Stellungnahme des Sozialverbandes VdK Deutschland e.v

Stellungnahme des Sozialverbandes VdK Deutschland e.V. zum Referentenentwurf einer Sechsten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnun...
Author: Oswalda Vogel
6 downloads 3 Views 250KB Size
Stellungnahme des Sozialverbandes VdK Deutschland e.V.

zum Referentenentwurf einer

Sechsten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung

Sozialverband VdK Deutschland e.V. In den Ministergärten 4 10117 Berlin Telefon: Telefax: e-mail:

030 72629 0404 030 72629 0499 [email protected]

Berlin, den 21. November 2014 1

1.

Zielsetzung des Referentenentwurfs und Struktur der Änderungen

Der Referentenentwurf wurde vorgelegt im Zuge der Überarbeitung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft. Mit der Überarbeitung soll u. a. das biopsychosoziale Modell eines modernen Behinderungsbegriffs der „Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ (ICF) in die Begutachtungsgrundsätze implementiert werden. Der bisherige Teil A der Versorgungsmedizinischen Grundsätze wird folgendermaßen umstrukturiert: Vorangestellt wird künftig ein neuer Teil A-1 „Gemeinsame Grundsätze“. Dieser behandelt 1. die Ermittlung der Teilhabebeeinträchtigung, 2. die pauschale Erhöhung des GdB (früher Heilungsbewährung) und 3. allgemeine Hinweise zu Teil B. Auf der Basis dieser neuen gemeinsamen Grundsätze werden ab in Inkrafttreten die beiden ebenfalls überarbeiteten indikationsspezifischen Bereiche für das Sehvermögen und die Auswirkungen von Blutkrebserkrankungen in Teil B bewertet. Teil A-2 enthält im Wesentlichen die „alten“ allgemeinen Grundsätze, die auch weiterhin für noch nicht überarbeitete Funktionsbereiche gültig sein werden. Da die Funktionsbereiche sukzessive überarbeitet werden, werden also parallel sowohl die neuen „Gemeinsamen Grundsätze“ als auch die alten „Allgemeinen Grundsätze“ nebeneinander Bestand haben. Zukünftig werden nach einer vollständigen Überarbeitung sämtlicher Funktionsbereiche die „alten“ Grundsätze dann obsolet sein und irgendwann entfallen. Neu hinzugefügt wird ein Teil A-3, der Vorgaben für den Begutachtungsablauf sowie für die Bildung des Gesamt-GdB enthält. Die Regelungen zur Bildung des Gesamt-GdB sollen ab Inkrafttreten der Verordnung sowohl für überarbeitete als auch für noch nicht überarbeitete fachspezifische Bereiche gelten. In Teil B GdS-Tabelle wurden die Funktionsbereiche Nr. 4 „Sehvermögen“ und Nr. 16.2 bis 16.8 „Auswirkungen von Blutkrebserkrankungen“ überarbeitet. In Teil C „Begutachtung im sozialen Entschädigungsrecht“ werden die bisherigen Nummern 1 – 12 durch eine neu gefasste Nr. 1 zur Kausalität mit entsprechenden Unterkapiteln ersetzt. Hierbei handelt es sich um eine sprachliche Anpassung an die ICF. Die Grundsätze zur Kausalitätsbeurteilung von Schädigungsfolgen gelten nach dem Referentenentwurf sowohl für überarbeitete als auch für noch nicht überarbeitete Funktionsbereiche.

2. Allgemeine Bewertung Der Sozialverband VdK Deutschland e. V. begrüßt das Anliegen, die Versorgungsmedizinverordnung im Sinne eines UN-BRK-konformen Behinderungsbegriffs und einer Teilhabeorientierung umzugestalten. Der moderne ICF-gemäße Behinderungsbegriff stellt nicht mehr in erster Linie auf die Beeinträchtigung einer Funktion oder Fähigkeit ab, sondern rückt die Teilhabebeeinträchtigung als Folge einer Behinderung in den Mittelpunkt. 2

Sowohl durch die neuen „Gemeinsamen Grundsätze“ und den Wegfall des bewährten Konzepts der Heilungsbewährung als auch in beiden indikationsspezifisch überarbeiteten Bereichen wird es aber aus der Sicht der Betroffenen zu Verschlechterungen im Sinne geringerer GdB-Höhen kommen und damit z. T. zum Verlust von Nachteilsausgleichen und Schutzregelungen. Diese Verschlechterungen sind aus Sicht des VdK abzulehnen, weil sie für die Betroffenen nicht nachvollziehbar sind. Bedenken hat der VdK bezüglich der zukünftigen Praktikabilität der Verfahren. Beim Feststellungsverfahren handelt es sich um ein Massenverfahren. Zum Jahresende 2013 lebten rund 7,5 Millionen schwerbehinderten Menschen in Deutschland. In den meisten Fällen wird die Begutachtung nach Aktenlage in vereinfachten, standardisierten Beurteilungen durchgeführt. Die Umstellung auf neue Bewertungsgrundsätze wird einen erheblichen Schulungsbedarf für versorgungsärztlichen Dienste und Gutachter erfordern. Die Begutachtung wird künftig weniger abstrakt und sehr viel individueller und damit auch aufwendiger erfolgen. Die behandelnden Ärzte der Antragsteller und der versorgungsärztliche Dienst werden sehr viel umfassender als bisher jeden einzelnen Fall dokumentieren müssen. Sie müssen sowohl die Funktionsbeeinträchtigungen innerhalb verschiedener Funktionssysteme beschreiben, die daraus resultierenden Teilhabebeeinträchtigungen und sowie Hilfsmittel ihrer Patienten berücksichtigen. Der Sozialverband VdK Deutschland befürchtet, dass dies nicht geleistet werden kann. Aus den Rechtsschutzberatungsstellen des VdK ist bekannt, dass viele Ärzte entsprechende Fragebögen der Versorgungsämter nur unzureichend ausfüllen, oft auch nur eine Kopie des Befundberichts oder die Diagnosen übersenden. Antragstellende berichten auch, dass behandelnde Ärzte versuchen, für ausführlichere Dokumente höhere Vergütungen im Wege der Privatliquidation von den Patienten zu erhalten. Der VdK befürchtet als Folge einer unzureichenden medizinischen Sachverhaltsaufklärung im Feststellungsverfahren eine hohe Zahl von Fehlentscheidungen zu Lasten der behinderten Menschen, die eine steigende Zahl von Rechtsmittelverfahren nach sich ziehen werden. Derzeit wird das Ausfüllen von Beurteilungsbögen des Versorgungsamts dem Arzt mit 21 Euro vergütet. Ist die Leistung außergewöhnlich umfangreich, kann der Betrag bis auf 44 € angehoben werden. Der Sozialverband VdK plädiert dafür, als Anreiz für die Befundbeschreibungen, eine höhere Vergütung für die Ärzte dafür festzulegen, entsprechend umfassend und aussagekräftig zu dokumentieren. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu rechtfertigen, dass bei guter und gründlicher Dokumentation anschließende Gerichtskosten und Gutachterkosten gar nicht erst entstehen. Insgesamt sollte daher nach Ansicht des VdK bei einer Überarbeitung der versorgungsmedizinischen Grundsätze berücksichtigt werden, dass am Ende ein tatsächlich praktikables Verfahren steht, sowohl für die durchführenden Verwaltungen als auch für die Betroffenen und die Rechtspflege.

3

3. Zu einzelnen Regelungen des Referentenentwurfs 3.1. Zusammensetzung des Beirats Der VdK hält an seiner grundsätzlichen Kritik an der Zusammensetzung des Gremiums und der fehlenden Beteiligung der Verbände behinderter Menschen fest. Die Überarbeitung der Versorgungsmedizinverordnung wurde laut Nationalem Aktionsplan der Bundesregierung (NAP) als Maßnahme zur Umsetzung an der Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) angesehen. Artikel 4 Abs. 3 der UN-BRK sieht die Umsetzung der Konvention unter Beteiligung der Menschen mit Behinderung vor. Dass ausgerechnet bei der Formulierung der Gemeinsamen Grundsätze die Behindertenverbände nicht beteiligt wurden, hält der Sozialverband VdK für einen Verstoß gegen Beteiligungsrechte. Der Sozialverband VdK Deutschland fordert, eine Regelung in § 3 Abs. 2 der Verordnung aufzunehmen, nach der mindestens drei Vertreterinnen und Vertreter behinderter Menschen im Beirat fest mitwirken und beteiligt werden. In diesem Zusammenhang muss in § 3 Abs. 3 bei „sachkundigen Vertreter von Behindertenverbänden“ auf den Zusatz „ärztlich“ verzichtet werden. Vor dem Hintergrund des indikationsübergreifenden bio-psychosozialen Ansatzes der ICF ist eine interdisziplinäre Zusammensetzung des Beirats dringend geboten, zumal der Referentenentwurf ausdrücklich betont, dass Einschnitte in der Lebensführung eine Beeinträchtigung der Teilhabe bedingen können und diese sich in unterschiedlichen Lebensbereichen auswirken können (Gemeinschafts-, soziales und wirtschaftliches Leben, Erziehung, Bildung, Arbeit, Beschäftigung u. v. m., vgl. RE Teil A-1, 1.7).

3.2 Ermittlung der Teilhabebeeinträchtigung (RE A-1, Nr. 1.2) Bei der Ermittlung der Teilhabebeeinträchtigung soll grundsätzlich der GdB für die Funktionseinschränkung angegeben werden, die sich „unter Einsatz von Hilfsmitteln und allgemeiner Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens“ ergibt. Bewertung: Zwar erfolgt bislang die Sehschärfemessung zur Bestimmung des Sehbehinderungsgrades mit Brille oder sonstiger Korrektur, aber bei Hörbehinderungen und körperlichen Funktionseinschränkungen spielte es bislang keine Rolle, ob und welches Hilfsmittel vorhanden ist. Die Beurteilung unter dem Gesichtspunkt Hilfsmitteleinsatz bzw. Einsatz allgemeiner Gebrauchsgegenstände ist für die meisten Antragstellerinnen und Antragsteller völlig neu. Viele Hilfsmittel werden unterschiedlich und in bestimmten Zusammenhängen und Situationen genutzt oder sind nutzbar, manche sind z. T. nicht immer durchgehend einsetzbar. Die hierzu notwendige Sachverhaltsaufklärung kann von der Versorgungsverwaltung in einem Massenverfahren nicht geleistet werden. Der Sinn der Feststellung nach § 69 SGB IX ist ja gerade, typisierend die Grundlage für verfahrensmäßig vereinfachte Zuerkennung von Schutzrechten und Nachteilsausgleichen festzustellen.

4

3.3

Bewertung der Teilhabebeeinträchtigung bei guter Versorgungsqualität (RE A-1, Nr. 1.5)

Die in Teil B zu den einzelnen Funktionsbereichen aufgeführten GdB-Werte stehen laut Referentenentwurf für die „Teilhabebeeinträchtigung bei guter Versorgungsqualität“. Bewertung: Grundsätzlich begrüßen wir den Hinweis, dass bei „geringer Versorgungsqualität“ der GdB höher anzusetzen ist. Mit „guter Versorgungsqualität“ wird ein neuer, unbestimmter Rechtsbegriff eingeführt, der in der Praxis zu erheblichen Umsetzungsproblemen führen wird. Im Antragsverfahren entsteht ein hoher Ermittlungsbedarf ob im Einzelfall eine mangelhafte, eine geringe, eine gute oder eine optimale Versorgungsqualität gegeben ist. Künftig wären von der Versorgungsverwaltung demnach neben der individuellen Krankheitsausprägung auch die durchgeführte/durchzuführende Therapie sowie der Einsatz vorhandener und/oder tatsächlich eingesetzter Hilfsmittel und Gebrauchsgegenstände zu prüfen. Der VdK befürchtet, dass dies nicht geleistet wird, so dass es in vielen Fällen zu Fehlentscheidungen zu Lasten der Betroffenen kommen wird. Diese können dann nur aufwändig in Klageverfahren korrigiert werden. 3.4 Einschnitte in der Lebensführung (RE A-1, Nr. 1.7) Zur Teilhabebeeinträchtigung wird u. a. ausgeführt, dass medizinisch notwendigen Einschränkungen der Aktivitäten Einschnitte in der Lebensführung sein und damit eine Beeinträchtigung der Teilhabe bedingen können. Diese zeigten sich insbesondere im Gemeinschafts-, sozialen und wirtschaftlichen Leben, Erziehung, Bildung, Arbeit und Beschäftigung, Kommunikation, Selbstversorgung, häuslichem Leben, Lernen, bei der Wissensanwendung und Mobilität. Bewertung: Die hier aufgeführten Teilhabefelder, in denen Einschränkungen vorliegen können, sollten zur Klarstellung an den Anfang des Kapitels „Teilhabebeeinträchtigung“ gestellt werden, denn im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention handelt es sich um zentrale Ausgangspunkte der Ermittlung von Teilhabebeeinträchtigungen.

3.5 Beurteilung von Schmerzen (RE, A-1, Nr. 1.12.1) Wenn Schmerzen als Begleitsymptom einer Gewebeschädigung auftreten, sollen diese im GdB der Gesundheitsstörung bereits berücksichtigt sein und auch erfahrungsbemäß besonders schmerzhafte Zustände berücksichtigen. Bewertung: Der VdK hält es für erforderlich, dass im Feststellungsverfahren Schmerztherapeuten hinzugezogen werden.

5

3.6 Pauschale Erhöhung des GdB, früher „Heilungsbewährung“ (RE A-1, Nr. 2) Der Entwurf der sechsten Änderungsverordnung sieht vor, das Konstrukt „Heilungsbewährung“ abzuschaffen und durch das Konzept einer „pauschalen Erhöhung“ unter z. T. veränderten Voraussetzungen zu ersetzen. Damit sollen pauschal Teilhabebeeinträchtigungen bewertet werden, die nach einem definierten Zeitraum vergehen. Ziel sei, die Betroffenen von der Notwendigkeit zu entlasten, die teilweise schwer einschätzbaren Beeinträchtigungen im physischen, psychischen und sozialen Bereich nachweisen zu müssen. In Teil B sollen für die häufigsten und wichtigsten Krankheiten, bei denen eine pauschale Erhöhung in Frage kommt, die entsprechenden Werte und Zeiträume angegeben werden. Bei der GdB-Bildung für Gesundheitsstörungen, bei denen eine pauschale Erhöhung vorgesehen ist, soll künftig die Bewertung in zwei Schritten erfolgen. Zunächst wird die Gesundheitsstörung unter Berücksichtigung und Prüfung dessen bewertet, welche „dauerhaft verbleibenden Teilhabebeeinträchtigungen“ vorliegen werden. Dabei sind auch Auswirkungen von oft umfassenden Therapiemaßnahmen (z. B. chronische Müdigkeit, Sterilität, Neuropathien etc.) bei der GdB-Bildung zu berücksichtigen. Insgesamt muss sich ein GdB von mindestens 50 ergeben, andernfalls ist keine zusätzliche „pauschale Erhöhung“ möglich. Die pauschale Erhöhung des GdB soll dann mindestens 30 betragen, kann aber je nach Ausprägung der Gesundheitsstörung auch höher angesetzt werden. Die pauschale Erhöhung soll in der Regel 5 Jahre und erst ab der Beendigung der Primärtherapie gelten. Bewertung: Die Heilungsbewährung beschreibt einen Zeitraum nach der Behandlung von Gesundheitsstörungen, bei denen abgewartet werden muss, ob ein Rückfall eintritt. Das betrifft u. a. Menschen mit malignen (bösartigen) Krebserkrankungen oder nach Organtransplantationen, bei denen ein Behandlungserfolg nicht mit Sicherheit abzuschätzen ist. Aus Sicht des Sozialverbands VdK hat sich das Konzept der Heilungsbewährung bewährt, weil es die psychische Komponente für die Betroffenen und die besonders belastende Ungewissheit nach bspw. einer Krebsdiagnose, angemessen berücksichtigt. Auch die entsprechenden Einschnitte in der Lebensführung durch häufige Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte etc. waren entsprechend in der Heilungsbewährung abgebildet. Die Behauptung, der Begriff Heilungsbewährung habe insbesondere bei den Betroffenen „zu Missverständnissen“ geführt, ist aus Sicht des VdK keine Begründung für eine Abschaffung der Heilungsbewährung. Die Behauptung, die höchstrichterliche Rechtsprechung habe das Konstrukt der Heilungsbewährung „gerügt“, ist nicht zutreffend. In keiner Entscheidung des Bundessozialgerichts im Schwerbehindertenrecht (rückverfolgt bis einschließlich 2009) wird die Heilungsbewährung gerügt. Auch unter Anwendung des biopsychosozialen Modells von Behinderung besteht hier aus Sicht des VdK kein Änderungsbedarf. Der hierzu in die Begründung aufgenommene Hinweis, nach dem modernen Behinderungsbegriff ginge es nicht um eine Diagnose sondern immer um die Auswirkung einer Gesundheitsstörung auf die Teilhabe, läuft fehl. Die Unsicherheit über den Fortgang einer Erkrankung, die der Heilungsbewährung zugrunde liegt, stellt für sich genommen bereits eine Teilhabebeeinträchtigung dar.

6

Künftig soll aber die Gesundheitsstörung (z. B. Krebserkrankung) nicht mehr in ihrer Gesamtheit, sondern nur noch unter dem Aspekt der dauerhaft verbleibenden Teilhabebeeinträchtigung bewertet werden, obwohl zu diesem frühen Zeitpunkt eine solche Einschätzung noch gar nicht möglich ist. Dann soll erst im zweiten Schritt – falls ein Mindest-GdB von 50 zustande gekommen ist - eine pauschale Erhöhung vorgenommen werden. Dies kann dazu führen, dass z. B. Krebspatienten einen niedrigeren GdB bekommen. Denkbar ist darüber hinaus, dass trotz einer Krebserkrankung (Brustkrebs, Tumor entfernt, vergleichsweise geringe Funktionsbeeinträchtigung) und einer dann als gering eingestuften dauerhaften Teilhabebeeinträchtigung der Schwerbehindertenstatus erst gar nicht zustande kommt. Eine pauschale Erhöhung ist dann nicht möglich. Damit würden auch entsprechenden Schutzvorschriften im Arbeitsleben entfallen. Verschlechterungen, die durch die Abschaffung der Heilungsbewährung und den Ersatz eines u. E. nach unzureichenden Konzepts einer pauschalen Erhöhung entstehen, lehnt der VdK daher ab.

3.7 Auswirkungen umfassender Therapiemaßnahmen (RE, A-1, Nr. 2.7) Gesundheitsstörungen, bei denen eine pauschale Erhöhung vorgesehen ist, sind häufig gekennzeichnet durch umfassende Therapiemaßnahmen, die wiederum selbst dauerhafte Auswirkungen haben können. Bei der Bildung des GdB für die dauerhaft verbleibende Gesundheitsstörung soll berücksichtigt werden, welche Auswirkungen „regelhaft auf Dauer“ nach entsprechenden Therapiemaßnahmen bleiben. Bewertung: Aus Sicht des VdK kann dies in den Antragsverfahren dazu führen, dass diese Auswirkungen von den Versorgungsverwaltungen nicht umfassend berücksichtigt werden. Die Formulierung lässt den potenziellen Standpunkt vertreten, dass zum Zeitpunkt der Antragsstellung gar nicht absehbar sei, ob sich die aufgeführten Auswirkungen bestimmter Therapiemaßnahmen wie z. B. „chronische Müdigkeit, Sterilität, Neuropathien etc.“ überhaupt und wenn ja, ob auf Dauer, zeigen werden. Den Betroffenen wird dann der Nachweis abverlangt, ggf. im Widerspruchs- oder Klageverfahren, darzulegen, dass sie unter diesen Auswirkungen dauerhaft leiden werden. Im Zeitpunkt der Antragstellung selbst, ist es den Antragstellern unmöglich, bereits Auswirkungen umfassender Therapiemaßnahmen geltend zu machen, die möglicherweise noch nicht abgeschlossen sind. Inwieweit Punkt 2.9.2 überhaupt mit Punkt 1.9 („Zukünftig zu erwartende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen“) in Einklang gebracht werden kann, bleibt offen. 3.8 GdB-Bildung (RE, A-3, Nr. 1 und 2) Dieser Teil des Referentenentwurfs beschreibt zunächst die Funktionssysteme, bei denen in der Begutachtung zunächst die Teilhabebeeinträchtigungen zusammenfassend ermittelt werden sollen. Im zweiten Teil wird dann das Verfahren zur Bildung des Gesamt-GdB beschrieben.

7

Bewertung: Das beschriebene Verfahren entspricht der bisherigen Praxis. Auffällig ist allerdings, dass hier offenbar lediglich der Begriff „Funktionsbeeinträchtigung“ durch den Begriff „Teilhabebeeinträchtigung“ ersetzt wurde. Zur Frage, welche Lebensbereiche auf mögliche Teilhabebeeinträchtigungen heranzuziehen sind, nennt die ICF u. a. insbesondere die Lebensbereiche Kommunikation, Mobilität, Selbstversorgung, häusliches Leben, interpersonelle Interaktionen, Bildung, Arbeit und Beschäftigung, wirtschaftliche Sicherheit, Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben.

4. Sehvermögen (Teil B Nr. 4) 4.1 Wegfall der „hochgradigen Sehbehinderung“ Bei der Überarbeitung des Kapitels zum Sehvermögen wurde – möglicherweise unbeabsichtigt – die Definition „hochgradige Sehbehinderung“ gestrichen. Im Einzelnen: Beim bisherigen Teil A, der künftig Teil A-2 wird, bleibt zwar unter Nr. 4 „Hilflosigkeit“ bestehen, dass blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen automatisch darunter fallen, durch den Wegfall von Nr. 6 „Blindheit und hochgradige Sehbehinderung“ allerdings entfällt auch die entsprechende Definition für diesen relativ kleinen Personenkreis, der sozusagen „fast erblindet“ ist. Bewertung: Die Betroffenen können vergrößernde Sehhilfen nicht oder nur noch mit großer Mühe nutzen und sind deshalb auf ersetzende Blindenhilfsmittel (z. B. Vorlesegeräte oder blindenspezifische Mobilitätshilfen) angewiesen. Hierfür ist aber z. T. die „hochgradige Sehbehinderung (und nicht erst Blindheit) eine Zugangsvoraussetzung für die Versorgung mit solchen Hilfsmitteln. Darüber hinaus bestehen Zusammenhänge mit dem Merkzeichen H und der damit verbundenen Gleichstellung mit Blinden z. B. im Steuerrecht bzw. der Berechtigung eines geminderten Blindengeldes in vielen Bundesländern. Versorgungsberechtigte erhalten auf der Grundlage der „hochgradigen Sehbehinderung“ bspw. eine Pflegezulage gemäß § 35 BVG. Auf die Definition und Konkretisierung einer hochgradigen Sehbehinderung (gemäß Teil A Nr. 6 d, aktuelle Fassung) darf in der Versorgungsmedizinversordnung daher aus Sicht des Sozialverbands VdK Deutschland auch künftig nicht verzichtet werden. Bezüglich der weiteren Änderungen im neu formulierten Kapitel „Sehvermögen“ verweist der Sozialverband VdK Deutschland auf die Stellungnahme des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands.

8