Theoretische Physik 4 Thermodynamik und Statistische Physik

Theoretische Physik 4 Thermodynamik und Statistische Physik Prof. Dr. Eric Lutz Universit¨at Erlangen-Nu ¨rnberg Inhaltsverzeichnis 1 Thermodynamis...
Author: Lucas Kohl
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Theoretische Physik 4

Thermodynamik und Statistische Physik Prof. Dr. Eric Lutz Universit¨at Erlangen-Nu ¨rnberg

Inhaltsverzeichnis 1 Thermodynamische Konzepte 1.1 Was ist Thermodynamik? . . . . . 1.2 Thermodynamische Systeme . . . . 1.3 Thermodynamischer Zustand . . . 1.3.1 Mikro- und Makrozust¨ande 1.3.2 Zustandsgleichung . . . . . 1.3.3 Gleichgewichtszustand . . . 1.4 Thermodynamische Prozesse . . .

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3 3 4 4 4 5 6 7

2 Energie und der erste Hauptsatz 2.1 Mechanische Energie: Arbeit . . . . . . . . . . . 2.1.1 Arbeit durch Bewegung . . . . . . . . . . 2.1.2 Arbeit durch Volumen¨anderung . . . . . . 2.2 Thermische Energie: W¨ arme . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 W¨ armemessung: Kaloriemetrie . . . . . . 2.2.3 Chemische Energie: Teilchenzahl¨anderung 2.2.4 Der erste Hauptsatz . . . . . . . . . . . .

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8 8 8 9 10 10 10 10 11

3 Mathematisches Werkzeug I 3.1 Differential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Integrierender Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Mehrere Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 16 17

4 Entropie und der zweite Hauptsatz 4.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Zweiter Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Messung der Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Responsefunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Entropie bei einer Temperatur¨anderung . . . . . . . . 4.5.3 Entropie bei einer Temperatur- und Volumen¨anderung 4.5.4 Entropie bei einer Temperatur- und Druck¨anderung . 4.6 Dritter Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 18 18 21 23 24 24 25 25 26 26

2

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1 Thermodynamische Konzepte Grundbegriffe der Thermodynamik, wie System, Zustand, Gleichgewicht und Temperatur, werden eingef¨ uhrt und diskutiert.

1.1 Was ist Thermodynamik? 1. Die Thermodynamik wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. I Ziel: Beschreibung und Verbesserung von Dampfmaschinen: Newcomen 1711, Watt 1788 Der Name Thermodynamik“ spiegelt diesen Ursprung wieder: therme = W¨arme, ” dynamis = Bewegung, Kraft 2. Hat zu einer genauen Untersuchung des Begriffs W¨arme“ gef¨ uhrt. W¨arme ist ” eine Energieform I zuf¨ allige (ungeordnete) Bewegung von Atomen und Molek¨ ulen (W¨ arme ist keine Fl¨ ussigkeit, wie vorher angenommen). Arbeit (aus der Mechanik bekannt) bezieht dagegen sich auf nicht-zuf¨allige (geordnete) Bewegung. 3. Thermodynamik ist gegenw¨ artig eine allgemeine Theorie der Energie¨ ubertragung und umwandlung. Bsp.: W¨ arme in Arbeit, aber auch chemische/elektrische Energie in W¨ arme. Sie ist außerdem eine Theorie der dabei eng verbundenen Stoffumwandlungen (Phasen¨ uberg¨ ange oder chemische Reaktionen). 4. Thermodynamik wird erfolgreich angewandt auf die Beschreibung von: a) K¨ uhlschr¨ anken, Automotoren und Heizkraftwerken b) Fl¨ ussigkeiten, Magneten und Supraleitern c) Wolken und Photosynthese d) Neutronensternen und schwarzen L¨ochern

Die zwei zentralen Begriffe der Thermodynamik sind Energie und Entropie, aus denen alle anderen Gr¨ oßen (z.B. Druck und Temperatur) abgeleitet werden k¨onnen. Die Thermodynamik basiert auf zwei allgemeinen Gesetzen (Haupts¨atze): 1. Hauptsatz: Energie bleibt erhalten und kann in verschiedenen Formen umgewandelt werden (insb.

3

W¨arme ist eine Energieform). 2. Hauptsatz: W¨arme kann nicht vollst¨ andig in andere Energieformen umgewandelt werden (Entropie kann nicht zerst¨ ort werden).

1.2 Thermodynamische Systeme Die Thermodynamik beschreibt makroskopische Systeme, die aus vielen Teilchen bestehen, z.B. Molek¨ ule in einem Gas, Fl¨ ussigkeiten oder Atome im Festk¨orper. Typisches Beispiel: Ideales Gas mit Kolben oder auch Kaffee in einer Tasse 1 Mol Gas enth¨alt 6 · 1023 Teilchen. Ein thermodynamisches System wird durch W¨ande von der ¨außeren Umgebung abgegrenzt: • offene Systeme k¨ onnen Energie und Materie austauschen Bsp.: offene Tasse Kaffee • geschlossene Systeme k¨ onnen nur Energie (keine Materie) austauschen. Bsp.: Tasse Kaffee mit Deckel • isolierte Systeme: weder Energie- noch Materieaustausch m¨oglich Bsp.: Kaffee in Thermoflasche (in guter N¨ aherung)

1.3 Thermodynamischer Zustand Die Eigenschaften eines Systems (die seinen Zustand definieren) werden durch Angaben von numerischen Parametern (Zustandsvariablen) charakterisiert.

¨ 1.3.1 Mikro- und Makrozustande • In der (klassischen) Mechanik: Zustand eines Massenpunktes I 6 Variablen: 3 Orts- und 3 Geschwindigkeitskoordinaten F¨ ur ein System mit 1023 Teilchen I 6 · 1023 Parameter notwendig um den Zustand mechanisch vollst¨ andig zu beschreiben. Dieser Mikrozustand ist nicht zug¨anglich, weil diese mikroskopischen Variablen nicht messbar sind. I makroskopische Systeme k¨onnen nicht rein mechanisch beschrieben werden! • In der Thermodynamik: Zustand eines Systems I makroskopische Variablen, wie Volumen V , Druck p, Teilchenzahl N , Energie

4

E (aus der Mechanik bekannt), aber auch Temperatur T , innere Energie U , Entropie S (die es in der Mechanik nicht gibt). V, p, T sind direkt messbare Gr¨oßen, U und S nicht. Nur Unterschiede ∆U und ∆S zwischen zwei Zust¨ anden sind (indirekt) messbar. Der Makrozustand l¨asst sich vollst¨ andig mit nur wenigen Zustandsvariablen festlegen (vollst¨andig = zwei Systeme mit denselben Werten der Zustandsvariablen sind ununterscheidbar). Bsp.: Gr¨ oße eines Kristalls Mikroskopisch: Abst¨ ande zwischen 1023 sich bewegender Teilchen Makroskopisch: 3 Parameter Lx , Ly , Lz (alle einfach messbar) = Zeitmittel der mikroskopischen L¨ angen u ¨ber die Dauer der Messung I die Kenntnis der mikroskopischen Struktur ist nicht erforderlich Extensive Variablen sind mengenproportional, z.B. Volumen V , Masse m, innere Energie U , Teilchenzahl N . Intensive Variablen sind mengenunabh¨ angig, z.B. Druck p, Temperatur T , Dichte ρ = N/V . (Grafik)

1.3.2 Zustandsgleichung In der Regel sind nur wenige Zustandsvariablen unabh¨angig. Eine eindeutige Beziehung g(X1 , X2 , ..., Xn ) zwischen n Zustandsvariablen Xi nennt man eine Zustandsgleichung. I Zustandsgleichung empirisch bestimmt in der Thermodynamik Beispiele: • ideales Gas: g1 (p, V, T, N ) = pV − N kT = pV − nRT = 0

(1.1)

• van-der-Waals Gas:   g2 (p, V, T, N ) =  p +



   V − 

an2 V2 |{z}

 nb |{z}

 − nRT = 0

(1.2)

Eigenvolumen

innerer Druck

• elastischer Draht: g3 (f, L, T ) =

f −(a0 + a1 T )( |{z} L −L0 ) = 0 |{z} L¨ ange

Zugkraft

5

(1.3)

• idealer Paramagnet: g4 (M, H, T ) =

M |{z}



Magnetisierung

C T

H |{z}

=0

C: Curie-Konstante (1.4)

Magnetfeld

1.3.3 Gleichgewichtszustand Die Thermodynamik befasst sich mit Gleichgewichtszust¨anden. Gleichgewicht besteht, wenn kein Energieaustausch mit der Umgebung oder innerhalb eines Systems stattfindet. Die Zustandsvariablen sind dann zeitunabh¨ angig und im ganzen System gleich. • Mechanisches Gleichgewicht Druck:

p=

Kraft F = Fl¨ ache A

(1.5)

Gas im mechanischen Gleichgewicht mit Luft, wenn F1 = F2



p1 = p2

(1.6)

• Thermisches Gleichgewicht Kaffee ist im thermischen Gleichgewicht mit Luft, wenn T1 = T2

(1.7)

die Temperatur charakterisiert das thermische Gleichgewicht, wie der Druck das mechanische Gleichgewicht. Die Temperatur der Luft bleibt konstant auch wenn mehrere (heiße) Tassen vorhanden sind. Die Luft spielt die Rolle eines W¨armebades (= ein (fast) unendliches System, dessen Eigenschaften konstant bleiben).

Achtung: Zustandsgr¨ oßen sind oft nur im Gleichgewicht definiert. • schnelle Bewegung des Kolbens l¨ost eine Druckwelle aus I ein einheitlicher Druck kann nicht mehr definiert werden. • Kaffee mit Eisw¨ urfel I keine eindeutige Temperatur des Kaffees definierbar

6

1.4 Thermodynamische Prozesse Die Thermodynamik beschreibt idealisierte Prozesse, die quasistatisch und ohne Reibung (Energieverlust) erfolgen. • Eine quasistatische Zustands¨ anderung wird so langsam ausgef¨ uhrt, dass der Prozess in guter N¨ aherung aus einer Folge von Gleichgewichtszust¨anden besteht. Bsp.:

L τKolben L ' = τrelax  τrelax

vKolben = vGas langsam bedeutet

τKolben

(1.8) Schallgeschwindigkeit

(1.9) (1.10)

τKolben : Zeitskala f¨ ur die Parameter¨anderung τrelax : Relaxationszeit im Gas oder vKolben  vGas = mittlere Geschwindigkeit der Gasmolek¨ ule (' 400 ms−1 ) −1 d.h. vKolben . 10 ms = quasistatisch So ein Prozess ist (quasi)reversibel = er besteht aus einer umkehrbaren Folge von Gleichgewichtszust¨ anden (Grafik) Bei endlicher Reibung ist die Zustands¨anderung nicht umkehrbar: Alle Prozesse in der Natur sind irreversibel. Die Thermodynamik beschr¨ ankt sich auf reversible Transformationen, weil: • sie mathematisch einfach zu beschreiben sind

I

normale Differentialrechnung

• es keine allgemeine Theorie f¨ ur Nichtgleichgewichtsprozesse gibt • in der Regel reversible Prozesse gute Absch¨atzungen liefern Man unterscheidet verschiedene Prozesse: 1. isotherm: 2. isochor: 3. isobar:

T konstant V konstant p konstant

4. adiabatisch (isentrop):

(dT = 0) (dV = 0)

(dp = 0) kein W¨armeaustausch

7

(δQ = 0)

2 Energie und der erste Hauptsatz W¨ ahrend einer Zustands¨ anderung tauscht ein System Energie und/oder Materie mit der Umgebung aus. In diesem Kapitel wollen wir drei wichtige Energieformen diskutieren: mechanische, thermische und chemische Energien. Der erste Hauptsatz wird mathematisch formuliert.

2.1 Mechanische Energie: Arbeit Gesamtenergie = ¨ außere Energie + innere Energie • ¨außere Energie E:

(makroskopische) Bewegungsenergie, z.B. kinetische und potentielle Energie

• innere Energie U :

u ¨brige“ Energie = (mikroskopische) kinetische und potentielle ” Energie der mikroskopischen Teilchen des Systems

Die Arbeit charakterisiert den mechanischen Energieaustausch.

2.1.1 Arbeit durch Bewegung Z W = W >0

F dx

infinitesimal: δW = F dx

F: angelegte Kraft

(2.1)

wenn Arbeit am System geleistet wird (Energie nimmt zu)

• potentielle Energie: F = mg Z z2 W = mg dz = mg(z2 − z1 ) = ∆Ep

(2.2)

z1

• kinetische Energie: F = m dv dt Z x2 dv dv dv dx W =m dx aber dx = dt = v dv dt dt dt x1 dt Z v2  1 v dv = m v22 − v12 = ∆Ek W =m 2 v1

8

(2.3) (2.4)

¨ 2.1.2 Arbeit durch Volumenanderung (Grafik) Wenn die Grenze des Systems ge¨ andert wird. F (A dx) = −pa dV A F mit dV = A dx und pa = = ¨außerer Druck A δW > 0 wenn dV < 0 (Kompression) δW = −F dx = −

(2.5) (2.6) (2.7)

F¨ ur eine reversible Transformation ist p = pa und δWrev = −p dV . Bei endlicher Reibung ist die Transformation irreversibel und pa = p + pR (Kompression) und pa = p − pR (Expansion). pR : Reibungsdruck“ (pR > 0) ” Wir haben also: K Kompression: δW = −p dV − pR dV = δWrev + δWirr

mit

K δWirr

= −pR dV > 0

dV < 0

(2.9)

Expansion: δW = −p dV + pR dV = δWrev + δWirE

(2.10)

mit

E δWirr

weil

(2.8)

= pR dV > 0

weil

dV > 0

(2.11)

F¨ ur eine irreversible Transformation ist die geleistete Arbeit immer gr¨oßer als die reversible Arbeit: δW ≥ δWrev = −p dV

(2.12)

F¨ ur einen reversiblen Prozess ist die Arbeit die Fl¨ache unter der p-V -Kurve: (Grafik 2.1) Z

V2

W =−

p dV

(2.13)

V1

Die Arbeit h¨ angt vom Prozess (Pfad) ab! WA 6= WB

(2.14)

Die Volumen¨ anderung Z V2 dV = V2 − V1

(2.15)

V1

9

dagegen h¨ angt nur von den Zust¨ anden 1 und 2 ab. ¨ Volumen ist eine Zustandsgr¨ oße: wir schreiben eine infinitesimale Anderung dV . Arbeit ist keine Zustandsgr¨ oße: wir schreiben δW I es gibt keine Arbeit ohne Prozess.

¨ 2.2 Thermische Energie: Warme 2.2.1 Definition Energie kann ge¨ andert werden ohne mechanische Arbeit (d.h. ohne makroskopische Bewegung). Diese Art von Energieaustausch wird W¨arme Q genannt. mikroskopisch:

¨ Anderung der mikroskopischen Bewegung der Teilchen des Systems

makroskopisch:

wenn eine Temperaturdifferenz besteht (zwischen System und Umgebung oder zwischen System A und B)

Q > 0 wenn W¨ arme dem System zugef¨ uhrt wird (Energie nimmt zu). ¨ Ahnlich zur Arbeit h¨ angt die W¨ arme vom Prozess ab (sie ist keine Zustandsgr¨oße).

¨ 2.2.2 Warmemessung: Kaloriemetrie Man definiert die W¨ armekapazit¨ at C als W¨armemenge, die dem System zugef¨ uhrt werden muss, um die Temperatur um 1◦ zu erh¨ohen. Z T2 δQ Q C= = lim oder δQ = C dT ⇒ Q= C(T ) dT (2.16) ∆T →0 ∆T dT T1 

Man unterscheidet:

 δQ CV = dT  V δQ Cp = dT p   δQ CH = dT  H δQ CX = dT X

bei konst. V

(2.17)

bei konst. p

(2.18)

bei konst. H

(2.19)

bei konst. X

(2.20)

¨ 2.2.3 Chemische Energie: Teilchenzahlanderung Geschlossene Systeme tauschen Energie nur in Form von Arbeit oder W¨arme aus. Offene Systeme k¨ onnen auch Materie austauschen, z.B. bei einer chemischen Reaktion der Form A+B



C

(2.21)

10

Die entsprechende Teilchenzahl¨ anderung dNi (i = A, B, C) f¨ uhrt dann zu einer Energie¨anderung X δEC = µi dNi , (2.22) i

wobei µi = chemisches Potential (Energie¨anderung pro Teilchen, d.h. die Energie, die ben¨otigt wird um ein zus¨ atzliches Teilchen der Sorte i hinzuzuf¨ ugen). µi = δEC

wenn

dNi = 1

und dNj6=i = 0

(2.23)

µ ist eine intensive Gr¨ oße und misst den Widerstand“ des Systems gegen eine Teilchen” zahlerh¨ ohung. Analogie:

δW = p(−dV )

(2.24)

p ist eine intensive Gr¨ oße, die den Widerstand “ gegen eine Volumenreduzierung misst. ”

2.2.4 Der erste Hauptsatz Die Gesamtenergie eines Systems bleibt erhalten: ∆E = ∆Ea + ∆U

(Mayer 1842, Joule 1844, Helmholtz 1847)

(2.25)

wobei ∆Ea = ∆Ek + ∆Ep

=¨ außere Energie (I makroskopische Bewegung)

(2.26)

∆U = Q + W + EC

= innere Energie (I mikroskopische Bewegung der

(2.27)

Teilchen h∆ek i + h∆ep i)

(2.28)

Die Thermodynamik befasst sich fast ausschließlich mit der inneren Energie U . ¨ F¨ ur eine infinitesimale Anderung: dU =

δQ + |{z}

thermisch

δW |{z}

mechanisch

(2.29)

+ δEC |{z}

chemisch

Obwohl W¨ arme Q, Arbeit W und chemische Energie EC keine Zustandsgr¨oßen (und deshalb vom Prozess abh¨ angig) sind, ist die Summe U eine Zustandsvariable. Z 2 ∆U = dU I h¨ angt nur von den Zust¨anden 1 und 2 ab (siehe Kap. 4) 1

(2.30) F¨ ur allgemeine reversible Prozesse gilt: X X dU = δQ − p dV + µi dNi + Xj dYj i

j

wobei Xj = intensive Gr¨ oße und Yj = extensive Gr¨oße Beispiele:

11

(2.31)

Φ dq E dP H dM f dL

Φ: elektrisches Potential E: E-Feld H: H-Feld f : Zugkraft

q: Ladung P : Polarisation M : Magnetisierung L: Drahtl¨ange

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3 Mathematisches Werkzeug I Reversible thermodynamische Prozesse lassen sich mithilfe der einfachen Differentialrechnung beschreiben. Wir wollen in diesem Kapitel wichtige Begriffe (vollst¨ andiges Differential, integrierender Faktor) einf¨ uhren.

3.1 Differential Wir betrachten eine Funktion f (x, y) von zwei Variablen x und y. (Grafik) ¨ ¨ Infinitesimale Anderungen dx und dy f¨ uhren zu der Anderung:     df df df = dx + dy dx y dy x

(3.1)

Da die Reihenfolge der Ableitungen keine Rolle spielt, gilt: ∂ ∂f ∂ ∂f ∂2f ∂2f = = = ∂x ∂y ∂x ∂y ∂y ∂x ∂y ∂x

(f stetig)

(3.2)

df : vollst¨ andiges (= totales = exaktes) Differential. Beispiel: f (x, y) = 2x3 y 2 + y 3

(3.3)

∂f = 6x2 y 2 ∂x

(3.4)

∂ ∂f = 12x2 y ∂y ∂x

∂f = 4x3 y + 3y 2 ∂y ∂ ∂f = 12x2 y ∂x ∂y

(3.5)

Wir betrachten ein allgemeines Differential δf = A(x, y) dx + B(x, y) dy

(3.6)

Gibt es eine Funktion f (x, y), sodass δf = df ?

13

• Ja, wenn A(x, y) =



• Nein, wenn bar.

I



∂A ∂y x df dx y



=

∂B ∂x y ,



ist δf = df ein totales Differential und ist integrierbar:   df und B(x, y) = dy



∂A ∂y x

x

6=

∂B ∂x y ,



ist δf kein exaktes Differential und ist nicht integrier-

Integrabilit¨ atsbedingung:     ∂A ∂B = (notwendig und hinreichend) ∂y x ∂x y

(3.7)

Beispiele: (1)

δf = y dx + x dy

A(x, y) = y 

Integrabilit¨ atsbedingung:



df = δf

∂A ∂y



B(x, y) = x 

=1= x

∂B ∂x

(3.8)

 (3.9) y

ist ein totales Differential

Integration entlang x:

f (x, y) = xy + g(y)

(3.10)

Integration entlang y:

f (x, y) = xy + h(x)

(3.11)

I (2)

f (x, y) = xy + c mit c = g(y) = h(x)

δf = 2y dx + x dy

A(x, y) = 2y 

Integrabilit¨ atsbedingung:



∂A ∂y

B(x, y) = x 

 =2 x

(3.12)

∂B ∂x

(3.13)

 =1

(3.14)

y

δf ist kein exaktes Differential und ist nicht integrierbar

Integration entlang x:

f (x, y) = 2xy + g(y)

(3.15)

Integration entlang y:

f (x, y) = xy + h(x)

(3.16)

I

inkonsistent

14

(3)

δf = (x + y) dx + x dy 

Integrabilit¨ atsbedingung:



df = δf

∂A ∂y



 =1=

x

∂B ∂x

B(x, y) = x

(3.17)

 (3.18) y

ist ein totales Differential

Integration entlang x: Integration entlang y: f (x, y) =

I

A(x, y) = x + y

x2 + xy + g(y) 2 f (x, y) = xy + h(x) f (x, y) =

x2 + xy + c mit g(y) = c 2

h(x) =

(3.19) (3.20) x2 +c 2

(3.21)

Eigenschaften: 1. Das Integral Z

b

df = f (b) − f (a)

(3.22)

a

h¨ angt nur von den Endpunkten a und b und nicht vom Integrationsweg ab. 2. F¨ ur jeden geschlossenen Weg gilt: I Z a df = df = f (a) − f (a) = 0

(3.23)

a

3. Wenn das exakte Differential df gegeben ist, kann die Funktion f (x, y) bestimmt (integriert) werden.

Wichtig: • Zustandsgr¨ oßen werden durch exakte Differentiale beschrieben I sie h¨ angen nicht vom Prozess (Weg) ab

15

Beispiel:  Volumen

V = V (p, T )

dV =

∂V ∂p



 dp + T



∂V ∂T

dT

(3.24)

p

nRT F¨ ur das ideale Gas: pV = nRT ⇒ V = p     ∂V ∂V nRT nR B(p, T ) = A(p, T ) = =− 2 = ∂p T p ∂T p p  Check:

∂A ∂p

 T

nR =− 2 = p



∂B ∂T

(3.26)

 (3.27) p

I I

(3.25)

Z

Volumen ist eine Zustandsgr¨ oße und

V1

dV = 0

dV =

(3.28)

V1

• Arbeit ist keine Zustandsgr¨oße und kann nicht durch ein exaktes Differential beschrieben werden (I Arbeit h¨angt vom Prozess ab) Beispiel: Arbeit

δW = −pdV = A1 (p, T ) dT + B1 (p, T ) dp

(3.29)

F¨ ur das ideale Gas: A1 = −pA = −nR B1 = −pB =     ∂B2 nR ∂A1 =0 = Check: ∂p T ∂T p p I I δW ist kein exaktes Differential und δW 6= 0

nRT p

(3.30) (3.31) (3.32)

3.2 Integrierender Faktor Ein unvollst¨ andiges Differential  δu = A(x, y) dx + B(x, y) dy

mit

∂A ∂y



 6= x

∂B ∂x

 (3.33) y

kann manchmal mithilfe eines integrierenden Faktors λ(x, y) in ein vollst¨andiges Differential verwandelt werden, sodass     ∂(λA) ∂(λB) df = λ(x, y) δu mit = (3.34) ∂y ∂x x y Es gibt keine allgemeine Methode um λ zu bestimmen. Ausnahme: f¨ ur zwei Variablen gibt es immer einen integrierenden Faktor (Pfaff 1814).

16

Beispiel : δu = y dx − x dy ist kein vollst¨ andiges Differential, weil     ∂A ∂B =1 = −1 ∂y x ∂x y 1 y 1 aber df = 2 δu = 2 dx − dy ist vollst¨ andig, weil x x x

(1)



I

∂(A/x2 ) ∂y

 x

1 √ = 2 = x



∂(B/x2 ) ∂x

der integrierende Faktor ist λ(x, y) = 1/x2

(2)

 (3.36) y

f (x, y) = −

und

(3.35)

F¨ ur die Arbeit δW ist 1/p der integrierende Faktor, weil 1 δW = −dV ein vollst¨ andiges Differential ist. p

y +c x

(3.37)

(3.38) (3.39)

3.3 Mehrere Variablen Eine Gleichung f (x, y, z) = 0 l¨ asst sich auch schreiben:     ∂x ∂x dy + dz (1) x = x(y, z) mit dx = ∂y z ∂z y     ∂z ∂z dx + dy (2) z = z(z, y) mit dz = ∂x y ∂y x

(3.40) (3.41)

Aus (1) uns (2) erhalten wir: (      )     ∂x ∂x ∂z ∂z ∂x dx = + dx dy + ∂y z ∂z y ∂y x ∂z y ∂x y

(3.42)

gilt f¨ ur all dx und dy. Insbesondere:  • f¨ ur dy = 0

I

 • f¨ ur dx = 0

I

∂x ∂z

 

∂x ∂y





y

∂x ∂y

∂z ∂x

 =1

=− z

z

und

y



 



∂y ∂z

∂x ∂z

  y

  x

17

∂z ∂x

∂z ∂y

∂x ∂z

 = y

1 ∂z ∂x y



(3.43)

 oder

(3.44)

x

 = −1 y

(3.45)

4 Entropie und der zweite Hauptsatz In diesem Kapitel f¨ uhren die Entropie als neue Zustandsgr¨ oße ein und besprechen ihre Eigenschaften. Wir formulieren den zweiten (und dritten) Hauptsatz und erhalten die Grundgleichung der Thermodynamik.

4.1 Motivation Mathematisch: wir haben den ersten Hauptsatz X dU = δQ − p dV + Xi dYi

(4.1)

i

Frage: Gibt es einen integrierenden Faktor X f¨ ur die W¨arme δQ, sodass δQ = X I

dY |{z}

(Analogie:

totales Differential

δW = −dV ) p

(4.2)

Y w¨ are dann eine Zustandsgr¨oße.

Physikalisch: beobachtete Prozesse in der Natur laufen spontan nur in einer Richtung ab. Beispiele: • Tasse Kaffee k¨ uhlt spontan und gibt dem Raum W¨ arme ab. Der umgekehrte Prozess ist Energie erhaltend (d.h. gen¨ ugt dem 1. Hauptsatz), wird aber nicht beobachtet. • Der 1. Hauptsatz erlaubt auch, dass die Tasse spontan schwebt (gr¨ oßere potentielle Energie) und dabei k¨ alter wird: Q = −∆Ep I wird auch nicht beobachtet. • Elektrische Energie kann komplett in W¨ arme verwandelt werden (elektrische Heizung). W¨ arme alleine reicht allerdings nicht aus, um Strom zu erzeugen. Die Asymmetrie dieser spontanen Prozesse wird vom 1. Hauptsatz nicht erkl¨art. I eine quantitative Erkl¨ arung liefert der 2. Hauptsatz.

4.2 Entropie Wir betrachten zun¨ achst ein ideales Gas: pV = nRT Experiment von Gay-Lussac (1807) und Joule (1845):

18

(Grafik)

• System ist thermisch isoliert:

δQ = 0 (kein W¨armeaustausch mit der Umgebung)

• Gas verrichtet keine Arbeit:

δW = 0 (freie Expansion)

Daraus folgt: dU = δQ + δQ = 0 und     ∂U ∂U dU = dV + dT = 0 ∂V T ∂T V

(4.3)

Experimentelle Beobachtung: T1 = T2 d.h. dT = 0   ∂U = 0 : die innere Energie des idealen Gases h¨angt nicht von V ab. (4.4) ⇒ ∂V T  F¨ ur ein ideales Gas ist also: dU = ∂U ∂T V dT Da aber dU = δQ − p dV , erhalten wir:     ∂U δQ = = CV ⇒ dU = CV dT (4.5) ∂T V ∂T V Wir schreiben dU = A(T, V )dT + B(T, V )dV mit A(T, V ) = CV und B(T, V ) = 0:     ∂A ∂B Integrabilit¨ atsbedingung: =0= (4.6) ∂V T ∂T V I

dU ist ein exaktes Differential (U ist eine Zustandsgr¨oße).

W¨arme f¨ ur ein ideales Gas: nRT δQ = dU + p dV = CV dT + dV = A1 (T, V )dT + B1 (T, V )dV   V  ∂B1 nR ∂A1 = 0 6= = Integrabilit¨ atsbedingung: ∂V T ∂T V V I

(4.7) (4.8)

δQ ist kein vollst¨ andiges Differential (Q ist keine Zustandsgr¨oße).

Allerdings: δQ/T ist vollst¨ andig: δQ CV nR = dT − dV = A2 (V, T ) dT + B2 (V, T ) dV T T V     ∂A2 ∂B2 Integrabilit¨ atsbedingung: =0= ∂V T ∂T V

(4.9) (4.10) (4.11)

19

I

1/T ist ein integrierender Faktor f¨ ur die W¨arme.

Es gibt also eine neue Zustandsgr¨ oße (Entropie) S, sodass dS =

δQ T

(4.12)

Im Gegensatz zu Q h¨ angt S nicht vom Prozess ab: Z 2 δQ ∆S = S2 − S1 = 1 T

(4.13)

F¨ ur allgemeine reversible Prozesse haben wir also: dU = T dS − p dV +

X

µi dNi

oder dS =

i

X µi dU p + dV − dNi T T T

(4.14)

i

I Fundamentale (Grund)Gleichung der Thermodynamik (Gibbs 1876) (h¨angt nur von Zustandsgr¨ oßen ab). Um die Eigenschaften der Entropie zu untersuchen, betrachten wir nun irreversible Prozesse. (1) Irreversible W¨ armeleitung

(Grafik)

⇒ δQ2 = −δQ1 = δQ   δQ1 δQ2 1 1 dS = dS1 + dS2 = + = δQ − T1 T2 T2 T1

Energie: dU = dU1 + dU2 = δQ1 + δQ2 = 0

(4.15)

Entropie:

(4.16)

Experimentelle Beobachtung: W¨ arme fließt von warm nach kalt   1 1 d.h. δQ > 0 wenn T1 > T2 oder > ⇒ dS > 0 T2 T1

(4.17)

(2) Irreversible Expansion eines Gases

(Grafik) F¨ ur eine reversible Expansion: dU = δQrev + δWrev = T dS − p dV

(4.18)

20

F¨ ur eine irreversible Expansion (z.B. mit Reibung): dU = δQ + δW

(4.19)

δW = −p dV + pR dV = δWrev + δWirr > δWrev

mit

(δWirr > 0)

(4.20)

Da dU nicht vom Prozess abh¨ angt muss δQ < δQrev ⇒

dS >

δQ T

(4.21)

Genauer: δQrev + δWrev = δQ + δW = δQ + δWrev + δWirr

(4.22)

δQrev δQ δWirr = + T T T

(4.23)

d.h. δQrev = δQ + δWirr ⇒ mit

oder

δQ + δSirr T = δWirr /T = irreversible Entropieproduktion.

dS =

δSirr

(4.24)

Mechanische irreversible Prozesse werden durch δWirr > 0 charakterisiert. Allgemeine irreversible Prozesse (thermische, chemische, elektromagnetische, ...) durch δSirr > 0 (Planck 1880). I macht die Thermodynamik zur universellen Theorie.

4.3 Zweiter Hauptsatz Wir k¨onnen den 2. Hauptsatz so formulieren:

(Carnot 1824, Clausius 1850, Kelvin 1851)

Es gibt eine Zustandsgr¨ oße S, sodass. dS =

δQ + δSirr T

mit

δSirr ≥ 0

(4.25)

Insbesondere gilt die Clausius Ungleichung (Clausius 1865): dS ≥

δQ T

(4.26)

Entropie ist keine erhaltene Gr¨ oße (im Gegensatz zur Energie): S nimmt f¨ ur irreversible Prozesse zu.

21

Die Thermodynamik beschr¨ ankt sich auf quasireversible Prozesse f¨ ur die δSirr 

δQ T



dS '

δQ T

(4.27)

Es gibt keine allgemeine Theorie um δSirr zu bestimmen. Mit dem 2. Hauptsatz postuliert man, dass T dS = δQ allgemein gilt (und nicht nur f¨ ur das ideale Gas), d.h 1/T ist der integrierende Faktor f¨ ur δQ f¨ ur generische Systeme. Frage: Kann man dieses Postulat experimentell verifizieren? Grundgleichung f¨ ur ein beliebiges Gas (δW = −p dV ): dS =

dU p + dV T T

(4.28)

Wenn S eine Zustandsgr¨ oße ist, ist dS ein totales Differential, das die Integrabilit¨atsbedingung erf¨ ullt. Wir betrachten zun¨ achst T und V als unabh¨angige Zustandsvariablen: S = S(T, V )

und U = U (T, V )

(4.29)

dann 

   ∂S ∂S 1 p dS = dT + dV = dU + dV ∂T V ∂V T T T     ∂U ∂U dT + dV dU = ∂T V ∂V T

(4.30) (4.31)

Einsetzten von dU ergibt:      1 1 ∂U ∂U dT + + p dV = A(T, V ) dT + B(T, V ) dV dS = T ∂T V T ∂V T (4.32) Integrabilit¨ atsbedingung f¨ ur S:       ∂A 1 ∂ ∂U = ∂V T T ∂V ∂T V T             ∂B 1 ∂U 1 ∂ ∂U ∂p =− 2 +p + + = ∂T V T ∂V T T ∂T ∂V T V ∂T V Da dU auch ein vollst¨ andiges Differential gilt:         ∂ ∂U ∂ ∂U = ⇒ ∂V ∂T V T ∂T ∂V T V



∂U ∂V



 =T

T

∂p ∂T

(4.33) (4.34)

 −p

(4.35)

V

Die Existenz der Entropie als Zustandsgr¨oße l¨asst sich durch eine experimentelle Verifizierung dieser Gleichung best¨ atigen! (+ Verallgemeinerung f¨ ur magnetische, elektrische,

22

elastische, ... Systeme). Wichtige Bemerkung: Wir k¨onnen die unabh¨ angigen Zustandsvariablen frei w¨ahlen, z.B. f¨ ur offene Systeme: (T, V, N ), (T, p, N ) oder (p, V, N ). Doch die Gleichungen dU = T dS − p dV + µ dN

und dS =

dU p µ + dV − dN T T T

(4.36)

zeigen, dass U = U (S, V, N ) und S = S(U, V, N ) urlichen Variablen“ von U und S, denn sie enthalten die vollst¨andige I dies sind die nat¨ ” thermodynamische Information u ¨ber das System:       ∂U ∂U ∂U T = p= und µ = (4.37) ∂S V,N ∂V S,N ∂N S,V       ∂S p ∂S µ ∂S 1 = = und − = (4.38) oder T ∂U V,N T ∂V U,N T ∂N U,V

4.4 Gleichgewichtsbedingungen (Grafik) Beim Ausgleich nimmt die Entropie zu, bis sie im Gleichgewicht den maximalen Wert erreicht I Entropie ist maximal im Gleichgewicht. U = U1 + U2

dU = dU1 + dU2 = 0



dU1 = −dU2

(4.39)

V = V1 + V2



dV1 = −dV2

(4.40)

N = N1 + N2



dN1 = −dN2

(4.41)

Da die Entropie additiv ist (Q ist additiv): dS = dS1 + dS2

 dS =

1 1 − T1 T2

mit

dSi =



 dU1 +

dUi pi µi + dVi − dNi Ti Ti Ti

p1 p2 − T1 T2



 dV1 −

µ1 µ2 − T1 T2

i = 1, 2

(4.42)

dN1 = 0

(4.43)



soll f¨ ur alle dUi , dVi und dNi gelten: ⇒ I

T1 = T2

p1 = p2

und µ1 = µ2

im Gleichgewicht sind intensive Parameter gleich.

23

(4.44)

4.5 Messung der Entropie Die Entropie (wie die innere Energie) ist nicht direkt messbar I es gibt keinen Entropie- (oder Energie-) meter. Es gibt zwei Strategien: Strategie 1: Man schreibt S als Funktion von messbaren Gr¨oßen (Responsefunktion) I nicht immer so einfach. Strategie 2: Man f¨ uhrt neue Zustandsgr¨oßen (thermodynamische Potentiale) ein, die messbar sind I in der Regel einfacher (siehe Kapitel 5). Struktur der Thermodynamik: 1. Mathematische Struktur der Haupts¨atze (U und S): Gibbsche Grundgleichung I allgemeine Verbindungen zwischen Zustandsgr¨oßen I systemunabh¨ angig und deswegen universell 2. gemessene, systemabh¨ angige Parameter, die die Antwort (Response) des Systems ¨ bei einer einer Anderung von T ,V ,p,N ,H,... charakterisieren. Ziel der Thermodynamik ist die Bestimmung der Zustandsgr¨oßen, wenn ¨außere Parameter ge¨ andert werden: gemessene Eigenschaften → S oder U f¨ ur den Anfangszustand → Grundgleichung (∆S oder ∆U ) → S oder U f¨ ur den Endszustand → messbare Eigenschaften

4.5.1 Responsefunktionen • Temperatur¨ anderung (thermische Koeffizienten):   δQ W¨ armekapazit¨ aten: CX = X = V, p, H, ... dT X   1 ∂V Ausdehnungskoeffizient: αp = V ∂T p   1 ∂p Spannungskoeffizient: βV = p ∂T V • Druck¨ anderung (mechanische Koeffizienten):   1 ∂V Kompressibilit¨ at: κT = − V ∂p T

24

(4.45) (4.46) (4.47)

(4.48)

• Magnetfeld¨ anderung (magnetische Koeffizienten):   ∂M Suszeptibilit¨ at: χT = ∂H T

(4.49)

Bemerkung: αp , βV , κT und χT lassen sich aus der Zustandsgleichung ableiten. Beispiele: ideales Gas:

pV = nRT

idealer Paramagnet:

1 T

αp =

M=

C H T

κT = χT =

1 p

(4.50)

C T

(4.51)

¨ 4.5.2 Entropie bei einer Temperaturanderung Wir haben: δQ dT = CX T T Z T2 dT T2 ∆S = S2 − S1 = CX (T ) = CX ln T T1 T1 dS =

Die Entropie ist nicht messbar; ihre Ableitung

dS dT

(4.52) f¨ ur CX = konstant.

=

CX T

(4.53)

schon.

¨ 4.5.3 Entropie bei einer Temperatur- und Volumenanderung Wir haben: dS =



1 T

∂U ∂T

 dT + V

1 T





∂U ∂V

∂U ∂V



 + p dV

(4.54)

T

mit 

∂U ∂T



∂p ∂T



= CV

und

V



 + p=T

T

∂p ∂T

 (4.55) V

Da 

 V

∂T ∂V

  p

∂V ∂p



 = −1

mit

T

∂V ∂p

 = −κT V

(4.56)

T

und 

∂T ∂V



1 V αp

(4.57)

αp 1 CV dT + dV T κT

(4.58)

= p

1

 =

∂V ∂T p

folgt dS =

25

F¨ ur das ideale Gas:

αp =

1 T

κT =

1 p

1 p dT dV CV dT + dV = CV + nR T T T V Z T2 Z V2 dT dV V2 T2 + nR ln ∆S = CV + nR = CV ln T V T V 1 1 T1 V1

und dS =

(4.59)



(4.60)

I man ben¨ otigt nur die W¨ armekapazit¨at und die Zustandsgleichung

¨ 4.5.4 Entropie bei einer Temperatur- und Druckanderung Analog findet man: Cp dS = dT − αp V dp T

1 αp = − V

I



∂S ∂p

 (4.61) T

4.6 Dritter Hauptsatz Wir haben bis jetzt nur Entropiedifferenzen betrachtet. Der absolute Wert der Entropie kann mit dem 3. Hauptsatz bestimmt werden: lim S(T, X) = S(0) = S0

T →0

(Nernst 1906, S0 = 0 Planck 1911)

(4.62)

oder ¨aquivalent: lim ∆S = 0

(4.63)

T →0

Wichtige Folgerungen: 1. W¨ armekapazit¨ aten verschwinden fu ¨ r T → 0: Z T2 CX (T ) S2 (T2 , X) − S1 (T1 , X) = dT T T1

(4.64)

Damit das Integral nicht divergiert f¨ ur T1 → 0 muss CX (T ) → 0. Wir schreiben: CX (T ) = C(X) T a ZT2

CX (T ) C(X) dT = (T2χ − T1a ) T a

bleibt endlich wenn a > 0

T1

Dieses Verhalten von CX (T ) wurde experimentell 1910-1912 best¨atigt.

26

(4.65)

2. Der Ausdehnungskoeffizient αp verschwindet fu ¨ r T → 0.   ∂S(T, X) Aus lim S(T, X) = S0 folgt lim =0 T →0 T →0 ∂X T I alle isothermen Prozesse sind adiabatisch (∆S = 0) f¨ ur T → 0.     1 ∂V ∂S 1 Insbesondere: αp = =− →0 V ∂T p V ∂p T

(4.66)

(4.67)

3. Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunktes Wir haben  V αp = −

∂S ∂p

 T

∂ =− ∂p

ZT

Cp (p, T 0 ) dT 0 = − T0

0

ZT

∂Cp (p, T 0 ) dT 0 ∂p T0

(4.68)

0

mit Cp (p, T ) = C(p) T a Z V αp = −

T



∂ Cp (p, T ) = C 0 (p) T a ∂p

C 0 (p) T 0a−1 dT 0 = −

0



V αp = const. C(p, T )

S=

Cp dT − V αp dp T

C 0 (p) a T = const. · Cp (p, T ) a

f¨ ur T → 0

(4.69) (4.70) (4.71)

Aus (4.72)

folgt f¨ ur eine adiabatische Expansion (dS = 0):   V αp dT = T dp Cp I

(4.73)

Temperaturschritt wird immer kleiner f¨ ur T → 0. (Grafik)

(Grafik)

4. Das ideale Gas widerspricht dem 3.Hauptsatz S2 − S1 = CV ln

T2 V2 + nR ln T1 V1

divergiert f¨ ur T1 → 0. I

Approximation des idealen Gases bricht zusammen. Quantenstatistik (Fermi + Bose) spielt eine Rolle.

27

(4.74)