitterbewegung von Pflanzensamen auf einer Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache unter einem “einfachen” Mikroskop “sichtbar” wird. 5 In einem Experiment werden wir typischerweise nicht in der Lage sein, die Bewegung aller Freiheitsgrade zu verfolgen.

7 skopische Begr¨ undung f¨ ur diese zu geben. Die theoretische Thermodynamik ist ebenfalls Bestandteil dieser Vorlesung. Obwohl die Grundgesetze der Dynamik (klassisch oder quantenmechanisch) bekannt sind, stellt die Entwicklung von Begriffen und Methoden, mit denen das obige Ziel erreicht werden kann eine große intellektuelle Herausforderung dar. Wenn man sich daran erinnert, wie aufwendig und kompliziert bereits die (oft nur n¨aherungsweise) Beschreibung von Systemen mit wenigen Freiheitsgraden ist, k¨onnte man bef¨ urchten, daß das Ziel ein quantitatives Verst¨andis von Vielteilchensystemen zu erlangen eventuell u ¨berhaupt nicht erreicht werden kann. Es ist hier gerade die große Zahl der Freiheitsgrade, die es erlaubt, statistische Methoden besonders wirkungsvoll zu verwenden. Nach dem “Gesetz der großen Zahlen” (siehe sp¨ater und Vorlesungen zur Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik) werden die relativen Schwankungen mit Zunahme der Zahl der Teilchen immer kleiner. Damit ergeben sich praktisch wieder Gesetzm¨aßigkeiten von deterministischem Typ. Die typische Situation bei makroskopischen Systemen ist dadurch gegeben, daß man ihren “mikroskopischen Zustand” im einzelnen nicht kennt. Diesem tr¨agt man Rechnung, indem man Wahrscheinlichkeitsverteilungen f¨ ur die Gr¨oßen einf¨ uhrt, die einen Zustand festlegen. Obwohl man nur am Verhalten eines makroskopischen Systems interessiert ist, betrachtet man es in der statistischen Beschreibung so implizit als Bestandteil einer Vielzahl identischer Systeme. Gemeinsam bilden diese ein Ensemble welches durch eine H¨aufigkeits-(Wahrscheinlichkeits-)verteilung charakterisiert ist. Die Gesamtheit (Das Ensemble) wird durch eine makroskopische Pr¨aparationsvorschrift festgelegt. So sollen z.B. alle Systeme eine Energie, einen Druck und eine Teilchenzahl innerhalb einer gewissen Standardabweichung von bestimmten Sollwerten haben. Der Makrozustand ist durch diese Vorschrift festgelegt. Im Rahmen der klassischen Mechanik (wenn anwendbar) wird dagegen ein Mikrozustand durch die Angabe aller Orte und Impulse der 1023 Teilchen (und der Hamiltonfunktion) festgelegt und im Rahmen der Quantenmechanik durch die Angabe der Vielteilchenwellenfunktion im Hilbertraum (und des Hamiltonoperators). Wie diese Diskussion andeutet, werden wir also Mittelwerte u ¨ber Systeme und nicht die Zeit bilden (siehe oben). Die Frage, inwieweit man ein einzelnes mechanisches System zu verschiedenen Zeiten als Realisierung der verschiedenen Systeme eines statistischen Ensembles und damit die entsprechenden Zeitmittelwerte als Mittelwerte einer Gesamtheit betrachten kann, ist Gegenstand der sogenannten Ergodentheorie. Ein weiteres kollektives Ph¨anomen, welches sich bereits im Alltag beobachten l¨aßt, macht die Notwendigkeit einer neuen Herangehensweise6 offensichtlich. Den mikroskopischen Bewegungsgesetzen ist keineswegs anzusehen, daß Wasser bei Erh¨ohung des Drucks oder Erniedrigung der Temperatur fest wird. Die statisti6

“Neu” verglichen mit der “brute force” L¨osung der mehr als 1023 Bewegungsgleichungen (seien sie quantenmechanisch oder klassisch) unter Ber¨ ucksichtigung einer entsprechenden Zahl von Anfangsbedingungen.

¨ KAPITEL 1. EINE KURZE EINFUHRUNG

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sche Beschreibung des Ph¨anomens der Phasen¨uberg¨ange wird wichtige Beitr¨age zum Verst¨andnis dieser beitragen. Man unterscheidet in der statistischen Mechanik und auch der Thermodynamik zwischen der Beschreibung von Gleichgewichtssituationen und des Nichtgleichgewichts – Begriffe, die wir hier noch nicht genau definieren wollen, sondern davon ausgehen, daß sie ein intuitives Verst¨andnis von ihnen haben. Zur ersten Problemklasse geh¨oren einfache thermodynamische Zusammenh¨ange von Gasen aber auch Aussagen zu magnetischen Eigenschaften von Festk¨orpern. Ebenfalls in diese Klasse f¨allt die Betrachtung von Phasen¨ uberg¨angen (z.B. fest-fl¨ ussiggasf¨ormig aber auch magnetisch-nichtmagnetisch). In der Nichtgleichgewichtsphysik kann man einerseits zwischen St¨orungen des Gleichgewichts mit kleinen Amplituden – die man in der sogenannten linearen Antworttheorie untersucht – und der “echten” Nichtgleichgewichtssituation unterscheiden und andrerseits zwischen Systemen, die sich einem Gleichgewichtszustand ann¨ahern (Relaxation abgeschlossener Systeme), und solchen, die durch eine ¨außere St¨orung getrieben werden. Sowohl Fragen der Gleichgewichts- (z.B. sogenannte Quantenphasen¨ uberg¨ange oder der Glas¨ ubergang) wie auch der Nichtgleichgewichtsphysik sind Gegenstand der aktuellen Forschung in der Vielteilchenphysik. ¨ Wie die obigen Uberlegungen andeuten, werden wir in dieser Vorlesung mit der statistischen Mechanik beginnen und die Thermodynamik aus ihr herleiten. In der Literatur werden sie ebenfalls die alternative Herangehensweise finden, in der die Thermodynamik als eigene ph¨anomenologische Theorie ihrer statistischen Begr¨ undung voran gestellt wird. Konzeptionell bietet es sich meist an (siehe unten), bei der Beschreibung der Konstituenten des makroskopischen Systems die Quantenmechanik zu verwenden.7 Wenn es uns angebracht erscheint, werden wir den klassischen Limes diskutieren oder gleich mit einer klassischen Beschreibung starten.

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Das gilt, obwohl wir im ersten Beispiel im n¨achsten Kapitel gleich eine Ausnahme betrachten wollen.

Kapitel 2 Grundu ¨ berlegungen 2.1

Eigenschaften makroskopischer Systeme

Wir betrachten als einfaches Beispiel eines makroskopischen Systems ein Gas aus N ≫ 1 gleichartigen Atomen oder Molek¨ ulen welches sich in einem Gef¨aß mit Volumen V befinde. Das System sei idealisierend als isoliert betrachtet, das heißt, es stehe mit keinem weiteren System in Kontakt. Weiterhin nehmen wir an, daß das System f¨ ur l¨angere Zeit sich selbst u ¨berlassen, also nicht gest¨ort, wurde. Diese beiden Annahmen zusammenfassend bezeichnet man das System als abgeschlossen. Wir nehmen an, daß das Gas hinreichend verd¨ unnt ist, d.h. die Anzahl der Teilchen pro Volumeneinheit wird als klein angenommen. Damit ist die mittlere Entfernung zwischen den Teilchen groß1 und es kommt selten zu St¨oßen zwischen den Teilchen und mit der Wand. Wir sind dabei davon ausgegangen, daß die Wechselwirkung zwischen den Teilchen und mit der Wand kurzreichweitig ist, so daß das Konzept “Stoß” sinnvoll ist. Die potentielle Energie der N Teilchen ist daher sehr viel kleiner als ihre kinetische Energie und man bezeichnet das Gas als ideal. Um Komplikationen der Quantenmechanik, wie z.B. die aus der Ununterscheidbarkeit folgenden (siehe die Theorie III Vorlesung), zu vermeiden, nehmen wir weiterhin an, daß das Gas so verd¨ unnt ist, daß die mittlere de Broglie Wellenl¨ange λ = h/|~p| der Teilchen sehr viel kleiner als der mittlere Teilchenabstand ist. In diesem Fall ist eine klassische Beschreibung der Teilchen n¨aherungsweise zul¨assig. Beobachten wir das Gas u ¨ ber ein Zeitintervall, so wird uns die Bewegung des Gases als recht “durcheinander” erscheinen, obwohl die Bewegung jedes einzelnen Teilchens im mikroskopischen sehr simple ist. Jedes Teilchen bewegt sich geradlinig mit konstanter Geschwindigkeit bis auf die Zeiten in denen die “seltenen” St¨oße auftreten. 1

Ich gehe davon aus, daß sie auch ohne genauer Definition eine Vorstellung davon haben, was die mittlere Entfernung ist.

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¨ KAPITEL 2. GRUNDUBERLEGUNGEN

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Gedanklich teilen wir das Volumen V nun in zwei gleich große Teile (den linken und den rechten Teil), die beide eine identische Form haben. Die Teilchenzahlen in den jeweiligen Teilen bezeichnen wir mit N ′ und N ′′ , wobei N = N ′ + N ′′ . F¨ ur sehr große N “erwarten” wir, daß f¨ ur gew¨ohnlich N ′ ≈ N ′′ gilt. Sicherlich gilt diese Aussage nur n¨aherungsweise (daher das ≈-Zeichen), da sich die Molek¨ ule ja bewegen und vom einen in den anderen Teil des Beh¨alters u bergehen k¨ o nnen. Die ¨ ′ ′′ ′ Zahl N (und damit auch N = N − N ) wird also fluktuieren, aber “f¨ ur gew¨ohnlich” werden diese Fluktuationen um N/2 “klein” (gegen¨ uber N) sein. Um die in Anf¨ uhrungsstrichen stehenden Begriffe genauer zu fassen wollen wir uns die Frage nach den Wahrscheinlichkeiten des Auftretens gewisser Konfigurationen stellen. ¨ Ein Teilchen kann in unserer Uberlegung in zwei Konfigurationen vorkommen. Es kann im linken oder rechten Volumen sein. Da beide H¨alften identisch sind, ist die Wahrscheinlichkeit f¨ ur jede der beiden Konfigurationen 1/2. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit als die relative H¨aufigkeit von “Teilchen links” bzw. “Teilchen rechts” im idealisierten Limes einer unendlichen Zahl von Beobachtungen definiert. Genauer replizieren wir unser System (also hier konkret ein Gasteilchen im Beh¨alter mit Volumen V ) sehr h¨aufig – betrachten es also als Teil eines Ensembles – und schauen zu einer gegebenen Zeit t nach, in wievielen der Replikas das Teilchen im linken Volumen ist. Die relative H¨aufigkeit dieser Beobachtung wird im Limes eines großen Ensembles gegen 1/2 gehen. Es wird aus dieser Grund¨ uberlegung sofort klar, daß die Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Auftreten einer spezifischen Konfiguration im Fall von N Teilchen durch P =

1 2N

gegeben ist. Wir gehen dabei davon aus, daß die identischen Teilchen unterscheidbar sind (also z.B. numeriert oder dadurch unterscheidbar, daß wir alle Teilchenbahnen verfolgen). Betrachten wir zun¨achst die Grenzf¨alle (a) N ′ = N und (b) N ′ = N/2, so kann man sich sehr schnell klar machen, daß es nur eine Konfiguration mit (a) aber, f¨ ur große N, sehr viele Konfigurationen mit (b) gibt. Die Wahrscheinlichkeit f¨ ur (a) ist somit PN ′ =N =

1 2N

w¨ahrend die f¨ ur (b) durch PN ′ =N/2 =

C(N ′ = N/2) ≫ PN ′ =N 2N

gegeben ist, da C(N ′ = N/2) ≫ C(N ′ = N) = 1 gilt. So ergibt sich bereits f¨ ur N = 4, C(2) = 6 aber C(4) = 1 und damit P2 = 3/8 aber P4 = 1/16. Wir w¨ urden ′ ′ die Verteilung mit N ≈ N/2 als ungeordnet bezeichnen und die mit N = N als “geordnet”. Wir k¨onnen schließen, daß die Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Auftreten

2.1. EIGENSCHAFTEN MAKROSKOPISCHER SYSTEME

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von gleichf¨ormigen, ungeordneten Verteilungen sehr viel gr¨oßer ist als die von “geordneten” oder noch konsequenter formuliert: Ist die Gesamtzahl der Teilchen N sehr groß, so kommen Verteilungsschwankungen die zu einer verh¨altnism¨aßig uneinheitlichen Teilchenverteilung f¨ uhren so gut wie nie vor. Mit ∆N = N ′ −N/2 weisen nur Werte von N ′ mit |∆N|/N ≪ 1 eine signifikante H¨aufigkeit auf. Wir k¨onnten nun auf die Idee kommen, statt eines Ensembles vieler identischer Systeme zu fester Zeit, ein System u ¨ber eine l¨angere Zeit zu beobachten. Die Zahl ′ N in der linken H¨alfte des Systems w¨are dann eine Funktion der Zeit, die um den Mittelwert N/2 schwankt. Unser klassisches Gas wird eindeutig beschrieben, wenn wir zu jedem Zeitpunkt “alles” u ¨ber seinen Mikrozustand wissen, also Informationen u ¨ber alle Teilchenkoordinaten und -geschwindigkeiten haben. Mikroskopisch betrachtet ist die Bewegung komplex. Sind wir dagegen nur am Makrozustand interessiert wird sich die Situation generisch als einfacher herausstellen. Um das zu begreifen, sollten wir zun¨achst festlegen, was wir unter dem Makrozustand verstehen m¨ochten. Auf den ersten Blick mag die genaue Definition davon abh¨angen, welche Fragen u ur wodurch ein Ma¨ber das System wir beantworten m¨ochten. Ein Beispiel daf¨ ′ krozustand festgelegt wird, k¨onnte die Teilchenzahl N in der linken H¨alfte des Volumens sein.2 Betrachten wir N ′ (t) vom Zeitpunkt t1 an u ¨ber das Intervall ∆t und von t2 an aus ebenfalls u ¨ ber das Intervall ∆t (wobei t2 > t1 + ∆t gelten soll), so sehen die beiden Funktionen qualitativ ¨ahnlich aus. Die Teilchenzahl N ′ wird um N/2 herum schwanken, mit typischen Abweichungen von N/2 die in beiden F¨allen identisch sind. Jegliche Abweichung von diesem Verhalten, also z.B. große Fluktuationen, sind f¨ ur große N so unwahrscheinlich, daß sie praktisch ausgeschlossen ist. Man sagt dann, daß der Makrozustand des Gases zeitlich konstant ist und sich das System im Gleichgewicht befindet. Wir wollen nun die Situation betrachten, daß das Volumen durch eine reale Trennwand zun¨achst in zwei gleich große Teile getrennt wird und sich alle Teilchen in der linken H¨alfte befinden, also gilt N ′ = N. Wird die Trennwand zur Zeit t = 0 entfernt, so befindet sich das Gas sicherlich nicht im gerade diskutierten Gleichgewichtszustand. Im Laufe der Zeit wird sich das Gas auf das ganze Volumen ausbreiten und entwickelt sich vom “geordneten” in den “ungeordneten” Zustand mit N ′ ≈ N/2, wobei diese Tendenz von kleinen Fluktuationen u ¨berlagert sein wird. Das System relaxiert in seinen Gleichgewichtszustand. Diese Feststellung sagt jedoch nichts u ¨ber die Zeitskala aus, u ¨ber die die Relaxation stattfindet. In der Natur k¨onnen solche Zeitskalen u ¨ber Gr¨oßenordnungen variieren. Die Aussage u ber das Streben in einen Gleichgewichtszustand besagt, daß ¨ sich ein isoliertes System, das sich zeitlich ¨andert dies immer in eine ganz bestimmte Richtung tun wird. W¨ urde man einen Film der zeitlichen Entwicklung 2

Eine etwas feinere makrsokopische Beschreibung k¨onnten wir dadurch erlangen, daß wir das Volumen nicht nur in zwei gleich große, sondern M gleich große unterteilen und bestimmen wieviele Teilchen sich jeweils in den Teilvolumina befinden. Dabei sollte V /M noch so groß sein, daß sich im “Normalfall” viele Teilchen darin befinden.

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¨ KAPITEL 2. GRUNDUBERLEGUNGEN

nach entfernen der Trennwand drehen, so k¨onnte man beim Abspielen des Films feststellen, ob er vorw¨arts oder r¨ uckw¨arts abl¨auft. W¨ urde man einen analogen Film nach erreichen des Gleichgewichts drehen, so ist es nicht m¨oglich zu ent¨ scheiden ob dieser vorw¨arts oder r¨ uckw¨arts abl¨auft. Diese Uberlegungen f¨ uhren auf das Konzept der Irreversibilit¨at. Ein Prozeß wird als irreversibel bezeichnet, ¨ wenn seine zeitliche Umkehr (praktisch) nie vorkommt. Nach den obigen Uberlegungen sollte klar sein, daß man dem idealisierten Konzept der Irreversibilit¨at immer n¨aher kommt, je gr¨oßer die Zahl der Teilchen N im System ist. Im Alltag haben wir es st¨andig mit Systemen zu tun, die sich nicht im Gleichgewicht befinden. Damit wird klar, warum die Zeit f¨ ur uns eine eindeutige Richtung zu haben scheint. Nur dadurch k¨onnen wir zwischen Vergangeheit und Zukunft unterscheiden. Die mikroskopischen Bewegungsgesetze zeichnen dagegen keine Richtung der Zeit aus. Eine solche ergibt sich nur, wenn wir es mit einem isolierten makroskopischen System zu tun haben von dem wir wissen, daß es sich zu einer Zeit t0 in einem besonders “geordneten” Zustand befunden hat. Wir wollen uns nun die Frage stellen, wie die im abgeschlossenen Gassystem konstante Gesamtenergie E auf die Freiheitsgrade verteilt ist. Da wir ein ideales Gas voraussetzen, ist die potentielle Energie gegen¨ uber der kinetischen Energie vernachl¨assigbar. Jedes einzelne Teilchen hat die durch seine Geschwindigkeit P gegebene kinetische Energie ǫi = m~vi2 /2, mit i = 1, 2, . . . , N und E = N i=1 ǫi . ¨ Die Frage ist nun, wie E u ¨ber die ǫi verteilt ist. Analog zu den Uberlegungen oben sollte klar sein, daß es (bei festem E) sehr viel mehr Konfigurationen gibt, in denen viele Teilchen eine Energie ǫi ≈ E/N haben als solche, in denen ein paar Teilchen eine sehr hohe Energie tragen und die Restlichen in Ruhe sind. Aufgrund von St¨oßen, w¨ urde sich dieser Nichtgleichgewichtszustand auch nicht lange halten. Grob gesprochen (“in nullter N¨aherung”) wird die kinetische Energie also so u ¨ber die Teilchen verteilt sein, daß in der Verteilung der Einteilchenenergien ein scharfes Maximum in der N¨ahe von E/N auftritt. Wie wir uns jetzt klar machen wollen, kann man die D¨ampfung eines schwingenden Pendels in einem Gas als Effekt des Strebens des Gesamtsystems in einen ungeordneten Zustand (viele Konfigurationen) verstehen. Wir betrachten dazu einen abgeschlossenen Beh¨alter in dem sich ein ideales Gas (gleiche Teilchen) befindet und ein Pendel schwingt. Reibungseffekte die sich durch die Aufh¨angung ergeben wollen wir vernachl¨assigen. Die Pendelschwingung wird nun dadurch ged¨ampft, daß das Pendel mit den Gasmolek¨ ulen st¨oßt. Die große Energie des Pendels (große Masse verglichen mit der Molek¨ ulmasse) wird sukzessive auf die Molek¨ ule u bertragen. Wenn das Pendel (auf makroskopischer Skala) zur Ruhe ge¨ kommen ist, ist ein weniger geordneter Zustand erreicht und das Gesamtsystem ist im Gleichgewicht. Zwei makroskopische Systeme k¨onnen miteinander in Wechselwirkung stehen (sind also jeweils nicht isoliert) und Energie austauschen. Dabei unterscheidet man zwischen zwei F¨allen. Im ersten, wird beim Energieaustausch makroskopisch erkennbare Arbeit verrichtet. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich eine

2.1. EIGENSCHAFTEN MAKROSKOPISCHER SYSTEME

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zur Zeit t = 0 gelockerte, verschiebbare Trennwand zwischen zwei idealen Gasen bewegt. Ein Energieaustausch kann aber auch so stattfinden, daß keine makroskopisch erkennbare Arbeit verrichtet wird. Man bezeichnet diese Wechselwirkung als thermisch. Die Energie wird dabei nur im atomaren Bereich u ¨ bertragen. Die u ¨bertragene Energie bezeichnet man als W¨arme – im Gegensatz zur obigen Arbeit. F¨ ur zwei ideale Gase ist diese Situation z.B. dann realisiert, wenn sie durch eine makroskopisch unbewegliche Trennwand getrennt sind. Die Gasmolek¨ ule auf der einen Seite stoßen dann mit den Molek¨ ulen der Trennwand und diese mit den Gassmolek¨ ulen auf der anderen Seite. Auf diese Art wird Energie auf atomarer Ebene ausgetauscht. Wir wollen nun zwei beliebige Systeme A und A′ betrachten, die in termischem Kontakt sind. Dabei k¨onnte es sich um zwei Gasvolumina handeln, aber z.B. auch um ein Metallw¨ urfel A in einem mit Wasser gef¨ ullten Gef¨aß A′ . Das Gesamtsystem sei abgeschlossen. Damit ist die Summe der Energien in den Teilsystemen E + E ′ konstant (erhalten). Wir stellen nun die Frage, wie die Gesamtenergie auf die Teilsysteme aufgeteilt ist. Nehmen wir an, daß sich das Gesamtsystem im Gleichgewicht befindet, so ist die Energieverteilung so festgelegt, daß sich f¨ ur das Gesamtsystem eine gr¨oßt m¨ogliche Zahl von mikroskopischen Zust¨anden ergibt in der diese Energieverteilung realisiert ist. Betrachten wir zun¨achst den Fall, daß beide Teilsysteme Gase aus gleichen Molek¨ ulen sind. In diesem Fall ist aus ¨ unseren obigen Uberlegungen klar, daß der “zuf¨alligste” Zustand derjenige ist, in dem jedes Teilchen die gleiche (mittlere) Energie hat. Es gilt somit ungef¨ahr ǫ=

E E′ = ′ = ǫ′ , N N

wobei N und N ′ die Zahl der Molek¨ ule in A und A′ sind. Angenommen, daß A ′ und A anfangs getrennt voneinander im Gleichgewicht sind. Die Anfangsenergien Ea und Ea′ werden dann im Allgemeinen so sein, daß ǫa 6= ǫ′a gilt. Das Zusammengesetzte und in thermischem Kontakt stehende System ist daher nicht im Gleichgewicht. Die beiden Systeme werden nachdem sie in thermischen Kontak gebracht wurden also Energie in Form von W¨arme austauschen, bis ǫe = ǫ′e . Dabei gilt nat¨ urlich Ea + Ea′ = Ee + Ee′ und daher ∆E + ∆E ′ = 0 , wobei ∆E = Ee − Ea und analog f¨ ur ∆E ′ . Mit der Bezeichnung Q = ∆E bzw. ′ ′ Q = ∆E f¨ ur die bei der Wechselwirkung von A bzw. A′ absorbierten W¨arme folgt Q + Q′ = 0. Dabei kann die absorbierte W¨arme auch negativ sein. Falls nicht Q = Q′ = 0 gilt, die Systeme also bereits vor dem Herstellen des thermischen Kontakts im Gleichgewicht waren, muß entweder Q > 0 und Q′ < 0 oder umgekehrt gelten. Das System (A oder A′ ) welches nach dem Herstellen des Kontakts und erreichen des Gleichgewichts eine positive absorbierte W¨arme hat, wird als das (vorher) k¨altere bezeichnet – das andere ist dann das (vorher) w¨armere.

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¨ KAPITEL 2. GRUNDUBERLEGUNGEN

Es ist zu betonen, daß dieses die erste Stelle ist, an der wir Bezug zum Konzept einer relativen Temperatur machen. Dieses verwenden wir nun, wenn wir zur allgemeineren Situation u ¨bergehen, daß die beiden Teilsysteme aus unterschiedlichen Atomen bestehen und sich beide wom¨oglich in unterschiedlichen Phasen (z.B. das oben zitierte Beispiel fest/fl¨ ussig) befinden. Wir k¨onnen davon ausge¨ hen, daß sich unsere obigen Uberlegungen qualitativ weiter anwenden lassen. Es sollte also f¨ ur jedes der Teilsysteme einen Parameter T , die Temperatur, geben der proportional zur mittleren Energie eines Atoms/Molek¨ uls dieses Teilsystems ist. F¨ ur den Gleichgewichtszustand, der der “zuf¨alligsten” Energieverteilung entspricht soll dann die Bedingung T = T ′ gelten. An dieser Stelle kann das so eingef¨ uhrte Konzept einer absoluten Temperatur nicht genauer definiert werden, ohne, daß wir genau festlegen, was wir unter dem Grad der Zuf¨alligkeit verstehen wollen. Dies werden wir sp¨ater nachholen. Eine Temperatur (nicht absolute ¨ Temperatur) l¨aßt sich nach obigen Uberlegungen jedoch dadurch festlegen, daß wir sie auf ein bestimmtes Thermometer beziehen. Unter diesem versteht man ein beliebiges “kleines” aber makroskopisches System, bei dem sich ein makroskopischer Parameter ¨andert, wenn es W¨arme absorbiert. Diesen bezeichnet man als den thermometrischen Parameter θ. Dabei sollte das Thermometer “klein” sein, damit das System A mit dem es bei der Temperaturmessung in Kontakt gebracht wird, m¨oglichst wenig gest¨ort wird, d.h. die ausgetauschte W¨armemenge gegen¨ uber der Gesamtenergie von A vernachl¨assigbar ist. Auch das Konzept der Temperatur in Bezug auf ein spezifisches Thermometer ist bereits sehr hilfreich, da wir z.B. lernen k¨onnen, daß zwei Systeme A und A′ mit θA = θA′ wenn wir sie in thermischen Kontakt bringen keine W¨arme austauschen werden. Wir haben hier h¨aufig das ideale Gas als ein typisches Beispielsystem betrachtet um einige wesentliche Konzepte der statitsischen Mechanik einzuf¨ uhren. Ein wesentlicher Teil der Vorlesung wird darin bestehen die vorgestellten Ideen systematisch auszuarbeiten. Ein weiteres einfaches Beispielsystem welches gerne zur Illustration herangezogen wird, ist das System von N idealen Spins. Physikalisch spielt es zur Erkl¨arung des Ph¨anomens des Magnetismus eine wichtige Rolle. Wir betrachten eine Ansammlung von N identischen Teilchen (z.B. einen Typ von Atomen oder Ionen eines Festk¨orpers), bei dem jedes Teilchen (im einfachsten Fall) einen Spin-1/2 tr¨agt und damit ein magnetisches Moment ±µ0 (siehe Vorlesung Theorie III). Zur Vereinfachung nehmen wir an, daß die Teilchen sich nicht bewegen k¨onnen (Festk¨orper), so daß der Spin den einzigen Freiheitsgrad darstellt. Das Spinsystem wird als ideal bezeichnet, wenn die Spins praktisch nicht wechselwirken, was der Fall ist, wenn der mittlere r¨aumliche Abstand der Spins so groß ist, daß das aus den magnetischen Momenten der anderen Spins resultierende Magnetfeld an der Position jedes Spins praktisch vernachl¨assigbar ist. Die Restwechselwirkung f¨ uhrt dazu, daß sich die Richtung der Spins mitunter ¨andert (entspricht dem “seltenen” Stoß im idealen Gas). Identifiziert man nun “linke H¨alfte” mit “Spin rauf” und “rechte H¨alfte” mit “Spin runter”, so kann ¨ man Uberlegungen v¨ollig analog zum idealen Gas anstellen.

2.2. GRUNDBEGRIFFE DER MATHEMATISCHEN STATISTIK

15

Dieses Kapitel abschließend sollte angemerkt werden, daß das hier diskutierte Verhalten von makroskopischen Systemen wie z.B. die Ann¨aherung an einen zeitlich konstanten Gleichgewichtszustand, mit Alltagsbeobachtungen im Einklang steht, daß es aber durchaus Ausnahmen davon geben kann. So gibt es z.B. spezielle Typen von Systemen, die bei spezieller Wahl der Systemparameter und bei spezieller Wahl von Anfangszust¨anden nicht in ein zeitunabh¨angiges Gleichgewicht relaxieren. Die Untersuchung der Relaxation wechselwirkender Vielteilchensysteme ist Gegenstand aktueller experimenteller und theoretischer Forschung.

2.2

Grundbegriffe der mathematischen Statistik

¨ Aus den obigen physikalischen Uberlegungen sollte klar geworden sein, daß wir uns mit den grundlegenden mathematischen Konzepten der Wahrscheinlichkeitstheorie vertraut machen m¨ ussen um die statistische Physik entwickeln zu k¨onnen. Im Folgenden bietet es sich an, als konkretes Beispiel den Wurf eines W¨ urfels im Hinterkopf zu haben. Den Begriff der Wahrscheinlichkeit pi f¨ ur ein bestimmtes Ereignis i definieren wir als das Verh¨altnis der Zahl des Auftretens Ni von i und der Gesamtzahl der Versuche N im Limes großer N, also Ni . N →∞ N

pi = lim

In der Praxis muß N oft nur “hinreichend” große sein. Aus der Definition folgt sofort, daß X pi = 1 i

gilt, wobei die Summe u ¨ber alle m¨oglichen Ausg¨ange eines Versuchs geht. Man kann die Wahrscheinlichkeiten pi nun auf zwei Arten bestimmen. Eine M¨oglichkeit w¨are es den Versuch an einem System immer wieder auszuf¨ uhren (Zeitmittel), eine andere an einem Ensemble N identischer Systeme gleichzeitig den Versuch auszuf¨ uhren (Ensemblemittel). Sind i und j zwei sich ausschließende Ereignisse, so gilt f¨ ur die Wahrscheinlichkeit pi oder j , daß i oder j eintritt pi oder j = pi + pj . Die Wahrscheinlichkeit pi,j , daß bei zwei Systemen das erste im Zustand i und das zweite im Zustand j ist, ist durch pi,j = pi pj gegeben. Der Mittelwert (Erwartungswert) f¨ ur eine beliebige Systemgr¨oße x die in i den Wert xi annimmt ist bei vorgegebenen pi durch X hxi = pi xi i

16

¨ KAPITEL 2. GRUNDUBERLEGUNGEN

definiert, wobei die Summe u ¨ber alle m¨oglichen Ereignisse geht. Diese Definition l¨aßt sich sofort auf eine Funktion f von x u ¨bertragen X hf (x)i = pi f (xi ) . i

Die Schwankung ∆x von x ist durch

1/2 ∆x = (x − hxi)2

definiert. Wie man leicht nachrechnet gilt ¨aquivalent 1/2  . ∆x = x2 − hxi2

Anhand des eindimensionalen sogenannten random walk wollen wir nun fortgeschrittenere Konzepte der Wahrscheinlichkeitstheorie diskutieren. Wir wollen zun¨achst das mathematische Problem beschreiben und dann ein Beispiel f¨ ur das Auftreten des random walk in der statistischen Physik diskutieren. In einem eindimensionalen random walk werden N Schritte auf einer Geraden (der x-Achse) ausgef¨ uhrt. Der random walk startet bei x = 0. Ein Schritt besteht aus einem Sprung um δx = ±1. Der Sprung um +1 erfolgt mit Wahrscheinlichkeit p der um −1 mit q. Es gilt p + q = 1. Die einzelnen Schritte sind unabh¨angig voneinander. Zusammen geben die Zahl der positiven n+ und negativen Schritte n− die Gesamtzahl, also n+ + n− = N. Wir wollen nun die folgenden Gr¨oßen bestimmen: (i) Die Wahrscheinlichkeit PN (m) nach N Schritten bei x = m = n+ − n− anzukommen, was der Wahrscheinlichkeit WN (n) entspricht, daß n = n+ = m + n− positive Schritte ausgef¨ uhrt wurden. (ii) Die Mittelwerte hmi und hni. (iii) Die Schwankungen ∆m und ∆n. (iv) Die kontniuierliche Verteilung die sich im Limes großer N ergibt. Als physikalisches Beispiel betrachten wir ein eindimensionales Gitter bei dem auf jedem Gitterpunkt ein Spin-1/2 mit Betrag des magnetischen Moments µ0 sitzt. Wie wir sp¨ater genauer verstehen werden nimmt die z-Komponente ~ = B~ez die Werte ~/2 mit Wahrdes Spins in einem ¨außeren Magnetfeld B scheinlichkeit p = c exp (−µ0 B/[kB T ]) und −~/2 mit Wahrscheinlichkeit q = c exp (µ0 B/[kB T ]) an. Dabei bezeichnet T die absolute Temperatur und kB ≈ 8.617 · 10−5 eV/K ist die sogenannte Boltzmannkonstante. Die Normierungskonstante c ist so zu bestimmen, daß p + q = 1. In diesem Beispiel gibt PN (m) die Wahrscheinlichkeit an, daß bei N Spins die Anzahl der zu B parallelen magnetischen Momente um m gr¨oßer ist als die Zahl der antiparalellen (und damit ein Gesamtmoment mµ0 vorliegt). Ein weiteres physikalisches Beispiel in dem der random walk in zwei Dimensionen eine Rolle spielt ist die Brownsche Bewegung. Wir kehren nun zur abstrakten Sichtweise zur¨ uck und stellen die Frage nach der Wahrscheinlichkeit f¨ ur eine bestimmte Abfolge von Schritten, z.B. den Fall (+1, −1, −1, +1, +1). Diese ergibt sich zu pqqpp = p3 q 2 .

17

2.2. GRUNDBEGRIFFE DER MATHEMATISCHEN STATISTIK

Es gibt nat¨ urlich weitere Wege, die bei N = 5 zu m = 1 bzw. n+ = n = 3 f¨ uhren. Da sich diese Wege gegenseitig ausschließen, sind die Wahrscheinlichkeiten f¨ ur diese zu addieren, wenn man P5 (1) bestimmen m¨ochte. Da alle Wahrscheinlichkeiten gleich sind (es m¨ ussen immer 3 Vorw¨artsschritte und 2 R¨ uckw¨artsschritte auftreten), m¨ ussen wir nur noch die Zahl der m¨oglichen Abfolgen bestimmen. Es gibt 5! M¨oglichkeiten 5 Dinge aneinander zu reihen. Sind dabei 3 Dinge identisch, so unterscheinden sich die 3! Permutationen dieser Dinge nicht. Damit folgt f¨ ur unser Beispiel, daß es 5!/(3!2!) = 10 verschiedene Wege mit m = 1 gibt. Die Wahrscheinlichkeit nach 5 Schritten zu m = 1 zu gelangen ist somit 5! 3 2 P5 (1) = W5 (3) = pq = 3!2!

  5 3 2 pq 3

 ¨ mit dem Binomialkoeffizienten 53 . Die obigen Uberlegungen lasse sich sofort verallgemeinern und wir erhalten   N n N −n p q , PN (m) = WN (n) = n

n=

N +m . 2

(2.1)

Man bezeichnet diese Wahrscheinlichkeitsverteilung als die Binomialverteilung. Sie ist in den folgenden Abbildungen f¨ ur p = q = 1/2 (links) und p = 1/4, q = 3/4 (rechts) dargestellt.

0.1

W50(n)

W50(n)

0.1

0.05

0 0

10

20

n

30

40

50

0.05

0 0

10

20

n

30

40

50

In Gl. (2.1) kann n die Werte 0, 1, . . . , N annehmen. Damit gilt N X

N   X N n N −n p q = (p + q)N = 1 , WN (n) = n n=0 n=0

also die Normierungsbedingung. Wir wollen nun den Mittelwert hni und die Schwankung ∆n berechnen. Es

¨ KAPITEL 2. GRUNDUBERLEGUNGEN

18 gilt

  N X N n N −n p q hn+ i = hni = n n n=0  N    X ∂ n N −n N p = p q n ∂p q+p=1 n=0 ∂ = pN(p + q)N −1 q+p=1 (p + q)N = p ∂p q+p=1

= Np .

Es gilt dabei zu beachten, daß man erst nach Ausf¨ uhren der Ableitung q + p = 1 setzen darf. V¨ollig analog gilt hn− i = Nq, woraus hmi = hn+ i − hn− i = ¨ N(p − q) folgt. F¨ ur die sp¨ateren Uberlegungen ist es wichtig festzustellen, daß die Mittelwerte mit N anwachsen. Die Schwankung k¨onnen wir auf ¨ahnliche Art bestimmen. Wir berechnen zun¨achst   N X

2 2 N pn q N −n n n = n n=0 ∂ ∂ ∂ N N −1 = p =p p (p + q) pN(p + q) ∂p ∂p ∂p q+p=1

2

q+p=1

2

= Np + N(N − 1)p = Npq + hni .

Hieraus folgt ∆n =

 2 1/2 p n − hni2 = Npq .

Im Gegensatz zum Mittelwert, w¨achst die Schwankung nur mit relative Breite der Verteilung WN (n) folgt damit r q 1 N→∞ ∆n √ −→ 0 = hni p N



N an. F¨ ur die

Die relative Breite wird also mit wachsendem N immer kleiner und tendiert gegen Null. Betrachtet man somit statt der Variablen n = n+ (bzw. m) die Gr¨oße n/N (bzw. m/N) f¨ ur die hn/Ni = p (bzw. hm/Ni = p − q) gilt, so wird die Verteilung dieser im Limes N → √ ∞ scharf um den Mittelwert lokalisiert, genauer ihre Schwankungen gehen wie 1/ N gegen Null. Diese Beobachtung wird sp¨ater ¨ eine zentrale Rolle in unseren Uberlegungen spielen. Grob formuliert bedeutet dieses Ergebnis, daß die Schwankungen bei wachsendem N eine immer weniger wichtige Rolle spielen. In einem n¨achsten Schritt werden wir die Bedeutung der Gaußschen Verteilung kennenlernen. Wir wollen die Binomialverteilung Gl. (2.1) f¨ ur kleine Abweichungen vom Mittelwert n − hni entwickeln. Da WN (n) Faktoren wie pn und n!

2.2. GRUNDBEGRIFFE DER MATHEMATISCHEN STATISTIK

19

enth¨alt, die sehr stark von n abh¨angen (also stark variieren, wenn man n variiert) ist es besser diese Funktion nicht direkt zu entwickeln (dies w¨ urde zu schlechter 3 Konvergenz f¨ uhren), sondern ln WN (n) zu betrachten. Es gilt ln WN (n) = ln N! − ln n! − ln (N − n)! + n ln p + (N − n) ln q . F¨ ur die Taylorentwicklung ben¨otigen wir die Ableitungem dieses Ausdrucks nach n an der Stelle hni.4 Die Ableitung von ln n! n¨ahern wir durch den Differenzenquotienten an, was eine gute N¨aherung f¨ ur n ≫ 1 darstellt d ln n! ln (n + 1)! − ln n! ≈ = ln (n + 1) ≈ ln n . dn 1 Gilt hni = Np ≫ 1 und N − hni = Nq ≫ 1, d.h. zusammengefaßt Npq ≫ 1, so k¨onnen wir diese N¨aherung zur Bestimmung der Ableitung von ln n! und ln (N − n)! bei der Berechnung der Taylorkoeffizienten verwenden. Dies f¨ uhrt auf d ln WN (n) = [− ln n + ln (N − n) + ln p − ln q]n=hni = 0 . dn n=hni F¨ ur Npq ≫ 1 hat die Verteilung somit ein Maximum5 am Mittelwert. F¨ ur die zweite Ableitung gilt   1 1 1 1 d2 ln WN (n) = − − =− =− b gelten. Der anziehenden Komponenten ¨ wird durch folgenden Uberlegung Rechnung getragen. Ziehen sich die Teilchen paarweise an, so kann es zu gebundenen Zust¨anden kommen. Dies f¨ uhrt dazu, daß sich der Druck auf die W¨anden reduziert. Die Abh¨angigkeit dieser Reduktion von V und N k¨onnen wir absch¨atzen. Die Reduktion ∆P des Druck auf die W¨ande ist proportional zur Zahl der pro Zeiteinheit auf ein Oberfl¨achenelement auftreffenden Teilchen – die proportional zur Dichte N/V ist – und proportional ¨ zur Anderung des Impuls¨ ubertrags durch die Anziehungskr¨afte – der ebenfalls proportional zu N/V ist. Damit folgt ∆P = a/(V /N)2, mit einer Konstanten a. Um den Druck im Sinne der Zustandsgleichung des idealen Gases zu erhalten, m¨ ussen wir P → P + ∆P ersetzen.8 Daraus ergibt sich die (ph¨anomenologische) Zustandsgleichung 

a P+ [V /N]2



 V − b = kB T . N

Diese Stuktur kann auch im Rahmen einer mikroskopischen Herangehensweise begr¨ undet werden, was wir hier jedoch aus Zeitgr¨ unden nicht vertiefen wollen. Mit dem Volumen pro Teilchen v = V /N lautet die Isothermengleichung P (v) =

a kB T − 2 . v−b v

(3.6)

Wir wollen untersuchen, ob diese Funktion f¨ ur v > b Extremalstellen aufweist. Nullsetzen der Ableitung liefert die Bedingung (v/b − 1)2 kB T =b . 3 (v/b) 2a Die linke Seite nimmt als maximalen Wert 4/27 an, so daß die Gleichung erf¨ ullbar ist, falls die Temperatur kleiner ist als die kritische Temperatur 4 kB Tc =b 27 2a



Tc =

8 a 27 kB b

ist. Die Isothermen zeigen den folgend skizzierten Verlauf. 8

Der “echte” Druck des Systems ist durch Pkinet. − a/(V /N )2 gegeben. Durch die Zustandsgleichung wird Pkinet. festgelegt.

77

3.2. ZUSTANDSGLEICHUNGEN

P

T>Tc T=Tc

Pc 2

3

1

T Tc ist das van-der-Waals Gas f¨ ur alle v in der Gasphase. F¨ ur T < Tc liegt bei v > v1 (T ) die Gasphase vor und f¨ ur v < v2 (T ) die fl¨ ussige Phase. F¨ ur T < Tc und v2 (T ) < v < v1 (T ) gibt es eine Koexistenz zwischen der Gasphase und der fl¨ ussigen Phase. In diesem Bereich muß P (V ) durch eine horizontale Linie ersetzt werden. Die Punkte 1 und 2 werden dabei wie folgt bestimmt. Es muß an diesen Punkten der gleiche Druck herschen, also ∂∆E ∂∆E − =− ∂V V =V1 ∂V V =V2

3.3. THERMODYNAMIK DES IDEALEN GASES

79

und es muß eine gemeinsame Tangente vorliegen ∂∆E ∆E1 − ∆E2 ∂∆E = = . V1 − V2 ∂V V =V1 ∂V V =V2 Kombiniert liefert dieses

oder

∂∆E = −(∆E1 − ∆E2 ) −(V1 − V2 ) ∂V V =V2 Z

V1

V2

P dV = P (V2)(V1 − V2 ) .

Die beschriebene ph¨anomenologische Herangehensweise an ein Gas mit Zweiteilchen-Wechselwirkung liefert somit unseren ersten Kontakt mit dem Konzept ver¨ schiedener Phasen und von Phasen¨ uberg¨angen. In den Ubungen werden sie ein ur den Fall eines Spinsystems, d.h. f¨ ur Magnetismus disku¨ahnliches Verhalten f¨ tieren.

3.3

Thermodynamik des idealen Gases

Im Rahmen der Thermodynamik k¨onnen wir die Zustandsgleichung des idealen Gases P V = νRT als ph¨anomenologische Beziehung auffassen, in der experimentelle Ergebnisse zusammengefaßt sind. Basierend auf dieser Gleichung wollen wir nun mit Methoden der Thermodynamik zeigen, daß die (innere) Energie des idealen Gases nicht vom Volumen abh¨angt. Mikroskopisch haben wir dieses bereits in Form der Gl. (2.15) im Kapitel u ¨ber die Behandlung des Gases im kanonischen Ensemble gesehen. Die innere Energie von ν Molen eines idealen Gases kann allgemein als E = E(T, V ) geschrieben werden. Es gilt     ∂E ∂E dE = dT + dV ∂T V ∂V T Nach dem ersten und zweiten Hauptsatz gilt f¨ ur eine quasistatische Parameter¨anderung T dS = d¯Q = dE + P dV . Nutzen wir die Zustandsgleichung aus, so folgt dS =

νR 1 dE + dV , T V

(3.7)

80

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

bzw. mit obigem Ausdruck f¨ ur dE       νR 1 ∂E 1 ∂E dT + + dV . dS = T ∂T V T ∂V T V Da S = S(T, V ) ein vollst¨andiges Differential ist, k¨onnen wir folgern         1 ∂E 1 ∂E νR ∂S ∂S = , = + ∂T V T ∂T V ∂V T T ∂V T V und wegen der Gleichheit der gemischten Ableitungen   1 ∂2E 1 ∂E 2 1 ∂E + =− 2 +0. T ∂V ∂T T ∂V T T ∂T ∂V Da auch f¨ ur E(T, V ) die gemischetn zweiten Ableitungen identisch sein m¨ ussen, gilt   ∂E =0 ∂V T und E = E(T ) f¨ ur das ideale Gas. Experimentell wurde dieses Ergebnis von Joule wie folgt nachgewiesen. Ein Beh¨alter, der aus zwei durch ein Ventil getrennten Kammern besteht, ist in ein Wasserbad getaucht (gleiche Temperatur des Gases und des Wassers). Zu Beginn des Experiments befindet sich das Gas in der linken Kammer und die rechte is ¨ evakuiert. Offnet man das Ventil, so kann sich das Gas frei ausdehnen und die beiden Kammern ausf¨ ullen, wobei keine Arbeit geleistet wird. Nach dem ersten Haupsatz gilt dann bei diesem Prozeß Q = ∆E ¨ mit der Anderung der inneren Energie des Gases. In dem Experiment stellt man fest, daß sich die Temperatur des Wassers nicht ¨andert, so daß Q = 0 und damit ∆E = E(T, Ve ) − E(T, Va ) = 0 , also E = E(T ). Wir wollen nun die spezifische W¨are des idealen Gases betrachten (siehe auch ¨ Ubungen). Nach dem ersten Hauptsatz gilt f¨ ur einen Prozeß mit konstantem Volumen (Berechnung von CV ) d¯Q = dE und somit f¨ ur die “molare” spezifische W¨arme bei konstantem Volumen   1 d¯Q 1 ∂E cV = = . (3.8) ν dT V =const. ν ∂T V

3.3. THERMODYNAMIK DES IDEALEN GASES

81

Da E von V unabh¨angig ist, gilt dE =



∂E ∂T



dT ,

V

d.h. die Energie¨anderung h¨angt nur von der Temperatur¨anderung ab, selbst, wenn sich das Volumen ebenfalls ¨andert. Mit Gl. (3.8) folgt dE = νcV dT .

(3.9)

F¨ ur die “molare” spezifische W¨arme bei konstantem Druck gilt. Mit Gl. (3.9) folgt aus dem ersten Hauptsatz d¯Q = νcV dT + pdV .

(3.10)

Da der Druck konstant gehalten wird, h¨angen eine Volumen- und eine Temperatur¨anderung u ¨ber die Zustandsgleichung zusammen. Es gilt P dV = νRdT und damit d¯Q = ν (cV + R) dT . Nach Definition folgt dann 1 d¯Q = cV + R . cP = ν dT P =const.

Wie bereits in Kapitel 2.15 allgemein diskutiert folgt also cP > cV . ¨ Verwendet man das uns aus den mikroskopischen Uberlegungen bekannte Ergebnis G. (2.15) E = 3NkB T /2 = 3νRT /2, so folgt   1 ∂E 3 cV = = R = 12.47 J/(K mol) ν ∂T V 2 und 5 cP = cV + R = R 2 bzw. f¨ ur die spezifischen W¨armen pro Teilchen   3 1 ∂E = kB . c˜V = N ∂T V 2 Die experimentellen Werte von Helium und Argon f¨ ur cV bei 15 Grad Celsius und 1 bar ist 12.5 J/(K mol).

82

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

Bei einer isothermen Zustands¨anderung, d.h. f¨ ur ein System in Kontakt mit einem W¨armebad, gilt P V =const.. Ist das Gas dagegen thermisch isoliert, findet die Zustands¨anderung also adiabatisch statt, so gibt es im adiabatischen Fall ¨ einen anderen Zusammenhang zwischen P und V (siehe auch Ubungen). Aus dem ersten Hauptsatz folgt νcV dT + P dV = 0 . Verwendet man nun die Zustandsgleichung um dT auf kosten von dP zu elimi¨ nieren, so l¨aßt sich durch Integration leicht zeigen (siehe auch Ubungen), daß P V γ = const. , wobei γ=

cP . cV

V¨ollig analog kann man V γ−1 T = const. , zeigen. Wir wollen abschließend noch die Entropie des idealen Gases diskutieren. Gln. (3.7), (3.10) und die Zustandsgleichung liefern f¨ ur einen quasistatischen Prozeß T dS = νcV dT +

νRT dV V

also dS = νcV

dT dV + νR . T V

Durch Integration k¨onnen wir so die Entropie¨anderung bei einem quasistatischen Prozeß zwischen zwei Makrozust¨anden mit (T, V ) und (T0 , V0 ) berechnen. F¨ ur den Fall dV = 0 (keine Arbeit) haben wir das bereits am Ende von Kapietl 2.15 getan, wobei wir explizit die Temperaturunabh¨angigkeit von cV (wie sie im idealen Gas gegeben ist) ausgenutzt haben. Wir w¨ahlen nun den Anfangszustand (T0 , V0 ) als Standsadzustand der eine Entropie νs0 haben soll. Ausgehend von diesem k¨onnen wir nun einen “geeigneten” quasistatischen Prozeß ausf¨ uhren, um S(T, V ) zu bestimmen, da die Integration u ¨ ber das vollst¨andige Differential dS von den Details des Weges unabh¨angig ist (h¨angt nur vom Anfangs- und Endpunkt ab). Wir w¨ahlen dann wie schon zuvor den Weg, der aus zwei Teilst¨ ucken parallel zu den Koordinatenachsen besteht. Damit folgt  Z T Z V dV dT , +R S(T, V ) − νs0 = ν cV T V0 V T0

3.4. POTENTIALE UND MAXWELL-RELATIONEN

83

bzw. nach ausf¨ uhren der Integrale s(T, V ) =

S(T, V ) = cV ln T + R ln V + const. , ν

wobei wir alle Konstanten in einem Term zusammengefaßt haben und die “molare” Entropie s eingef¨ uhrt haben.

3.4

Potentiale und Maxwell-Relationen

Wir betrachten ein homogenes System, f¨ ur das das Volumen der einzige ¨außere ¨ Parameter ist. Ausgangspunkt unser Uberlegungen ist die Grundgleichung f¨ ur einen quasistatischen infinitesimalen Prozeß T dS = d¯Q = dE + P dV .

(3.11)

Umformung ergibt dE = T dS − P dV , wobei E als Funktion von S und V aufgefaßt wird. Aus der allgemeinen Beziehung     ∂E ∂E dS + dV dE = ∂S V ∂V S k¨onnen wir folgern, daß   ∂E =T , ∂S V



∂E ∂V



S

= −P .

Die Integrabilit¨atsbedingung liefert dann     ∂T ∂P =− . ∂V S ∂S V Wie wollen nun zu unabh¨angigen Variablen S und P u ¨ bergehen. Dazu ersetzen wir in Gl. (3.11) P dV durch d(P V )−V dP (Legendre-Transformation). Dies liefert dE = T dS − d(pV ) + V dP oder d(E + P V ) = T dS + V dP . Wir definieren dann die Enthalpie H = E + P V = H(S, P )

84

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

und erhalten das vollst¨andige Differential dH = T dS + V dP . Mit der allgemeinen Beziehung     ∂H ∂H dS + dP dH = ∂S P ∂P S folgt 

∂H ∂S



=T , P



∂H ∂P



=V .

S

Die Integrabilit¨atsbedingung liefert     ∂V ∂T = . ∂P S ∂S P W¨ahrend die innere Energie E die relevante Gr¨oße ist, wenn S und V als Variable gew¨ahlt werden, so ist die Enthalpie H die entsprechende Gr¨oße f¨ ur S und P als Variable. Die n¨achste Legendre-Transformation f¨ uhren wir so aus, daß T und V die Variable werden. Es gilt dE = d(T S) − SdT − P dV oder dF = −SdT − P dV mit der freien Energie9 F = E − T S = F (T, V ) . Mit analogen Schritten wie zuvor folgt     ∂F ∂F = −S , = −P ∂T V ∂V T und  9

∂S ∂V



= T



∂P ∂T



.

(3.12)

V

Die freie Energie haben wir bereits bei der Diskussion der kanonischen Zustandssumme eingef¨ uhrt. Das es sich bei dem dort betrachteten F und dem F hier um das gleiche Objekt handelt, werden wir sp¨ ater diskutieren.

3.4. POTENTIALE UND MAXWELL-RELATIONEN

85

Die letzte Variante erh¨alt man durch “zweifache” Lengendretransformation dE = d(T S) − SdT − d(P V ) + V dP oder dG = −SdT + V dP mit der freien Enthalpie G = E − T S + P V = G(T, P ) . Es folgt 

∂G ∂T



P

= −S ,



∂G ∂P



=V T

und 

∂S − ∂P



= T



∂V ∂T



.

(3.13)

P

Die sich aus den jeweiligen Integrabilit¨atsrelationen ergebenden Beziehungen bezeichnet man als Maxwell-Relationen. Sie sind ein unmittelbare Folge daraus, daß die Zustandsgr¨oßen T , S, P und V nicht unabh¨angig voneinander sind, sondern u ¨ber die Grundgleichung dE = T dS − P dV verkn¨ upft sind. Aus der mikroskopischen Perspektive ist klar, daß Zusammenh¨ange der obigen Art bestehen m¨ ussen, da sich die ganze Thermodynamik aus der Entropie S = kB ln Ω = S(E, V ) ergibt. Die Funktionen (ihrer jeweiligen Variablen) E, H, F und G bezeichnet man als die thermodynamischen Potentiale. Jedes der Potentiale enth¨alt die vollst¨andige thermodynamischen Information u ¨ber das betrachtete System. ¨ Wir wollen kurz diskutieren, wie sich die Uberlegungen verallgemeinern lassen, wenn mehr als ein ¨außerer Parameter a = (a1 , a2 , . . . , an ) vorliegt. Den Diskussionen der Kapitel 2.8, 2.13 und 2.14 folgend ergibt sich f¨ ur einen quasistatischen Prozeß aus dem ersten Hauptsatz dE = T dS −

n X

αi ai ,

i=1

wobei wir darauf verzichten, die verallgemeinerten Kr¨afte αi in Erwartungswertsklammern zu setzen. In E k¨onnte z.B. neben S und V noch ein Magnetfeld B als

86

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

a¨ußerer Parameter und das magnetische Moment M als verallgemeinerte Kraft auftreten (siehe Kapitel 2.8). Dann gilt dE = T dS − P dV − MdB und 

∂E ∂S





=T , V,B

∂E ∂V



S,B

= −P ,



∂E ∂B



S,V

= −M .

Aus der Integrabilit¨atsbedingung ergeben sich dann sechs Maxwell-Relationen. Durch Legendre-Transformation lassen sich analog die anderen thermodynamischen Potentiale bestimmen. Dieses Kapitel abschließend wollen wir uns u ¨berlegen, daß die Potentiale im Gleichgewicht Extremalbedingungen erf¨ ullen, so wie wir das bereits von der Entropie eines abgeschlossenen Systems S(E, V ) =max kennen (wenn wieder V der einzige ¨außere Parameter ist).10 Wir betrachten zwei makroskopische Systeme A und A′ die W¨arme oder W¨arme und Volumen austauschen k¨onnen. Das System A soll viel kleiner als A′ sein, so daß E ≪ Eg = E + E ′ und V ≪ Vg = V + V ′ . Damit dient A′ als ein W¨armereservoir (T von A ist durch A′ festgelegt) oder ein W¨arme- und Druckreservoir (T und P von A sind durch A′ festgelegt). F¨ ur den Fall, daß nur W¨armeausgetauscht wird gilt f¨ ur die Entropie des Gesamtsystems Sg (E) = S(E, V ) + S ′ (Eg − E, V ′ ) = max . Wir f¨ uhren nun eine Taylorentwicklung f¨ ur kleine E/Eg aus ∂S ′ ′ ′ (E , V ) E ∂E ′ E = S + S ′ (Eg , V ′ ) − , T mit der Temperatur T des W¨armebads. F¨ ur die freie Energie F des Untersystems A gilt Sg ≈ S + S ′ (Eg , V ′ ) −

F = E − T S ≈ E − T Sg + T S ′ (Eg , V ′ ) − E = −T Sg + T S ′ (Eg , V ′ ) .

Da S ′ (Eg , V ′ ) f¨ ur das Gesamtsystem eine Konstante ist (V ′ is nach Annahme nicht ver¨anderlich), so liefert die Bedingung Sg =max f¨ ur das Gesamtsystem die Bedingung F =min f¨ ur das Untersystem A. Analog geht man nun f¨ ur den Fall vor, daß W¨arme und Volumen ausgetauscht werden k¨onnen. In diesem Fall muß man eine zweidimensionale Taylorentwicklung ausf¨ uhren. Es gilt analog zu oben Sg

10

∂S ′ ′ ′ ∂S ′ ′ ′ ≈ S + S (Eg , Vg ) − (E , V ) E − (E , V ) V ∂E ′ ∂V ′ E PV = S + S ′ (Eg , Vg ) − − , T T ′

Wir verwenden also wieder Informationen aus unserem statistischen Zugang.

¨ 3.5. ZUSTANDSANDERUNGEN

87

mit der Temperatur T und dem Druck P des W¨arme- und “Druck”-bads. F¨ ur die freie Enthalpie G = E − T S + P V des Subsystems A folgt dann G = E − T S + P V ≈ E + P V − T Sg + T S ′ (Eg , Vg ) − E − P V = −Sg + S ′ (Eg , Vg ) und damit aus Sg =max f¨ ur das Gesamtsystem G =min f¨ ur das Subsystem A.

3.5

Zustands¨ anderungen

In Analogie zum Kapitel 3.3, wo wir unter anderem die Zustands¨anderung bei W¨armezufuhr und Volumen¨anderung betrachtet haben, wollen wir dieses nun f¨ ur ein allgemeines homogenes System mit zwei Zustandsvariablen tun. Bei quasistatischer W¨armezufuhr ist die Temperaturerh¨ohung durch   d¯Q ∂S CP = = T dT P =const. ∂T P

oder

  ∂S d¯Q =T CV = dT V =const. ∂T V

bestimmt. F¨ ur das ideale Gas hatten wir in Kapitel 3.3 CP − CV = νR = NkB gefunden. Jetzt werden wir CP − CV unter Annahme eine beliebigen Zustandsgleichung P = P (T, V ). Es gilt     ∂S ∂S dS = dT + dV ∂T V ∂V T bzw. unter Ausnutzung der Maxwell-Relation Gl. (3.12) und der Definition von CV   CV ∂P dS = dV . (3.14) dT + T ∂T V Zur Bestimmung von CP ben¨otigen wir S als Funktion von T und P (weil P =const.). Wir betrachten also V = V (T, P ) und     ∂V ∂V dV = dT + dP , ∂T P ∂P T so daß CV dT + dS = T



∂P ∂T

  V

∂V ∂T



P

dT +



∂V ∂P



T

dP



.

88

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

Damit folgt f¨ ur CP CP = CV + T



∂P ∂T

  V

∂V ∂T



. P

Mit der isothermen Kompressibilit¨at κ und dem Ausdehnungskoeffizienten aus Kapitel 3.2 sowie der in Kapitel 3.1 hergeleiteten Beziehung       ∂P ∂V ∂V =− / = α/κ (3.15) ∂T V ∂T P ∂P T folgt CP − CV =

V T α2 . κ

(3.16)

F¨ ur Gase lassen sich CP , CV , κ und α gut messen. F¨ ur Festk¨orper und Fl¨ ussigkeiten ist die Bedingung P =const. leichter als V =const. zu realisieren. Daher ist CP leichter zug¨anglich. In einer mikroskopischen Berechnung tritt (meist) V als ¨außerer Parameter auf und damit ist CV leichter zu berechnen. Wie wir im Zusammenhang mit dem van-der-Waals Gas diskutiert haben, muß f¨ ur eine stabile Situation κ > 0 gelten. F¨ ur den Ausdehnungskoeffizienten kann jedoch α > 0 und α < 0 realisiert sein. Zum Beispiel gilt f¨ ur Wasser im Bereich zwischen 0 und 4 Grad Celsius α < 0. Ein weiteres Beispiel ist ein Gummiband, welches sich bei Erw¨armung zusammenzieht. Wie schon zuvor beobachtet, gilt CP > CV . Durch Einsetzen er Zustandsgleichung erh¨alt man f¨ ur das ideale Gas aus Gl. (3.16) wieder die das Ergebnis CP − CV = νR aus Kapitel 3.3. Als n¨achste Zustands¨anderung betrachten wir die Expansion (bzw. Kompression). Dabei unterscheiden wir drei F¨alle: (i) Die freie Expansion mit E =const.. (ii) die quasistatische, adiabatische Expansion mit S =const.. (iii) Die JouleThomson-Expansion mit H =const.. Die Zust¨ande des homogenen Systems seien durch zwei Variablen festgelegt, so daß die Angabe einer Zustandsgr¨oße ausreicht, um die Art der Expansion eindeutig festzulegen. Wir wollen die mit der Expansion verbundene Temperatur¨anderung berechnen, sind also an       ∂T ∂T ∂T , , ∂V E ∂V S ∂P H interessiert. In Joule-Thompson-Expansion wird die Temperatur¨anderung auf den Druck bezogen (nicht auf das Volumen), da die Dr¨ ucke vorgegeben sind. Die gesuchten partiellen Ableitungen f¨ ur (i) und (ii) k¨onnen wir aus dem vollst¨andigen Differential der jeweiligen konstant gehaltenen Gr¨oße X = X(T, V )   y ∂T =− . dX = xdT + ydV ⇒ ∂V X x

¨ 3.5. ZUSTANDSANDERUNGEN

89

Bei (iii) m¨ ussen wir V durch P ersetzen. Wir beginnen mit der freien Expansion. Wir betrachten einen durch eine Trennwand in zwei Teile getrennten Beh¨alter. Zu Beginn des Experiments ist ein Teil mit Va und Ta mit Gas gef¨ ullt, der andere ist evakuiert. Das System ist themische isoliert, d.h. es gilt d¯Q = 0. Dann wird eine Drosselklappe ge¨offnet, wobei keine Arbeit geleistet wird. Ohne Arbeitsleistung verteilt sich das Gas dann in das Gesamtvolumen Ve . Damit ist auch d¯W = 0 und es gilt nach dem ersten Hauptsatz dE = 0. Der Prozeß ist irreversibel (Ωe ≫ Ωa , bzw. Se > Sa ) und nicht quasistatisch (l¨auft nicht u ¨ber Gleichgewichtszust¨ande ab). Nach Einstellen des Gleichgewichts gilt E(Ta , Va ) = E(Te , Ve ) und wir wollen Te berechnen. Es gilt (siehe Gl. (3.14))       CV ∂S ∂P ∂S dT + dV = dV . dT + dS = ∂T V ∂V T T ∂T V Damit folgt     ∂P dE = T dS − P dV = CV dT + T − P dV . ∂T V Dem allgemeinen Rezept folgend ergibt sich damit       ∂T 1 ∂P = P −T . ∂V E CV ∂T V Mit den Zustandsgleichungen des idealen Gases bzw. des van-der-Waals Gas folgt   ∂T =0 ∂V E bzw. 

∂T ∂V



E

aN 2 =− . CV V 2

Das Ergebnis f¨ ur das ideale Gas ist uns schon in Form der Volumenunabh¨angigkeit der Energie dieses begegnet. In einem realen Gas f¨ uhrt die freie Expansion zu einer Abk¨ uhlung. Energetisch versteht man das wie folgt. In einem gr¨oßeren Volumen sp¨ uren die Teilchen (im Mittel) weniger von der Anziehung (siehe van-der-Waals Gas) und daher nimmt die potentielle Energie zu. Wegen der Energieerhaltung (dE = 0) muß die kinetische Energie abnehmen und damit auch die Temperatur. Wir betrachten nun die quasistatische, adiabatische Expansion. Ein thermische isoliertes Gas (d¯Q = 0) werde durch langsames Herausziehen eiens Kolben expandiert. Das Gas leistet dabei die Arbeit d¯W = −P dV . Der zweite Hauptsatz liefert f¨ ur diesen adiabatischen Prozeß dS =

d¯Q =0. T

90

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

Also gilt S(Ta , Va ) = S(Te , Ve ). Dem allgemeinen Schema folgend betrachten wir (siehe oben)   ∂P CV dV = 0 . dT + dS = T ∂T V Es ergibt sich 

∂T ∂V



S

T =− CV



∂P ∂T



V

=−

T α , CV κ

wobei wir im letzten Schritt Gl. (3.15) verwendet haben. F¨ ur das ideale Gas folgt daraus   ∂T P =− ∂V S CV F¨ ur Gase gilt α > 0 (zum Vorzeichen von α f¨ ur allgemeine Systeme siehe oben), so daß (∂T /∂V )S < 0 und sich das Gas bei einer quasistatischen, adiabatischen Expansion immer abk¨ uhlt. Dies kann in einer K¨altemaschiene zur K¨ uhlung verwendet werden. Am Beginn des Prozesses hat das Gas die Umgebungstemperatur T1 . Es wird nun quasistatisch und adiabatisch komprimiert, wobei es sich erw¨armt. Durch den thermischen Kontakt mit der Umgebung k¨ uhlt das Gas sich dann wieder auf T1 ab. Nun wird es quasistatisch und adiabatisch expandiert und erreicht die Temperatur T2 < T1 . L¨aßt sich nun ein W¨armereservoir mit T2 finden, so kann man den Prozeß hin zu einer Temperatur T3 < T2 wiederholen. Als letztes Expansionsexperiment betrachten wir den Joule-Thompson-Prozeß. Dabei wird ein Gas mit Druck Pa durch einen por¨osen Stopfen gepresst. Hinter dem Stopfen hat das Gas dann den niedrigeren Druck Pe . Der Druckunterschied und die zugeh¨orige Str¨omungsgeschwindigkeit h¨angt von der Struktur des Stopfens ab. Das System sie thermisch Isoliert, d.h. es gilt d¯Q = 0. Das Gesamtsystem hat keine bestimmte Temperatur, ist also nicht in einem Gleichgewichtszustand. Es liegt also kein quasistatischer Prozeß vor, so daß d¯Q nicht dS = 0 impliziert. F¨ ur die beiden Teilsysteme links und rechts vom Stopfen liegen aber (n¨aherunsgweise) Gleichgewichtszust¨ande vor. Zum Durchpressen des Gases muß Arbeit aufgewendet werden. Hat ein Mol des Gases vor dem Stopfen das Volumen Va , so muß die Arbeit Pa Va zum Weiterschieben dieser Gasmenge n¨otig. Hinter dem Stopfen muß das Gas die Arbeit Pe Ve verrichten um ebenfalls ein Mol Gas weiterzuschieben. Die dem Gas zugef¨ uhrte Gesamtarbeit ist daher ∆W = Pa Va − Pe Ve . Aus dem ersten Hauptsatz folgt ∆E = Ee − Ea = ∆W = Pa Va − Pe Ve

¨ 3.6. WARMEKRAFTMASCHINEN

91

und damit Ee + Pe Ve = Ea + Pa Va . Also ist die Enthalpie H = E + P V bei diesem Prozeß konstant H(Te , Pe ) = H(Ta , Pa ) . Daraus k¨onnen wir die Temperatur¨anderung bei gegebener Druckdifferenz berechnen. Es gilt      ∂S ∂S dT + dP + V dP dH = T dS + V dP = T ∂T P ∂P T   ∂V = CP dT − T dP + V dP = CP dT + V (1 − T α)dP . ∂T P Dabei haben wir die Maxwell-Relation Gl. (3.13) und die Definition des Ausdehnungskoeffizienten verwendet. Als Zwischenergebnis erhalten wir     ∂S ∂H =T , CP = ∂T P ∂T P so daß CP auf einfache Weise mit H zusammenh¨angt. Diese Beziehung ist analog zu CV = (∂E/∂T )V . F¨ ur die gesuchte Temperatur¨anderung erhalten wir mit dH = 0   ∂T V µJT = = (T α − 1) . ∂P H CP Man bezeichnet µJT als den Joule-Thompson-Koeffizienten. Wegen α = 1/T verschwindet dieser f¨ ur das ideale Gas. F¨ ur reale Gase kann µJT positiv oder negativ sein. Falls µJT > 0 kann ein Joule-Thompson-Prozeß mit dP < 0 zur Abk¨ uhlung verwendet werden.

3.6

W¨ armekraftmaschinen

Wir wollen in diesem Abschnitt kurz Maschinen diskutieren, in denen W¨arme in Arbeit umgewandelt wird. Von besonderer Bedeutung sind Maschinen, die zyklisch arbeiten, d.h. das die Maschine nach einer bestimmten Zeitspanne wieder in den selben Zustand zur¨ uckkehrt. Die ideale W¨armekraftmaschine w¨are eine, die in einem Zyklus einem (idealisiert unendlich großen) W¨armebad die W¨arme q > 0 entnimmt, diese zu hundert ¨ Prozent in Arbeit w = q umwandelt und keine weiteren Anderungen an der “Umwelt” vornimmt (oft als Joule-Thompson Maschine bezeichnet). Man bezeichnet

92

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

eine solche hypothetische Maschine als perpetuum mobile 2. Art. Wie wir diskutieren werden, ist diese selbst dann nicht realisierbar, wenn wir von Reibungsverlusten (und ¨ahnlichem) absehen. Dabei ist solch ein Prozeß mit dem ersten Hauptsatz vertr¨aglich, da nach einem Zyklus die Maschine M wieder im selben Zustand ist, also ∆EM = 0 = q − w gilt. Mit dem ersten Hauptsatz w¨ urde eine Maschine im Konflikt stehen, die aus dem “Nichts” Arbeit erzeugt. Solch eine nennt man perpetuum mobile 1. Art. Wir wollen f¨ ur die Maschine mit q = w nun den zweiten Hauptsatz diskutieren. Dazu betrachten wir das abgeschlossene Gesamtsystem, welches aus der Maschine M, dem W¨armereservoir R und einem Speicher S f¨ ur die Arbeit besteht. In letzterem wird die Arbeit in potentielle Energie umgewandelt. Der Speicher k¨onnte z.B. durch eine Feder oder eine Masse, die im Schwerefeld gehoben wird, realisiert werden. F¨ ur die Entropie des abgeschlossenem System gilt nach dem zweiten Hauptsatz ∆S = ∆SR + ∆SM + ∆SS ≥ 0 . Der Speicher sei nun so konstruiert, daß er aus nur einem Freiheitsgrad besteht (siehe die beiden Beispiele). Dann gilt SS = O(kB ) was gegen¨ uber der Entropie SR = O (1024 kB ) des W¨armebads vollkommen zu vernachl¨assigen ist. Um diese Einsicht auszunutzen, m¨ ussen wir uns klar machen, daß dieses Argument auch f¨ ur die Entropie¨anderung angewandt werden kann. Klar ist, daß die Entropie¨anderung des Speichers ∆SS klein ist (wenn nicht sogar Null). F¨ ur die Entropie¨anderung der Maschine gilt nach einem Zyklus ∆SM = 0. Gem¨aß dem zweiten Hauptsatz ergibt sich nach einem Zyklus f¨ ur das W¨armebad ∆SR = −

q T

da d¯Q = −q. Da dem W¨armereservoir nur W¨arme entzogen wird, gilt diese Relation auch wenn der Prozeß nicht quasistatisch abl¨auft (siehe Kapitel 2.10). Aufgrund der Konstruktion des “Arbeitsspeichers” k¨onnen wir ∆SS gegen¨ uber |∆SR | vernachl¨assigen. Damit folgt ∆S = −

q 0 .

¨ 3.8. MISCHUNGEN, LOSUNGEN, REAKTIONEN

107

Man nennt diese Gr¨oße die Mischungsentropie. Sie gilt nat¨ urlich nur f¨ ur verschiedene Gasesorten. Bei gleichen Sorten gilt bei der Mischung unter obigen Bedin¨ gungen ∆S = 0 (siehe Ubungsaufgabe zu diesem Gibbsschen Paradoxon). Bei der Herleitung dieser Beziehung haben wir den Entmischungsvorgang benutzt, der bei gleichen Sorten nicht funktionieren w¨ urde. Wir wollen als n¨achstes Beispiel eines Systems mit verschiedenen Teilchensorten verd¨unnte L¨osungen betrachten. Dabei seien n Stoffe in einem L¨osungsmittel gel¨ost, wobei die Konzentration der gel¨osten Stoffe klein sein soll, d.h. es gilt Ni ≪ N0 , wobei N0 die Zahl der L¨osungsmittelteilchen bezeichnet. Obwohl die gel¨osten Stoffe im Allgemeinen sehr stark mit dem L¨osungsmittel wechselwirken werden wir sehen, daß die f¨ ur das ideale Gas hergeleiteten Beziehungen X Ni ei (T, P ) , E(T, P, {Ni}) = i

S(T, P, {Ni}) =

G(T, P, {Ni}) =

X i

X

Ni si (T, P ) − kB

X

Ni gi (T, P ) + kB T

i

µi (T, P, xi ) = gi (T, P ) + kB T ln xi ,

Ni ln xi ,

i

X

Ni ln xi ,

i

(3.29)

mit gi (T, P ) = ei (T, P ) − T si (T, P ) + P vi(T, P )

(3.30)

P weiterhin g¨ ultig sind. Wie zuvor gilt xi = Ni /N mit N = i Ni . Die Summen laufen von 0 bis n. Die auftreten Funktionen ei , si , gi und vi werden wir weiter unten definieren. Dieses Ergebnis liefert ein Begr¨ undung daf¨ ur, warum wir uns so ausf¨ uhrlich mit der (f¨ ur sich genommen wenig interessant erscheinenden) Mischung zweier idealer Gase besch¨aftigt haben. Wichtig ist, daß ei hier im Allgemeinen eine Funktion von T und P sein wird (im Gegensatz zum idealen Gas) und daß wir keine Beziehungen mehr verwenden d¨ urfen in denen Partialdr¨ ucke auftauchen (diese setzten das Verschwinden der Wechselwirkung voraus), wie P z.B. S(T, P, {Ni}) = ur E herzuleiten i Ni si (T, Pi ). Um die obige Relation f¨ entwickeln wir diese Funktion bis zur ersten Ordnung in Ni /N0 , i = 1, 2, . . . , n. Es gilt E(T, P, {Ni }) = N0 E(T, P, 1, N1/N0 , . . . , Nn /N0 ) n X Ni ∂E (T, P, 1, 0, . . . , 0) , N0 = N0 E(T, P, 1, 0, . . . , 0) + | {z } N0 ∂Ni i=1 | {z } =e0 (T,P ) =ei (T,P )

=

n X i=0

Ni ei (T, P ) .

108

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

Analog ergibt sich V (T, P, {Ni }) = N0 V (T, P, 1, N1 /N0 , . . . , Nn /N0 ) n X Ni ∂V = N0 V (T, P, 1, 0, . . . , 0) + N0 (T, P, 1, 0, . . . , 0) , | {z } N0 ∂Ni i=1 {z } | =v0 (T,P ) =vi (T,P )

=

n X

Ni vi (T, P ) .

i=0

Aufgrund der Mischungsentropie l¨aßt sich die Entropie nicht so einfach nach Ni /N0 entwickeln. Wir betrachten zun¨achst den Fall Ni =const.. Dann gilt f¨ ur einen quasistatischen Prozeß T dS = dE + P dV =

n X i=0

Ni [dei (T, P ) + P dvi(T, P )] . | {z } =T dsi (T,P )

Mit dieser Definition von dsi (T, P ) folgt       ∂ei ∂vi ∂si = +P , T ∂T P ∂T P ∂T P       ∂si ∂ei ∂vi T = +P , ∂P T ∂P T ∂P T

so daß si (T, P ) bis auf eine Integrationskonstante eindeutig festgelegt ist. Es folgt somit f¨ ur Ni =const. dS = d

n X

Ni si (T, P )

i=0



S(T, P, {Ni}) =

n X

Ni si (T, P ) + S0 (N0 , N1 , . . . , Nn ) .

i=0

Die Konstante S0 (bez¨ uglich T und P ) bestimmen wir f¨ ur P → 0 und T → ∞ in dem sowohl das L¨osungsmittel, wie die gel¨osten Stoffe durch ideale Gase beschrieben werden k¨onnen. Der Vergleich mit Gl. (3.26) liefert dann S0 ({Ni }) = −kB

n X

Ni ln xi .

i=0

Die Relation f¨ ur G folgt aus denen f¨ ur E und S durch Einsetzen in die Definitionsgleichung. Die Relation f¨ ur das chemische Potential ergibt sich wie in Gl. (3.28).

¨ 3.8. MISCHUNGEN, LOSUNGEN, REAKTIONEN

109

Setzt man in den obigen Beziehungen N1 = N2 = . . . = Nn = 0 so folgt E = N0 e0 (T, P ) ,

S = N0 s0 (T, P ) ,

G = N0 g0 (T, P )

und die Funktionen e0 , s0 sowie g0 beschreiben das reine L¨osungsmittel. Die Funktionen ei , si und gi f¨ ur i = 1, 2, . . . , n k¨onnen nicht entsprechend interpretiert werden. F¨ ur P → 0 und T → ∞ gehen sie in die entsprechenden Gr¨oßen f¨ ur das ideale Gas u ¨ ber (siehe oben). Nach der Definitionsgleichung von dsi folgt T dsi = dei + P dvi und es gelten die u ur die Differentiale ¨blichen thermodynamischen Beziehungen f¨ f¨ ur alle i. Mit dieser Relation und Gl. (3.30) folgt z.B. dgi = −si dT + vi dP . Wie u ¨blich kann man auch Maxwell-Relationen herleiten. In der Gleichung f¨ ur das chemische Potential µi (T, P, xi ) = gi (T, P ) + kB T ln xi , k¨onnen wir f¨ ur i = 0 noch nach den xi entwickeln. Es gilt µ0 (T, P, x0 ) = g0 (T, P ) + kB T ln x0 = g0 (T, P ) + kB T ln 1 − = g0 (T, P ) − kB T

n X

n X i=1

xi

!

xi .

(3.31)

i=1

F¨ ur die zu den gel¨osten Teilchen geh¨orenden µi geht dieses nat¨ urlich nicht. ¨ Wir wollen nun Anwendungen dieser Uberlegungen betrachten. Starten werden wir mit dem S¨attingungsgleichgewicht. Dazu betrachten wir den Fall einer verd¨ unnten L¨osung mit einem gel¨osten Stoff, dessen Konzentration die S¨attigung erreicht hat, d.h. er liegt auch in fester Form vor. Wir wollen die S¨attigungskonzentration (s)

(s) c1

N = 1 V

(F )

berechnen. Neben N0 und N1 tritt jetzt auch N1 f¨ ur die Zahl der Teilchen des festen Stoffs auf. Die Temperatur und der Druck sind gegeben (durch W¨armeund “Druck”-bad) und die Teilchenzahl insgesamt ist konstant. Nach unseren ¨ Uberlegungen aus Kapitel 3.4 bietet es sich daher an, die freie Enthalpie G zu betrachten. Diese wird im Gleichgewicht minimal. Es gilt (F )

(F )

G(T, P, N0 , N1 , N1 ) = GL (T, P, N0 , N1 ) + GF (T, P, N1 ) (g)

= GL (T, P, N0 , N1 ) + GF (T, P, N1 − N1 )

110

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK (F )

(g)

und N1 + N1 = N1 =const. sowie N0 =const.. Ableiten nach N1 und Null setzen (wegen Minimum) liefert (s)

(s)

(F )

µ1 (T, P, x1 ) = µ1 (T, P ) ,

N1

(s)

x1 =

(s)

N0 + N1

.

Nach Gl. (3.29) gilt (s)

(s)

µ1 (T, P, x1 ) = g1 (T, P ) + kB T ln x1 ⇒ ⇒

(s)

(F )

kB T ln x1 = µ1 (T, P ) − g1 (T, P ) # " (F ) µ (T, P ) − g (T, P ) 1 (s) . x1 = exp 1 kB T

Mit (s)

(s) N

c1 = x1

V

,

(s)

N = N0 + N1

folgt f¨ ur die S¨attingungskonzentration (s) c1 (T, P )

# (F ) µ1 (T, P ) − g1 (T, P ) , = c exp kB T "

c=

N . V

(s)

Man bezeichnet c1 auch als die L¨oslichkeit. Als n¨achstes berechnen wir die L¨osungsw¨arme. Dazu betrachten wir eine verd¨ unnte, nicht ges¨attigte L¨osung, in der der gel¨oste Stoff auch fest vorliegt. Wir wollen die W¨armezufuhr berechnen, wenn ∆N1 Teilchen gel¨ost werden. Der Druck und die Temperatur sind durch die “Umwelt” festgelegt. Mit dH = T dS + V dP (Teilchenzahl ist konstant) folgt f¨ ur dP = 0, daß ∆H = Q. Daher betrachten wir im vorliegenden Fall die Enthalpie. Es gilt (Taylor-Entwicklung) Q = ∆H (F ) = HL (T, P, N0, N1 + ∆N1 ) + HF (T, P, N1 − ∆N1 ) (F )

−H (T, P, N0 , N1 ) − HF (T, P, N1 )  L !    ∂HL ∂HF  ∆N1 . ≈  − (F ) ∂N1 T,P,N0 ∂N1 T,P

¨ 3.8. MISCHUNGEN, LOSUNGEN, REAKTIONEN

111

Mit HL/F = GL/F + T SL/F folgt       ∂GL ∂SL ∂HL = +T ∂N1 T,P,N0 ∂N1 T,P,N0 ∂N1 T,P,N0   ∂µ1 = µ1 (T, P, x1 ) − T ∂T P,N0 ,N1   ∂µ1 = µ1 (T, P, x1 ) − T ∂T P,x1   ∂ µ1 (T, P, x1 ) 2 = −T ∂T T P,x1 wobei wir die aus dG = −SdT + V dP + µdN folgende Maxwell-Relation     ∂µ ∂S = − ∂N T,P ∂T P,N ausgenutzt haben. Analog gilt ! ∂HF (F ) ∂N1

T,P

= −T 2

∂ ∂T

(F ) µ1 (T, P )

T

!

. P

F¨ ur die W¨arme bedeutet dies (F )

Q = −T 2

∂ µ1 (T, P, x1 ) − µ1 (T, P ) ∂T T

!

∆N1 . P,x1

Aus Gl. (3.28) folgt (F )

(F )

µ1 (T, P, x1 ) − µ1 (T, P ) = g1 (T, P ) − µ1 (T, P ) + kB T ln x1 (s)

= −kB T ln x1 (T, P ) + kB T ln x1 (s)

x1 (T, P ) x1 (s) c (T, P ) , = −kB T ln 1 c1 = −kB T ln

(s)

(s)

mit c1 = x1 N/V und c1 = x1 N/V . Eingesetzt in den Ausdruck f¨ ur die W¨arme folgt   ∂ (s) 2 ln c1 (T, P ) ∆N1 . Q = kB T ∂T Nimmt die L¨oslichkeit also mit zunehmender Temperatur zu, so wird beim L¨osen W¨arme frei (Q > 0). Anderenfalls gilt Q < 0.

112

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

Als n¨achste Anwendung betrachten wir die Osmose. Dabei sind zwei verd¨ unnte L¨osungen (gleicher gel¨oster Stoff) unterschiedlicher Konzentrationen u ¨ber eine semipermeable Membran getrennt. Durch diese kann nur das L¨osungsmittel treten. Die L¨osung links ist durch T , PL , VL , N0L und N1L charakterisiert und analog f¨ ur rechts (L → R). Wir sind dabei davon ausgegangen, das die Membran w¨armedurchl¨assig ist und damit TL = TR = T gilt. Man kann nun qualitativ leicht verstehen, daß im Gleichgewicht PL 6= PR da der Partialdruck des L¨osungsmittels auf beiden Seiten gleich sein wird (weil dieses ja durch die Membran treten kann), nicht jedoch der Partialdruck des gel¨osten Stoffs. Im Gleichgewicht erwarten wir daher ∆P = PL − PR 6= 0 eine Gr¨oße die man den osmotischen (Gleichgewichts-)Druck nennt. Das Gesamtsystem sei abgeschlossen, so daß die Entropie im Gleichgewicht maximal wird. Da ¨ das L¨osungsmittel ausgetauscht werden kann, bedeutet das nach unseren Uberlegungen aus Kapitel 3.7, daß µ0 (T, PL , xL0 ) = µ0 (T, PR , xR 0) . Mit Gl. (3.31) folgt g0 (T, PL ) − kB T xL1 = g0 (T, PR ) − kB T xR 1 bzw. unter der Annahme, daß xL1 − xR 1 und ∆P klein (Taylor-Entwicklung)   ∂g0 ∆P = kB T (xL1 − xR 1) , ∂P T wobei P = (PL +PR )/2. Der osmotische (Gleichgewichts-)Druck ergibt sich damit zu ∆P =

kB T (xL1 − xR 1) , v0 (T, P )

mit dem nur vom L¨osungsmittel abh¨angenden Volumen   ∂g0 . v0 (T, P ) = ∂P T Im Spezialfall, daß rechts das reine L¨osungsmittel vorliegt, also f¨ ur xR 1 = 0, folgt ∆P =

kB T L kB T N1L x = v0 1 v0 NL

mit NL = N0L + N1L . Da v0 NL ≈ (VL /N0L )N0L = VL ergibt sich die van’t Hoffsche Gleichung f¨ ur den osmotischen (Gleichgewichts-)Druck ∆P VL = N1L kB T .

¨ 3.8. MISCHUNGEN, LOSUNGEN, REAKTIONEN

113

In dieser Situation entspricht ∆P dem Partialdruck des gel¨osten Stoffes auf der linken Seite und wir reproduzieren die ideale Gasgleichung. Als letztes Beispiel diskutieren wir das Massenwirkungsgesetz. Dazu betrachten wir eine Mischung von n Stoffen, die miteinander chemisch reagieren k¨onnen. Ein Beispiel ist die Reaktion (n = 3) 2H2 + O2 → 2H2 O . Wir gehen davon aus, daß alle n Stoffe entweder als ideale Gase behandelbar sind, oder als verd¨ unnte L¨osungen vorliegen, so daß µi (T, P, xi) = gi (T, P ) + kB T ln xi

(3.32)

gilt. Wir wollen das Reaktionsgleichgewicht beschreiben. Wir gehen von der “typischen” Situation aus, daß T und P durch die “Umwelt” gegeben sind und keine Teilchen mit der “Umwelt” ausgetauscht werden. Dann wird die freie Enthalpie G im Gleichgewicht minimal, also G(T, P, N0 , N1 ; . . . , Nn ) = min , wobei N0 die Zahl der Teilchen des L¨osungsmittels angibt (N0 = 0 ist m¨oglich). Die Ni , i = 1, 2, . . . , n sind nicht unabh¨anging sondern durch die Reaktionsgleichung miteinander verkn¨ upft. Mit νi bezeichnen wir die Zahl der Molek¨ ule/Atome der Sorte i, die bei der Reaktion erzeugt werden. Im obigen Beispiel gilt also νH2 = −2, νO2 = −1 und νH2 O = 2. Die Zahl ∆λ =

∆Ni νi

ist unabh¨angig von i und gibt die Zahl der Reaktionen an. Da G minimal wird und dN0 = 0 gilt folgt 0 = ∆G  n  X ∂G ∆Ni = ∂N i T,P,{N } j j6 = i i=1 =

n X

µi (T, P, xi )νi ∆λ

i=1

f¨ ur alle “infinitesimalen” ∆λ, also n X i=1

µi νi = 0 .

114

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

Dies ist die Gleichgewichtsbedingung f¨ ur die chemische Reaktion. Mit Gl. (3.32) ergibt sich 0 = =

n X

i=1 n X

νi gi (T, P ) + kB T νi gi (T, P ) + kB T

i=1

n X

i=1 n X

νi ln xi ln, (xνi i ) .

i=1

Daraus folgt das Massenwirkungsgesetzt f¨ ur das Reaktionsgleichgewicht " # Q n n |νi | Y X 1 x xνi i = Q Ende i |νi | = exp − νi gi (T, P ) = K(T, P ) . k T B x i i=1 i=1 Anfang

Um dieses besser zu verstehen, gehen wir nun davon aus, daß alle beteiligten Stoffe als ideale Gase beschreibbar sind. Dann gilt nach Gl. (3.27) gi (T, P ) = ei (T ) − T si (T, P ) + kB T (i)

(i)

(i)

(i)

= e0 + cV T − T s0 − T cP ln T + T kB ln P + kB T (i)

(i)

(i)

(i)

= e0 + (cV + kB )T − T s0 − T cP ln T + T kB ln P # " (i) (i) c e 1 (i) (i) (c − s0 ) + 0 − P ln T + ln P . = kB T kB P kB T kB

Damit ergibt sich f¨ ur die Funktion K " # P 1 X (i) (i) − i νi K(T, P ) = exp − νi (cP − s0 ) P | {z } kB i P {z } abh¨angig | T,P

unabh¨angig

# 1 X (i) − Pi νi c(i) P /kB × exp − νi e0 T kB T i | {z } "

T

∆E/(kB T )

= const. e

abh¨angig

T ∆cP /kB P −∆N ,

mit ∆E =

X

(i)

νe0 ,

i

∆cP =

X

(i)

νi cP ,

i

∆N =

X i

νi .

¨ 3.8. MISCHUNGEN, LOSUNGEN, REAKTIONEN

115

¨ Deise Gr¨oßen sind jeweils die Anderung der Energie, spezifischen W¨arme und der Teilchenzahl bei einer Reaktion. Wir k¨onnen die verschiedenen Terme interpretieren. F¨ ur ∆E < 0(> 0) ergibt sich eine Verschiebung zu den Endstoffen (Anfangsstoffen). Die Reaktion versucht die Energie zu minimieren. Dieses ist aber nicht der einzig bestimmende Faktor (siehe unten). Als Beispiel betrachten wir die Reaktion H2 → 2 H. Die Dissoziationsenergie von H2 ist 4eV. Da 1meV ≈ kB 10K folgt ∆E/kB ≈ 4 · 104 K. Damit ergibt sich e∆E/(kB T ) ≈ e40000K/T und Wasserstoff wird erst bei ca. 40000K relevant dissoziieren. Der Faktor e∆E/(kB T ) dominiert in der Praxis die T -Abh¨angigkeit von K(T, P ). Er besagt, daß angeregte Zust¨ande erst m¨oglich sind, wenn ∆E ∼ kB T . F¨ ur ∆CP > 0(< 0) ergibt sich eine Verschiebung zu den Endstoffen (Anfangsstoffen). Das Reaktionsgleichgewicht verschiebt sich bei Temperaturerh¨ohung auf die Seite der gr¨oßeren W¨armekapazit¨at, so daß die Temperaturerh¨ohung minimiert wird. Man nennt dieses das Prinzip des kleinsten Zwangs. F¨ ur ∆N < 0(> 0) ergibt sich eine Verschiebung zu den Endstoffen (Anfangsstoffen). Damit verschiebt sich das Reaktionsgleichgewicht bei Druckerh¨ohung auf die Seite mit der kleineren Teilchenzahl. Auch dieses ¨ Ergebnis ist Teil des Prinzip des kleinsten Zwangs. Mit diesen Uberlegungen, die in der physikalischen Chemie von großer Relevanz sind, schließen wir das Kapitel zur Thermodynamik ab und kehren zu einer mikroskopischen Beschreibung von Vielteilchensystemen zur¨ uck.

116

KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

Kapitel 4 Klassische statistische Mechanik In diesem Kapitel wenden wir uns erneut der klassischen statistischen Mechanik zu, wobei wir formaler als in Kapitel 2 vorgehen werden. Wir werden sehr h¨aufig den Bezug zu unseren Grund¨ uberlegungen herstellen.

4.1

Mikroskopische Dynamik und Phasenraum

Wie in Kapitel 2 diskutiert, bilden die mikroskopische Hamiltonfunktion und die zugeh¨origen Bewegungsgleichungen die Grundlage der Beschreibung unseres abgeschlossenen Vielteilchensystems. Letztere k¨onnen f¨ ur viele Freiheitsgrade nicht exakt gel¨ost werden. Es ist nicht einmal m¨oglich alle Anfangsbedingungen anzugeben. Die Bewegunsgleichungen besitzen jedoch allgemeine Eigenschaften, die wichtig f¨ ur die (formale) Theorie (die statistische Mechanik) sind, in unseren ¨ bisherigen Uberlegungen aber noch nicht das ihnen zustehende Gewicht bekommen haben. Wie in Kapitel 2 illustriert beschreiben wir unser Ensemble von (replizierten) Systeme in der klassischen statistischen Mechanik anhand einer Wahrscheinlichkeitsverteilung u ¨ber dem Phasenraum (siehe Beispiel der Gleichverteilung u ¨ber dem zug¨anglichen Teil des Phasenraums in der mikrokanonischen Verteilung in Kapitel 2.3). Wir werden uns daher zun¨achst mit Eigenschaften des Phasenraums und mit der Dynamik auf diesem besch¨aftigen. Im Verlauf dieser ¨ Uberlegungen werden wir auf die Frage der (erhofften!?) Gleichheit von Ensemblemittelwerten (Theorie) und Zeitmittelwerten (Experiment) stoßen, auf die wir bereits in der Einf¨ uhrung (Kapitel 1) und in Kapitel 2 hingewiesen haben. Wir betrachten ein klassisches System mit der Hamiltonfunktion H und der Hamiltonschen Dynamik ∂H ~q˙ = , ∂~p

∂H p~˙ = − . ∂~q

Die qi und pi sind (jeweils) f verallgemeinerte Koordinaten und Impulse. Das ¨ Endziel unserer Uberlegungen ist es Systeme im statistischen (thermodynami117

118

KAPITEL 4. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK

schen) Gleichgewicht (im bereits intensiv diskutierten Sinne) zu beschreiben. Daher darf die Hamiltonfunktion keine explizite Zeitabh¨angigkeit haben, da sich ein solches sonst nicht einstellen kann. Die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen beschreiben Trajektorien im 2f -dimensionalen Phasenraum Γ, mit Elementen1 ~z = ~z (t) gem¨aß  ∂H  ∂~ p ~z˙ = = f (~z ) . (4.1) − ∂H ∂~ q Diese Differentialgleichung erster Ordnung hat eine eindeutige L¨osung, wenn man den Anfangswert ~z0 = ~z(t0 ) vorgibt. Zu jedem ~z0 erh¨alt man eine Bahnkurve im Phasenraum Γ. Aufgrund der Eindeutigkeit, k¨onnen sich Bahnkurven nicht schneiden. Da wir abgeschlossene Systeme (ohne explizite Zeitabh¨angigkeit) betrachten ist die Energie durch die Hamiltonfunktion gegeben und entlang einer Bahnkurve konstant, d.h. H(~z(t)) = E =const.. Das H konstant ist folgt direkt aus der Bewegungsgleichung d ∂H ˙ ∂H ˙ ∂H ∂H ∂H ∂H H(~z(t)) = · ~q + · ~p = · − · =0. dt ∂~q ∂~p ∂~q ∂~p ∂~p ∂~q Mit der Energieerhaltung verlaufen die Phasenraumtrajektorien in einer (2f −1)dimensionalen Hyperfl¨ache. Liegen weitere Erhaltungsgr¨oßen vor (Impuls, Drehimpuls, . . .), so reduziert sich die Dimensionalit¨at entsprechend. Wir betrachten eine Teilmenge γ0 in Γ mit Volumen ω0 . Alle ~z ∈ γ0 seien Anfangspunkte f¨ ur Trajektorien. Gem¨aß der Bewegungsgleichung wird γ0 = γ(t0 ) auf ein γ(t), mit Volumen ω(t) abgebildet. Der Satz von Liouville besagt, daß ω(t) = ω(t0 ) , das Phasenraumvolumen also invariant ist. Zum Beweis betrachten wir ein infinitesimales Phasenraumvolumen dω(t0) = d2f z . Mit Hilfe einer Variablentransformation von zi (t0 ) nach zi (t) k¨onnen wir eine Beziehung zwischen den Phasenraumvolumina zur Zeit t0 und t herstellen. Es gilt ∂z(t) dω(t0) , dω(t) = det ∂z(t0 )

wobei der erste Faktor die Funktionaldeterminante der Variablentransformation bezeichnet. Um die Invarianz des Phasenraumvolumens zu zeigen gen¨ ugt es also ∂z(t) D(~z(t0 ); t, t0 ) = det =1 ∂z(t0 ) 1

Im Vektor ~z sind erst die verallgemeinerten Orte und dann die verallgemeinerten Impulse angeordnet.

4.1. MIKROSKOPISCHE DYNAMIK UND PHASENRAUM

119

zu beweisen. Gem¨aß der Definiton gilt D(~z(t0 ); t0 , t0 ) = 1 ,

D(~z(t0 ); t, t0 ) = D(~z (t1 ); t, t1 )D(~z(t0 ); t1 , t0 ) .

Wir betrachten zun¨achst einen infinitesimalen Zeitschritt t − t0 = ǫ. Es gilt ~z (t) = ~z(t0 ) + ~z˙ (t0 ) ǫ + O(ǫ2 )   ∂H (~z (t0 )) ∂~ p ǫ + O(ǫ2 ) . = ~z(t0 ) + (~ z (t )) − ∂H 0 ∂~ q Damit ergibt sich f¨ ur die Matrix aus der die Funktionaldeterminante folgt ! ∂qi (t) ∂qi (t) ∂z(t) ∂qj (t0 ) ∂pj (t0 ) = ∂pi (t) ∂pi (t) ∂z(t0 ) ∂qj (t0 ) ∂pj (t0 ) ! 2H 1 + ∂p∂ i ∂q (~ z (t )) ǫ O(ǫ) 0 j = . 2H (~ z (t )) ǫ O(ǫ) 1 − ∂q∂i ∂p 0 j Damit sind alle Nichtdiagonalelemente von der Gr¨oßenordnung O(ǫ). Wenn wir nur Terme bis zur Ordnung O(ǫ) ber¨ ucksichtigen folgt f¨ ur die Funktionaldeterminante  Y  f  f  Y  ∂2H ∂2H 1+ D(~z (t0 ); t, t0 ) = (~z (t0 )) ǫ (~z (t0 )) ǫ + O ǫ2 1− ∂pi ∂qi ∂qi ∂pi i=1 i=1  f  X  ∂2H ∂2H (~z(t0 )) − (~z (t0 )) ǫ + O ǫ2 = 1+ ∂pi ∂qi ∂qi ∂pi i=1  = 1 + O ǫ2 . F¨ ur einen infinitesimalen Zeitschritt ist die Funktionaldeterminante somit gleich 1. Dies impliziert, daß ∂ =0 D(~z(t0 ); t, t0 ) ∂t t=t0 ∂ ⇒ =0 D(~z(t1 ); t, t1 )D(~z (t0 ); t1 , t0 ) ∂t t=t0 ∂ ⇒ =0. D(~z(t1 ); t, t1 ) ∂t t=t0

Da diese Relationen f¨ ur alle t0 gelten m¨ ussen, folgt



∂ D(~z (t0 ); t, t0 ) = 0 ∂t D(~z (t0 ); t, t0 ) = D(~z(t0 ); t0 , t0 ) = 1

120

KAPITEL 4. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK

was es zu beweisen galt. Als n¨achstes wollen wir den Wiederkehrsatz von Poincar´e diskutieren. Dazu betrachten wir ein System, welches sich in einem endlichen Ortsvolumen befindet. Dieses ist z.B. durch W¨ande oder periodische Randbedingungen zu realisieren. Das System habe eine endliche Energie E. Unter diesen Annahmen hat der Phasenraum ein endliches Volumen. Dann gilt der Wiederkehrsatz von Poincar´e, der besagt, daß (fast) jede Trajektorie im Phasenraum nach einer gewissen (endlichen) Zeit ihrem Ausgangspunkt beliebig nahe kommt. Das “fast” bedeutet, daß die Aussage nur f¨ ur Anfangspunkte vom Maß Null nicht gilt. Mathematisch genauer gilt, daß es f¨ ur jede offene Teilmenge des Phasenraums Trajektorien gibt, die die Teilmenge unendlich oft schneiden. Zum “Beweis” betrachten wir eine beliebige kleine Umgebung γ0 mit Volumen ω0 um den Ausgangspunkt ~z0 = ~z(t0 ). Durch den Phasenraumfluß Gl. (4.1) wird γ0 im Laufe der Zeit eine “Stromr¨ohre” bilden – die Vereinigung aller γt die sich gem¨aß der Zeitentwicklung ergeben. Zu jeder Zeit t gilt nach dem Liouvilleschen Satz ωt = ω0 . Da sich Phasenraumtrajektorien nicht schneiden k¨onnen, darf sich die Stromr¨ohre nicht selbst schneiden. Da das von der Stromr¨ohre eingenommene Volumen konstant anw¨achst (Satz von Liouville) verkleinert sich das der Stromr¨ohre zug¨angliche Volumen im Laufe der Zeit. Da das Gesamtvolumen des Phasenraum endlich ist, besteht ab einer gewissen endlichen Zeit nur die M¨oglichkeit, daß die Stromr¨ohre in ihren Ausgangspunkt zur¨ uckkehrt, sich also schließt. Da wir nun ω0 beliebig klein w¨ahlen k¨onnen und ~z0 in γ0 vorkommt, folgt die Aussage. Es ist nat¨ urlich immer m¨oglich, daß ein System an seinen Ausgangspunkt zur¨ uckkehrt ohne, daß das ganze zug¨angliche Phasenraumvolumen u berstrichen wurde. Die Erfahrung lehrt, daß dieses ¨ bei Systemen die wir im Rahmen der statitischen Mechanik beschreiben wollen die Ausnahme ist. Systeme die die Phasenraum-Hyperfl¨ache zur Energie E aussch¨opfen (d.h. die Trajektorien laufen f¨ ur große Zeiten durch jedes beliebig kleine Gebiet der Hyperfl¨ache), nennt man ergodisch. Die Zeit (Wiederkehrzeit), die ein System ben¨otigt, um wieder in seinen Ausgangspunkt zur¨ uckzukehren, kann f¨ ur Systeme mit vielen Freiheitsgraden sehr groß werden. L¨aßt man daher zuerst die Zahl der Teilchen N (und damit der Freiheitsgrade) gegen unendlich gehen und dann die Zeiten große werden, so wird keine Wiederkehr auftreten. Nur in diesem Sinn ist es m¨oglich eine irreversible Dynamik aus reversiblen mikroskopischen Bewegungsgleichungen zu erhalten. Der Limes N → ∞ wird dabei so ausgef¨ uhrt, daß die Dichte gleich bleibt. Wir betrachten also N → ∞, V → ∞, mit N/V =const.. Dies ist der thermodynamische Limes. Nach diesen Vor¨ uberlegungen wollen wir uns nun der Frage n¨ahern, ob die von uns bisher betrachteten Ensemblemittelwerte den in Experimenten meist betrachteten Zeitmittelwerten entsprechen. Im Gegensatz zu unserem bisherigen Vorgehen, w¨are es von der experimentellen Seite kommend plausibel folgende statistische Sichtweise anzunehmen: Der Versuch ein Vielteilchensystem vollst¨andig mikroskopisch in der Zeit zu verfolgen muß aufgegeben werden. Daher betrachtet man Meßgr¨oßen die u ¨ber hinreichend lange (im Vergleich zu mikroskopischen

4.1. MIKROSKOPISCHE DYNAMIK UND PHASENRAUM

121

¨ Anderungen, also z.B St¨oße) Zeiten gemittelt sind Z 1 t0 +τ (t0 ) ¯ fτ = f (~z(t))dt τ t0 wobei f = f (q1 , . . . qf , p1 , . . . pf ) eine Eigenschaft des Systems beschreibt (z.B. die instantane Kraft pro Fl¨ache). Wie in Kapitel 2 zerlegen wir den Phasenraum nun wieder in kleine Zellen (“coarse graining”) die kleiner als die “Meßgenauigkeit” sein sollen (untere Grenze ist das durch die Quantenmechanik vorgegebene Volumen (2π~)f ). Wir teilen das Zeitintervall [t0 , t0 + τ ] in kleine Intervalle der Gr¨oße ∆t und markieren die Phasenraumpunkte f¨ ur jeden Zeitschritt in Phasenraum ~z(t0 ), ~z(t1 ), . . . , ~z (t0 + τ ). Damit ergibt sich die relative Aufenthaltszeit des Systems in Phasenraumzelle r zu Nr ∆tr = , τ N wobei Nr die Zahl der Punkte (entsprechend unser Diskretisierung) in Phasenraumzelle r bezeichnet und N die Gesamtzahl der Punkte. Diese Gr¨oße k¨onnen wir auch wie folgt schreiben ∆tr = ρτ (~zr ) d2f zr , τ mit der Phasenraumdichteverteilung ρτ (~z ) und dem Volumen der Phasenraumzelle r, d2f zr . F¨ ur den Zeitmttelwert gilt dann f¯τ(t0 ) ≈

X

f (~zr )

r

∆tr X = f (~zr )ρτ (~zr )d2f zr τ r

und die Phasenraumdichte ist wegen 1=

X Nr r

N

=

X r

ρτ (~zr )dzr2f



Z

ρτ (~z )d2f z

normiert. Statt eines Zeitmittels u ¨ber die Phasenraumtrajektorie eines Systems betrachten wir nun ein Ensemble von identischen Systemen zu einem Zeitpunkt (z.B. t0 ), in dem die Wahrscheinlichkeit ein System in der Zelle r des Phasenraums zu finden durch ρτ (~zr )d2f zr gegeben ist. Gem¨aß Konstruktion des Ensembles bedeu(t ) tet dieses, daß f¯τ 0 auch durch den Ensemblemittelwert gegeben ist. Wir haben ¨ aber durch diese Uberlegungen noch nichts gewonnen, da sich das Ensemble ohne Kenntniss der Trajektorie nicht angeben l¨aßt. Auch die Anfangsbedingungen f¨ ur die Trajektorie sind nicht bekannt. Wir haben nun die Erwartung, daß das System f¨ ur große Zeiten einen von den Anfangsbedigungen unabh¨angiggen Gleichgewichtszustand anstrebt. Diese

122

KAPITEL 4. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK

wird f¨ ur die meisten Systeme (generische Systeme) von Interesse durch die Erfahrung best¨atigt. Die Erwartung ber¨ ucksichtigen wir durch die Annahme – die Ergodenhypothese – daß lim ρτ(t0 ) (~z) = ρ(~z )

τ →∞

existiert und unabh¨angig von t0 und der Anfangsbedingung ist. Das sich so ergebende ρ ist die Phasenraumdichte eines station¨aren Ensembles. Damit folgt Z 1 t0 +τ lim f (~z(t)) dt τ →∞ τ t 0 Z = f (~z)ρ(~z )d2f z .

hf i = f¯ =

¨ Die Idee hinter dieser Uberlegung ist, daß das System f¨ ur große τ die u ¨berwiegende Zeit im Gleichgewicht verbringt und der fr¨ uhe Beitrag zum Zetintegral daher vernachl¨assigbar ist. In einem n¨achsten Schritt untersuchen wir, wie das uns bereits gut bekannte mikrokanonische Ensemble ins Spiel kommt. Wir betrachten also wieder ein Vielteilchensystem mit Hamiltonfunktion H welches eine Energie im Interval [E, E + δE] haben soll. Die Bewegung sei durch keine weiteren Erhaltungsgr¨oßen eingeschr¨ankt (der Impuls eines Gases in einem endlichen Volumen ist z.B. aufgrund von St¨oßen mit der Wand nicht erhalten). Genauer sind die Translationsund Rotationsinvarianz im allgemeinen durch Randbedingungen gebrochen, nicht jedoch die Zeittranslationsinvarianz, da das Gleichgewicht nach Annahme unabh¨angig vom Anfangszustand bei t0 ist. Es gibt nun sehr viele Mikrozust¨ande, die zwischen den beiden Energiefl¨achen im Phasenraum liegen. Das System ¨andert seinen Mikrozustand (Phasenraumpunkt) durch St¨oße, ohne, daß sich die Dichte ρ(~z ) ¨andert (im Gleichgewicht). Damit kommen wir erneut zu der plausiblen Annahme, daß sich das System mit gleicher Wahrscheinlichkeit in jedem seiner zug¨anglichen Mikrozust¨ande befindet2 ρ(~z ) =



1 Ω(E)

0

f¨ ur E < H(~z) < E + δE , sonst

wobei Ω(E) =

Z

d2f z .

Ej beschrieben. Dabei bezeichnen ~xˆi bzw. ~pˆi die Orts- bzw. Implusoperatoren des i-ten Teilchens, V ein ¨außeres Potential und vi,j eine Zweiteilchenwechselwirkung (z.B. das Potential der Coulombwechselwirkung bei geladenen Teilchen). Da wir sp¨ater am Gleichgewicht interessiert sind, gehen wir schon jetzt davon aus, daß das ¨außere Potential zeitunabh¨angig ist. Die auftretenden Operatoren sind als Tensorprodukte zu verstehen, die auf einem Raum operieren, der sich als Produktraum der Hilbertr¨aume der einzelnen Freiheitsgrade ergibt. Der NTeilchenzustand wird durch den auf Eins normierten Vektor |ψi beschrieben; hψ| ψi = 1. Dieser Zustand erf¨ ullt die normerhaltende Schr¨odingergleichung i~

d ˆ |ψ(t)i |ψ(t)i = H dt

mit der Anfangsbedingung |ψ(t0 )i = |ψ0 i. Die Erwartungswerte von Observablen, ˆ gegeben sind, berechnen sich gem¨aß die durch selbstadjungierte Operatoren O D E ˆ (t) = hψ(t)| O ˆ |ψ(t)i . O 143

144

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

Der Satz {|ni} von Vielteilchenzust¨anden sei ein vollst¨andiges Orthonormalsystem des gegebenen Problems. Dabei bezeichne n einen Multiindex der alle Quantenzahlen umfaßt. Da wir zun¨achst Systeme mit endlichem Volumen betrachten, gehen wir davon aus, daß alle Quantenzahlen diskret sind. Dann l¨aßt sich jeder Zustand in der Form |ψi =

X n

cn |ni

mit cn = hn |ψi schreiben, wobei hn |mi = δn,m , 1 =

X n

|ni hn|

ausgenutzt wird. Die quantenmechanische Wahrscheinlichkeit das System bei einer Messung aller das vollst¨andige Orthonormalsystem festlegenden Observablen im Zustand |ni anzutreffen ist durch |hn |ψi|2 gegeben. Diese quantenmechanische Wahrscheinlichkeit ist dem einzelnen System inherent und ist daher von der durch eine Ensemblebeschreibung ins Spiel kommende Wahrscheinlichkeit zu unterscheiden. Das Konzept der Wahrscheinlichkeit ist auch z.B. dann in der Quantenmechanik unvermeidbar, wenn – wie wir bisher in diesem Kapitel angenommen haben – der Anfangszustand vollst¨andig bekannt ist. Wie in der klassischen statistischen Mechanik – und basierend auf identischen ¨ Uberlegungen – betrachten wir nun ein Ensemble von Systemen, die alle durch den gleichen Hamiltonoperator beschrieben werden. Zur willk¨ urlich gew¨ahlten Anfangszeit t0 seinen dieses die (auf Eins normierten) Zust¨ande |ψ1 (t0 )i , |ψ2 (t0P )i , . . .. Jeder komme mit der Wahrscheinlichkeit p1 , p2 , . . . im Ensemble vor, wobei i pi = 1 gilt. Diese Wahrscheinlichkeiten ¨andern sich zeitlich nicht, w¨ahrend die Dynamik der zugeh¨origen Zust¨ande durch die Schr¨odingergleichung gegeben ist. Der Mittelwert (oder Erwartungswert) einer Observablen ergibt sich dann zu D E X ˆ (t) = ˆ |ψi (t)i , O pi hψi (t)| O

(5.1)

i

hat also einen Beitrag durch die Ensemblebetrachtung und einen aufgrund der quantenmechanischen Beschreibung. Um ein quantenmechanisches Analogon der Wahrscheinlichkeitsdichte ρ(~x, p~) auf dem Phasenraum zu finden, schreiben wir den Erwartungswert Gl. (5.1) um.

5.1. DICHTEMATRIX UND VON NEUMANN-GLEICHUNG

145

Es gilt D E X ˆ (t) = ˆ |ψi (t)i O pi hψi (t)| O i

=

XX n,m

i

=

X n,m

=

X n,m

=

X n

ˆ |mi hm| ψi (t)i pi hψi (t)| ni hn| O X

hm|

i

|

!

ˆ |mi pi |ψi (t)i hψi (t)| |ni hn| O {z

=ˆ ρ(t)

ˆ |mi hm| ρˆ(t) |ni hn| O

}

ˆ |ni hn| ρˆ(t)O

h i ˆ , = Tr ρˆ(t)O mit der Spur eines Operators Aˆ TrAˆ =

X n

hn| Aˆ |ni ,

und der durch das Ensemble festgelegten Dichtematrix (dem statistischen Operator) ρˆ(t) =

X i

pi |ψi (t)i hψi (t)| .

Wir haben somit eine elegante Art gefunden den Erwartungswert einer Observablen zu schreiben. Wie wir gleich zeigen werden, ist die Spur und damit der Erwartungswert unabh¨angig vom gew¨ahlten vollst¨andigen Orthonormalsystem. ˆ um eine Observable handelt, ist es immer m¨oglich ein Da es sich bei O ˆ zu w¨ahlen. F¨ vollst¨andiges Orthonormalsystem aus Eigenzust¨anden zu O ur dieses ˆ gilt O |ni = on |ni. In dieser Basis gilt D E h i ˆ ˆ O (t) = Tr ρˆ(t)O X ˆ |ni = hn| ρˆ(t)O n

=

X n

on hn| ρˆ(t) |ni .

Die in diesem Ausdruck auftretenden Diagonalelemente der Dichtematrix k¨onnen

146

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

nach der Definitionsgleichung dieser als X

hn| ρˆ(t) |ni =

i

X

=

i

pi hn |ψi (t)i hψi (t)| ni pi |hn| ψi (t)i|2

geschrieben werden. Der zweite Faktor gibt dabei die (quantenmechanische) Wahrscheinlichkeit ein einzelnes System im Zustand |ni zu finden, w¨ahrend der erste die (Ensemble-)Wahrscheinlichkeit ist. Dies liefert eine alternative Sichtweise darauf, daß der obige Ausdruck in der Tat den Erwartungswert einer Observablen angibt. Die Dichtematrix (der statistische Operator) hat die wichtigen Eigenschaften (Normiertheit und Selbstadjungiertheit) Trˆ ρ(t) = 1 ,

ρˆ(t) = ρˆ† (t) ,

die man wir folgt beweist Trˆ ρ(t) =

X n

=

X

hn| ρˆ(t) |ni pi

i

=

X i

=

X

X n

hψi (t)| ni hn| ψi (t)i

pi hψi (t)| ψi (t)i pi

i

= 1, ρˆ† (t) =

X i

=

X i

=

X i

pi |ψi (t)i hψi (t)|

!†

p∗i (|ψi (t)i hψi (t)|)† pi |ψi (t)i hψi (t)|

= ρˆ(t) . Die Spur ist zyklisch invariant, d.h. es gilt ˆ = Tr(B ˆ A) ˆ , Tr(AˆB)

5.1. DICHTEMATRIX UND VON NEUMANN-GLEICHUNG

147

was man wie folgt sieht ˆ = Tr(AˆB)

X n

=

X n,m

=

X n,m

=

X m

ˆ |ni hn| AˆB ˆ |ni hn| Aˆ |mi hm| B ˆ |ni hn| Aˆ |mi hm| B ˆ Aˆ |mi hm| B

ˆ A) ˆ . = Tr(B ˆ (d.h. einen Operator mit Weiterhin gilt f¨ ur einen beliebigen unit¨aren Operator U −1 † ˆ ˆ U =U ) ˆ −1 AˆU) ˆ = Tr(U ˆ † AˆUˆ ) = Tr(Uˆ U ˆ † A) ˆ = TrAˆ . Tr(U Damit ist die Spur unabh¨angig von der gew¨ahlten Basis (dem gew¨ahlten vollst¨andigen Orthonormalsystem). Die zeitliche Dynamik der Dichtematrix ergibt sich aus der Schr¨odingergleichung. Mit i~

d ˆ |ψ(t)i |ψ(t)i = H dt

folgt −i~

d ˆ hψ(t)| = hψ(t)| H dt

und damit    X  d d d pi i~ |ψ(t)i hψ(t)| + i~ |ψ(t)i hψ(t)| i~ ρˆ(t) = dt dt dt i ˆ ρˆ(t) − ρˆ(t)H ˆ = H h i ˆ ρˆ(t) , = H,

mit dem Kommutator [. . . , . . .]. Dies ist das quantenmechanische Analogon zur klassischen Liouvillschen Gleichung (siehe Kapitel 4.1). Man bezeichnet die Bewegungsgleichung als von Neumann-Gleichung. Die Anfangsbedingung ist durch ρˆ(t0 ) = ρˆ0 gegeben. Da der Hamiltonoperator als zeitunahb¨angig angenommen wurde, kann die Schr¨odingergleichung einfach formal gel¨ost werden ˆ

|ψ(t)i = e−iH(t−t0 )/~ |ψ(t0 )i .

148

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

F¨ ur die formale L¨osung der von Neumann-Gleichung bedeutet dies X ρˆ(t) = pj |ψj (t)i hψj (t)| j

=

X j

ˆ

ˆ

pj e−iH(t−t0 )/~ |ψj (t0 )i hψj (t0 )| eiH(t−t0 )/~

ˆ −iH(t−t 0 )/~

= e

ˆ

ρˆ(t0 )eiH(t−t0 )/~ .

Man beachte, daß im Vergleich zur Zeitenwicklung eines Operators im Heisenbergbild andere Vorzeichen in dem Exponentialfaktoren auftreten. Wir kommen nun zur Frage der Entwicklung einer Dichtematrix in eine station¨are. Wie im klassischen Fall ist dieses ein diffiziler Punkt, der Gegenstand aktueller Forschung ist. Wir gehen davon aus (oder erwarten), daß sich die Dichtematrix nach dem Ausf¨ uhren des thermodynamischen Limes (um Wiederkehreffekte zu verhindern) f¨ ur hinreichend große Zeiten in eine station¨are Gleichgewichtsverteilung ρˆeq = lim lim ρˆ(t) t→∞ N →∞

entwickelt. Dieses sollte zumindest dann gelten, wenn nur Erwartungswerte eines Teilsystems (“lokale” Erwartungswerte) berechnet werden. Genauer wollen wir dieses Problem hier nicht diskutieren. Im station¨aren Fall folgt aus der von Neumann-Gleichung, daß ˆ ρˆeq ] = 0 , [H, d.h. die station¨are Dichtematrix vertauscht mit dem Hamiltonoperator. Damit ˆ eine gemeinsame Basis aus Eigenvektoren |ni haben ρˆeq und H ˆ |ni = En |ni , H

ρˆeq |ni = pn |ni

und ρˆeq =

X n

pn |ni hn|

in dieser Basis. In Analogie zum klassischen Fall erwarten wir, daß alle Zust¨ande zu gleicher Energie die gleiche Wahrscheinlichkeit haben, so daß pn = pm f¨ ur En = Em . Damit gehen wir davon aus, daß ρˆeq nur eine (operatorwertige) Funktion der ˆ sein wird,1 d.h. Erhaltungsgr¨oße H ˆ . ρˆeq = ρeq (H) Dies f¨ uhrt uns auf die Ensemble der Quantenstatistik. Bevor wir dazu kommen sei angemerkt, daß wir in diesem Kapitel keine Enschr¨ankung bez¨ uglich der Wechselwirkung zwischen unseren Teilchen getroffen haben (vergleiche mit Kapitel 2.3). 1

Aus den gleichen Gr¨ unden wie im klassischen Fall, spielen weitere Erhaltungsgr¨oße meist keine Rolle.

5.2. DIE ENSEMBLES DER QUANTENSTATISTIK

5.2

149

Die Ensembles der Quantenstatistik

Bei gegebener Energie, d.h. f¨ ur ein abgeschlossenes System ist das mikrokanonische Ensemble das relevante. Bei der Diskussion dieses k¨onnen wir noch direkter Kontakt mit dem Kapitel 2.3 herstellen, als es im klassischen Fall m¨oglich war, dar dieses ja prim¨ar auf den Quantenfall ausgerichtet war. Das betrachtete System habe ein Energie zwischen E und E + δE. Der Hamiltonoperator habe Energieeigenwerte En mit den Eigenzust¨anden |ni. Die Zahl der Zust¨ande im Energieintervall ist wieder Ω(E) = ρ(E)δE mit der Zustandsdichte ρ(E). Das mikrokanonische Ensemble ist durch den (Gleichgewichts) statistischen Operator X ρˆ = pn |ni hn| n

mit pn =



1 Ω(E)

0

E ≤ En ≤ E + δE sonst

definiert. Mit δ(E) ≈



1 δE

0

0 ≤ E ≤ δE sonst

folgt pn =

1 δ(E − En ) ρ(E)

und ρˆ =

1 1 X ˆ . δ(E − En ) |ni hn| = δ(E − H) ρ(E) n ρ(E)

Da die Summe u ¨ber alle pn Eins ergeben muß folgt X ˆ . ρ(E) = δ(E − En ) = Tr δ(E − H)

(5.2)

n

F¨ uhren wir wieder die Zahl der Zust¨ande Φ(E) mit Energie kleiner als E ein, so gilt X ˆ . Φ(E) = Θ(E − En ) = Tr Θ(E − H) n

¨ In einem n¨achsten Schritt machen wir uns klar, wie aus diesen Uberlegungen die Thermodynamik folgt. Dabei gehen wir v¨ollig analog wie am Anfang von

150

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

Kapitel 4.2 f¨ ur den klassischen Fall vor. Es gilt dΦ = = = = = = =

∂Φ ∂Φ dE + · d~a ∂E ∂~ a  ∂ ˆ ρ(E)dE + Tr Θ(E − H(~a)) · d~a ∂~a " # ∂ X ρ(E)dE + Θ(E − En (~a)) · d~a ∂~a n X ∂En (a) ρ(E)dE − δ(E − En (~a)) · d~a ∂~ a n # " ˆ a) ∂ H(~ ˆ a)) · d~a δ(E − H(~ ρ(E)dE − Tr ∂~a " # ˆ a) ∂ H(~ ρ(E)dE − ρ(E)Tr ρˆ · d~a ∂~a * + ˆ a) ∂ H(~ ρ(E)dE − ρ(E) · d~a . ∂~a

Der zweite Summand ist wie im klassischen Fall proportional zur Arbeit und es folgt v¨ollig analog zu den Schritten auf Seite 130, daß dE = d¯W + T dS , mit S = kB ln Ω ≈ kB ln Φ und T −1 = (∂S/∂E)N,~a . Es ist wichtig festzuhalten, daß der Gleichverteilungssatz der klassischen statistischen Mechanik in der Quantenstatistik im Allgemeinen nicht gilt. Nur im Limes hoher Temperaturen bzw. niedriger Dichten, in der die klassische statistische Mechanik und die Quantenstatistik identisch werden (siehe sp¨ater), ist der Gleichverteilungssatz anwendbar. Wir werden dieses sp¨ater genauer untersuchen. Wir betrachten nun wieder ein aus einem uns interessierenden Subsystem und einem W¨armebad zusamenngesetztes Gesamtsystem, wobei kein Teilchenaustausch m¨oglich sein soll. Dies f¨ uhrt auf das kanonische Ensemble. Aus den Vor¨ uberlegungen von Kapitel 2.11 und Kapitel 4.2 ist klar, daß der statistische Operator des Subsystems durch ρˆ =

1 −β Hˆ e , Z

β=

1 , kB T

mit der kanonischen Zustandssumme (Normierung!) ˆ

Z = Tr e−β H ,

5.2. DIE ENSEMBLES DER QUANTENSTATISTIK

151

gegeben ist. Die das Ensemble definierende Wahrscheinlichkeit eines Energieeigenzustandes |ni ist durch (vergleiche Kapitel 2.11) pn = hn| ρˆ |ni =

1 −βEn e Z

gegeben. Mit der Spur ausgef¨ uhrt in der Basis der Energieeigenzust¨ande (des Subsystems) folgt f¨ ur die Zustandssumme X Z= e−βEn . n

Diese l¨aßt sich auch u ¨ ber die Zustandsdichte (des Subsystems) Gl. (5.2) als Z Z = ρ(E)e−βE dE schreiben. Ist somit das Eigenwertproblem (die zeitunabh¨angige Schr¨odingergleiˆ |ni = En |ni gel¨ost, so kann Quantenstatistik betrieben werden. chung) H Basierend auf diesen Grund¨ uberlegungen k¨onnen alle weiteren Schritte hin zur Thermodynamik wie im klassischen Fall (Kapitel 4.2) gegangen werden. V¨ollig ¨ analog kann man auch die Aussagen u mit dem mikrokano¨ber die Aquivalenz nischen Ensemble im Limes großer N (Fluktuationen!) zeigen. Das thermodynamische Potential des kanonischen Ensembles ist wie gehabt die freie Energie F = F (T,DV, N) E = −kB T ln Z(T, V, N). Die Entropie ist durch S = (U − F )/T ˆ ) gegeben. (mit U = H Wir betrachten die Wahrscheinlichkeit pn im Limes kleiner Temperaturen β → ∞. Wir nehmen zun¨achst an, daß der Grundzustand des Vielteilchensystems nicht entartet ist. In diesem Fall gilt e−βEn lim P −βEm β→∞ me e−β(En −E0 ) = lim P −β(Em −E0 ) β→∞ me = δn,0 ,

pn =

mit der Grundzustandsenergie E0 . Ist der Grundzustand g-fach entartet, so hat im Limes T → 0 jeder der Zust¨ande die gleiche Wahrscheinlichkeit 1/g. Angeregte N-Teilchen Zust¨ande k¨onnen nur besetzt werden, wenn der Abstand ∆E zum Grundzustand von der Ordnung kB T oder kleiner ist. Man spricht dann von der thermischen Anregung eines (Sub-)Systems durch die Wechselwirkung mit dem W¨armebad. Dieses Kapitel abschließend betrachten wir wieder ein Subsystem im Kontakt mit einem W¨arme- und Teilchenreservoir, was auf das großkanonische Ensemble

152

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

¨ f¨ uhrt. Aus den Uberlegungen aus Kapitel 4.2 ist offensichtlich, daß die Dichtematrix des (Sub-)Systems bei fester Teilchzahl N durch ρˆN =

1 −β(H−µN ˆ ) e , Zgk

mit der großkanonischen Zustandssumme Zgk =

∞ X

ˆ

ˆ

ˆ

TrN e−β(H−µN ) = Tr e−β(H−µN ) ,

N =0

gegeben ist. Dabei bezeichnet TrN die Spur bez¨ uglich aller Vielteilchenzust¨ande bei festem N und Tr die Summe u ¨ber alle N-Teilchen Spuren. Der Operator ˆ N ist der Teilchenzahloperator (siehe Vorlesung Theoretische Physik III). Der auftretende Hamiltonoperator versteht sich als einer f¨ ur N Teilchen. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich N-Teilchen im Energieeigenzustand |n(N)i befinden ist durch pn (N) = hn(N)| ρˆ |n(N)i =

1 −β[En (N )−µN ] e Zgk

gegeben, wobei wir den Operator (mit Teilchenzahloperator!) ρˆ =

1 −β(H−µ ˆ ˆ) N e Zgk

verwendet haben. Mit der Spur ausgef¨ uhrt in der Basis der Energieeigenzust¨ande (des Subsystems) folgt f¨ ur die Zustandssumme Zgk =

∞ X X

N =0

e−β[En(N )−µN ] .

n

Diese l¨aßt sich auch u ¨ ber die Zustandsdichte (des Subsystems) Gl. (5.2) als Zgk =

∞ Z X

ρ(E, N)e−β[E−µN ] dE

N =0

schreiben. Basierend auf diesen Grund¨ uberlegungen k¨onnen alle weiteren Schritte hin zur Thermodynamik wie im klassischen Fall (Kapitel 4.2) gegangen werden. V¨ollig ¨ analog kann man auch die Aussagen u mit dem mikrokano¨ber die Aquivalenz nischen und dem kanonischen Ensemble im Limes großer N (Fluktuationen!) zeigen. Das thermodynamische Potential des großkanonischen Ensembles ist wie gehabt das großkanonische Potential J = J(T, V, µ) =D−kEB T ln Zgk (T, V, µ). Die ˆ ) gegeben. Entropie ist durch S = (U − µ hNi − J)/T (mit U = H

5.3. FERMI-DIRAC UND BOSE-EINSTEIN VERTEILUNG

153

Wir betrachten nun wieder den Limes kleiner Temperaturen T → 0. In diesem Fall stellt sich der Zustand so ein, daß En (N) − µN (mit µ fest und n sowie N variabel) minimal wird (Exponentialfaktor!). F¨ ur festes N bedeutet dies, daß En (N) die Grundzustandsenergie E0 (N) wird. Die Teilchenzahl stellt sich also so ein, daß E0 (N) − µN minimal (station¨ar) wird, also E0 (N − 1) − µ(N − 1) ≈ E0 (N) − µN ≈ E0 (N + 1) − µ(N + 1) . Damit ergibt sich µ(T = 0) ≈ E0 (N + 1) − E0 (N) ≈ E0 (N) − E0 (N − 1) . ¨ Bei T = 0 ist das chemische Potential also gleich der Anderung der Grundzustandsenergie, wenn man dem System ein Teilchen hinzuf¨ ugt.

5.3

Fermi-Dirac und Bose-Einstein Verteilung

Wir werden nun ideale Quantengase, also freie Teilchen ohne Wechselwirkung, betrachten. Die N Teilchen seien ununterscheidbar und im Volumen V = L3 (einfachheitshalber!) eingeschlossen. Wir gehen von periodischen Randbedingungen ˆ f¨ aus.2 Der Hamiltonoperator H ur N Teilchen ist eine Summe u ¨ber Einteilchenˆ hamiltonoperatoren h ˆN = H

N X

h(~xˆi , ~pˆi , ~sˆi ) ,

i=1

¨ wobei wir verglichen mit unserer vorherigen Uberlegungen den Spinoperator ~sˆi des i-ten Teilchens hinzugef¨ ugt haben. Das Eigenwertproblem zum Einteilchenhamiltonoperator sei durch ˆ |αi = ǫα |αi h gegeben. Dabei bezeichnet α die Einteilchenquantenzahlen. F¨ ur freie Teilchen mit Masse m und Spin s gilt

mit

2

E E ˆ2 ˆ = ~p , h ˆ ~k, σ = ǫ~ ~k, σ , h k 2m E E ~ k, σ = ~k ⊗ |σi ,

E

1 ~ h~x| ~k = √ eik·~x V

ǫ~k =

~2~k 2 2m



 n1 2π  n2  , ni ∈ Z , ~k = L n3

Im thermodynamischen Limes spielen die Randbedingungen keine Rolle mehr.

154

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

und sˆ3 |σi = ~σ |σi ,

σ = −s, −s + 1, . . . , s .

ˆ N k¨onnen Produktzust¨ande F¨ ur die Vielteilcheneigenzust¨ande von H |α1 , α2 , . . . , αN i = |α1 i ⊗ |α1 i ⊗ . . . ⊗ |αN i angesetzt werden. Wegen der Ununterscheidbarkeit3 m¨ ussen diese dann je nachdem ob Fermionen oder Bosonen vorliegen noch antisymmetrisiert (Index “-”) oder symmetrisiert (Index “+”) werden (siehe Vorlesung Theoretische Physik III). Es gilt |α1 , α2 , . . . , αN i∓ =



N! Q α nα !

1/2

1 X (∓1)p αP (1) , αP (2) , . . . , αP (N ) , N! P

wobei P eine (der N!) Permutation(en) der Zahlen 1, . . . , N ist und p = 0 gilt, wenn P eine gerade Permutation ist4 bzw. p = 1, wenn P eine ungerade Permutation ist. Weiterhin bezeichnet nα die Zahl der αi mit αi = α. Man bezeichnet nα als die Besetzungszahl des Einteilchenzustands mit Quantenzahl α. F¨ ur Fermionen kann nα nur die Werte 0 und 1 annehmen (Pauli-Prinzip) und f¨ ur Bosonen die Werte 0, 1, 2, . . .. Die nα m¨ ussen die Nebenbedingung X N= nα (5.3) α

erf¨ ullen. Jeder Vielteilcheneigenzustand kann somit durch die Besetzungszahlen nα bez¨ uglich der Einteilchenbasis {|αi} eindeutig charakterisiert werden. F¨ ur unser wechselwirkungsfreies Vielteilchenproblem gilt ˆ N |α1 , α2 , . . . , αN i = E |α1 , α2 , . . . , αN i H ∓ ∓ mit E=

X α

ǫα nα ,

N=

X

nα .

α

Die Formulierungen am Anfang dieses Kapitels legen nahe, daß wir am kanonischen Ensemble interessiert sind. Die Nebenbedingung Gl. (5.3) impliziert jedoch, daß sich die zugeh¨orige Zustandssumme nicht einfach berechnen l¨aßt. Daher w¨ahlen wir das großkanonische Ensemble um die Zustandssumme und damit die ganze Quantenstatistik (und Thermodynamik) zu berechnen. Wir erinnern 3

Diese impliziert, daß es keinen Sinn macht die Frage zu stellen, in welchem Einteilchenzustand ein bestimmtes Teilchen ist, sondern nur die Frage, mit wievielen Teilchen ein bestimmter Einteilchenzustand besetzt ist. 4 Also aus einer gerade Anzahl von Paarvertauschungen zusammengesetzt ist.

5.3. FERMI-DIRAC UND BOSE-EINSTEIN VERTEILUNG

155

daran, daß im Limes großer N beide Ensemble a¨quivalent werden. Trotzdem muß man die Verwendung des großkanonischen Ensembles an dieser Stelle als “Trick” auffassen. In dem meisten Situationen von experimentellem Interesse, findet zwar ein W¨armeaustausch mit der Umgebung, jedoch kein Teilchenaustausch statt. Im großkanonischen Ensemble m¨ ussen die Besetzungszahlen aufgrund der Summe u ber alle N nur noch die Bedingung nα = 0, 1 f¨ ur Fermionen bzw. nα ∈ N0 f¨ ur ¨ Bosonen erf¨ ullen. Es gilt ∞ X

Zgk =

ˆ

TrN e−β(H−µN )

N =0 ∞ X

=

X

e−β (

P

α ǫα nα −µ

P

α

nα )

N =0 {nα }: α nα =N X P −β α (ǫα −µ)nα

=

P

e

{nα }

XY

=

e−β(ǫα −µ)nα

{nα } α

YX

=

α

e−β(ǫα −µ)nα .



Damit l¨aßt sich Zgk als Produkt von einzelnen Zα schreiben Y X Zgk = Zα , Zα = e−β(ǫα −µ)n . α

n

F¨ ur Fermionen folgt Zα =

1 X

e−β(ǫα −µ)n = 1 + e−β(ǫα −µ)

(5.4)

n=0

und f¨ ur Bosonen Zα =

∞ X

e−β(ǫα−µ)n =

n=0

1 1−

e−β(ǫα −µ)

,

(5.5)

wobei diese Summe nur f¨ ur ǫα > µ konvergiert. F¨ ur Bosonen m¨ ussen wir also die Bedingung µ < min ǫα = ǫ0 einf¨ uhren. Setzen wir den (willk¨ urlichen) Nullpunkt der Einteilchenenergien so fest, daß ǫ0 = 0, so folgt µ 0 ein Maß f¨ ur die abstoßenden Wechselwirkung zwischen den Teilchen und a > 0 eines f¨ ur die anziehende Komponente dieser. Den Ausdruck f¨ ur den Druck im Quantengas kann man also so interpretieren, daß die Antisymmetrisierung f¨ ur Fermionen (also das Pauli-Prinzip) zu einer effektiven Abstoßung

5.4. KLASSISCHER LIMES UND VIRIALENTWICKLUNG

163

und die Symmetrisierung f¨ ur Bosonen zu einer effektiven Anziehung der Teilchen f¨ uhrt. Abschließend wollen wir noch die innere Energie (exakt – also ohne Entwicklung) berechnen. Es gilt (siehe Seite 139) D E ˆ = − ∂ ln Z˜gk (β, V, α) = ∂ βJ(β, V, z) H ∂β ∂β  X ∞ ∂ 1 (∓1)j j = ±(2s + 1)V z ∂β λ3T j=1 j 5/2

U =



−3kB T /2 X (∓1)j j z = ±(2s + 1)V λ3T j 5/2 j=1

3 = − J. 2 Somit folgt

3 3 U = − J = PV 2 2



P =

2 nu , 3

u=

U . N

(5.16)

Setzen wir jetzt die Entwicklung f¨ ur den Druck bis zur zweiten Ordnung ein, so ergibt sich    3P 3 1 nλ3T 3 2 . u= = kB T 1 ± 5/2 + O [nλT ] 2 n 2 2 2s + 1

(5.17)

Damit wird verglichen mit dem Ergebnis f¨ ur das klassische ideale Gas die inneren Energie (pro Teilchen) f¨ ur Fermionen erh¨oht und f¨ ur Bosonen erniedrigt. Dies ist konsistent mit der obigen Interpretation einer effektiv abstoßenden bzw. anziehenden Wechselwirkung. Die einfache Beziehung P = 2nu/3 zwischen dem Druck und der inneren Energie l¨aßt sich auf andere (als quadratische) Dispersionsrelationen und andere (als drei) Dimensionen verallgemeinern. Wir zeigen folgend, daß f¨ ur ǫ~k ∼ |~k|κ f¨ ur das d-dimensionale ideale Quantengas

P =

κ nu d

164

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

gilt. Dies sehen wir f¨ ur große V → ∞ wie folgt (hˆ nα i = n(ǫk )) J = ±kB T (2s + 1) ≈ ±kB T (2s + 1) = ±kB T (2s + 1) = = = = ≈ = =

X ~k





ln [1 ∓ n(ǫk )]

L 2π L 2π

d Z d

Z

0



k d−1 ln [1 ∓ n(ǫk )] dk

  Z ∞ ∞ d 1 L d d−1 k ln [1 ∓ n(ǫk )] 0 − k k ln [1 ∓ n(ǫk )] dk od ±kB T (2s + 1) 2π d dk 0  d Z ∞ L ∂ǫk n′ (ǫk ) 1 kB T (2s + 1) k d−1 k od dk 2π d 0 ∂k 1 ∓ n(ǫk )  d Z 1 ∞ d−1 L k κǫk βn(ǫk )dk od −kB T (2s + 1) 2π d 0  d Z ∞ κ L − (2s + 1) od k d−1 ǫk n(ǫk )dk d 2π 0 κX ǫk n(ǫk ) − d ~k,σ D κ ˆE − H d κ − U. d 

d

od

ln [1 ∓ n(ǫk )] dd k

Dabei bezeichnet od die von den Winkelintegrationen stammende Konstante. Wegen J = −P V folgt daraus die Behauptung. Die verallgemeinerte Beziehung werden wir sp¨ater nutzen um den sogenannten Strahlungsdruck elektromagnetischer Wellen (Photonen) zu berechnen. Nachdem wir erfolgreich Kontakt mit der klassischen statistischen Mechanik (Thermodynamik) eines idealen Gases gemacht haben, wollen wir nun den entgegengesetzten Limes betrachten und ein (extremes) Quantenph¨anomen – die Bose-Einstein Kondensation – untersuchen.

5.5

Die Bose-Einstein Kondensation

Wir wollen uns f¨ ur Bosonen (also das ideale Bosegas) aus dem klassischen Limes kommend (d.h. von hohen Temperaturen) dem Bereich n¨ahern, in dem Quanteneffekte dominieren. Zur Vereinfachung wollen wir uns hier auf den Fall s = 0 beschr¨anken. In der folgenden Skizze ist die aus Gl. (5.15) folgende Temperatu-

165

5.5. DIE BOSE-EINSTEIN KONDENSATION rabh¨angigkeit des chemischen Potenials des idealen Gases bei fester Dichte µ 3 T T0 1 ≈ ln − 3/2 kB T0 2 T0 T 2



T0 T

1/2

,

die die erste Korrektur zum klassischen Ergebnis enth¨alt, mit ebend diesem (erster Summand in obiger Gleichung) verglichen. Wir haben dabei die charakteristische Temperatur T0 gem¨aß 

T0 T

3/2

= nλ3T

eingef¨ uhrt.

µ/(kBT0)

0

?

-2 -4 -6 -8 0

klassisch erste qm Korrektur

1

2

3

4

T/T0

Die Korrektur ist negativ, so daß sich f¨ ur T /T0 → ∞ die quantenmechanische Kurve der klassische von unten ann¨ahert. Wie wir bereits festgestellt haben, muß f¨ ur Bosonen µ < 0 gelten und es stellt sich die Frage, der T -Abh¨angigkeit von µ bei kleinen T (Bereich des Fragezeichens in der Skizze). Analog ist in der folgenden Skizze der aus Gl. (5.17) folgende Ausdruck f¨ ur die spezifische W¨arme (pro Teilchen) cV = du/dT mit der ersten quantemechanischen Korrektur cV 3 3 1 = + kB 2 4 25/2



T0 T

3/2

mit dem klassischen Ergebnis cV /kB = 3/2 verglichen.

166

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

cV/kB

2

? 1.5 klassisch erste qm Korrektur

0

1

2

3

4

T/T0

In diesem Fall ist die Korrektur positiv. Wir werden beide Skizzen sp¨ater vervollst¨andigen. Um uns dem Bereich kleiner T zu n¨ahern, betrachten wir den Ausdruck f¨ ur die mittlere Teilchenzahl Gl. (5.12) D E X 1 ˆ = N . βǫ −1 e ~k − 1 z ~ k

Mit der Einteilchenzustandsdichte (f¨ ur große V ) X g(ǫ) = δ(ǫ − ǫk ) ~k

Z ∞ √ V 2 m 4π δ(k − k(ǫ)) , k(ǫ) = k 2mǫ/~ ≈ (2π)3 ~2 k 0 V m3/2 √ = √ ǫ 2π 2 ~3 | {z } =c

folgt

Z D E ˆ N =c

0





ǫ

z −1 eβǫ

−1

dǫ .

(5.18)

D E ˆ (f¨ Damit dieses Integral den fest vorgegebenen Wert N ur feste Dichte!) bei abnehmenden T erreichen kann, muß µ anwachsen. DaDaber E µ < 0 gelten muß, ˆ nicht mehr erreicht gibt es eine Temperatur Tc , wobei f¨ ur T < Tc der Wert N

5.5. DIE BOSE-EINSTEIN KONDENSATION

167

wird. Aus dieser Forderung l¨aßt sich Tc berechnen. Bei Tc gilt µ = 0 also z = 1, so daß √ Z ∞ D E V m3/2 ǫ ˆ N = √ dǫ ǫ/(k T )−1 c B 2 3 2π ~ 0 e Z ∞ 1/2 x V m3/2 3/2 dx (kB Tc ) = √ x e −1 2π 2 ~3 0 V m3/2 √ (kB Tc )3/2 Γ(3/2)ζ(3/2) , = 2 3 2π ~ √ mit der Riemannschen Zeta-Funktion ζ(x). Es gilt Γ(3/2) = π/2 und ζ(3/2) = 2.612 . . .. Daraus folgt kB Tc ≈ 3.313

~2n2/3 . m

¨ Bei dieser Uberlegung ist es wichtig, daß das Integral auf der rechten Seite von Gl. (5.18) an der unteren Grenze nicht divergiert. Dieses ist in zwei bzw. einer Raumdimension mit Einteilchenzustandsdichten g(ǫ) ∼ ǫ0 bzw. g(ǫ) ∼ ǫ−1/2 (siehe unten) nicht der Fall, so daß in d = 1, 2 die mittlere Teilchenzahl mit einem kleinen −µ > 0 bei allen T > 0 konstant gehalten werden kann. Somit gibt es in d = 1, 2 kein Tc > 0 im obigen Sinne. Mit Gl. (5.16) erhalten wir analog Z ∞  √ V m3/2 2 D ˆE 2 PV H = U. = −√ ǫ ln 1 − ze−βǫ dǫ , P V = kB T 3 3 2π 2 ~3 0 D E ˆ nicht mehr konstant gehalten werden kann, deutet auf ein Problem Das N ¨ bei der bisherigen Analyse hin. Durch den Ubergang zur Zustandsdichte und dem Integral u ¨ ber ǫ hat der Grundzustand mit ǫ = 0 das statistische Gewicht Null bekommen. Das stellt ein Problem dar, da bei T = 0 alle (wechselwirkungsfreien) Bosonen sich in gerade diesem Einteilchzustand befinden sollten. Wir modifizieren daher unser obiges Vorgehen und behandeln den Einteilchenzustand mit ǫ = 0 getrennt (bevor wir die Zustandsdichte und ein Integral einf¨ uhren). Dies f¨ uhrt auf D E √ Z ∞ ˆ N m3/2 ǫ 1 z = √ dǫ + , V V 1−z 2π 2 ~3 0 z −1 eβǫ − 1 Z ∞  1 √ P m3/2 ǫ ln 1 − ze−βǫ − ln(1 − z) . = −√ kB T V 2π 2 ~3 0 Im (klassischen) Limes nλ3T ≪ 1 gilt z ≪ 1 und damit ln(1 − z)/V ≪ 1 sowie z/[V (1 − z)] ≪ 1. Die abgetrennten Terme k¨onnen also vernachl¨assigt werden (wie zu erwarten war). Im “Quantenlimes” nλ3T ≈ 1 gilt dagegen N0 1 z = = O(1) , V 1−z V

168

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

mit der Zahl der Bosonen N0 im Einteilchengrundzustand. F¨ ur T → 0 wird der Einteilchenzustand mit ǫ = 0 makroskopisch besetzt. Wie wir jetzt zeigen werden, k¨onnen wir f¨ ur die weiteren Rechnungen den abgespaltenen Term zum Ausdruck f¨ ur den Druck trotzdem vernachl¨assigen. Es gilt



N0 z = N0 ⇒ z = , 1−z N0 + 1     1 1 1 N0 1 − ln(1 − z) = − ln 1 − = ln (1 + N0 ) = O ln V . V V N0 + 1 V V

F¨ ur große V geht dieser Term gegen Null und kann daher gegen¨ uber dem Integral vernachl¨assigt werden. Wir betrachten daher folgend Z ∞  √ m3/2 P 3/2 √ = − (kB T ) x ln 1 − ze−x dx kB T 2π 2 ~3 0 Z ∞ 3/2 1 4 x dx = 3 √ −1 λT 3 π 0 z ex − 1 1 = 3 F5/2 (z) , λT mit 1 Fn (z) = Γ(n)

Z

∞ 0

xn−1 dx . z −1 ex − 1

Von der ersten zur zweiten Zeile haben wir eine partielle Integration ausgef¨ uhrt. F¨ ur die innere Energie (wichtig f¨ ur die spezifische W¨arme; siehe oben) ergibt sich 3 1 U = kB T V 3 F5/2 (z) . 2 λT F¨ ur die Teilchezahl in angeregten Einteilchenzust¨anden ergibt sich D E ˆ − N0 N 1 = 3 F3/2 (z) . V λT F¨ ur z ≪ 1 kann man diese Ausdr¨ ucke auswerten und erh¨alt die uns schon bekannten Ergebnisse f¨ ur den klassischen Limes und die f¨ uhrenden Quantenkorekturen. Wir werten den Ausdruck f¨ ur die Teilchenzahl f¨ ur T ≤ Tc aus. Es ist dabei “nat¨ urlich” anzunehmen, dass soviele Teilchen wie m¨oglich in angeregten Einteilchenzust¨anden sind, wobei µ praktisch Null ist. Damit folgt D E ˆ − N0 N 1 1 = 3 F3/2 (1) = 3 ζ(3/2) V λT λT "   3/2 # D E D E D E 1 mk 3/2 B ˆ 1− T ˆ − N ˆ . ζ(3/2)T 3/2 = N ⇒ N0 = N 2 n 2π~ Tc

169

5.5. DIE BOSE-EINSTEIN KONDENSATION

Es best¨atigt sich also, daß der Einteilchengrundzustand f¨ ur T < Tc makroskopisch besetzt ist. F¨ ur z folgt aus diesem Ergebnis z=

N0 1 1 = =1− + O(N0−2 ) , 1 + N0 1 + 1/N0 N0

also im thermodynamischen Limes z = 1 f¨ ur T ≤ Tc , d.h. konsistenterweise µ = 0. Damit k¨onnen wir die Skizze der Temperaturabh¨angigkeit des chemischen Potentials vervollst¨andigen.

µ/(kBTc)

0 -2 -4 -6 -8 0

1

2

3

4

T/Tc

Nachfolgend ist die Besetzung des Einteilchengrundzustands als Funktion der Temperatur skizziert (im thermodynamischen Limes).

1

N0/

0.8 0.6 0.4 0.2 0 0

0.5

1

T/Tc

1.5

170

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

F¨ ur den Druck folgt bei T ≤ Tc P 1 = 3 ζ(5/2) kB T λT



P ∼ T 5/2 ,

mit einer Proportionalit¨atskonstanten die Unabh¨angig von der Dichte (dem Volumen) ist. Man spricht daher von einer Kondensation. F¨ Dur Efestes T (Isotherme) ˆ fest) ergibt sich die Kondensation beim kritischen Volumen ( N λ3T V D cE = ∼ T −3/2 . ζ(3/2) ˆ N Dieses Verhalten is folgend skizziert.

P

T2 T1

T2 > T1

Vc,2 Vc,1

V

Wir untersuchen jetzt die spezifische W¨arme f¨ ur T ≤ Tc . Es gilt 3 3 1 ∂ T 15 1 1 1 ∂P V cv = D E = ζ(5/2) = ζ(5/2) ∼ T 3/2 . 3 3 kB 2 N 2n ∂T λT 4 n λT ˆ kB ∂T Bei T = Tc gilt cv 1 15 λ3Tc ζ(5/2) 15 ζ(5/2) 15 Vc 3 D E ζ(5/2) 3 = = = = 1.925 . . . > . 3 kB 4 N λTc 4 ζ(3/2) λTc 4 ζ(3/2) 2 ˆ Damit k¨onnen wir die Skizze f¨ ur cV teilweise vervollst¨andigen.

171

5.5. DIE BOSE-EINSTEIN KONDENSATION

2

?

3/2

~T

-3/2

~T

cV/kB

1.5 1 0.5 0 0

1

2

3

4

T/Tc

Aus Zeitgr¨ unden wollen wir hier darauf verzichten, die durch das Fragezeichen indizierte “L¨ ucke” in der Temperaturabh¨angigkeit der spezifischen W¨arme durch eine analytische Rechnung zu schließen. Im L2 P finden sie einige handschriftliche Notizen in der die entsprechende Diskussion (teilweise) gef¨ uhrt wird. Wie dort gezeigt, ist cV bei T = Tc stetig, aber die erste Ableitung macht einen Sprung. Bei Tc entsteht eine “Spitze”. Man kann die Bose-Einstein Kondensation eines wechselwirkungsfreien (!!) Bosegases (in vielerlei Hinsicht) als Phasen¨ ubergang D E betrachten. Dabei ist die ˆ der Ordnungsparamter. F¨ Besetzung des Einteilchengrundzustands N0 / N ur D E ˆ im thermodynamischen Limes, w¨ahrend diese T > Tc verschwindet N0 / N Gr¨oße f¨ ur T < Tc einen endlichen Wert annimmt. Sie korrespondiert zu der ¨ Magnetisierung in dem magnetischen Phasen¨ ubergang, den sie in einer Ubungsaufgabe untersucht haben. Die makroskopische Besetzung des Einteilchengrundzustandes verschwindet in der N¨ahe von Tc wie (Tc − T )/Tc , so daß der kritische ¨ Exponent des Ordnungsparameters β = 1 ist. Da die spezifische W¨arme am Ubergang stetig ist, handelt es sich um einen kontinuierlichen Phasen¨ubergang (auch Phasen¨ ubergang 2. Ordnung). Der Phasen¨ ubergang zeigt sich in einer Nichtanalytizit¨at der spezifische W¨arme als Funktion von T (hier als Sprung der ersten Ableitung von cV nach T ). Dieses Verhalten kann man zu dem an einem Phasen¨ ubergang 1. Ordnung (mit latenter W¨arme) kontrastieren, wie es uns exemplarisch im Phasendiagramm von Wasser begegnet ist. Es ist wichtig festzuhalten, daß Nichtanalytizit¨aten und damit Phasen¨ uberg¨ange nur nach Ausf¨ uhren des thermodynamischen Limes auftreten k¨onnen. Die Bose-Einstein Kondensation wurde bereits 1925 durch Einstein vorhergesagt. Der experimentelle Nachweis gelang jedoch erst 1995 an verd¨ unnten Gasen

172

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

von Alkaliatomen. Daf¨ ur erhielten Cornell, Wieman und Ketterle 2001 den Nobelpreis. Die Kondensation w¨are jedoch ohne die Vorarbeiten zur sogenannten Laserk¨ uhlung von Chu, Cohen-Tannoudji und Philips unm¨oglich gewesen, die daher zuvor, n¨amlich 1997, den Nobelpreis erhalten hatten. Auch der Nobelpreis an H¨ansch im Jahre 2005 ist im Zusammenhang mit Experimenten an kalten Atomgasen zu sehen.

5.6

Das entartete Fermigas

Wir betrachten nun ein Gas von Fermionen (mit halbzahligem Spin s) im Quantenlimes kB T ≪ µ (also Fugazit¨at z ≫ 1), d.h. bei hoher Dichte bzw. tiefer Temperatur. Im Vergleich zu Bosonen kann µ hier positiv sein. Die Fermi-Dirac Verteilung  1 1 f¨ ur ǫα < µ , |ǫα − µ| ≫ kB T hˆ nα i = β(ǫα −µ) → 0 f¨ ur ǫα > µ , |ǫα − µ| ≫ kB T e +1 hat dann die skizzierte Form.

~kBT

1



0.8 0.6

0.4 0.2 0 0

1

εα/µ

2

F¨ ur T = 0 erh¨alt man eine Stufenfunktion hˆ nα i|T =0 = Θ(µ(T = 0, n) − ǫα ) , d.h. alle Einteilchenniveaus bis zur sogenanten Fermienergie ǫF (n) = µ(T = 0, n)

3

5.6. DAS ENTARTETE FERMIGAS

173

sind einfach besetzt (ǫα < ǫF ), alle anderen unbesetzt. Man bezeichnet diese Situation als das entartete Fermigas. Zum Vergleich betrachten wir den klassischen Grenzfall mit z ≪ 1, also −µ/(kB T ) ≫ 1. Da (nach Konvention; siehe oben) alle ǫα ≥ 0 sind in diesem Limes alle Einteilchenniveaus nur exponentiell klein besetzt hˆ nα i|klassisch ∼ e−β(ǫα −µ) ≪ 1 .

Eine der Bedeutungen des entarteten Fermigases liegt darin begr¨ undet, daß f¨ ur Elektronen in (normalen) Metallen die Bedingung kB T ≪ µ bei Zimmertemperatur sehr gut erf¨ ullt ist ǫF ≈ 10eV ≈ kB 105 K ≫ kB 300K . Dabei spielt es (erstaunlicherweise) keine entscheidenen Rolle, daß die Elektronen in Metallen aufgrund der relativ hohen Dichte eine große Elektron-ElektronWechselwirkung haben. Im Rahmen der sogenannten Fermifl¨ussigkeitstheorie kann man zeigen, daß die Elektronen in normalen Metallen effektiv durch ein wechselwirkungsfreies entartetes Fermigas beschreibbar sind. Genauer untersucht man diese Frage in einer Vorlesung zur Festk¨orperphysik bzw. quantenmechanischen Vielteilchentheorie. Wir betrachten nun wieder das Beispiel freier Teilchen der Masse m, mit Spin s und quadratischer Einteilchendispersion. Die Dichteabh¨angigkeit der Fermienergie kann nun leicht berechnet werden. Wegen ~2~k 2 , 2m sind bei T = 0 alle ~k-Zust¨ande mit k = |~k| < kF besetzt, wobei jeder Einteilchen~k-zustand (2s + 1)-fach entartet ist. Der Fermiwellenvektor kF ist durch ǫF = ~2 kF2 /(2m) definiert. ~kF = pF bezeichnet den Fermiimpuls und vF = pF /m die Fermigeschwindigkeit. Da jeder ~k-Vektor ein Volumen (2π/L)d einnimmt und (2s + 1)-fach besetzt ist, folgt D E ˆ N Volumen der Fermikugel = Zahl der ~k-Vektoren in der Fermikugel = . 2s + 1 (2π/L)d D E d ˆ /V ergibt sich Mit V = L und n = N D E  2 1/3 ˆ N 4πkF3 /3 V kF3 6π n d=3: , = = ⇒ kF = 3 2 2s + 1 (2π/L) 6π 2s + 1 D E 1/2  ˆ N πkF2 V kF2 4πn = = ⇒ kF = , d=2: 2s + 1 (2π/L)2 4π 2s + 1 D E ˆ N 2kF V kF πn d=1: = = ⇒ kF = 2s + 1 2π/L π 2s + 1 ǫ~k =

174

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

und damit  ur d = 3  (6π 2 )2/3 f¨ n ~ = × 4π f¨ ur d = 2 . ǫF =  2m 2m 2s + 1 π2 f¨ ur d = 1 P Weiter unten werden wir h¨aufig Summen der Form ~k f (ǫ~k ) im Limes L → ∞ berechnen. Daher f¨ uhren wir wieder die Einteilchenzustandsdichte (siehe Seite 166) ein, wobei wir diesmal jedoch mit dem Faktor V anders verfahren. Es soll gelten Z ∞ X f (ǫ~k ) → V D(ǫ)f (ǫ) dǫ , 2

~2 kF2



2/d

0

~k

mit der Zustandsdichte D(ǫ) “pro Spin und Volumen”. Der Term V D(ǫ)dǫ gibt die Zahl der Einteilchenniveaus mit Energie zwischen ǫ und ǫ + dǫ und festem Spin. Da diese Niveaus f¨ ur unser Beispiel in einer d-dimensionalen Kugelschale liegen ergibt sich Volumen der Kugelschale im ~k-Raum (2π/L)d   d  4πk 2 dk f¨ ur d = 3 L 2πkdk f¨ ur d = 2 . = ×  2π 2dk f¨ ur d = 1

V D(ǫ)dǫ =

Aus ǫ~k = ~2 k 2 /(2m) folgt dǫ = ~2 kdk/m und damit  1  d/2 ur d = 3  π f¨ 1 2m d/2−1 1 f¨ ur d = 2 . D(ǫ) = ǫ ×  4π ~2 2 f¨ ur d = 1

Die ǫ-Abh¨angigkeit dieses Ergebnisses haben wir schon verwendet um zu begr¨ unden, daß es im Bosegas nur f¨ ur d = 3 ein endliches Tc gibt. Zusammen mit dem Resultat f¨ ur ǫF ergibt sich das n¨ utzliche Ergebnis ǫF D(ǫF ) =

dn . 2(2s + 1)

Nach diesen Vorarbeiten wollen wir das großkanonische Potential berechnen. F¨ ur große V schreiben wir Z ∞   J = −kB T (2s + 1)V D(ǫ) ln 1 + e−β(ǫ−µ) . 0

Dieses Integral berechnet man nun, in dem man ausnutzt, daß die Ableitung von  ln 1 + e−β(ǫ−µ) nach ǫ die Fermifunktion liefert  d  −βe−β(ǫ−µ) ln 1 + e−β(ǫ−µ) = = −βn(ǫ) , dǫ 1 + e−β(ǫ−µ)

175

5.6. DAS ENTARTETE FERMIGAS

mit der auf Seite 164 eingef¨ uhrten Bezeichnung f¨ ur die Verteilungsfunktion. Die zweite Ableitung liefert die erste Ableitung der Fermifunktion. Bei kleinen Temperaturen ist diese sehr scharf um µ zentriert  d2  ln 1 + e−β(ǫ−µ) = −βn′ (ǫ) . 2 dǫ

Man versucht daher im Ausdruck f¨ ur das großkanonische Potential durch zweifaches partielles Integrieren n′ (ǫ) zu erhalten und entwickelt anschließend alle Funktionen im Integranden, die mit n′ (ǫ) multipliziert werden und im Energiebereich ǫ ≈ µ langsam verglichen mit n′ (ǫ) variieren, in eine Taylorreihe um ǫ = µ. Man bezeichnet dieses Vorgehen als die Sommerfeldentwicklung. Um dieses Vorgehen auszuf¨ uhren bertachten wir d d2 a(ǫ) = 2 b(ǫ) dǫ dǫ

D(ǫ) = mit 2 a(ǫ) = ǫD(ǫ) , d

b(ǫ) =

4 ǫ2 D(ǫ) . d(d + 2)

Damit ergibt sich J = −kB T (2s + 1)V 2 = 0 − (2s + 1)V d 2 = − U = −P V , d



Z

  ∞ a(ǫ) ln 1 + e−β(ǫ−µ) 0 + β



Z

0



 a(ǫ)n(ǫ)dǫ

D(ǫ) ǫ n(ǫ) dǫ

0

wobei wir die letzte Zeile bereits auf Seite 164 gezeigt haben. Die zweite partielle Integration liefert Z ∞ J = −(2s + 1)V a(ǫ) n(ǫ) dǫ 0   Z ∞ ∞ ′ = −(2s + 1)V b(ǫ)n(ǫ)|0 − b(ǫ)n (ǫ)dǫ 0 Z ∞ = (2s + 1)V b(ǫ)n′ (ǫ)dǫ . (5.19) 0

Wir entwickeln dann b(ǫ) in einer Taylorreihe um ǫ = µ ∞ X 1 dl b b(ǫ) = (µ)(ǫ − µ)l . l l! dǫ l=0

176

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

Da n′ (ǫ) nur in der N¨ahe von µ nicht verschwindent klein ist machen wir nur einen Fehler der Ordnung e−µ/(kB T ) , was im uns interessierenden Limes µ ≫ kB T exponentiell klein ist, wenn wir das Integral in Gl. (5.19) bis nach −∞ Rausdehnen. R∞ ∞ Weiterhin ist n′ (ǫ) eine gerade Funktion, so daß nach der Ersetzung 0 → −∞ nur noch gerade Potenzen von l beitragen. Es gilt ) ( Z ∞ Z ∞ ∞ X 1 d2l b 2l ′ ′ (µ) (ǫ − µ) n (ǫ) dǫ . J ≈ (2s + 1)V b(µ) n (ǫ) dǫ + dǫ2l (2l)! −∞ −∞ l=1

Mit

b(µ)

Z



−∞

n′ (ǫ) dǫ =

4 4 µ2 D(µ) [n(∞) − n(−∞)] = − µ2 D(µ) d(d + 2) d(d + 2)

und Z ∞ Z ∞ 1 d 1 2l ′ 2l 1 (ǫ − µ) n (ǫ)) dǫ = (kB T ) x2l dx x (2l)! −∞ (2l)! −∞ dx e + 1 Z ∞ d 1 2l 2 x2l dx = (kB T ) x (2l)! 0 dx e + 1  2l ∞  Z ∞ 2l−1 x x 2l 2 = (kB T ) − 2l dx (2l)! ex + 1 0 ex + 1 0   1 2l = −(kB T ) 2 1 − 2l−1 ζ(2l) 2 ergibt sich f¨ ur das großkanonische Potential ) (  ∞  2l−2 X 1 d D 4 1 − 2l−1 ζ(2l) 2l−2 (µ)(kB T )2l . J ≈ −(2s + 1)V µ2 D(µ) + 2 d(d + 2) 2 dǫ l=1 Bis zur Ordnung (kB T )2 gilt

J ≈ −(2s + 1)V µ2 D(µ)

(

4 π2 + d(d + 2) 6



kB T µ

2 )

.

Ausgehend von J wollen wir jetzt n(µ, T ) bzw. durch Umkehren µ(n, T ) berechnen. Es gilt (bis zur zweiten Ordnung in kB T )   1 ∂J n = − V ∂µ T,V   4 ∂ 2 π2 2 ′ ≈ (2s + 1) [µ D(µ)] + (kB T ) D (µ) d(d + 2) ∂µ 6     d π2 4 2 d − 2 D(µ) + 1 D(µ)µ + (kB T ) = (2s + 1) d(d + 2) 2 6 2 µ ) (   2 π 2 kB T 2 . + (d − 2) = (2s + 1)D(µ)µ d 12 µ

177

5.6. DAS ENTARTETE FERMIGAS Um diese Relation nach µ(n, T ) bzw. µ(ǫF , T ) aufzul¨osen verwenden wir ǫD(ǫ) = γd ǫd/2

2 n = (2s + 1) ǫF D(ǫF ) . d

Dies gibt

⇒ ⇒

(  2 ) 2 2 d π 2 kB T ǫF D(ǫF ) ≈ D(µ)µ 1 + (d − 2) d d 2 12 µ (  2 ) 2 d k T π 2 2 B d/2 γd ǫF ≈ γd µd/2 1 + (d − 2) d d 2 12 µ ( )−2/d  2  d π 2 kB T µ = ǫF 1 + (d − 2) + O [kB T /µ]4 . 2 12 µ

Durch Iterieren ergibt sich µ = ǫF

(

d π2 1 + (d − 2) 2 12



kB T ǫF

2

 + O [kB T /ǫF ]4

)−2/d

und durch Entwickeln bis zur Ordnung (kB T )2 folgt (  2 ) π 2 kB T . µ(ǫF , T ) ≈ ǫF 1 − (d − 2) 12 ǫF

(5.20)

Prim¨ar sind wir nat¨ urlich am Fall d = 3 interessiert. Es ist aber interessant festzustellen, daß (aufgrund der ǫ-Unabh¨angigkeit von D(ǫ)) µ in zwei Raumdimensionen f¨ ur kleinen T keine Korrekturen zweiter Ordnung in T aufweist. Geht man bis zu h¨oheren Ordnungen, so kann man zeigen, daß µ in zwei Raumdimensionen keine potenzgesetzartige T -Abh¨angigkeit hat. Das Verhalten von µ(ǫF , T ) in drei Raumdimensionen ist f¨ ur feste Dichte (feste ǫF ) in der folgenden Skizze dargestellt.

µ/ε F 1

~T 2 1

k BT/ ε F klassisch

178

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

Dieses Kapitel abschließend berechnen wir noch die innere Energie, die spezifische W¨arme und den Druck des entarteten Fermigases. Aus den obigen Rechnungen erhalten wir (siehe Seite 175) (  2 ) d d π 2 kB T 4 2 U = − J ≈ (2s + 1)V µ D(µ) + . 2 2 d(d + 2) 6 µ Mit Gl. (5.20) k¨onnen wir U als Funktion von ǫF und T schreiben. Dazu betrachten wir V D(µ)µ2 = V γd µd/2+1 ≈ ≈ = =

 2 #d/2+1 2 k T π B d/2+1 V γd ǫF 1 − (d − 2) 12 ǫF "   2 #  2 d k T π B V D(ǫF )ǫ2F 1 − + 1 (d − 2) 2 12 ǫF "  2 # d2 − 4 π 2 kB T dn ǫF 1 − V 2(2s + 1) 2 12 ǫF "  2 # D E 2 d k T π B ˆ N . ǫF 1 − (d2 − 4) 2(2s + 1) 24 ǫF "

Damit ergibt sich f¨ ur die innere Energie "  2 # "  2 # D E d2 2 2 2 k T k T d − 4 π π 4 B B ˆ U ≈ N ǫF 1 − + 4 4 6 ǫF d(d + 2) 6 ǫF "   2 #  D E d2 2 2 π k T d − 4 4 4 B ˆ ǫF + 1− ≈ N 4 d(d + 2) 4 d(d + 2) 6 ǫF # "   2 D E d2 2 π 2 kB T 4 ˆ = N . ǫF + 4 d(d + 2) d 6 ǫF Damit folgt dann f¨ ur kB T /ǫF ≪ 1 (d.h. im Quantenlimes) "  2 # 2 d kB T π U , +d u = D E ≈ ǫF d+2 12 ǫF ˆ N     ∂u ∂u π 2 kB T cV = = , ≈ d kB ∂T n ∂T ǫF 6 ǫF "  2 # 2 kB T π 2 2 J . + P v = − D E = u ≈ ǫF d d+2 6 ǫF ˆ N

179

5.7. PHOTONEN UND PHONONEN Verglichen mit den klassischen Ergebnissen d d u = k B T , cv = k B , 2 2

P v = kB T

muß man die Ersetzung T ↔ TF mit kB TF = ǫF machen. Die Rolle der Temperatur spielt somit im entarteten Fermigas (kleine kB T /ǫF ) die Fermitemperatur TF . Im Gegensatz zum klassischen idealen Gas geht der Druck des Fermigases f¨ ur kleine T nicht gegen Null. Man bezeichnet den T = 0 Wert des Drucks als den aus dem Pauliprinzip resultierenden Fermidruck. Die spezifische W¨arme im entarteten Fermigas ist einen Faktor T /TF kleiner als im klassischen Limes, da aufgrund des Pauliprinzips nur Elektronen in der N¨ahe von ǫF angeregt werden k¨onnen. Die Temperaturabh¨angigkeit von cV f¨ ur d = 3 ist folgend skizziert.

cV/k B 3/2

~T 1

k BT/ εF

In “normalen” Metallen ist der elektronische Beitrag zur spezifischen W¨arme bei Raumtemperatur und niedrigeren Temperaturen proportional zu T . Verglichen mit dem obigen Ergebnis f¨ ur wechselwirkungsfreie Elektronen ist jedoch der Vorfaktor durch die Coulombwechselwirkung modifiziert. Einen weiteren Beitrag zur spezifischen W¨arme eines kristallinen Festk¨orpers liefern die Gitterschwingungen. Unteranderem diesen werden wir im n¨achsten Kapitel untersuchen.

5.7

Photonen und Phononen

Wir betrachten in diesem Kapitel die “quantisierte” Hohlraumstrahlung (elektromagnetische Strahlung; Photonen) und “quantisierte” Gitterschwingungen im Festk¨orper (Phononen). Beide Systeme k¨onnen (in erster N¨aherung) als unabh¨angige harmonische Oszillatoren beschrieben werden. Daher behandeln wir zun¨achst ¨ den harmonischen Oszillator. Diesem sind sie bereits in einer Ubungsaufgabe begegnet.

180

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

Wir betrachten einen einzelnen harmonischen Oszillator welcher sich im Kontakt mit einem W¨armebad befindet. Der Hamiltonoperator des Oszillators lautet     1 1 1 pˆ2 2 2 † ˆ = ~ω n ˆ+ , + mω xˆ = ~ω a ˆ a+ H= 2m 2 2 2 mit den bekannten Auf- und Absteigeoperatoren, bzw. dem Besetzungszahloperator n ˆ = aˆ† a. Das Spektrum ist durch En = ~ω(n + 1/2), mit n ∈ N0 gegeben, so daß sich f¨ ur die kanonische Zustandssumme Z=

∞ X

−βEn

e

−β~ω/2

=e

n=0

∞ X n=0

e−β~ω

n

=

e−β~ω/2 1 − e−β~ω

ergibt. Die Wahrscheinlichkeit f¨ ur den Eigenzustand |ni ist pn =

 e−βEn e−β~(n+1/2)ω = P∞ −β~(m+1/2)ω = e−β~ω/n 1 − e−β~ω . Z m=0 e

Dieses Ergebnis ist sehr ¨ahnlich zu dem f¨ ur das freie Bosegas Gl. (5.7) mit den zwei wichtigen Unterschieden, daß das chemische Potential nicht auftritt (bzw. µ = 0 gilt) da die Zahl der Schwingungsmoden (im Gegensatz zur Teilchenzahl bei Bosonen) nicht erhalten ist und daß nur eine Frequenz vorkommt. F¨ ur die mittlere Besetzungszahl und die Schwankung erhalten wir daher analog zu Gln. (5.8) und (5.10) hˆ ni =

1 eβ~ω − 1

,

(∆n)2 = hˆ ni (1 + hˆ ni) .

Die Abwesenheit des chemischen Potentials f¨ uhrt dazu, daß keine Bose-Einstein Kondensation auftritt. F¨ ur die mittlere Energie ergibt sich ∞ ∞ D E X X ~ω ~ω ˆ = H En pn = ~ω (n + 1/2)pn = ~ω(hˆ ni + 1/2) = + β~ω . 2 e − 1 n=0 n=0

D E D E ˆ ˆ ≈ kB T . Mit Hilfe des F¨ ur kB T ≪ ~ω gilt H ≈ ~ω/2 und f¨ ur kB T ≫ ~ω, H Virialsatzes Gl. (4.8) erh¨alt man D E D E D E D E D E D E D E ˆ kin = H ˆ pot ˆ = H ˆ kin + H ˆ pot = 2 H ˆ kin = 2 H ˆ pot H ⇒ H also

2

D E ˆ /2 . pˆ /(2m) = mω 2 xˆ2 /2 = H

Im klassischen Limes kB T ≫ ~ω ergibt sich

2

pˆ /(2m) = mω 2 xˆ2 /2 ≈ kB T /2 ,

5.7. PHOTONEN UND PHONONEN

181

also das Ergebnis des klassischen Gleichverteilungssatzes (siehe Seiten 131 und 132). Liegen nun f unabh¨angige Oszillatoren mit gleicher (Kreis-)Frequenz ω vor, so muß man die mittlere Energie offensichtlich einfach mit f multiplizieren. Dann gilt



D E ˆ = f kB TE + f kB TE , H eTE /T − 1 D E2  2 ˆ ∂ H eTE /T TE = f kB , CV = 2 ∂T T (eTE /T − 1)

mit der charakteristischen Einsteintemperatur TE = ~ω/kB . Das vorliegende Modell ist relevant bei der Beschreibung der Thermodynamik sogenannter optischer Phononen eines kristallinen Festk¨orpers (siehe weiter unten) und heißt das Einsteinmodell. Wir betrachten noch die Limites T ≪ TE und T ≫ TE . F¨ ur T ≪ TE gilt D E 1 ˆ H ≈ f kB TE + f kB TE e−TE /T , 2  2 TE e−TE /T CV ≈ f k B T und f¨ ur T ≫ TE (klassischer Limes) D E 1 ˆ H ≈ f kB TE + f kB T , 2 CV ≈ f k B Im klassischen Limes sind die Resultate im Einklang mit dem Gleichverteilungssatz. F¨ ur tiefe Temperaturen ergibt sich eine exponentiell kleine spezifische W¨arme, da aufgrund der Energiel¨ ucke zu angeregten Zust¨anden, diese nur mit einer exponentiell kleinen Wahrscheinlichkeit besetzt sind. Die Temperaturabh¨angigkeit der spezifische W¨arme des Einsteinmodells ist folgend skizziert.

182

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

CV /k B f

−T /T ~e E 1

T/TE

Wir werden uns nun der elektromagnetischen Hohlraumstrahlung zuwenden und das Plancksche Strahlungsgesetz herleiten. Wir betrachten freie elektromagnetische Strahlung (keine Ladungen und Str¨ome) in Wechselwirkung mit einem W¨armebad. Dieses soll Energie bei jeder Frequenz mit der Strahlung austauschen k¨onnen. Man spricht in diesem Fall von schwarzen Strahlung. Ein typischer experimenteller Aufbau ist folgend skizziert.

Wand mit T Strah− lung Beobachtungs− loch Um die Quantenstatistik dieses Systems untersuchen zu k¨onnen, bringen wir die Maxwellgleichungen auf eine kanonische Form. Da es auf die genaue Form der Wechselwirkung der Strahlung mit der Wand nicht ankommt,7 verwenden wir periodische Randbedingungen f¨ ur die elektromagnetischen Potentiale φ(~x, t) ~ x, t) in einem Kasten der Kantenl¨ange L, also Volumen V = L3 . In der und A(~ ~ ·A ~ = 0 gilt φ = 0 und die Wellengleichung (in cgs-Einheiten) Coulombeichung ∇ ~+ −∆A

1 ~¨ A=0. c2

Im Fourierraum sind die L¨osungen transversale, ebene Wellen mit der allgemeinen 7

Die Wechselwirkung wird als Oberfl¨acheneffekt sp¨ater vernachl¨assigt.

183

5.7. PHOTONEN UND PHONONEN Form (~s~k ∈ C3 ) ~ x, t) = A(~

i Xh i(~k·~ x−ωk t) ~s~k e + c.c. , ~k

wobei  n1 2π  ωk = c|~k| , ~k · ~s~k = 0 , ~k = n2  , L n3 

ni ∈ Z .

Zur Zeit t = 0 (Anfangsbedingung) gilt i Xh ~ ~ x, 0) = A(~ ~s~k + ~s∗−~k eik·~x , ~k

h i X ~ ~˙ x, 0) = A(~ (−iωk ) ~s~k − ~s∗−~k eik·~x , ~k

~ und A ~˙ eindeutig festd.h. durch die ~s~k werden die Anfangsbedingungen von A gelegt. Da ~k · ~s~k = 0 k¨onnen wir ~s~k in zwei transversale Polarisationsvektoren zerlegen  1/2 X 4π (0) q~k,s ~e~k,s , ~k · ~e~k,s = 0 . ~s~k = c V s=1,2 Der auftretende Vorfaktor ist eine Konvention. Mit (0)

q~k,s (t) = q~k,s e−iωk t folgt ~ x, t) = c A(~



4π V

1/2 X h i i~k·~ x ~e~k,s q~k,s (t)e + c.c. , ~k,s

wobei die q~k,s (t) die Bewegungsgleichung q˙~k,s = −iωk q~k,s erf¨ ullen. Wir f¨ uhren nun die reellen Gr¨oßen Q~k,s = q~k,s +

∗ q~k,s

,



P~k,s = −iωk q~k,s −

∗ q~k,s



ein. Diese erf¨ ullen die kanonischen Bewegungsgleichungen eines harmonischen Oszillators (mit Masse m = 1) Q˙ ~k,s = P~k,s ,

P˙~k,s = −ωk2 Q~k,s .

184

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

Die zu diesen Bewegungsgleichungen geh¨orende Hamiltonfunktion ist also H=

 X1 2 P~k,s + ωk2 Q~2k,s . 2 ~k,s

Dieser Ausdruck entspricht auch der elektromagnetischen Energie der Felder8 Z 1 ~2+B ~ 2 )d3 x . H= (E 8π V Der Impuls des Strahlungsfeldes ist durch  1 X ~k 1  2 P~ = P~k,s + ωk2Q~2k,s c k 2 ~k,s

gegeben. Wir quantisieren nun die elektromagnetische Strahlung gem¨aß dem u ¨blichen ˆ ˆ Vorgehen. Die Q~k,s und P~k,s fassen wir als Operatoren Q~k,s und P~k,s auf, die die kanonischen Vertauschungsrelationen h i h i h i ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ Q~k,s , Q~k′ ,s′ = 0 = P~k,s , P~k′ ,s′ , Q~k,s , P~k′,s′ = i~δ~k,~k′ δs,s′

erf¨ ullen. Aus der Hamiltonfunktion wird so ein Hamiltonoperator von unabh¨angigen harmonischen Oszillatoren. F¨ ur jede Mode (~k, s) f¨ uhren wir Auf- und Absteigeoperatoren ein r  r    ωk ˆ ωk ˆ i ˆ i ˆ † Q~k,s + P~k,s , a Q~k,s − P~k,s ˆ~k,s = a ˆ~k,s = 2~ ωk 2~ ωk ein, so daß H=

X ~k,s

  1 , ~ωk n ˆ~k,s + 2

n ˆ~k,s = a~†k,s a~k,s .

Das Spektrum ist durch E{n~k,s } =

X ~k,s

  1 , n~k,s ∈ N0 ~ωk n~k,s + 2

gegeben. Dabei ist n~k,s die Zahl der Photonen mit Impuls ~~k (siehe Ausdruck f¨ ur den Impuls des Strahlungsfeldes) und Polarisation s. 8

Dies liefert die Begr¨ ungung f¨ ur den oben gew¨ahlten Vorfaktor c

p 4π/V .

185

5.7. PHOTONEN UND PHONONEN

Nach diesen Vorarbeiten, k¨onnen wir zur statistischen Beschreibung der schwarzen Strahlung die obigen Ausdr¨ ucke des freien Bosesgases E (mit µ = 0) “abschrei ben”. F¨ ur die Wahrscheinlichkeit des Zustands {n~k,s } erhalten wir −βE{n~

p{n~k,s } =

e

k,s

}

=P

Z

= P

P

~ k,s

−β

e

P

~ k,s

−β

e

n~′

e−β

n~′

e−β

~ωk (n~k,s +1/2)

P

~ k,s

~ωk (n~′ +1/2) k,s

k,s

~ωk n~k,s

P

~ k,s

.

~ωk n~′

k,s

k,s

F¨ ur die Wahrscheinlichkeit, daß n Photonen mit Impuls ~~k und Polarisation s auftreten folgt e−β~ωk n ; W~k,s (n) = Z~k,s

∞ X

Z~k,s =

e−β~ωk n .

n=0

Der Mittelwert der Zahl der Photonen im Zustand (~k, s) (in einer spezifischen Mode) und die Schwankungen dieser Zahl ist durch D E D E D E 1 2 n ˆ~k,s = β~ω , (∆n~k,s ) = n ˆ~k,s 1 + n ˆ~k,s . e k −1

F¨ ur die mittlere Energie der Photonen mit Impuls ~k und Polarisation s folgt D D E E 1  ~ω ~ωk k = . E{n~k,s } = ~ωk n ˆ~k,s + + β~ω 2 2 e k −1

Mit diesem Ergebnis k¨onnen wir die mittlere Energie im Frequentzintervall [ω, ω+ dω] bestimmen [2 V D(ω)dω] [~ω]

1 eβ~ω

−1

,

wobei die erste Klammer die Zahl der Moden in [ω, ω + dω] angibt (D(ω) ist die Zustandsdichte pro Polarisationsrichtung und Volumen), die zweite die Energie und die dritte die Besetzungszahl. Wir haben den Beitrag der temperaturunabh¨angigen Nullpunktsenergie weggelassen. F¨ ur die Zahl der Moden gilt V D(ω)dω = Zahl der ~k-Vektoren mit Modenenergie in [ω, ω + dω] Volumen einer Kugelschale im ~k-Raum = Volumen eines ~k-Vektors 2 4πk dk = (2π/L)3 1 4πω 2 dω V , = 3 c (2π)3

186

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

wobei wir im letzten Schritt ωk = ck verwendet haben. Damit folgt f¨ ur die Zustandsdichte ω2 D(ω) = 2 3 . 2π c Die mittlere Energie pro Volumen und Frequenzintervall ist damit W (ω) = 2D(ω)

ω2 ~ω ~ω = . β~ω 2 3 β~ω e −1 π c e −1

Dies ist das Plancksche Strahlungsgesetz. Die Frequenzabh¨angigkeit ist folgend skizziert.

2 3 2 3

π c h β W(ω)

2 1.5 1 0.5 0 0

2.82

5

10

hω/(kBT)

Das Maximum liegt bei ~ωmax ≈ 2.82kB T . Dieses Wiensche Verschiebungsgesetz gibt an, wie sich das Maximum mit der Temperatur des W¨armebads (der W¨ande) verschiebt. F¨ ur ~ω ≪ kB T erh¨alt man das Rayleigh-Jeans-Gesetz W (ω) ≈

ω2 kB T π 2 c3

welches als fett gedruckte gestrichelte Linie in der obigen Skizze eingezeichnet ist. Es entspricht dem klassischen Gleichverteilungssatz W (ω) = 2D(ω)kB T , mit der mittleren Energie kB T eines klassischen harmonischen Oszillators. Die klassische Behandlung f¨ uhrt auf eine Ultraviolettkatatstrophe: Jede Mode, auch

187

5.7. PHOTONEN UND PHONONEN

die mit hoher Frequenz, bekommt nach dem Gleichverteilungssatz die mittlere Energie kB T . Da die Zustandsdichte mit ω 2 anw¨achst f¨ uhren die hohen Frequenzen zu einer unendlichen Gesamtenergie, die sich durch Integration u ¨ber W (ω) ergibt. Eine rein klassische Betrachtung der Hohlraumstrahlung f¨ uhrt also zu unphysikalischen Ergebnissen die auch im Widerspruch zu gemessenen Verteilungen stehen. Diese Situation hat Planck 1900 dazu gef¨ uhrt ad-hoc anzunehmen, daß die Energie jeder Schwingung nur in diskreten Quanten vorkommen kann. Dies war ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung der Quantenmechanik. F¨ ur ~ω ≫ kB T folgt das Wiensche Gesetz ω2 W (ω) ≈ 2 3 ~ω e−~ω/(kB T ) . π c Das “Photonengas” abschließend wollen wir die freie Energie, innere Energie und den Strahlungsdruck berechnen. Die kanonische Zustandssumme ergibt sich als Produkt von Zustandssummen Z~k,s unabh¨angiger Oszillatoren. Es gilt Z = e−βE0

Y

Z~k,s , E0 =

~k,s

X ~ωk ~k,s

2

mit Z~k,s =

∞ X

e−β~ωk n =

n=0

1 . 1 − e−β~ωk

Dabei ist E0 die Nullpunktsenergie, die zwar divergiert, aber in allen Erwartungswerten als Konstante herausf¨allt. Wir lassen sie daher im Folgenden weg. Die freie Energie ist durch F = −kB T ln Z X = −kB T ln Z~k,s ~k,s

= kB T

X ~k,s

≈ 2kB T V

ln 1 − e−β~ωk

Z

0





 D(ω) ln 1 − e−β~ω dω

gegeben, wobei wir im letzten Schritt große V angenommen haben. Diese Formel ist (bis auf die Nullpunktsenergie) a¨quivalent zu dem Ergebnis eines freien ¨ Bosegases mit µ = 0. Nach den Uberlegungen von Seite 164 gilt f¨ ur eine lineare Dispersion mit κ = 1 und f¨ ur µ = 0 (was J = F impliziert) 1 F =− U , 3

188

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

mit der inneren Energie U = hEi − E0 . F¨ ur U erhalten wir (große V ) ~ωk eβ~ωk − 1 ~k,s Z ∞ ~ω dω ≈ 2V D(ω) β~ω e −1 0 Z ∞ V ~ω 3 = dω π 2 c3 0 eβ~ω − 1  4 Z ∞ 1 x3 V dx ~ = π 2 c3 β~ ex − 1 0 {z } |

U =

X

π 4 /15

= V

π2 (kB T )4 . 15~3 c3

Dies ist das sogenannte Stefan-Boltzmann Gesetz. F¨ ur den Strahlungsdruck ergibt sich dann   1U π2 ∂F = = (kB T )4 . P =− ∂V T 3V 45~3 c3 Abschließend wollen wir uns mit der statistischen Mechanik (Thermodynamik) von Gitterschwingungen eines kristallinien Festk¨orpers besch¨aftigen. Diese k¨onnen in harmonischer N¨aherung (Entwicklung des Potentials bis zur zweiten Ordnung in der Auslenkung um die Ruhelage), d.h. bei kleiner Auslenkung, als ¨ Uberglagerung von unabh¨angigen harmonischen Oszillationen dargestellt werden. Wie f¨ ur das elektromagnetische Feld werden diese Schwingungen quantisiert, was uns auf die Phononen f¨ uhrt. In der Vorlesung zur Festk¨orperphysik wird gezeigt, daß das Phononespektrum f¨ ur einen dreidimensionalen Ionenkristall (Metall) die folgend skizzierte Form hat.

ω k,s

−π /a j

π /a j k j

189

5.7. PHOTONEN UND PHONONEN

Dabei kann j die Werte 1, 2 und 3 annehmen und aj bezeichnet die Gitterkonstante in die j-Richtung. Die drei Zweige mit linearer Dispersion bei kleinen k sind die akustischen Zweige. Es gibt 3(r − 1) sogenannte optischen Zweige mit nahezu konstanter Frequenz, wobei r die Zahl der Atome pro Elementarzelle des Gitters bezeichnet (siehe Vorlesung zur Festk¨orperphysik). Die akustischen Moden kann man noch in zwei transversale und eine longitudinale Mode unterteilen. F¨ ur ka ≪ 1 (wobei a eine “typische” Gitterkonstante ist) gilt f¨ ur die akustischen Moden ω~ ≈ cs (~k/k) k , k,s

wobei cs (~k/k) die richtungsabh¨angige Schallgeschwindigkeit bezeichnet. F¨ ur isotrope Kristalle h¨angt cs nicht von der Richtung ab. F¨ ur einen endlichen Krsitall ~ mit N Gitterpunkten, sind die k diskret und es gibt genau 3N Frequenzen. Die komplizierte Form der ~k-Abh¨angigkeit der Frequenzen wird oft qualitativ im Rahmen des sogenannten Debyemodells beschrieben. In diesem vernachl¨assigt man die Unterschiede zwischen den verschiedenen Zweigen und setzt ω~k = ωk = ck f¨ ur 0 ≤ ωk < ωD , mit der Debyefrequenz ωD . Man geht also von einer isotropen und linearen Dispersionsrelation mit mittlerer Schallgeschwindigkeit c aus. Die Debyefrequenz ist dabei so festzulegen, daß die totale Zahl der Frequenzen wie gefordert gleich 3N ist Z ωD X ≈V D(ω)dω = 3N . ~k

0

Dabei bezeichnet D(ω) die Zustandsdichte pro Volumen f¨ ur die wir, wie f¨ ur die vereinfachte Dispersion wie bei Photonen,

ω2 2π 2 c3 erhalten. Ausgedr¨ uckt durch die Zustandsdichte, stellt das Debyemodell die folgend skizzierte Vereinfachung dar. D(ω) =

D(ω)

opt. akust. ωD

ω

190

KAPITEL 5. QUANTENSTATISTIK

Da das Modell die reale Zustandsdichte bei sehr kleinen Energie gut beschreibt, k¨onnen wir davon ausgehen, daß es eine gute Beschreibung der Thermodynamik bei hinreichend kleinen Temperaturen kB T ≪ ~ωD liefert. Diese Erwartung wird zus¨atzlich durch unsere Rechnungen zum Einsteinmodell unterst¨ utzt. Dieses Modell beschreibt die optischen Phononen. Wir hatten gesehen, daß die Energiel¨ ucke (wegen nahezu ~k-unabh¨angiger Frequenz) zu einer exponentiellen Unterdr¨ uckung der spezifischen W¨arme bei kleinen T f¨ uhrt. Der Beitrag der optischen Phononen ist also bei kleinen T vernachl¨assigbar. F¨ ur ωD ergibt sich Z ωD V ω 2 dω = 3N ⇒ ωD = 91/3 (2π 2 )1/3 n1/3 c . 2π 2 c3 0 Da n1/3 der mittlere Abstand der Atome (Ionenr¨ umpfe) darstellt, erhalten wir als Gr¨oßenordnung f¨ ur ωD ~ωD ∼ ~c/aB =

c e2 me2 ∼ 10−2 eV ∼ kB 100 K . mc2Licht c= ~ ~cLicht | {z } cLicht | {z } ∼0.5 MeV | {z } ∼1/137

∼10−6

F¨ ur die Debyetemperatur

kB TD = ~ωD ergibt sich TD ∼ 100K. Wir wollen nun die innere Energie und die spezifische W¨arme des Debyemodells berechnen. Dazu schreiben wir ω2 D(ω) = 9n 3 . ωD Damit folgt U = = = =

 ~ω ~ω dω V + β~ω D(ω) 2 e −1 0 !  3  3 Z ωD 1 ω 1 ω dω + 9N~ 2 ωD ωD eβ~ω − 1 0  Z 1 1 3 x3 9N~ωD dx x + xT /T 2 e D −1 0  4 Z TD /T T x3 9 NkB TD + 9NkB TD dx . 8 TD ex − 1 0 Z

ωD



¨ Im Limes T ≪ TD , in dem das Modell entsprechend der obigen Uberlegungen die Thermodynamik von Gitterschwingungen gut beschrieben sollte, folgt mit Z TD /T Z ∞ Z ∞ x3 π4 → , dx = ex − 1 15 0 0 0

5.7. PHOTONEN UND PHONONEN

191

das Ergebnis  4 9 3π 4 T U ≈ NkB TD + NkB TD , 8 5 TD   3  12π 4 T ∂U ≈ NkB , CV = ∂T V 5 TD also ein kubische Abh¨angigkeit der spezifische W¨arme von der Temperatur. F¨ ur ein (dreidimensionales) Metall gibt es somit bei kleinen Temperaturen einen Beitrag ∝ T von den Leitungselektronen und einen Beitrag ∝ T 3 von den Phononen (Gitterschwingungen) zur spezifischen W¨arme. Diese Vorhersagen sind experimentell sehr gut best¨atigt. F¨ ur T ≫ TD gilt im Debyemodell  3 Z TD /T Z TD /T x3 1 TD 2 dx ≈ x dx = ex − 1 3 T 0 0 und damit 9 NkB TD + 3NkB T , 8 ≈ 3NkB ,

U ≈ CV

wie aus dem klassischen Gleichverteilungssatz zu erwarten.