Taschenlehrbuch Biologie: Genetik

Taschenlehrbuch Biologie Taschenlehrbuch Biologie: Genetik 1. Auflage 2010. Taschenbuch. 568 S. Paperback ISBN 978 3 13 144871 2 Format (B x L): 12,...
Author: Jonas Eberhardt
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Taschenlehrbuch Biologie

Taschenlehrbuch Biologie: Genetik

1. Auflage 2010. Taschenbuch. 568 S. Paperback ISBN 978 3 13 144871 2 Format (B x L): 12,7 x 19 cm

Weitere Fachgebiete > Chemie, Biowissenschaften, Agrarwissenschaften > Biowissenschaften allgemein > Genetik und Genomik (nichtmedizinisch) Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei

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1 Nucleinsäuren, Chromatin und Chromosomen

1.3.1

Nucleotidketten und Basenpaarung

DNA und RNA sind Polymere aus Nucleotiden bzw. Desoxynucleotiden. Das Rückgrat dieser Nuclotidketten besteht aus alternierenden Zuckermolekülen und Phosphatgruppen (Abb. 1.4). Es resultieren zwei unterschiedliche Enden, welche nach der Lage des Kohlenstoffatoms der Ribose bzw. Desoxyribose entsprechend als 3´ - oder 5´ -Ende bezeichnet werden. Die Basen der Nucleotide sind in der Lage, mit anderen Basen in Wechselwirkung zu treten. Diese Basenpaarungen werden durch Wasserstoffbrücken-Bindungen vermittelt, welche sich zwischen Sauerstoff- bzw. Stickstoffatomen der gegenüberliegenden Basen ausbilden. Einer Purinbase steht in der Regel eine Pyrimidinbase gegenüber. Unter bestimmten Bedingungen sind aber auch andersartige Basenpaarungen, z. B. zwischen zwei Purinbasen, möglich (S. 14). In der DNA liegt der Purinbase A die Pyrimidinbase T und der Purinbase G die Pyrimidinbase C gegenüber. Dies hat zur Konsequenz, dass zwei aneinander gelagerte DNA-Stränge zueinander komplementäre Sequenzen besitzen; d. h. die Stränge haben eine entgegengesetzte Basenabfolge. Die Sequenz eines Stranges determiniert somit die Sequenz des gegenläufigen Stranges (antiparallele Orientierung). Die Standard-Basenpaarungen werden nach den Wissenschaftlern, die diese Strukturen erstmals vorgeschlagen haben, auch als Watson-CrickBasenpaarungen bezeichnet. Die Menge von A in einem DNA-Doppelstrang entspricht der von T; ebenso korreliert die Menge von C mit der von G. Diese Beziehung ist auch als Chargaff-Regel bekannt. Der AT- bzw. GC-Gehalt variiert zwischen unterschiedlichen Organismen und wird auch als Klassifizierungsmerkmal herangezogen (Tab. 1.3). Basenpaarungen können auch innerhalb eines Nucleotidstranges vorkommen. Dies ist häufig bei RNA-Molekülen der Fall, welche durch die Ausbildung solcher intermolekularen Basenpaarungen bestimmte Sekundärstrukturen einnehmen (S. 182).

Abb. 1.4 Nucleotidkette. Das Rückgrat wird durch die Kohlenstoffatome 3´ bis 5´ der Zuckermoleküle und die Phosphatgruppen gebildet. Die Basen ragen aus dieser Kette heraus.

aus: Munk, Genetik (ISBN 9783131448712), © 2010 Georg Thieme Verlag KG

1.3 Bau der Nucleinsäuren

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Tab. 1.3 Prozentualer Basengehalt der doppelsträngigen DNA verschiedener Organismen und Viren. Aus dem wiedergegebenen AT-Gehalt der Organismen und Viren lässt sich durch Subtraktion von 100 der GC-Gehalt errechnen. Bakteriophage T7

52,0

Escherichia coli

48,3

Sprosshefe (Saccharomyces cerevisiae)

74,3

Mais (Zea mays)

54,0

Taufliege (Drosophila melanogaster)

70,2

Mensch (Homo sapiens)

71,6

1.3.2

Die DNA-Doppelhelix

James Watson und Francis Crick, die damals an den Cavendish Laboratorien in London tätig waren, benutzen Daten aus Röntgenbeugungsexperimenten von Maurice Wilkins und Rosalind Franklin, die in London am King’s College arbeiteten, und stellten im Jahr 1953 in zwei Arbeiten in der Zeitschrift „Nature“ ein Modell der DNA und ihrer Replikation (S. 89) vor. Dieses Modell hat sich als richtig erwiesen und beschreibt die DNA als eine rechtsgängige Doppelhelix. Die abwechselnden Zuckermoleküle und Phosphatgruppen der Einzelstränge bilden ein außenliegendes Rückgrat, während die Basen in das Helixinnere hinein orientiert sind (Abb. 1.5). Da sowohl GC- als auch AT-Paarungen jeweils eine Purinund eine Pyrimidinbase enthalten, haben sie eine sehr ähnliche Raumausfüllung. Im isolierten Zustand tritt uns die DNA als relativ uniformer Faden mit einem Durchmesser von etwa 2 nm entgegen. Neben den eigentlichen Basenpaarungen sind auch die Wechselwirkungen zwischen aufeinanderfolgenden Basenpaaren von entscheidender Bedeutung für die Ausbildung bzw. Stabilität einer Doppelhelix. Diese hydrophoben Wechselwirkungen werden als Stacking Forces oder Stacking Interactions bezeichnet. Die Basen der DNA sind nicht nur zur Ausbildung der nach innen gerichteten Watson-Crick-Paarungen in der Lage, sondern können über andere Wasserstoffbrücken auch an der Außenseite der Doppelhelix Basen anlagern. Diese ebenfalls spezifische Basenpaarung bezeichnet man als Hoogsteen-Wasserstoffbrücken. Es hat sich herausgestellt, dass ein G, gebunden an ein GC-Paar, und ein T, gebunden an ein AT-Paar, besonders stabil sind. Über solche Hoogsteen-Basenpaarungen kann sich ein weiterer DNA-Strang in die große Furche (s. u.) einer DNA-Doppelhelix unter Ausbildung einer DNA-Tripelhelix, auch als H-DNA bezeichnet, einlagern (Abb. 1.5c). Bei den ersten kristallographischen Arbeiten mit DNA wurden zwei unterschiedliche Präparationen verwendet, welche auch unterschiedliche Röntgenstreuungsmuster lieferten. Diese unterschiedlichen Formen wurden als „kristalline“ DNA (A-Form) und als „feuchte“ DNA (B-Form) bezeichnet. Die Bezeichaus: Munk, Genetik (ISBN 9783131448712), © 2010 Georg Thieme Verlag KG

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Abb. 1.5 Basenpaarungen. a Wasserstoffbrücken-Bindungen sind schwache Bindungen, bei denen sich zwei Atome hoher Elektronegativität ein Wasserstoffatom teilen. Um kovalente Bindungen von den Wasserstoffbrücken zu unterscheiden, werden diese in der Regel durch gestrichelte Linien dargestellt. Im Doppelstrang stehen sich immer eine Purinbase und eine Pyrimidinbase gegenüber. Zwischen Adenin und Thymin beziehungsweise Uracil kommt es zur Ausbildung von zwei, zwischen Guanin und Cytosin zur Ausbildung von drei Wasserstoffbrücken-Bindungen (Watson-Crick-Basenpaarung). b Über Hoogsteen-Wasserstoffbrücken-Bindungen können sich auch an der Außenseite der Doppelhelix Basen anlagern, was zur Ausbildung einer Tripelhelix führt (c).

nungen A- bzw. B-DNA werden weiterhin verwendet. Heute ist bekannt, dass die B-Form die unter natürlichen Bedingungen überwiegende Konformation der DNA ist. Die A-Form der DNA wird durch Entzug von Wasser hervorgerufen. Beispielsweise erhält man diese Konformation beim Lösen der DNA in Ethanol. Unter natürlichen Bedingungen kommt die A-Form z. B. in den Überdauerungsformen (Sporen) bestimmter Bakterien vor, welche einen stark reduzierten Wassergehalt aufweisen. Die Strukturen beider Formen sind bekannt und unterschei-

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Abb. 1.6 DNA-Struktur. Sowohl die A- als auch die B-Form bilden rechtsgängige DNADoppelhelices aus. Bei der B-DNA (A-DNA) beträgt die Zahl der Basenpaare (bp) pro Windung ca. 10,5 (11). Bei einem Abstand der Basenpaare von 0,34 nm (0,26 m) resultiert somit für die Windung eine Länge von ca. 3,4 nm (2,9 nm).

den sich in der Anzahl der Basenpaare pro Helixwindung, der Länge einer Windung und dem Durchmesser der Helix (Abb. 1.6). Beide Helices bilden eine rechtsgängige Doppelhelix. Doppelsträngige RNA bildet Helices aus, welche der Konformation der A-DNA entsprechen. An der DNA-Doppelhelix bilden sich an der Außenseite zwei Vertiefungen, welche als große bzw. kleine Furche bezeichnet werden. DNA-bindende Proteine binden in diese Furchen und können hier die DNA-Sequenz „auslesen“. Auch kleinere Moleküle können sich, mehr oder weniger selektiv, in die Furchen einlagern. Die Fluoreszenzfarbstoffe Hoechst 33 258 und Distamycin lagern sich z. B. in die kleine Furche der DNA ein. Dabei werden AT-reiche Abschnitte stark bevorzugt. Die Zahl der Basenpaare im Genom wurde für viele Viren und Organismen wenigstens ungefähr bestimmt und ist heute ein übliches Maß für die Genomgröße. Weniger gebräuchlich ist die Angabe des DNA-Gehalts einer Zelle in Picogramm (pg) DNA. 3000 bp entsprechen 3,3 q 10–6 pg DNA. Die Beziehung zwischen Basenpaaren und der Länge eines Abschnitts der B-DNA wird oft genutzt, um eine anschauliche Längenangabe für das gesamte Genom zu errechnen (Tab. 1.4, Tab. 1.5). Für Viren, deren Genom aus einzelsträngiger DNA besteht, gilt diese Beziehung naturgemäß nicht (Tab. 1.4). Für größere DNA-Moleküle

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1 Nucleinsäuren, Chromatin und Chromosomen

Tab. 1.4 Genomgröße und Form der DNA in Viren und Bacteria. Die Werte in der Spalte Nucleotide/Basenpaare geben für einzelsträngige DNA die Zahl der Nucleotide an, bei doppelsträngiger DNA die Zahl der Basenpaare. Der Beziehung zwischen der Zahl der Nucleotide/Basenpaare und der Konturlänge der Doppelhelix liegt das Verhältnis von 10,5 Basenpaaren auf 3,4 nm der DNA-Doppelhelix zu Grunde. Die Beziehung zwischen Basenpaaren und DNA-Gehalt in Picogramm (pg) basiert auf der Entsprechung 3 000 bp ((W)) 3,3 q 10–6 pg DNA. Form der DNA

Nucleotide/ Basenpaare

DNA-Gehalt (pg)

Konturlänge der Doppelhelix (mm)

Simian Virus (SV40)

zirkulär, doppelsträngig

5 243

5,8 q 10–6

ca.

Bakteriophage M13

zirkulär, einzelsträngig

6 407

7,0 q 10–6



Bakteriophage Lambda

linear, doppelsträngig

48 502

5,3 q 10–5

ca.

15,7

Bakteriophage T4

linear, doppelsträngig

ca.

166 000

ca.

1,8 q 10–4

ca.

53,7

Escherichia coli

zirkulär, doppelsträngig

ca. 4 720 000

ca.

5,2 q 10–3

ca. 1528,4

Bacillus subtilis

zirkulär, doppelsträngig

ca. 4 214 814

ca.

4,6 q 10–3

ca. 1364,8

Thermotoga maritima

zirkulär, doppelsträngig

ca. 1 860 725

ca. 2,046 q 10–3

ca. 602,5

1,7

Tab. 1.5 Genomgrößen und Chromosomenzahlen in Eukaryoten. Die angegebenen Werte gelten für das haploide Genom. Die Beziehung zwischen der Zahl der Basenpaare und der Konturlänge der DNA basiert auf dem Verhältnis von 10,5 Basenpaaren auf 3,4 nm der DNA-Doppelhelix. Basenpaare

Konturlänge (cm)

Chromosomenzahl

Sprosshefe (Saccharomyces cerevisiae)

14 q 106

0,45

16

Fadenwurm (Caenorhabditis elegans)

80 q 106

2,5

4

Taufliege (Drosophila melanogaster)

165 q 106

5,3

4

Krallenfrosch (Xenopus laevis)

6

ca. 3 000 q 10

97,1

18

Hausmaus (Mus musculus)

ca. 3 000 q 106

97,1

20

Mensch (Homo sapiens)

ca. 3 000 q 106

97,1

Mais (Zea mays)

ca. 5 000 q 106

160,2

Zwiebel (Allium cepa)

ca. 15 000 q 106

485,7

23 variabel (ca. 10) 8

aus: Munk, Genetik (ISBN 9783131448712), © 2010 Georg Thieme Verlag KG

1.3 Bau der Nucleinsäuren

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verwendet man die Ausdrücke Kilobasen (kb) oder Megabasen (mb), die 103 bzw. 106 Basenpaaren entsprechen. In den 1970er Jahren, als die Synthese kurzer DNA-Sequenzen Routine wurde, gab es auch vermehrt strukturelle Untersuchungen an DNA. Hierbei ergab sich bei dem Hexamer d(CG)3 ein unerwarteter Befund. Die erhaltene Struktur unterschied sich deutlich von den bekannten Strukturen. Die Basen hatten z. B. bezüglich der Zuckerreste andere Ausrichtungen. Liegen bei der A- und B-DNA die Basen bezüglich der Ribose in der anti-Konformation (die Base zeigt vom Zuckerrest weg) vor, so wechseln sich hier die Orientierungen zwischen anti- und synKonformation (die Base ist zum Zuckerrest hin orientiert) ab. Eine weitere Auffälligkeit ist der Verlauf des Rückgrates der DNA-Ketten. Diese zeigen einen deutlichen Zick-Zack-förmigen Verlauf, der für diese DNA-Konformation namensgebend wurde: Z-DNA. Die Entdeckung dieser weiteren DNA-Konformation wurde zwar zur Kenntnis genommen, führte aber in der Wissenschaft eher ein Schattendasein. Erst als eine Umwandlung der DNA von der B-Form in die Z-Form gezeigt werden konnte, verstärkte dies das Interesse in Struktur und Funktion der Z-DNA (Abb. 1.7). Mittlerweile ist bekannt, dass eine alternierende Abfolge von Purin- und Pyrimidin-Basen die Ausbildung der Z-DNA begünstigt. Im Gegensatz zu der B-Form ist die Z-Form thermodynamisch ungünstig, da sich die Phosphatgruppen hier sehr nahe kommen. Durch negatives Supercoiling (S. 19) wird die Ausbildung von Z-DNA begünstigt. Die Identifizierung spezifischer Z-DNA-bindender Proteine beweist, dass die Z-DNA von biologischer Bedeutung ist. Ein Beispiel für ein Z-DNA-bindendes Protein ist das E3L-Protein des Pocken-Virus. Dieses Protein trägt maßgeblich zur Pathogenität des Virus bei. Wird die Z-DNA-bindende Domäne von E3L entfernt, resultiert ein nach wie vor vermehrungsfähiges Virus, eine Infektion mit diesem ist (im Tierversuch) aber nicht mehr letal.

Abb. 1.7 Übergang von B-DNA zu Z-DNA. An der Übergangsstelle sind zwei Basen nach außen geklappt. Der Verlauf des Rückgrats der Nucleotidketten ist eingezeichnet. Der Zick-Zackförmige Verlauf ist bei der Z-DNA deutlich zu erkennen. Im Gegensatz zur B-DNA bildet die Z-DNA eine linksgängige Helix aus und besitzt einen kleineren Durchmesser (pdb: 2ACJ).

aus: Munk, Genetik (ISBN 9783131448712), © 2010 Georg Thieme Verlag KG

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Sequenzen, welche mutmaßlich Z-DNA Strukturen ausbilden, sind bei zahlreichen Genen im Bereich des Transkriptionsstartpunktes identifiziert worden. Z-DNA bildet zudem keine Nucleosomen. Diese und weitere Befunde lassen den Schluss zu, dass die Ausbildung der Z-Form von regulatorischer Bedeutung für die Transkription ist.

1.3.3

Die Quadruplex-DNA

Die DNA ist ein flexibles und vielseitiges Molekül, was z. B. durch die unterschiedlichen Konformationsmöglichkeiten zum Ausdruck kommt. Guanosin-reiche DNA kann eine viersträngige Helix bilden. Vier Guanin-Basen liegen hierbei in einer Ebene und sind über Wasserstoffbrücken-Bindungen miteinander verbunden. Diese DNA-Struktur wird daher als G-Quadruplex oder G-Tetraplex bezeichnet. Diese Strukturen können sich innerhalb eines Stranges oder auch zwischen unterschiedlichen Strängen ausbilden (Abb. 1.8). DNA-Quadruplex-Strukturen sind in der Natur weit verbreitet und üben wichtige Funktionen aus. Die 3´ -Enden der linearen DNA eukaryotischer Zellen besitzen spezielle Sequenzen, die Telomere (S. 71, S 128). Diese bestehen aus Tandem-Wiederholungen mehrerer hundert bis tausend G-reicher Sequenzen, beim Menschen z. B. (GGGTTA)n. Diese Sequenzen bilden spontan QuadruplexStrukturen aus und legen die Vermutung nahe, dass die Telomere der Chromosomen ebenso in dieser Konformation vorliegen. Die Ausbildung besonderer Strukturen der DNA-Enden ist für die Zellen von entscheidender Bedeutung, erlaubt dies doch die Unterscheidung zwischen dem normalen Ende eines Chromosoms und dem aus einem DNA-Bruch entstandenen Ende. Somit wird eine Verknüpfung der einzelnenen Chromosomen durch die DNA-Reparaturenzyme verhindert (S. 414).

Abb. 1.8 Quadruplex-DNA. a Die sich wiederholende Sequenz (GGGTTA)4 bildet eine viersträngige Quadruplex-Struktur aus. Der Verlauf des DNA-Rückgrates ist eingezeichnet. In der Mitte befindet sich meist ein Kaliumion (pdb: 143D). b Beispiele für unterschiedliche Möglichkeiten zur Ausbildung von Quadruplex-Strukturen. Die DNA-Stränge können hierbei parallel oder auch antiparallel zueinander orientiert sein.

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Quadruplex-Strukturen bilden sich aber nicht nur an den Telomeren, sondern auch an anderen Bereichen aus. Interessanterweise wurden solche DNA-Sequenzen in den Promotorbereichen von z. B. den Protooncogenen c-myc oder VEGF (vascular endothelial growth factor) gefunden. Die Ausbildungen der Quadruplex-Strukturen verhindern die Transkription der entsprechenden Gene.

n Die Kentnisse über die strukturelle Bedeutung der DNA haben zu neuartigen Ansätzen in der Entwicklung von Therapeutika geführt. Der Angriffspunkt bei diesen Strategien ist hierbei die DNA an definierten Stellen. Eine Strategie verfolgt die Fähigkeit von DNA, dreisträngige Helices auszubilden. Synthetische Oligonucleotide können sequenzspezifisch mit der DNA interferieren und hierdurch die Genexpression bzw. Replikation verhindern. Die andere Strategie verfolgt die Entwicklung spezifischer G-Quadruplex bindender Substanzen. Diese Substanzen stabilisieren die G-Quadruplex-Strukturen. Hierdurch wird z. B. die Funktion der Telomerase, welche für die Verlängerung der Telomere zuständig ist, verhindert. Telomerase ist in vielen Krebsarten dereguliert und ständig aktiv. Ein weiteres Ziel ist die selektive Unterdrückung der Transkription bestimmter Protoonkogene. Eine natürliche vorkommende G-Quadruplex-bindende Substanz ist z. B. das von Streptomyces anulatus gebildete Telomestatin. Erste G-Quadruplex-bindende Substanzen befinden sich in der klinischen Versuchsphase zur Behandlung bestimmter Krebsformen. m Watson-Crick-Basenpaarung: Basenpaarung zwischen komplementären DNASträngen, bewirkt Ausbildung einer rechtsgängigen Doppelhelix, beruht auf Wasserstoffbrücken-Bindungen zwischen einer Purinbase und einer Pyrimidinbase. Zwei Bindungen zwischen A (Purin) und T (Pyrimidin), drei Bindungen zwischen G (Purin) und C (Pyrimidin). Mengenverhältnis von A zu T oder G zu C ist 1 (Chargaff-Regel). A-DNA: Konformation der DNA-Doppelhelix bei Wasserentzug. Unter natürlichen Bedingungen bisher nur bei Sporen gefunden. Enthält 11 bp pro Windung, Länge der Windung 2,9 nm. B-DNA: Konformation einer DNA-Doppelhelix unter physiologischen Bedingungen. Enthält 10,5 bp pro Windung, Länge der Windung beträgt 3,4 nm, bildet zwei Vertiefungen aus: große und kleine Furche. Z-DNA: Lingsgängige DNA-Doppelhelix. Die Ausbildung der Z-DNA wird – zumindest bei Eukaryoten – zu regulatorischen Zwecken genutzt. H-DNA: Tripelhelikale DNA. Entsteht durch Anlagerung eines weiteren DNA-Stranges in die große Furche. Ausbildung von Hoogsteen-Basenpaarungen zu den Basen der Duplex-DNA. Hoogsteen-Wasserstoffbrücken: Ausbildung von Wasserstoffbrücken an der Außenseite der Doppelhelix. Führt zur Ausbildung eines dritten DNA-Stranges meist aus G und T (DNA-Tripelhelix). G-Quadruplex (G-Tetraplex): Viersträngige DNA, welche von Guanosin-reichen Abschnitten gebildet werden kann. Kommt vor allem in den Telomeren und bestimmten Promotor-Regionen bei Eukaryoten vor.

aus: Munk, Genetik (ISBN 9783131448712), © 2010 Georg Thieme Verlag KG

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