SWR2 Musikstunde mit Hans Hachmann. Pfeile aus Blei oder: Wie ein Lorbeerbaum entsteht Musik um Daphne, Eine Nymphe der Antike

______________________________________________________________________ SWR2 Musikstunde mit Hans Hachmann Pfeile aus Blei oder: Wie ein Lorbeerbaum e...
Author: Roland Kolbe
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SWR2 Musikstunde mit Hans Hachmann Pfeile aus Blei oder: Wie ein Lorbeerbaum entsteht Musik um Daphne, Eine Nymphe der Antike Sendung:

Dienstag, 04. Mai 2010, 9.05 – 10.00 Uhr

Redaktion:

Ulla Zierau

Manuskript _________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Einen Mitschnitt dieser Sendung können Sie bestellen unter der Telefonnummer 07221 / 929-6030 _________________________________________________________________

Dienstag, 04. Mai 2010 Musikstunde mit Hans Hachmann Pfeile aus Blei oder: Wie ein Lorbeerbaum entsteht Musik um Daphne, Eine Nymphe der Antike

An was denken Sie beim Stichwort „Daphne" bitteschön? Natürlich an den Billy-Wilder-Film „Manche mögens heiss" mit Tony Curtis und Jack Lemon bzw. Daphne und Josephine. Um Letztere soll es heute mal nicht gehen, dafür aber umso mehr und die erstgenannte Daphne und ihre diversen Ausformungen in der Musik. Zuvor aber wenigstens im Stenogramm die Geschichte: Apollon hatte den Knaben Eros (bei den Römer als Amor bekannt) geraten, er

solle das Bogenschießen doch lieber ihm und überhaupt den Männern überlassen. Eros, der, und das ist natürlich nicht ganz uninteressant, im Grunde sogar unter den Gottheiten das Sagen hatte. Er rächte sich, indem er mit einem goldenen Pfeil Apollon traf, der sich daraufhin blühend in die Nymphe Daphne verliebte, diese wiederum machte Bekanntschaft mit einem Amor'schen Pfeil aus Blei, der Liebesgefühle vertrieb. Die Unliebende flieht vor dem lüsternen Apollon und ruf ihren Vater, den Flussgott Pendejof zu Hilfe und in dem Augenblick, wo Apollon sie einholt, wird sie in einen Lorbeerbaum verwandelt, mit dessen Zweigen in der Folgezeit Apollon und andere Sieger bekränzt wurden. Der Moment der Verwandlung wie überhaupt die ganze Geschichte übte seit eh und je eine magische Faszination auf Künstler, vor allem Musiker aus. Und die Dichter natürlich. Um 1600 fasste der Florentiner Adlige Ottavio Rinuccini die Geschichte in Worte in seiner Favola di Daphne, die dann ziemlich bald von prominenten Komponisten seiner Zeit vertont wurde. Es war die Zeit, wo gewissermaßen die Oper überhaupt entstand. Und nun hätte ich Ihnen natürlich gerne einen Ausschnitt aus Jacopo Peri's Oper, der ersten überhaupt in der Musikgeschichte vorgestellt, aber es ist leider nur der Text erhalten. Macht nichts, wir bleiben bei diesem Komponisten um 1600, denn in seiner Oper „Euridice" kommt gottlob auch eine Daphne vor und da haben Sie so einen kleinen Eindruck, wie diese Musik geklungen hat.

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Orpheus und Euridice feiern gerade ihre Hochzeit, da verkündet inmitten der Tänze eine Dame namens Daphne, dass Euridice an einem Schlangenbiss gestorben ist. Also nicht die originale antike Lorbeerbaum-Daphne, sondern eine, die nach ihr benannt ist. Hier ein Ausschnitt:

CD 19060886 Mack 12 bzw. 13 Ausschnitt Lassa! Che di spavento e di pietate oder Per quel vago boschetto Aus: Euridice

Jacopo Peri von der Florentiner Camerata, einer der Gründerväter der Oper, vor allem im Verbund mit dem Textdichter Ottavio Rinuccini. Dessen Text hatte sich dann wenig später Marco da Gagliano zur Vertonung vorgenommen, uraufgeführt 1608 in Mantua, wiederaufgeführt 1976 in Hitzacker, man höre und staune. Da Gagliano war Kapellmeister Komponist und Pädagoge, zeitweilig am berühmten Hofe der Medici. Hier der Schlusschor, wo Apollon umgeben von Nymphen und Hirten das Verschwinden, den Verlust seiner großen Liebe beweint.

CD 19-091964/Track 8 7'14 bis Ende= 5'07 Marco da Gagliano: Ausschnitt aus „La dafne" Marco da Gagliano, letzter großer Vertreter der legendären florentinischen Vokalkunst. Wir sprachen bislang von frühen Daphnischen Opernversionen, da gab es wie gesagt einige, wobei die wohl interessanteste leider verschollen ist, bzw. auch hier ist nur der Text überliefert und zwar hat Heinrich Schütz an!ässlich einer Fürstenhochzeit den Auftrag bekommen, Daphne „musikalisch" in den Schauplatz zu bringen, der Text von Martin Opitz („Aus mehrenteils eigener Erfindung geschrieben, fusst wiederum auf Rinuccini") Verlassen wir den Bereich frühen Musiktheaters zu Gunsten von instrumentalen DaphneVersionen. Da gibt es beispielsweise zwei von demjenigen Komponist, der überhaupt die meisten Werke der Musikliteratur geschrieben hat, einem Herrn..............Und da gab es im England des 17. Jahrhunderts, einen solchen, der Stücke für Violins-Bands, ich übersetz das mal mit „Fiedler-Kapellen" schrieb, die sich aus der Gloa-Fiedel, aus der kleinen Fiedel, der

4 Secund-Fiedel, zweiten Geige, der Grobfiedel, das kann natürlich nur die Bratsche sein und dem Ploschperment, dem Boss, zusammensetzt. Gespielt wurde in erster Linie Tanzmusik, manchmal auch improvisierenderweise, und dann gab es eben mal auch musikalische Darstellungen berühmter Geschichten bzw. Figuren der Daphne. Hier ist ist sie, vorgesellt von „The Kings Noyse".

CD 19060582/Treck 9 K.: Daphne A.: The Kings Delight

4'40

Daphne, das heisst übrigens auf griechisch „Lorbeeraum", in einen solchen wurde sie wie gesagt verwandelt, in dem Moment; wo der lüsterne Apollon wie eingeholt hatte. Da gibt es übrigens auch wunderbare Darstellungen aus dem Reich der Bildenden Künste von Thiebolo etwa oder von Vernini, wenn Daphne mit erhobenen Armen die Form eines Baumes anzunehmen beginnt, ihre Finger schon zu Zweigen ausgewachsen sind und ihr Haar zu dichtem Laub wird. Apollon bleibt daraufhin nichts, ich erwähnte es bereits, als sein Haupt mit Lorbeer zu schmücken, eine Praxis die er dann bei Siegern alfer Arten ihre Fortsetzung erfahren hat. „Als Gattin warst du mir nicht beschieden", sagte Apollon seinerzeit traurig, „doch ich lasse dich nicht, als Baum sollst du mir zu eigen sein und stets will ich im Haar, am Bogen, an der Leier, deine Zweige, den Lorbeer tragen." Daphne auch in einen Baum verwandelnd, die leuchtende Schönheit, der die Liebe Apollons blieb, es gibt anrührende Schilderungen, wie er behutsam die Hände auf den Stamm legt und auch durch die Rinde hindurch das Herz der Geliebten schlagen spürt. Er soll den Baum sogar innig geküsst haben. Diese Geschichte hat auch Georg Friedrich Händel derart ergriffen, dass er zumindest eine Kantate „Apollo et Daphne' geschrieben hat, 1708 zwar kein Werk für die Bühne, musikalisch aber keineswegs ohne eine gewisse dramatische Wirkung. Und Daphne hat in dieser Kantate wunderbare Arien zu singen, eine Pizzikato-begleitete, wo die Welt noch in Ordnung ist, dann eine, wo Daphne beteuert, sich nicht Apollon ergeben zu wollen,

4 sondern seiner Schwester Cyntia als Alleinherrscherin in den Wäldern dienen zu wollen. Hier ist Karina Gauvin, Sopran, begleitet von den Vio!ons Du Roy und Bernard Labadie

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CD 12-008130 Track 12 3'27 Georg Friedrich Händel: Arie der Daphne aus „Apollo e dafne Karina Gauvin, Sopran Violons Du Ruy

Apollo e Dafne, ein Kleinod innerhalb Händels Vokalmusik und ich finde auch da sollten wir einen Blick auf diejenige Stelle, welche, werfen, Apollon bedrängt Daphne, sie sagt ihm, sie wolle lieber sterben, als ihre Ehre zu verlieren.

CD 12-008130 Track 20 2'36 Georg Friedrich Händel: Duett Apollo e Dafne Karina Gauvin Sopran Russell Braun, Bariton

Latera e liberata, so der zweite Titel von Georg Friedrich Händels Katanta "Apollo e Dafne" aus der wir eben mit Karina Gauvin und Russell Braun, das Duett auf dem Höhepunkt der Handlung erleben durften. Der 21jährige Händel wird sicher großes Verständnis für die Geschichte aufgebracht haben. Der Text ist übrigens eine Adaption der Metamorphosen des Ovid durch einen unbekannten Autor. Händel hat übrigens auch eine deutsche Oper mit dem Thema geschrieben, die Musik ist jedoch leider — wie so oft — verschollen. Eigentlich muss Daphne als Nymphe in charmanter Gesellschaft und schöner Umgebung kein Kind von Traurigkeit gewesen sein. Tanzen konnte sie erst gar nicht mehr, als sie in einen verwurzelten Baum verwandelt wurde. Davor wird sie sicherlich gerne das spärlich gekleidete Tanzbein geschwungen haben, etwa zu dem Tanz „Daphne" des John Playford, fantasiere ich jetzt einmal. Playford, britischer Musikverleger und Buchhändler, Sammler englischer Tänze, die er mit Musik und Beschreibung herausgab. Bevor wir Daphne hören, wollen wir natürlich wissen, wie sie getanzt wird, hier die Original-Choreografie von 1651: Vier Takte Anfangsreverenz, dann der eigentlich aus drei Strophen bestehende Tanz sowie

6 ein Schlussakkord, bei dem sie sich vielleicht noch einmal ihrer Partnerin gegenüber verbeugen können. Gedacht ist das ganze für vier Paare auf der Gass und zwischen die Strophen mit jeweils einem Refrain dazwischen geschoben. Bevor Sie lostanzen sage ich Ihnen noch die Details: 1. Strophe: Kolonne vorwärts und rückwärts, 2. Strophe: seitwärts, 3. Strophe: mit eingehakten Armen. Viel Vergnügen mit dem Ensemble Buon Tempo.

CD Hänssler Classic 98.411/LC 06047 / Track 22 Galante Kurzweyl: Höfische Tänze „Daphne" K.: John Playford Ensemble Buon tempo

2'02

John Playford ein altenglischer Kontratanz zum Thema „Daphne". Daphne, die keusche Jüngerin Diana, von der sich ihr Vater so gerne einen Schwiegersohn bzw. einen Enkelkind gewünscht hätte. Apollo mag sich hier anpreisen wie auch immer er will, er beisst — der bleierne Pfeil ist daran schuld — auf Granit. „Jupiter ist mein Vater, beteuert er bei Ovid, „durch mich wird Zukünftiges, Vergangenes und Gegenwärtiges offenbar, durch mich tönt harmonisch das Lied zu den Klängen der Saiten, sicher trifft mein Pfeil, noch sicherer traf nur der eine, der in der schutzlosen Brust mir die Wunde schlug'. Und weiter: „Meine Erfindung ist die Heilkunst, überall auf der Welt heisse ich Helfer und die Kraft der Kräuter ist mir untertan. Wehe mir, dass Liebe sich durch kein Kraut heilen lässt und dass meine Künste, die allen nützen, für ihren Erfinder nutzlos sind." Klar dass bei einer derart umschwärmten Frauengestalt viele Eltern in der Folgezeit ihre Kinder Daphne genannt haben, ein Name der auch häufig in den pastoralen Dichtungen den ländlichen Szenen aus dem 18. Jahrhundert zu finden ist. Übrigens von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg Stolberg etwa gibt es ein Gedicht „Daphne am Bach'', wobei wir da erstaunt feststellen können, dass Daphne bzw. Daphnis auch ein Jungenname ist. Daphnis und Cloe, Sie kennen das Ravel'sche Ballett, aber den Daphne gibt es auch bei Franz Schubert in der StolbergStolberg-Vertonung aus dem 1816. Friedrich Stolberg und sein Bruder Christian waren Freunde Goethes und sie übersetzten Texte aus der griechischen Antike, „Daphne am

7 Bach", Ein Bächlein hört sie rauschen, sie ist Arleen Auger, die hier am Flügel von Graham Johnson begleitet wird.

CD 19-097080/Track 9 2'23 K.: Franz Schubert: T: Stolberg-Stolberg: Daphne am Bach Arleen Auger, Sopran Graham Johnson, Klavier

Franz Schuberts kleine Daphne-Szene, Daphne in diesem Fall wie gesagt ein junger Mann, der weinend am Bach sitzt und hofft, dass ein Liebchen bald zurückkehrt. Daphne hier also sozusagen in der Rolle des Apollon. Dieser taucht auf in dem William Walton-Lied „Daphne" nach einem Gedicht der Britin Edith Sitwetl aus der Sammlung „Fassaden 1922", Sie hören jetzt also gleich einen leibhaftigen Gott singen, verkörpert durch die Sopranistin Iris BraigZieher, die von Thomas Hans am Klavier begleitet wird.

Band 25-73 51/Take 1 William Walton: Daphne Iris Braig-Zieher, Sopran Thomas Hans, Klavier

3'10

William Walton, der Mann zwischen Gustav Holst und Benjamin Britten, 1902 bis 1983, als fast 30jährigen komponierte Walton die der befreundeten Dichterin gewidmeten Lieder. Wo gibt es weitere gesungene Daphnen? Nun an einer Stelle, wo man's nicht unbedingt vermutet, nämlich in der dreiaktigen Oper ,,Der heilige Berg" von Christian Sinding. Sinding, der in Deutschland ausgebildete Norweger, der ein langes und erfolgreiches Leben hatte, grob gesagt von der Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts „Ich trage meinen Hut wie ich will" könnte man als Motto seiner Kunst überschreiben. Christian Sinding immer gut für Überraschungen, ich finde nicht nur das berühmte ,,Frühlingsrauschen" hat ein Recht darauf, im Radio zu erklingen, sondern auch „Der heilige Berg", uraufgeführt zwei Jahre nach seiner Entstehung am 17. April 1914 in Dessau. Die Librettistin: Dora Duncker, mit einer im 19. Jahrhundert, also nicht in der griechischen Antike, spielenden Geschichte vom Berg Athos

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über die Allmacht der Liebe. Die Geschichte ist ein bisschen abstrus, denn die Mönche des Klosters büßen nicht nur und beten sondern betreiben auch die Seeräuberei, wobei sie als Opfer nur ungläubige Türken suchen. Kurz gesagt also bizarre Einfälle und Unwahrscheinlichkeiten in reicher Auswahl und auf engstem Raum in ein Mäntelchen ethischer Ideen und Quasiphilosophie gehüllt. Daphne ist hier die Pflegetochter des 12jährigen Dion, der im Kloster aufwachsen muss, muss man wohl sagen, die beiden begegnen sich, verlieben sich und fliehen, Dion stürzt vom Fels, wird leblos ins Kloster zurückgebracht und nicht einmal Daphnes Kuss vermag es, ihn ins Leben zurückzuholen. Wie sollte es anders sein, die Mutter schaffts dann; Dion erhebt sich, umarmt seine Mutter und seine geliebte Daphne, die ihn ja zu dieser zurückgeführt hat, die sündige Liebe ist geläutert. Daphne hier also in einem doch ziemlich anderen Zusammenhang, wobei der Name und somit die Erinnerung an die antike Nymphe ist geblieben, selbst im hohen Norden. Hier ein Ausschnitt aus dem „Heiligen Berg", die Stelle aus dem 1. Aufzug, wo sich Daphne und Dion begegnen.

CD 19.005583 CD 1 Track 2

von 9'25 bis 12'29 (oder 14'05 langsam rausblenden)

Christian Binding: Der heilige Berg, Ausschnitt

So also der von Christian Sinding musikalisierte Beginn einer jungen Liebe, der heilige Berg, das könnte beispielsweise der von Edvard Munck gemalte ,,Menneskeberget". Sie hörten eine Aufnahme von der Norwegischen Oper Oslo unter Leitung von Heinz Fricke. Christian Sinding als Opernkomponist nicht sonderlich berühmt, wie seine Musik ja generell bis auf ein einziges Stück ein Schattendasein führt, obwohl seine von Liszt und Wagner beeinflusste Sprache keineswegs uninteressant ist. Ähnliche Lebensdaten wie Sinding hatte unser nächster Komponist, ein wahrlich großer Opernmeister, Richard Strauss; der wie viele vor ihm vom Daphne-Stoff fasziniert war. Bevor wir näheres hören ein kleines instrumentales Zwischenspiel und zwar gibt es nach einem Motiv aus der bukolischen Komödie „Daphne op. 82 von Richard Strauss, die sogenannte Daphne-Etude G-dur für Violine solo aus dem Jahre

9 1945, im Jahr der Metamorophosen und der fröhlichen Werkstatt für Blasinstrumente. Gidon Kremer spielt diese wunderbare kleine Piece.

Band 25-67 448 Take 1 1'28 Richard Strauss: Daphne-Etüde, G-dur AV 141 nach einem Motiv aus der bukolischen Tragödie „Daphne" op. 82 für Violine solo Gidon Kremer

Soweit schon mal ein kleiner Eindruck aus der Beschäftigung von Richard Strauss mit Daphne, die eben gehörte Etüde entstand allerdings 7 Jahre nach der Oper. Strauss bedient sich dabei einer Abwandlung der Geschichte, es wird nämlich Leukippos als zusätzliche Figur eingeführt, der menschliche Rivale Apollons, den dieser beseitigen lässt, in dieser Version wird Daphne von Zeus verwandelt. Bei Ovid wie gesagt, ist es ihr Vater. Naninis berühmter Apollo und Daphnes Statue in der römischen Villa Borghese soll Straus bei der Komposition vor Augen gehabt haben, Textdichter Joseph Gregor, der gegen eine Lithografie von Theodor Chasseriao, und für beide bedeutete die Wahl des Stoffes eine Anknüpfung an den Ursprung der Gattung Oper an Jacopo Peri's Daphne, die erste Oper überhaupt. Mit dem Dirigenten Clemens Kraus besprach der Komponist im Mai 1937 die Gestaltung des Schlusses: ”Wir sind überein gekommen, dass nach Apollos Abgang außer Daphne kein menschliches Wesen mehr auf der Bühne erscheinen darf._ Alles wäre eine Abschwächung. Bei den letzten Gesängen Apollos erhebt sich Daphne, ihn staunend anblickend..., und nun vollzieht sich — im Mondlicht , aber vollkommen sichtbar — an ihr langsam das Wunder der Verwandlung: nur im Orchester allein." Hören einen der musikalischen Höhepunkte im Strauss'schen Spätwerk, es musizieren die Wiener Symphoniker unter Karl Böhm.

CD 19-003134/CD 2 Track 9 5'09 Richard Strauss: Aus "Daphne" — Mondlichtmusik Hilde Güden Wiener Symphoniker unter Karl Böhm

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Die wunderbare abschließende ,,Mondlichtmusik' mit der Stimme der Daphne aus Richard Strauss' gleichnamiger Oper, die Sängerin Ingrid Biona hat diese Partie so geliebt, dass sie ihrem Haus in Norwegen den Namen Daphne gab, die beiden Arien mit der Protagonistin '0 bleib geliebter Tag" und „unheilvolle Daphne" gehören zum größten was Strauss für einen lyrisch-dramatischen Sopran mit Koloraturbegabung komponiert hat. Stefan Zweig war übrigens ursprünglich als Librettist vom Komponisten ausersehen. Der Dichter wanderte ja aber dann nach Südamerika aus, wo er mit seiner zweiten Frau 1942 Selbstmord beging. Wichtigstes Anliegen des Komponisten, er wollte in einer Zeit des Ungeistes den Geist retten und so wählte er Stoffe, die sich von der Gegenwart abwandten. Daphne im Konflikt, hier zwischen Rausch, Extase und Leidenschaftlichkeit von Dyonisos einerseits, der Reinheit, Keuschheit und Geistigkeit Apollos andererseits, die Nymphe entscheidet sich für letzteren, also für den Geist und kehrt zurück in die Natur, indem sie sich in einen Lorbeerbaum verwandelt bzw. durch Zeus in einen solchen verwandelt wird. Eine Art Flucht des Komponisten in die Antike, um wegzukommen von der schrecklichen Menschenwelt, in der er, neben vielen anderen auch, verdammt war, zu leben.

Ich mag besonders gerne ein Wort Gerhart Hauptmanns zum 60. Geburtstag des Komponisten Richard Strauss: „Wer wollte nicht dankbar sein für diese heiter, tiefe, musikalische Lebensquelle, mit ihrer unversiegbaren Kraft lebensspendend zu leben," Verweilen wir zum beinahe-Abschluss unserer heutigen Daphne-Musikstunde noch ein wenig bei Richard Strauss, der sich 1946 noch einmal musikalischen Materials seiner Oper Daphne angenommen hat. Zwar gibt es da das Motiv der Vereinigung von Natur und Kunst in der neunstimmigen Daphne-Hymne, welche in seinem Verweben des Naturlautes ein Meisterstück filigraner Satzkunst darstellt. Der neunstimmige a-cappella-Chor ,,An den Baum Daphne", geschrieben für den Wiener Staatsopernchor, stellt eine Art Krönung Strauss'scher Vokalpolyphonie dar, wobei diese Literatur zum schwersten gehört, was von einem Chor überhaupt zu leisten ist. Hier mit einem Ausschnitt das SWR-Vokalensemble unter der Leitung von Robert Huber.