SWR2 Glauben GOTT IST NICHT BLAU WENN DER GLAUBE DEN ALKOHOL ERSETZT VON RAINER SCHILDBERGER

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Author: Josef Sternberg
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

SWR2 Glauben GOTT IST NICHT BLAU WENN DER GLAUBE DEN ALKOHOL ERSETZT VON RAINER SCHILDBERGER SENDUNG 29.06.2014 / 12.05 UHR Redaktion Religion, Kirche und Gesellschaft

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR

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O-Ton Pfarrer Ulrich Kotzur Aus beruflichen Gründen trinke ich jeden Tag ein Schlückchen Wein, den wir zur Messfeier benutzen. Der Priester ist gehalten jeden Tag Eucharistie zu feiern. Sonntags mit ner größeren Gemeinde, wochentags mit ner kleineren Gemeinde, aber eigentlich jeden Tag. O-Ton Sabine S. Den Buddha im indischen Museum, den hab ich geliebt, da bin ich oft hingegangen hab einfach nur davor gesessen, mir den angeguckt. Einfach dieses Lächeln. Dieses tief in sich ruhende, zufriedene Lächeln. Was mich wahnsinnig angesprochen hat. Und dann ging es los mit dem Alkohol und dann war der Zauber der Begegnung weg. Bei mir war es kann ich wirklich sagen, war es Liebe auf den ersten Schluck. Ich hab Mit 17 meinen ersten bewussten Schluck Alkohol getrunken, das war damals Bier, und wir waren Freunde von Anfang an. Plötzlich war ich nicht mehr die Sabine, die ein bisschen verklemmt, ein bisschen komisch war, so ein bisschen anders war, sondern wenn ich was getrunken hatte, war ich plötzlich spritzig, hab reden können, die Leute mir haben zugehört, und ich hab plötzlich Bekannt-schaften gemacht, von denen ich vorher nicht hätte zu träumen gewagt. Plötzlich war ich wer. O-Ton Dr. Andreas Dieckmann Dieses, ich bin mit dem ersten Schluck schon Alkoholiker gewesen, das sagen tatsächlich gar nicht wenige. Viele hatten schon zu dem Zeitpunkt eine latente, eine untergründige Depression, und haben zum ersten Mal erlebt, dass es ihnen besser geht..und haben dann dieses Mittel weiter dazu eingesetzt.

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Erzähler Andreas Dieckmann ist der Chefarzt einer Entwöhnungsklinik. Im hellen Foyer des Hauses sitzen seine Patienten auf Sofas und trinken Kaffee. Einer liest in den Broschüren der Anonymen Alkoholiker, die hier überall ausliegen. Darin das 12-Schritte-Programm. Da heißt es: Sprecherin Schritt 1: Wir geben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind - und unser Leben nicht mehr meistern können. Schritt 2: Wir kommen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann. Schritt 3: Wir fassen den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes - wie wir Ihn verstehen – anzuvertrauen. O-Ton Dr. Andreas Dieckmann Also vom Alkohol wird man auch nicht Alkoholiker. Alkohol gehört nicht zu den Suchtstoffen, von denen man selber abhängig wird. Sondern dafür braucht man eine Disposition. O-Ton Pfarrer Ulrich Kotzur Ich glaube, dass es den Rausch gibt und das Menschen, auch Priester, das schön finden. Warum fährt man Achterbahn? Weil man den Kick will. Das wiederum ist zutiefst im Menschen drin. Der Mensch will seine Grenze übersteigen. Er will zum Göttlichen kommen. Erzähler Pfarrer Ulrich Kotzur aus Berlin-Kreuzberg. O-Ton Pfarrer Ulrich Kotzur Ich selber trinke lieber Bier als Wein. Ich halte mich an die Devise kein Bier vor vier.

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Erzähler Der Pfarrer hat mich in den „Kreuzberger Himmel“ eingeladen. Eine Gaststätte, die nach dem Motto der Benediktiner vom Berg Andechs funktioniert: „Genuss für Leib und Seele.“ Und zu trinken gibt’s Andechser Klosterbräu oder den Wein, der auch als Messwein zum Einsatz kommt. Dazu gibt es die kostenlose Tresenseelsorge. Denn der Pfarrer zapft ab acht. Immer sonntags. „Die Zeichen der Zeit erkennen“ nennt Pfarrer Kotzur das „und dahin gehen, wo die Menschen gerne sind.“ Die Idee dazu hatte seine katholische Gemeinde. Der Bischof hat es genehmigt. O-Ton Pfarrer Ulrich Kotzur Wir üben uns hier in der Gaststätte ein, das Leben zu genießen. Ich war nie vollrauschend. Auch als Jugendlicher nicht. Ich war nie sturzbetrunken, dass ich nicht wusste, was ich tue. Ich hab mich nie übergeben. Sprecherin Schritt 4: Wir machen eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren. Schritt 5: Wir geben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu. O-Ton Sabine S. Der Rausch kam aus der Gesellschaft. Das Reden, das ne andere Person verkörpern, das Voll da sein, das Glänzen vor anderen Menschen. Am nächsten Tag war ich plötzlich nüchtern und dann ging es nicht mehr. Dann war ich wieder jemand anders und hab mich nicht getraut, die tollen Beziehungen und Gespräche fort zu führen. Das war also neben der Euphorie von Anfang so ein Rauf und Runter.

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O-Ton Dr. Andreas Dieckmann Ich glaube, das ist früher nicht selten ein Motiv gewesen, sich in Bewusstseinssituationen zu bringen, in denen man Gott näher kommt. Und da kann der Rausch möglicherweise ein subjektives Gefühl von mehr Nähe bringen.

O-Ton Pfarrer Ulrich Kotzur Genau da ist die Grenze. Wenn der Alkohol mich dazu führen soll, über den Rausch hinweg, mich dem Göttlichen zu öffnen, ist es falsch, wird die Freude, die im Wein steckt, mir zum Zeichen das ich angenommen bin, dass ich bejaht bin und dass die Schöpfung bejaht ist, weil Gott sich mir schenkt, dann ist es gut./Das Sich-Berauschen ist die Negativform des Sich-übersteigenWollens. Und der Rausch führt einen zur Besinnungslosigkeit, und das kann ich mir nicht vorstellen, dass Jesus so gelebt hat.

O-Ton Sabine S. Ich

bin

aufgewachsen

in

dem

Bewusstsein,

dass

der

Mensch

ne

Fehlentwicklung der Evolution ist, dass Liebe nichts weiter als Selbstbetrug ist, dass es letztlich kein Mysterium, keine spirituelle Erlösung gibt, das ist mein Denken und Wesen gewesen. In so einem Zu-stand kannst du nicht auf andere Menschen zugehen und kannst nicht einfach den berühmten Spaß haben oder einfach mal Gefühle zeigen. Das war für mich nicht drin. Ich war so

eingekapselt

in

Misanthropie

und

Weltverachtung

und

Selbstverherrlichung, dass ich keine normale Beziehung zu Menschen hinbekommen hab.

Erzähler Sabine kommt aus schwierigen Familienverhältnissen. Besonders der misanthropische Vater, Quartalssäufer und Arzt in einem Krankenhaus, macht allen schwer zu schaffen. Die Mutter trinkt heimlich. Nach außen hin scheint alles in Ordnung. Bis zum Ende der Schulzeit ist Sabine ein angepasstes, 5

ruhiges Mädchen. Dann wird sie die Freundin des Jungkom-munisten, der später von der Schule fliegt. Als erste in der Clique haben sie eine eigene Wohnung. Die wird schwarz und grasgrün gestrichen. Eine Partyhöhle, wo alles erlaubt ist.

O-Ton Sabine S. Dann kam plötzlich der Alkohol und ganz viele von diesen inneren Verkrampfungen und Einschränkungen sind ganz plötzlich weggefallen. Das erste Mal in meinem Leben. Und das war wirklich der Reiz über einige Jahre hinweg. Erzähler Sabine jobbt in einer Kneipe, zieht herum mit verrückten Typen, nimmt Schauspielunterricht. Aber die Theaterszene spuckt sie aus, bevor sie überhaupt dort richtig landen kann. Ihre Wohnung ist eine Müllhalde. In der Küche stapeln sich die leeren Bierkästen. Die Fa-milienfeste enden regelmäßig im Suff und im Streit. Die Schwester, die Eltern, die Freunde sind hilflos. Irgendwann zieht sie weg in eine andere Stadt, wo sie niemand kennt. Sprecherin Schritt 6: Wir machen eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt haben und. Schritt 7: Machen bei diesen Menschen alles wieder gut - wo immer es möglich ist - es sei denn, wir verletzen sie oder andere dadurch. O-Ton Sabine S. Der Spaß hat irgendwann aufgehört und dann ging es nur noch darum, nicht völlig in die Verzweiflung abzustürzen, sondern so ein Aufatmen herzustellen.

Erzähler Sabine steigt in die IT-Branche ein. Da hat sie schon zehn Jahre Trinken hinter sich. Trotzdem schafft sie es bis ins mittlere Management der Firma. 6

O-Ton Sabine S. Ab 28, 29 ging es damit los, dass ich immer einsamer geworden bin, dann gab es noch den Alkohol. Neben dem Alkohol war mein Vergnügen Lesen und zwar Schundromane. Es musste was mit Liebe zu tun haben, es musste ein Romantikroman sein und ein Happy End haben. Und geraucht habe ich noch. Das war so meine Belohnung am Wochenende. Zwei Kästen Bier, Stange Zigaretten und 5 neue Bücher. / In der Anfangszeit ging es noch einfach: Arbeiten und nach der Arbeit dann kommt die Bierflasche. Irgendwann ist es so, dass ich morgens mein Bier gebraucht habe, um über das Gefühl rüber zu kommen, wenn ich nicht sofort ein Bier habe, dann kratze ich ab./ So sechs, sieben bis zu acht Liter am Tag, das war schon drin. O-Ton Pfarrer Ulrich Kotzur Wein wird nach der Wandlung oder der Hl.Messe niemals aufgehoben, sondern immer ausgetrunken. Weil wir ja mit dem Wein, der ja in das Blut Christi verwandelt wurde, ja das Göttliche verbinden und da setzen wir uns nicht der Gefahr aus…dass er dann verschüttet, dass er zu Essig wird,. dass wir den Wein lieber konsumieren, als ihn schadhaft werden zu lassen. O-Ton Pfarrer Ulrich Kotzur Wir brauchen den Wein für die Messfeier. Also ohne Alkohol könnten wir gar nicht Messe feiern. / Im katholischen Gottesdienst ist es so, dass nur der nachgewiesene trockene Alkoholiker, wenn er der Messe vorsteht, dann darf er Traubenmost nehmen. Darf aber nur er trinken, Konzelebranten müssten in einem zweiten Kelch, mit richtigem Wein, den Leib Christi empfangen. Das ist zum Schutz des Priesters da, damit er nicht, weil er ja alkoholkrank ist, nicht in Gefahr kommt, rückfällig zu werden. O-Ton Dr. Andreas Dieckmann Ich glaube, dass es gut ist, dass es häufig Saft gibt, das ist gut für die jungen Leute und das ist gut für die Alkoholiker, die, wenn sie im christlichen Glauben ihre Erfüllung finden, da gut untergebracht sind und nicht wieder rückfällig 7

gemacht werden sollten. Das sollten sich alle Kirchen hinter die Ohren schreiben, dass sie Alkoholikern keinen Alkohol geben. O-Ton Pfarrer Ulrich Kotzur Die Gefahr liegt nicht im Gebrauch des Alkohols innerhalb der Messfeier, sondern die Gefahr liegt in der Vereinsamung eines Menschen. Wenn der tagtäglich immer für andere da ist und dann in seine Wohnung sich zurückzieht und alleine ist, um sich dann zu trösten. Da ist der Pfarrer nicht anders wie alle anderen Menschen. Sprecherin Schritt 8: Wir sind völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen. Schritt 9: Demütig bitten wir Ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen. O-Ton Sabine S. Es war ein Rausch der nah am Delir war. Ich hab nicht gerade weiße Mäuse gesehen, aber ich war nah an den Wahnvorstellungen und hatte Verschiebungen, was die Wahrnehmung der Wirklichkeit anging. Das war wirklich eine Phase, wo sich alles aufgelöst hat. Sprecherin Aus den Grundsätzen der Anonymen Alkoholiker: Erst der vollständige Zusammenbruch des Trinkers - die existenzielle Krise und das damit verbundene persönliche Chaos, Tiefpunkt genannt - kann eine Wende im Leben eines Alkoholikers einleiten und gibt die Chance der Umkehr . O-Ton Sabine S. Ich hab das große Glück gehabt, dass meine Schwester dabei war. Und die…hat mich so wie ich war mit in ihre Wohnung genommen. Und da gab es einen Entzug, der sich über drei Tage hingezogen hat. Am ersten Tag gab es noch drei Bier, am zweiten noch zwei Bier, am letzten Tag ein Bier. An mein letztes Bier, an das kann ich mich noch gut erinnern. Da ist mehr 8

hochgekommen als runter ging.

Erzähler Nach dem körperlichen Entzug Sabine geht zu den anonymen Alkoholikern, einer Selbst-hilfegruppe für Menschen, die nicht mehr trinken wollen und sich auch keine Ausreden und Ausflüchte mehr leisten wollen und können. Menschen am Tiefpunkt.

O-Ton Sabine S. Plötzlich war die Reihe an mir und ich hab leise geflüstert: Ich bin Sabine, ich bin Alkoholikerin. Und hab zum ersten Mal in meinem Leben gesagt, stimmt, ich bin Alkoholikerin. Irgendwas ist passiert. Ich hab nicht geschlafen die ganze Nacht, weil da, ich glaube es war Hoffnung was da plötzlich hoch kam./ Dann gab es die, die da waren 10, 20 Jahre trocken, die haben dagesessen und eine Zufriedenheit ausgestrahlt.. Und ich hab das Gefühl gehabt, da will ich auch hin.

Erzähler Sieben Jahre geht Sabine jeden Tag in ein Meeting der Anonymen Alkoholiker. Hier begegnet sie Menschen, die zum Teil noch übler dran sind. Ein verurteilter Mörder, ein Opernsänger und auch ein Pfarrer. Die Gruppe versorgt sie mit praktischen Tipps und Merksätzen, die sie auf einem Kärtchen immer bei sich trägt. Die nächsten zehn Sekunden trinkst du nichts. O-Ton Dr. Andreas Dieckmann Ein Drittel wird sofort rückfällig, ein Drittel nach einem Jahr rückfällig, ein Drittel ist nach 5 Jahren noch trocken./Deswegen glaube ich, das es ganz wichtig ist für Suchtkranke, eine Weltanschauung zu haben, ein Menschenbild zu haben/ Ich brauche ne Einstellung, die mich trägt.

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O-Ton Sabine S. Es gibt ein 12-Schritte-Programm von den Anonymen Alkoholikern, das ist eine Art spirituelles Programm. Das ist ein ganz therapeutisch-spiritueller Prozess, der da abläuft und auf den du dich einlassen kannst. Sprecherin Die Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker ist keine religiöse Vereinigung. Jeder Anonyme Alkoholiker ist frei, sich seine persönliche Meinung über den Sinn des Lebens zu bilden. O-Ton Dr. Andreas Dieckmann Ob das eine sozialistische, eine christliche, eine buddhistische ist, das ist weniger wichtig, als die Vorstellung, man gehört in ein geordnetes System, und innerhalb des Systems hat man eine Rolle. Was in vielen Religionen eine wichtige Position ist, der Mensch ist angenommen so wie er ist. Das braucht man als Lebensgefühl für dauernd, um auch mit den Kränkungen des Lebens zu recht zu kommen. Sprecherin Schritt 10: Wir setzen die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht haben, geben wir es sofort zu. O-Ton Sabine S. Offen und ehrlich reden zu können, über das was gerade da ist, das hat eine absolute Kraft. rauszukommen aus dem Ich Ich Ich. Das trägt einen über weite Zeit. Sprecherin Schritt 11: Wir suchen durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu Gott - wie wir Ihn verstehen - zu vertiefen. Wir bitten Ihn nur, uns Seinen Willen erkennbar werden zu lassen und uns die Kraft zu geben, ihn auszuführen. 10

O-Ton Sabine S. Und ich hab dann in meiner ersten Trockenwoche plötzlich ein Plakat mit einem Buddhakopf gesehen. Und das hat mich wieder erinnert an diese alte Sehnsucht. Diese Affinität, die da war. Ich bin gleich gelandet bei nem Lehrer, also es gab jeweils sonntags Vorträge, da bin ich hingegangen und hab gewusst, ja das ist es. Ich bin da ein Jahr hingegangen und hab mit keinem Menschen geredet. Und hab angefangen zu meditieren und hatte meine Kommunikation noch bei AA, und mein spirituelles Erwachen über meinen Lehrer, über die buddhistische Praxis. Und darüber hat sich das ganz langsam entwickelt Erzähler Sabine ist seit zehn Jahren trocken. Vor kurzem hat sie ihre Wohnung gekündigt und ihre Arbeit aufgegeben. Sich eine Auszeit genommen und ein kleines Zimmer, in einem buddhi-stischen Meditationszentrum mitten in Berlin. O-Ton Sabine S. Aufstehen ist kurz vor sechs. Dann mach ich die Türen auf und bereite den Meditationsraum vor. Und um 7 ist Morgenmeditation.

Erzähler Sie hilft mit im Garten und spricht mit den Gästen, die hier zu Vorträgen und geistigen Übungen kommen. Meditiert mehrmals am Tag. O-Ton Sabine S. Ich putze, ich mache englische Übersetzungen, ich redigiere ein Buch, manchmal mach ich die Verwaltung, manchmal gehe ich einkaufen. Mir geht es im Moment richtig gut. Es ist so was von voll und „Ha!“ interessant dieses Leben. Es ist ein Geschenk, es ist schön.

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Erzähler Manchmal versieht sie auch Dienst im hauseigenen Café. Alkohol gibt es hier nicht. Abstinenz gehört zu den Tugendregeln des Buddhismus. Sprecherin Schritt 12: Nachdem wir durch diese Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, versuchten wir, unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten.

O-Ton Sabine S. Ich kenne einige bei AA, die haben´s ohne höhere Macht geschafft, aber mit Hängen und Würgen und mit nem Leben, das aus meiner Sicht sehr schwierig ist. Die trockenen Alkoholiker, die lange trocken waren, die auch zufrieden trocken sind und, für mich ganz subjektiv, stabil trocken, die haben allesamt zum Glauben, zu ner höheren Macht, in irgendeiner Art und Weise zu nem Vertrauen gefunden, dass es etwas gibt, was größer ist als sie. Es ist wirklich das, was trägt. Erzähler Sabine überlegt, Nonne zu werden oder in einer buddhistischen Hausgemeinschaft im Umfeld eines Klosters zu leben. Ein Jahr will sie sich Zeit geben für die Entscheidung. Erzähler Im Kreuzberger Himmel ist es den ganzen Abend über ruhig. Das mit der Tresenseelsorge muss sich erst noch herumsprechen. Nur einmal sitzt ein älterer Mann neben mir auf seinem Hocker und erzählt von einer Busreise, die er gemacht hat. Der ersten, seit seine Frau gestorben ist. Der Pfarrer nickt und spült die Gläser.

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O-Ton Pfarrer Ulrich Kotzur Alkohol ist nicht das Böse. Die Geneigtheit mich zu berauschen, birgt die Gefahr. Der erlöste Mensch braucht keinen Rausch.

O-Ton Dr. Andreas Dieckmann Ich brauche den Rausch zu meiner Zufriedenheit nicht. Ekstatische Erlebnisse, die finde ich schön, hab ich mal gehabt mit so einem Tandemsprung, freier Fall aus dem Flugzeug, aber das war vielleicht ein Kick. Den hätte ich mit Alkohol nie erreichen können. O-Ton Sabine S. Ich hab durchaus Phasen wo ich das Gefühl habe, man das wäre klasse, wenn ich jetzt trinken könnte. Das kann wunderbar sein. So ein Rausch. Vermisse ich auch manchmal, aber so ist es eben.

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