Stadtentwicklungsbericht Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Stadtentwicklungsbericht 2013 Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg Bericht der Landesregierung Situation der Stadtentwicklung im Land...
Author: Frank Günther
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Stadtentwicklungsbericht 2013

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Bericht der Landesregierung Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg 21. Oktober 2013

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Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung ...................................................................…..4 I

Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung im Land Brandenburg..5

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Handlungsfelder der Brandenburger Stadtentwicklung…11 II.1 Städte als Anker im Raum........................................... 11 II.2 Städte als Wirtschaftsstandorte................................... 15 II.3 Wohnen ...................................................................... 18 II.4 Stadtumbau ................................................................ 20 II.5 Bürgerbeteiligung und – bürgerschaftliches Engagement.. 23 II.6 Stadt-Umland-Kooperation .......................................... 25 II.7 EU-Förderung ............................................................. 27 II.8 Energie ....................................................................... 29

III Zusammenfassung ........................................................ 33

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Vorbemerkung Mit Beschluss des Landtages vom 23. Januar 2013 wurde der Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) beauftragt, dem Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft zum 3. Quartal 2013 einen Bericht zur Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg vorzulegen. Der 1. Brandenburger Stadtentwicklungstag vom 1.10.2011, der auf Initiative der drei Brandenburger Städtenetzwerke (Innenstadtforum, AG der Städte mit historischen Stadtkernen und ARGE Städtekranz) durchgeführt wurde, hatte hier eine wichtige Anstoßwirkung. In dem Bericht soll auf die Rolle der Städte als Anker im Raum, auf Stadt-UmlandKooperationen, auf Städte als Wirtschafts- und Wohnstandorte, die Themen Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement sowie die Anforderungen an die zukünftige EU-Strukturfondsperiode und den Stadtumbau eingegangen werden. Zur Informationsgewinnung fanden während der Erarbeitung des Berichts zwei Lenkungskreise mit Beteiligung der Städtenetze und der Wohnungswirtschaft (BBU) statt. Dabei wurden erste inhaltliche Vorschläge zu den einzelnen Handlungsfeldern erörtert. Die Anregungen und Hinweise aus den Lenkungskreisen flossen in die Erarbeitung des Berichts mit ein.

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Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung im Land Brandenburg Stadtentwicklung nach der Wiedervereinigung Mit der Wiedervereinigung setzte in hohem Tempo ein bis dahin nicht da gewesener Strukturwandel ein, der vielfältige Folgen für die Menschen, die kommunalen Strukturen und das Verwaltungshandeln im Land Brandenburg hatte. Positiv war jedoch, dass gleichzeitig ein Modernisierungsprozess einsetzen konnte und die Kommunen eigene Gestaltungsmöglichkeiten wiedergewonnen haben. Das Land Brandenburg hat mit seiner Stadtentwicklungs- und Wohnraumpolitik einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass die anstehenden Aufgaben von den Kommunen bewältigt werden konnten. Eine der zentralen Aufgaben der Landesregierung war es, die Rahmenbedingungen für die Erneuerung und Weiterentwicklung der baulichen Substanz der Städte unter Bewahrung der vorhandenen baukulturellen Qualität der historischen Stadtkerne zu schaffen. Die Kommunen ihrerseits haben sich dieser Aufgabe gestellt, dabei konnten sie veränderte Rahmenbedingungen nutzen (kommunale Selbstverwaltung) und auf einen breiten politischen Konsens in den Städten setzen. Von staatlicher Seite wurden sie mit einem vielfältigen Instrumentenbündel unterstützt. Für die Stadtentwicklungspolitik im Land war prägend, dass von Anfang an neben der Lösung der massiven wirtschaftlichen und sozialen Probleme auch die bauliche Erneuerung und Entwicklung der Städte einen großen Stellenwert hatte. Die Besinnung auf das baukulturelle Erbe erleichterte die Sanierung der Altstädte und ermöglichte die zunehmende Konzentration auf die Innenentwicklung. Die Modellvorhaben städtebaulicher Denkmalschutz waren Vorreiter für eine breit angelegte Politik der Stadterneuerung und Stadtentwicklung, die den Innenstädten Priorität einräumte und dabei eng verzahnt war mit sektoralen Politikfeldern. Eine weitere Herausforderung war der Umgang mit Konversionsflächen. 8 % der Landesfläche waren militärisch genutzt. Nach Abzug der sowjetischen Truppen wurden über 100.000 ha zunächst an den Bund, später an das Land Brandenburg übertragen. Für diese Flächen musste eine Nachnutzung ermöglicht werden. Hinzu kam die massive Umstrukturierung der Wirtschaft. Auch diese führte zu Leerständen und Brachflächen, die einer Um- bzw. Nachnutzung bedurften. Im ganzen Land fehlten Wohnungen. Der Bestand in den Altstädten und gründerzeitlichen Stadterweiterungen war stark sanierungsbedürftig, teilweise unbewohnbar. Die Entwicklung des Wohnungsmarktes gestaltete sich aufgrund ungeklärter Vermögensfragen, fehlendem Planungsrecht und der Unsicherheit von Investoren als äußerst problematisch. Die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum hatte in dieser Zeit höchste Priorität. Die unterschiedlichen Programme des Landes zur Bestandssanierung und zum Neubau von Wohnungen führten gemeinsam mit weiteren Instrumentarien des Bundes zu einem historisch einmaligen Investitionsboom auf dem Wohnungsmarkt. Erfolge und neue Herausforderungen Bis zu 150 Städte wurden in die verschiedenen Städtebauförderprogramme aufgenommen. Viele historische Ensembles wurden gesichert, die Sanierungsziele waren definiert und die planmäßige Umsetzung der Sanierungsvorhaben lief auf Hochtouren. Zu dieser Zeit gerieten auch zunehmend die Funktionsstärkung und die Einbindung in gesamtstädtische Prozesse ins Blickfeld der Stadterneuerungspolitik. Mithilfe der Programme der EU, insbesondere URBAN und ZIS (Zukunft im Stadtteil), begann sich eine Kultur integrierter Stadtentwicklungsstrategien zu etablieren.

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Parallel weitete sich zwischen 1995 und 1999 das Wohnungsangebot weiter aus: Die Zahl der Fertigstellungen im Land erreichte 1997 mit rund 34.000 Wohnungen1 ihren Höchstwert. Durch die Deckung des Wohnungsbedarfs wurden die Landesprogramme sukzessive zurückgeführt bzw. räumlich auf innerstädtische Gebietskulissen konzentriert. Im Vordergrund standen nun die Bestandssanierung und eine stärkere Bindung an die Gebietskulissen der Städtebauförderung. Gegen Ende der 1990er Jahre wurden die Folgen des demografischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels immer sichtbarer. Die Abwanderung gerade jüngerer Menschen und die nach der Wende auf einen historischen Tiefstand gesunkene Geburtenrate zeigten sich besonders in den Städten des Berlin fernen weiteren Metropolenraumes: Folge der Bevölkerungsverluste waren die anwachsenden Wohnungsleerstände. Durch das Programm Stadtumbau Ost sollten die strukturellen Wohnungsleerstände durch Abriss abgebaut werden und die Stadtquartiere mit längerfristigen Entwicklungsperspektiven – insbesondere die Innenstädte – durch Aufwertung gefestigt werden. Damit konnte ein Beitrag zur Stabilisierung der Wohnungsmärkte geleistet und die Leerstände deutlich reduziert werden. In Brandenburg wurden rund 56.400 Wohnungen aus diesem Programm v. a. in den städtischen Randbereichen und in den Großwohnsiedlungen abgerissen2. Die kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften haben sich inhaltlich und finanziell stark engagiert und trugen mit 54.000 Wohnungen den Hauptanteil am Stadtumbau. Der Leerstand konnte im Durchschnitt der Programmgemeinden auf unter 10 % gesenkt werden. Mittlerweile sind in vielen Innenstädten infolge der Aufwertung wieder wachsende Bevölkerungszahlen zu verzeichnen. Die letzten Jahre können als eine Phase der Neuausrichtung auf eine integrierte Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik bezeichnet werden: Absehbar rückläufige Finanzausstattung, u. a. durch das schrittweise Auslaufen des Solidarpaktes bis 2019, eine Absenkung der Zuweisung von Städtebauförderungsmitteln im Zuge der Neuverteilung zwischen den alten und neuen Bundesländern, sowie das Ende der Mischfinanzierung von Bund und Ländern für die Wohnraumförderung im Zuge der Föderalismusreform. Dies macht grundsätzliche Überlegungen erforderlich, wie und mit welchen Instrumenten Stadtentwicklung und Wohnungspolitik auch mit geringeren finanziellen Ressourcen erfolgreich fortgeführt werden können. Die Innenstädte im Land Brandenburg mit ihrem umfangreichen Denkmalbestand müssen als Orte des Wohnens, des Arbeitens, von Versorgung, Freizeit und Kultur weiterhin stabilisiert und entwickelt, die Chancen der Aufwertung intensiv genutzt werden. Die Stärkung der Innenstädte steht außerdem für die Bewahrung von „Heimat" und „Identität" sowie der Unverwechselbarkeit des baukulturellen Erbes. Starke Innenstädte stehen auch für sparsamen Ressourcenverbrauch und eine Stadt der kurzen Wege. Städte - Rückgrat des Landes Brandenburger Städte waren stets Zentren und Kristallisationspunkte für die Entwicklung des Landes, hier leben rund zwei Drittel der Bevölkerung. Sie werden auch zukünftig die Schwerpunkte von Wohnen und Arbeiten, Wertschöpfung, Forschung und Bildung sowie von Infrastruktur und Daseinsvorsorge sein. Sie bieten Vielfalt und Urbanität und sind somit wichtige Standorte in denen sich Gewerbe, Handel und Dienstleistungen bevorzugt ansiedeln. Als Identitätsorte für die Bürgerinnen und Bürger und als Anziehungspunkte für den Tourismus sind die Städte die Visitenkarten des Landes Brandenburg. Mit ihrem differenzierten Wohnungsangebot sind sie für unterschiedliche Lebensstile attraktiv. Städte sind Integrationsorte und bilden das gesamte soziale und kulturelle Spektrum des Landes 1 Zahl

beinhaltet alle Wohnungsneubauten, auch Einfamilienhäuser und Objekte, die mit Sonder-AfA errichtet wurden für Bauen und Verkehr (LBV): Stadtumbaumonitoring im Land Brandenburg, Monitoringbericht 2013 – Berichtsjahr 2011

2 Landesamt

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Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

ab. Sie können den verschiedenen sozialen Schichten, Gruppen und Kulturen Chancen zur Entfaltung und gesellschaftlichen Teilhabe bieten. Die Städte im Land unterscheiden sich nach ihrer Größe, ihrer zentralörtlichen Funktion und ihrer Lage im Raum. Von den 419 Kommunen, von denen 113 Städte im stadtrechtlichen Sinne mit Bevölkerungszahlen von 800 bis 160.000 sind, sind nur die vier größten Städte Potsdam, Cottbus, Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder), kreisfrei und zugleich Oberzentren des Landes. Zwei Drittel der Bevölkerung lebt in den Städten, wobei sich 40 % der Bevölkerung auf die 25 größten Städte konzentriert. Potsdam liegt als einziges Oberzentrum im Berliner Umland. Dieser stark mit der Metropole Berlin verflochtene Raum wurde im Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg (LEP B-B) 2009 als Brandenburger Teil des Stadt-Umland-Zusammenhangs ausgewiesen. In den prosperierenden Gemeinden des Berliner Umlands leben knapp 900.000 Personen auf einem Zehntel der Landesfläche. Im weiteren Metropolenraum leben 1,6 Mio. Menschen, vor allem in Klein- und Mittelstädten3. Diese Städte haben teilweise zentralörtliche Funktion und übernehmen eine besondere Verantwortung für die Versorgung ihres meist ländlich geprägten Umlands. Demografischer Wandel Die Folgen des demografischen Wandels sind im Land Brandenburg verglichen mit dem Bundesdurchschnitt besonders ausgeprägt, im Vergleich mit den anderen ostdeutschen Bundesländern hat Brandenburg eine Sonderstellung im positiven Sinne. Dies liegt in erster Linie an den Verflechtungsbeziehungen mit der Metropole Berlin. Diese bestimmen auch die strukturellen Unterschiede innerhalb des Landes maßgeblich, führen zu einem zentralperipheren Gefälle und somit zu regional sehr unterschiedlichen Bedingungen für die Stadtentwicklung. Bis zum Jahr 2030 wird die Bevölkerungszahl im Land Brandenburg gegenüber 2010 voraussichtlich um ca. 253.000 Personen (-10 %) auf einen Stand von 2,25 Mill. Einwohnerinnen und Einwohnern zurückgehen. Anders ausgedrückt: Das Land wird bis 2030 mehr Bevölkerung durch Abwanderung und Geburtendefizit verlieren, als der bevölkerungsreichste Landkreis, Potsdam-Mittelmark, heute hat.4 Die Städte5 des Berliner Umlandes hatten seit der Wende einen starken Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen und wachsen bis 2030 voraussichtlich um weitere 4,7 %. Erst danach werden die Wanderungsgewinne das Geburtendefizit nicht mehr kompensieren können und daher die Bevölkerungszahlen im Berliner Umland leicht sinken. Die Strukturen im weiteren Metropolenraum sind differenzierter und die Städte weitaus stärker von Geburtendefiziten und Abwanderung betroffen. Viele Städte im weiteren Metropolenraum hatten starke Bevölkerungsverluste zu verzeichnen, weitere Verluste bis 2030 von im Mittel -18,5 % werden erwartet. Für die großen Mittelstädte im weiteren Metropolenraum, also die drei Oberzentren, ist eine günstigere Bevölkerungsentwicklung (im Mittel -9 % bis 2030) als in den kleinen Mittelstädten zu erwarten. Die Kleinstädte und die Landgemeinden müssen bis 2030 mit Bevölkerungsverlusten von im Mittel 20 % rechnen. Alters- und Sozialstruktur ändert sich grundlegend Von der Alterung der Bevölkerung sind alle Städte im Land betroffen. Im ganzen Land kommen die geburtenstarken Jahrgänge in ein zunehmend höheres Alter und gleichzeitig 3

Definition gemäß LBV Monitoringbericht 2012 auf Grundlage der Definitionen des Verbandes der deutschen Städtestatistiker, Bezeichnungen Mittel- und Kleinstadt sowie Landgemeinde beschreiben Einwohnergrößenklassen unabhängig vom Stadt- oder Gemeinde-Status (große Mittelstädte: > 50.000 EW, kleine Mittelstädte: 20.000 - 50.000 EW, große Kleinstädte: 10.000 - 20.000 EW, kleine Kleinstädte: 5.000 – 10.000 EW, Landgemeinden < 5.000 EW) 4 Amt für Statistik Berlin-Brandenburg: Bevölkerungsprognose für das Land Brandenburg, A I 8 – 1, 2011-2030, Potsdam 2012 5 Bezeichnung „Stadt“ beschreibt Städte und Gemeinden / Definition gemäß LBV Monitoringbericht 2012 (siehe Fußnote 3) Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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steigt die Lebenserwartung. 2030 werden im Berliner Umland rund 33 % der Einwohnerinnen und Einwohner über 65 Jahre alt sein, im weiteren Metropolenraum werden es dann rund 40 % sein. Dementsprechend wird der Anteil pflegebedürftiger Menschen zunehmen. Die Abwanderung junger Menschen setzt sich vor allem im weiteren Metropolenraum fort. Aufgrund des so genannten demografischen Echos6 werden sich die Entwicklungen im weiteren Metropolenraum ab 2020 beschleunigen. Der Anteil von Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft l beträgt nur ca. 3 %. Deutlich mehr Menschen verfügen über einen Migrationshintergrund. Ohne stärkere Zuwanderung werden sich weder die demografische Entwicklung noch die Fachkräftesicherung positiv beeinflussen lassen. Die Bevölkerungsverluste stellen die Städte vor eine Vielzahl von Herausforderungen, insbesondere die der Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge und des Umgangs mit zunehmenden Leerständen bei rückläufigen Einnahmen im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs. Im Land Brandenburg sind 13,6 % der Bevölkerung potenziell von Armut bedroht. Besonders hoch ist das Armutsrisiko bei Kindern (17,5 %) und Jugendlichen (20,6 %). Das Risiko für Geringqualifizierte, von Armut bedroht zu werden, ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen und liegt heute bei 41,4 % (+7 %). Hinzu kommt wachsende Altersarmut mit ebenfalls unmittelbaren Auswirkungen auf die Stadtentwicklung. Die SGB II-Quote7 im Land Brandenburg lag den Angaben der Bundesagentur für Arbeit zur Folge im Dezember 2012 bei 13,1% und damit über dem bundesweiten Durchschnitt von 9,4 %, die Quote ist seit 2006 jedoch rückläufig. Es bestehen merkliche regionale Unterschiede e. Die Landkreise und kreisfreien Städte im Berliner Umland weisen durchschnittlich deutlich geringere SGB II Quoten auf8.. Nachhaltige Stadtentwicklung Um das Land Brandenburg unter den zuvor skizzierten Rahmenbedingungen für kommende Generationen zukunftsfähig zu gestalten, ist eine nachhaltige Stadtentwicklungspolitik ein wichtiges Element. Die Sicherung der wirtschaftlichen Basis der Städte und deren Funktionsfähigkeit sind unter den Bedingungen des Strukturwandels zu erhalten. Die Sicherstellung des sozialen Zusammenhalts spielt dabei ebenso eine Rolle, wie die Attraktivität im Standortwettbewerb sowie die Verbesserung und Wiederherstellung der lokalen Umweltqualität. Die Städte haben die Aufgabe, die Daseinsvorsorge auch für das dünn besiedelte Umland zu sichern und generationengerechtes Wohnen für Familien und ältere Menschen anzubieten sowie die Innenstädte als Anziehungspunkte funktional und energetisch zu verbessern. 2007 wurde die „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt" verabschiedet, mit der sich die Mitgliedsstaaten der EU auf gemeinsame Grundsätze und Strategien für die europäischen Städte verständigt haben. Zentraler Ansatz ist eine integrierte Stadtentwicklungspolitik. Stadtentwicklung in diesem Sinne ist dabei mehr als die Sanierung und Gestaltung der baulich-räumlichen Hülle, sondern nimmt die Stärkung städtischer Funktionen in den Fokus. Die Beteiligung und Aktivierung von Bewohnerinnen und Bewohnern ist ein weiteres Element integrierter Stadtentwicklung. Es trägt dazu bei, dass benachteiligende Situationen und sich negativ verstärkende Effekte in Quartieren gemindert werden oder gar nicht erst entstehen. Nachhaltige Stadtentwicklung in Brandenburg steht bereits seit Mitte der 1990er Jahre für vorausschauende kommunale Planung, die auf Langfristigkeit ausgelegt ist. Im Jahr 2005 hat das Land Brandenburg eine Neuausrichtung der Wirtschaftsförderpolitik vorgenommen.

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„Demografisches Echo“ bedeutet, dass nichtgeborene Kinder als künftige Eltern ausfallen

7 Die SGB II-Quote ist die Relation zwischen der Zahl aller leistungsberechtigten Personen nach dem SGB II, (erwerbsfähige Leistungsberechtigte und nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, sowie Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren) und der Bevölkerung unter 65 Jahren aus der Bevölkerungsfortschreibung 8 Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Statistik. Zeitreihe zu Strukturwerten SGB II nach Ländern.

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Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Mit dem strategischen Ansatz „Stärken stärken – mehr Wirtschaftswachstum für mehr Beschäftigung“ erfolgt seitdem eine stärkere sektorale und regionale Fokussierung der Wirtschaftsförderung. Mit der Neuausrichtung der Wirtschaftsförderpolitik erfolgten eine Hinwendung zu einer verstärkten Berücksichtigung regionaler Besonderheiten und bereits bestehender sektoraler Spezialisierungen im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips. Mit dem Masterplan „Starke Städte – Stadtumbau“ (2006) wurde das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (INSEK) als das Strategie- und Koordinierungsinstrument der Stadtentwicklung etabliert. Mit den INSEK identifizieren die Städte ihre Stärken und Schwächen, definieren Handlungsfelder, formulieren Ziele und Maßnahmen und kommunizieren diese erfolgreich nach innen und außen. Diese bilden die Entscheidungsgrundlage der Stadtentwicklungs- und Wohnraumförderung im Land. 50 Städte in Brandenburg verfügen inzwischen über ein INSEK. Mit dem Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg (LEP B-B) von 2009 wurde zur nachhaltigen Steuerung der Siedlungsentwicklung sowohl das Gebot der vorrangigen Innenentwicklung (bei Nachrang der Außenentwicklung) wie auch das Prinzip der räumlichen Funktionsbündelung und der Nutzungsmischung festgelegt. Die städtischen Funktionen sollen durch Nutzungsverdichtung von Wohnen, Handel, soziale und kulturelle Infrastruktur, Bildung und Verwaltung zurück in die Innenstädte und (Quartiers-) Zentren geholt bzw. dort gehalten werden. Eng verbunden mit der Innenentwicklung ist das Ziel des sparsamen Umgangs mit der Ressource Boden. Der Flächenverbrauch in Brandenburg wurde gebremst, es werden jedoch trotz sinkender Bevölkerungszahlen, Konversion und Rückbau weiterhin zusätzlich Flächen für die Siedlungsentwicklung und Verkehr in Anspruch genommen. Zwischen Land und Kommunen besteht ein grundsätzlicher Konsens zum Ziel der Innenentwicklung. Die Wege dorthin sind unterschiedlich. Je größer eine Stadt ist, desto eher werden Instrumente zum Flächenmanagement angewandt. In kleineren Städten ist dies selten der Fall, gleichwohl besteht ein Bedarf. Am weitesten verbreitet ist das Gewerbeflächenkataster. Insgesamt müssen das Wissen über die Potenziale und strategischen Funktionen der Instrumente des Flächenmanagements verbessert werden. Klimawandel, Klimaanpassung, effiziente Ressourcennutzung und der Ausbau der erneuerbaren Energien sind neu als Herausforderung und Handlungsfeld der Stadtentwicklung hinzugetreten. Brandenburg nimmt im Bereich der regenerativen Energieerzeugung im Bundesvergleich einen Spitzenplatz ein. Die Städte und das Land haben die Herausforderung der energetischen Stadtentwicklung angenommen und verstehen sich als Partner bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben. Der vorhandene bauliche Bestand in den Städten des Landes ist von hohem baukulturellem Wert. Auch die erweiterte Perspektive des Ressourcenschutzes spricht für eine Fortsetzung der Stadtentwicklungspolitik mit klarem Fokus auf die Innenstädte. So sind beispielsweise in den Städten mit historischen Stadtkernen und damit in ausgezeichneten städtischen Lagen im Mittel ca. ein Drittel des Baubestandes akut oder mittelfristig hinsichtlich seiner Erhaltung gefährdet. Lösungen für diese Herausforderungen können eine soziale, ökologische und ökonomische nachhaltige Entwicklung der Städte und des Landes weiter vorantreiben. Kommunale Konzepte sind im Sinne von Nachhaltigkeit weiter zu qualifizieren und zu aktualisieren. Dabei ist auch der Flächenverbrauch infolge des Wandels hin zu individuelleren Wohnformen zu thematisieren. Finanzierung der Stadtentwicklung Kommunale Selbstverwaltung erfordert eine gesicherte finanzielle Grundausstattung der Kommunen. Wegen nicht ausreichender eigener Mittel und der erheblichen Unterschiede in der Steuerkraft zwischen den einzelnen Kommunen ist eine kommunale Aufgabenerfüllung auf relativ gleichmäßigem Niveau aus eigenen Mitteln nicht in jedem Fall gewährleistet, da der demografische Wandel fortschreitet. Allerdings sinken die Ausgaben nicht im gleichen Umfang, da in der Regel Kosten vorhanden sind, die nicht parallel zum Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Bevölkerungsrückgang, (Remanenzkosten).

sondern

nur

langsam

und

langfristig

zurückgehen

Zur Absicherung der grundgesetzlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung hat sich das Land Brandenburg dazu verpflichtet, mit einem Finanzausgleich dafür zu sorgen, dass die kommunalen Träger der Selbstverwaltung ihre Aufgaben erfüllen können.9 Der kommunale Finanzausgleich erfolgt vertikal mit horizontalen Verteilungseffekten. Seit 2012 zahlen besonders steuerstarke Gemeinden nach dem Solidarprinzip eine Finanzausgleichsumlage, die der Finanzausgleichsmasse zugeführt wird. Außerdem gibt es innerhalb des Brandenburger Finanzausgleichsystems einen pauschalen Mehrbelastungsausgleich für Mittelzentren und Kreisstädte. Die Landesregierung setzt auf den Kurs einer soliden Finanzpolitik. Sie sieht aufgrund der geringer werdenden Einnahmen die weitere Haushaltskonsolidierung als notwendig an und reduziert demzufolge die Schuldenaufnahme. 10 Die Landesregierung hat sich parallel zur gesetzlichen Kommunalfinanzierung zur Konzentration der projektgebundenen Förderung zugunsten von ausgewählten Städten und Kompetenzfeldern verständigt.11 Damit soll eine weitere Stabilisierung im Sinne der Zielstellung „Stärken stärken“ erfolgen. Die Förderpolitik hat seit 2006 mit der Fördermittelkonzentration auf Stadtumbaustädte, die Regionalen Wachstumskerne und Branchenschwerpunktorte reagiert. Die Branchenschwerpunktorte haben inzwischen ihre Funktion erfüllt und werden daher als Förderkategorie nicht weiterverfolgt. Die ländlichen Räume werden im Rahmen der landwirtschaftlichen Flächenförderung sowie der Förderpolitik der integrierten ländlichen Entwicklung gestärkt. Städtebau- und Wohnraumförderung sowie Strukturförderung stellen für die ausgewählten Städte inzwischen einen maßgeblichen Anteil der Investitionsmittel. Bislang war zu befürchten, dass einige Städte in naher Zukunft nicht mehr in der Lage sein würden die erforderlichen Eigenanteile aufzubringen, um die zur Verfügung stehenden Bundes- und Landesmittel abrufen und in Anspruch nehmen zu können. Das hätte zur Folge gehabt, dass Stadtentwicklung nicht in der bislang erfolgten Umsetzung voranschreiten würde und das bislang Erreichte seine Zielsetzung verfehlt. Mit der Neufassung des § 16 BbgFAG (kommunaler Ausgleichsfonds) ist es erstmals möglich auch Mittel für notwendige und unabweisbare kommunale Investitionsmaßnahmen bzw. Investitionsmaßnahmen mit besonderer überörtlicher oder überregionaler Bedeutung zu gewähren. Die Mittel des Ausgleichsfonds stehen insbesondere den Gemeinden und Landkreisen zur Verfügung, die notleidend bzw. hochverschuldet sind, d.h. nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft notwendige und unabweisbare Investitionen zu finanzieren bzw. Förderprogramme zu kofinanzieren. So können aus dem Ausgleichsfonds insbesondere die kommunalen Mitleistungsanteile bei Fördermaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. .

9 Art. 99 Satz 2 Landesverfassung Brandenburg 10 Land Brandenburg: Halbzeitbilanz der Arbeit der Landesregierung Brandenburg in der

5. Legislaturperiode 2009-2014 §1 (6): Die Gemeinden und Gemeindeverbände erhalten ferner Zuweisungen und projektgebundene Fördermittel aufgrund besonderer Gesetze und nach Maßgabe des Haushaltsplans des Landes.

11 BbgFAG

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Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Handlungsfelder der Brandenburger Stadtentwicklung Städte als Anker im Raum Die Funktionen der Städte für das Land Brandenburg Die Städte im Land Brandenburg sind unverzichtbar für die Daseinsvorsorge, die hohe Dichte an Einrichtungen unterscheidet sie von ländlichen Gemeinden. Zeitgemäße, über den Grundbedarf hinausgehende Bildungsangebote, eine auf die tatsächlichen Anforderungen ausgerichtete Gesundheitsinfrastruktur und breit gefächerte Angebote in den Bereichen Wohnen, Handel und Dienstleistung können besonders in den Städten wohnortnah und qualitativ hochwertig bereitgestellt werden. Die Attraktivität der Städte als Lebensraum für die Menschen wird dabei auch durch die Qualität ökologischer Faktoren, wie saubere Luft und lärmarme Gebiete geprägt. Vor dem Hintergrund rückläufiger Bevölkerungszahlen, Alterungsprozessen und eingeschränkter finanzieller Spielräume hat das Land mit einer Konzentration auf leistungsfähige Strukturen reagiert. Die Landesregierung hat mit dem Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg (LEP B-B) 2009 das Zentrale-Orte-System angepasst. Die Zentralen Orte übernehmen multifunktionale Entwicklungs-, Bündelungs- und Verknüpfungsfunktionen. Sie spielen eine Schlüsselrolle, um nachhaltige Mobilität in der Fläche zu sichern. Die Zentralen Orte sollen im jeweiligen Verflechtungsbereich die Versorgung mit infrastrukturellen Einrichtungen und Beschäftigungsmöglichkeiten sicherstellen. Somit soll gewährleistet werden, dass auch die vorwiegend ländlich geprägten Teilräume der Hauptstadtregion über Schwerpunkte des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens verfügen. Die Grundversorgung wird innerhalb der amtsfreien Gemeinden und Ämter abgesichert. Höherwertige Dienstleistungsangebote der Daseinsvorsorge werden auf die Metropole Berlin, vier Oberzentren und 38 Mittelzentren sowie 8 funktionsteilige Mittelzentren konzentriert. Den Mittelzentren ist jeweils ein Verflechtungsbereich von mindestens 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (Stand 2003) zugeordnet. Mit dem Konzept der Zentralen Orte werden im ganzen Land gleichwertige Lebensbedingungen angestrebt, die jedoch nur mit räumlich angepassten, tragfähigen und in den Regionen akzeptierten Lösungen realisierbar sind (wie z.B. gemeinsame Mittelbereichskonzepte oder Best Practice-Förderung). Kommunale (und regionale) Daseinsvorsorge – Städte in der Verantwortung Viele der Städte im Berliner Umland profitieren von den Angeboten in Berlin und Potsdam. Durch den Zuzug von Familien besteht im Berliner Umland Nachholbedarf bei Schulen, Kindertagesstätten und sonstigen Infrastrukturen. Gleichzeitig muss bedacht werden, dass diese Einrichtungen bei dem langfristig erwarteten Rückgang der Kinder und Jugendlichen flexibel umgenutzt werden können. Im weiteren Metropolenraum bieten die Mittel- und Kleinstädte ein breiteres Spektrum an Daseinsvorsorgeeinrichtungen als die ländlichen Räume. Überwiegend dort finden sich überregionale Sportstätten und größere Sporthallen, hauptamtlich geführte Jugendfreizeiteinrichtungen, Einzelhandelseinrichtungen mit einem großen Warenangebot oder Theater mit festen Spielstätten. Während die Kindertagesstätten und Grundschulen im weiteren Metropolraum gleichmäßig verteilt sind, konzentrieren sich Gesamtschulen, Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Oberschulen und Gymnasien vor allem in den Städten mit Zentrumsfunktion. Auch bei der medizinischen Versorgung finden insbesondere im fachärztlichen Bereich räumliche Konzentrationsprozesse statt. In den ländlichen Regionen führen Abwanderung und sinkende Geburtenzahlen zu einer geringeren Auslastung von Kindertagesstätten, Schulen, Krankenhäusern, Bussen und Abwasserleitungen etc. Gleichzeitig steigen die Kosten für den Erhalt, den Neubau oder die Anpassung von Infrastruktureinrichtungen. Es muss immer öfter entschieden werden, wie Pflichtaufgaben finanziert werden und welche bzw. wie freiwillige Aufgaben noch wahrgenommen werden können. Welche Infrastruktureinrichtungen sind noch tragfähig, wo fallen ggf. Standorte weg oder wo sind Zusammenlegungen notwendig? Die Reduzierung der Angebote führt zu längeren Wegen und damit zu Nutzungseinschränkungen insbesondere für die Bevölkerungsgruppen ohne eigenes Auto (Kinder, Jugendliche, ältere Menschen). Eine weitere Herausforderung sind die Verschiebungen in der Alterszusammensetzung, mit der Folge einer sich ändernden Nachfrage nach Infrastruktureinrichtungen (Bildung, Wohnen, Gesundheit, Pflege, Barrierefreiheit, Kinder – und Jugendbetreuung usw.). Die kleinen Städte sehen die Bündelung von Funktionen der Daseinsvorsorge als Herausforderung, vor allem in den Ortsteilen, die keine räumlichen Funktionsschwerpunkte sind. Besonders die geringe Finanzausstattung erschwert den Unterhalt öffentlicher Infrastruktureinrichtungen.12 Die Festlegung der Mittelbereiche dient auch der Auseinandersetzung mit der Frage der abgestimmten Standortplanung und der gemeinsamen Finanzierung von Einrichtungen, wenn diese in einzelnen Kommunen nicht mehr tragfähig sind. Durch die Mittelzentren und die anderen Kommunen im Mittelbereich sollen gemeinsam Projekte zur Gestaltung der zentralitätsrelevanten Funktionen entwickelt und umgesetzt, also eine gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung des Mittelbereiches übernommen werden.13 Im ländlichen Raum haben Kommunen innovative Lösungen zur Gewährleistung der Daseinsvorsorge entwickelt, die Vorbildfunktion haben und die zukünftig auch für die Mittelund Kleinstädte an Bedeutung gewinnen. Dazu gehören mobile Ämter, mobile medizinische Angebote, „rollende“ Lebensmittelläden, kleine Grundschulen mit jahrgangsgemischten Lerngruppen, Ganztagesbetreuung, Wasser- und Abwasserzweckverbände, Bürgerbusse und regionale Energiekonzepte etc. Das Förderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ steht seit 2010 den Städten und Gemeinden in den dünn besiedelten, ländlichen Räumen zur Verfügung. Fördergegenstand ist die überörtliche Zusammenarbeit und die Bildung von Netzwerken. Die Förderprogramme ILE und LEADER unterstützen ebenfalls Projekte, die die Grundversorgung und Zusammenarbeit im ländlichen Raum sichern. Um Dienstleistungen der Verwaltung den Menschen auch in der Fläche zur Verfügung zu stellen, setzt die Landesregierung verstärkt auf Internet und E-Government. Mit den Plattformen Landesverwaltungsnetz 4.0 Kommunal, service.brandenburg.de, maerker.de, PlanungsInformationsSystem (PLIS), Telemedizin-Netzwerk, elektronisches Baugenehmigungsverfahren u.ä. stehen bereits mehrere Instrumente zur Verfügung. Hierfür ist jedoch auch die nötige Breitbandversorgung auszubauen und die Anwendbarkeit für Menschen mit einer Behinderung und für Ältere zu gewährleisten. Stadt und Region Neben den Städten erfüllt der ländliche Raum neben seiner Funktion als Lebens- und Wirtschaftsraum sowie als Natur-, Kultur- und Erholungsraum. Durch die gemeinsame Agrarpolitik der EU wird auch im Land Brandenburg die Entwicklung der ländlichen Räume 12 Plan und Praxis GmbH, RegioKontext im Auftrag

Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL): Gutachten „Probleme, Instrumente und Verfahrensweisen der Stadtentwicklung in kleinen Städten des Landes Brandenburg", 2013 13 Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg (LEP B-B), 2009 12

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

unterstützt. Wettbewerbsfähige Landwirtschaftsbetriebe sichern Einkommen auf dem Lande und eine nachhaltige Landbewirtschaftung. Unter breiter Teilnahme der privaten und öffentlichen Beteiligten wird mit Maßnahmen der „Integrierten Ländlichen Entwicklung“ und LEADER ein zunehmender Beitrag für die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen und die infrastrukturelle Grundversorgung geleistet. Erfolgreich werden innovative Vorhaben z.B. der Erzeugung regenerativer Energien, des Tourismus oder der Gesundheitswirtschaft umgesetzt. Die Qualitäten des ländlichen Raums werden auch von den jungen Brandenburgerinnen und Brandenburgern erkannt: zwei Drittel von ihnen schätzen die Natur und Landschaft ihrer Umgebung. Dies trägt für viele junge Leute zu ihrer Ortsverbundenheit bei und ist eine der wesentlichen Stärken kleinerer Städte und ländlicher Regionen.14 Die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Umland sowie die Bereitschaft der Beteiligten vor Ort dazu wächst und ist ein wichtiges Anliegen der Politik der Landesregierung.15 Im weiteren Metropolenraum werden insbesondere die landschaftliche Umgebung des Wohnorts, die Sportmöglichkeiten und das Wohnungsangebot von Brandenburger Jugendlichen als positiv bewertet. Als schlecht werden die wirtschaftliche Lage, die Arbeitsmarktsituation und berufliche Aufstiegschance sowie die Möglichkeiten zur Mitwirkung beurteilt. Bei der Entscheidung über das Bleiben oder Weggehen sind die „harten“ Faktoren Bildung und Arbeit ausschlaggebend, die „weichen“ Faktoren spielen verstärkt beim Wiederkommen eine Rolle. Daher wollen 46 % der Schülerinnen und Schüler nach dem Schulabschluss den Heimatort verlassen, nur ca. ein Drittel will bleiben. Die Verbundenheit mit der alten Heimat ist aber weiterhin groß. Über die Hälfte der Weggezogenen kann sich eine Rückkehr vorstellen, darunter überproportional mehr Frauen als Männer.16 Diese hohe Ortsverbundenheit ist eine große Chance zur Steigerung der Rückwanderung.17Dies kann jedoch durch die Landesregierung nur begrenzt beeinflusst werden. Sicher ist jedoch, dass Fachkräfte nur gehalten bzw. gewonnen werden können, wenn die Faktoren Berufsperspektive, Bezahlung, Wohnen und soziale Infrastruktur als Gesamtangebot stimmig sind.

Mobilitätssicherung als Querschnittsaufgabe Mobilität dauerhaft und nachhaltig zu sichern, ist eine strategisch bedeutsame Querschnittsaufgabe von Bund, Land und lokalen Akteuren. Sie sichert die Erreichbarkeit von Beschäftigungs-, Bildungs-, Freizeit- und Versorgungsangeboten und gewährleistet so die ökonomische, soziale und kulturelle Teilhabe Aller am gesellschaftlichen Leben sowie die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen. Die Herausforderungen im Flächenland Brandenburg mit seinen sehr unterschiedlichen Strukturen und der Metropole Berlin in seiner Mitte sind dabei immens. Es gilt die Mobilität in allen diesen Teilen der Hauptstadtregion zu sichern. Dabei sind insbesondere auch die zunehmenden Verflechtungen und Pendlerströmen zwischen Berlin und den anderen Teilen der Hauptstadtregion, sowie das Zusammenwirken der Ober- und Mittelzentren mit ihrem jeweiligen Verflechtungsbereich zu berücksichtigen. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Zugänglichkeit der Städte und Dörfer einerseits muss mit der Verbesserung der Lebensqualität und dem Umweltschutz andererseits in Einklang gebracht werden. Eine der grundlegenden Voraussetzungen hierfür ist die langfristig finanzierbare und zukunftsfähige Mobilitätssicherung für die Menschen und die Wirtschaft in allen Regionen des Landes. Die Komplexität dieser Aufgabe bedarf einer frühzeitigen Zusammenführung der verschiedenen sozialen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Mobilitätsanforderungen der 14 Gemeinsame Landesplanungsabteilung der Länder Berlin und Brandenburg (GL): Studie

„Bleiben, Weggehen, Wiederkommen? Lebenszufriedenheit und Wanderungsmotive junger Menschen in Brandenburg“, November 2010 15 Siehe dazu Kapitel Stadt-Umland-Kooperation 16 Ebd. 17 Ebd. Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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jeweiligen Zielgruppen sowie der sorgfältigen Abwägung der damit verbundenen Zielkonflikte und ihrer Wirkungen auf die physische und psychisch-emotionale Befindlichkeiten der Menschen (Gesundheit, Wohlbefinden) in den Städten und ihrem Umland. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass 

sich die regionale und kommunale Verkehrsplanung auf eine geringere Anzahl von Infrastruktureinrichtungen mit größerem Einzugsbereich (z.B. bei Schulen), veränderte Mobilitätsanforderungen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, geringer ausgelastete und neu zu strukturierende Nahverkehrsnetze und ggf. örtliche Rück- und Umbaumaßnahmen im Straßenraum einstellen muss



die Ausgestaltung nachhaltiger, demographiefester Mobilitätsangebote bereits im Vorfeld der Verkehrsplanung maßgeblich durch entsprechende Wechselwirkungen mit den Entscheidungen vorrangig der Wirtschafts- und Siedlungsentwicklung beeinflusst wird



die Entwicklung und Implementierung nachhaltiger und offensiver Mobilitätsstrategien von den Verantwortlichen ein Denken in regionalen Vernetzungen – auch grenzüberschreitend – erfordert, welches über allein lokale Betrachtungsweisen bewusst hinausgeht und funktionale und administrative „Stadtmauern“ überwindet



die veränderten Lebensbeziehungen (Verflechtungsräume) der einzelnen Bevölkerungsgruppen zunehmend auch zu veränderten regionalen Mobilitätsanforderungen wie z.B. multimodalen Mobilitätsketten (Verkehrsangebote von Haus zu Haus) gerade für jüngere Menschen führen

Der Handlungsraum zur nachhaltigen Mobilitätssicherung ist somit die Region. Daher ist es für die Umsetzung einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik von entscheidender Bedeutung, nicht nur einzelne sektorale, fachbezogene isolierte Schritte und Teillösungen innerhalb der jeweiligen administrativen Grenzen zu verfolgen, sondern regionale, aufeinander abgestimmte Maßnahmebündel zur Optimierung einer verkehrsträgerübergreifenden Integration von investitions- und innovationspolitischen Instrumenten zur Mobilitätssicherung zu entwickeln und umzusetzen (interkommunale Koordinierung, interdisziplinäre Integration, Vernetzung der Verantwortungs- und Aufgabenträger, frühzeitige Beteiligung, regionales Mobilitätsmanagement etc.). Hierbei sind alle Verkehrsträger zu integrieren. Im „Integrierten Verkehrskonzept des Landes Brandenburg (IVK)“, welches sich derzeit in Überarbeitung befindet, sind die wesentlichen Rahmenbedingungen für diesen integrierten verkehrsträger- und fachplanungsübergreifenden Ansatz zur Mobilitätssicherung beschrieben. Im Fokus der integrierten Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik des Landes steht somit die Erhöhung der Lebensqualität in den Städten und Dörfern durch die Sicherung einer bedarfs- und bedürfnisgerechten, regional angepassten, barrierefreien und nachhaltigen Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen. Diesem Ansatz trägt auch der Landesnahverkehrsplan Rechnung, dessen Aufgabe es ist, in Ausführung des ÖPNVG und in Ausübung der Aufgabenträgerschaft für den SPNV einen verlässlichen mittelfristigen Rahmenplan für die Bedienung im Schienenpersonennahverkehr zu schaffen, an den die kommunalen Aufgabenträger ihre Planungen im ÖPNV integrierend anpassen können. Damit schafft der Landesnahverkehrsplan den Rahmen für einen effektiven und effizienten, integrierten Gesamt-ÖPNV. In den ländlichen Räumen ist ein schienengebundener öffentlicher Verkehr nachfragebedingt nicht überall zu realisieren. Daher kommt hier alternativen Mobilitätsangeboten eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere gegenüber mobilitätseingeschränkten Menschen besteht eine hohe soziale Verpflichtung, ihre Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben durch bedarfsgerechte Mobilitätsangebote dauerhaft zu ermöglichen. Hierzu gehört auch die sichere und barrierefreie Gestaltung von Ortsdurchfahrten, z.B. durch den Einbau von Querungshilfen. Dies ist Bestandteil des Behindertenpolitischen Maßnahmepaketes und des Familien- und Kinderpolitischen Programms der 14

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Landesregierung. Damit kann ein sicheres Miteinander aller Verkehrsteilnehmenden sowie eine hohe Nutzungs- und Wohnqualität in den Stadtquartieren und eine attraktive Nahmobilität erreicht werden. Land, Bund und Europäische Union unterstützen die Bildung dieser kooperativen Strukturen durch Wissenstransfer und die Entwicklung strategischer Ansätze. Zur Umsetzung der politischen Zielsetzungen werden Best-Practice-Projekte wie „KombiBus“, „JugendMobil: immer unterwegs – immer erreichbar“ sowie „Aktiv und mobil- für ein selbstbestimmtes Leben im Alter“ initiiert und in den Regionen erprobt und umgesetzt. Im Rahmen der Beteiligung an dem EU-Projekt „MOG - Move on Green“ findet ein internationaler Erfahrungsaustausch zu innovativen, nachhaltigen und zukunftsfähigen Mobilitätsstrategien und –projekten vor dem Hintergrund des demographischen und wirtschaftlichen Strukturwandels zwischen den Regionen der beteiligten Länder statt. Städte als Wirtschaftsstandorte Die Städte als Motor für Wirtschaft und Bildung Fast drei Viertel der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze am Arbeitsort in Brandenburg befinden sich in Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern. Neben den Wirtschaftsunternehmen sind auch öffentliche Einrichtungen der Verwaltung, der Bildung, der Kultur sowie der Gesundheitswirtschaft wichtige Arbeitsplatzstandorte und Frequenzbringer am Standort Stadt. Auch die weiterführenden Schulen und die Berufsbildung sowie die Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen konzentrieren sich in den Städten. Klein- und mittelständische Betriebe prägen das Bild der Brandenburger Wirtschaft. Sie verfügen zumeist nicht über Ressourcen und das Know-how für Forschung und Entwicklung. Zur Verbesserung der Wettbewerbs- und Exportfähigkeit der Unternehmen muss verstärkt auf Innovation und Zukunftstechnologien gesetzt werden. Zur Substanzpflege gehört deshalb auch eine bessere Vernetzung zwischen Forschung und Praxis. In der Stärkung ihrer Stadt als Wirtschaftsstandort sehen viele Städte einen hohen Handlungsbedarf, dabei gewinnt die interkommunale Zusammenarbeit – auch grenzüberschreitend – an Bedeutung.18 Die als Regionale Wachstumskerne festgelegten Städte haben mit ihrer strategischen Ausrichtung auf Schwerpunkte eine Ausstrahlungskraft auf ihr Umland und eine Vorbildwirkung für das ganze Land. Eine Reihe von Städten außerhalb der RWK orientieren sich am RWK-Prozess und profilieren sich ebenfalls mit Kooperationen, Standortentwicklungskonzepten und Maßnahmen zur Fachkräftesicherung als Impulsgeber für ihre Region.19 Für Kleinstädte sind Tourismus, Handwerk, Handel und Dienstleistungen die Säulen der Wirtschaft. Der Beitrag des Tourismus zu den privaten Einkommen im Land Brandenburg liegt bei ca. 4,6 %. Im Städtetourismus werden neben Potsdam, Cottbus, Brandenburg an der Havel und Frankfurt/O. den Städten mit historischen Stadtkernen besondere Chancen im Tagestourismus eingeräumt.20 Mit der Erneuerung der historischen Stadt- und Ortskerne und der Entwicklung von Leitsystemen wurden die Ortsbilder, die Aufenthaltsqualität und die Erlebbarkeit in den Städten verbessert. Vorrang für Fachkräftesicherung und -entwicklung Eine der größten Herausforderungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Brandenburg ist die Fachkräftesicherung. Jugendlichen und jungen Einwohnerinnen und Einwohnern 18 LBV: Stadtumbaumonitoring

im Land Brandenburg, Stadtentwicklungsbarometer – Berichtsjahr 2013 und Plan und Praxis GmbH, RegioKontext im Auftrag MIL: Gutachten „Probleme, Instrumente und Verfahrensweisen der Stadtentwicklung in kleinen Städten des Landes Brandenburg", 2013 19 Interministerielle Arbeitsgruppe Integrierte Standortentwicklung: Zwölfter Bericht zur Sitzung der Landesregierung am 26.02 2013 zur Stärkung der Regionalen Wachstumskerne 20 Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten (MWE): Landestourismuskonzeption Brandenburg 2011 - 2015 Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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müssen Möglichkeiten zur Ausbildung und beruflichen Qualifikation geboten werden damit sie in Brandenburg bleiben. Außerdem muss das Potenzial der Hochschulabsolventen in Berlin und Brandenburg besser genutzt werden. Aus-, Weiter- und Fortbildungsangebote sind für die Fachkräftesicherung und -entwicklung wesentliche Elemente. Dies erfordert eine noch stärkere Verzahnung von Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung. Neben attraktiven Arbeitsplätzen und wettbewerbsfähigen Einkommen sind eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr, eine hohe Wohn- und Lebensqualität, sowie die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf wichtige Faktoren. Die Städte arbeiten an entsprechenden Angeboten, soweit es in ihren Möglichkeiten liegt. Schulische Angebote werden verbessert und besondere Angebote, wie beispielsweise an Schichtbetriebe angepasste Kita-Öffnungszeiten (24h-Kita in Schwedt) geschaffen, aber auch Angebote für ein lebenslanges Lernen. Eine besondere Form der vorausschauenden Fachkräftesicherung bietet der RWK Spremberg: Vom Angebot attraktiven Wohnraums, über Kita- und Schulservice bis hin zu Beschäftigungsangeboten für Partner oder Partnerinnen der Fachkraft wird ein „RundumSorglos-Paket“ geschnürt.21 Standortentwicklung ist Ansiedlungsbedingungen

Bestandsentwicklung

und

Verbesserung

der

Der Arbeitsstandort Stadt hat sich gewandelt. Ebenso wie beim Wohnen hat ein Suburbanisierungsprozess stattgefunden. Viele Unternehmen bevorzugen gut erschlossene Stadtrandlagen, auch um Nutzungskonflikte zu minimieren und Erweiterungsmöglichkeiten vorzuhalten. Mit dem LEP B-B wurden die notwendigen Spielräume für die Entwicklung von Industrie- und Gewerbeflächen geschaffen. Zugleich ist es schwieriger geworden, brach gefallene innerstädtische Standorte wieder einer gewerblichen Nutzung zuzuführen. Außerdem ist es schwieriger die Gewerbestandorte in peripheren Lagen mit dem öffentlichen Verkehr zu erschließen. Von hoher Bedeutung ist die Bestandspflege der bestehenden Unternehmen vor Ort. Es ist Aufgabe der Städte die erforderlichen Maßnahmen und Prozesse vorzubereiten, die zur Beseitigung von Engpassfaktoren, zur Pflege der wirtschaftlichen Basis, zur Verbesserung der Ansiedlungsbedingungen und zur Erhöhung der Qualität ihrer Dienstleistungs- und Infrastrukturangebote beitragen können. Dabei spielt ein aktives Flächenmanagement zur Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklungspotenziale in Städten eine wichtige Rolle. Insbesondere kleinere Städte22 sehen einen erheblichen Handlungsbedarf in der Entwicklung gewerblicher Flächen. Festzustellen ist, dass Kommunen, die hohe Leerstände bei Gewerbeflächen angeben, nicht über ein Gewerbeflächenkataster verfügen.23 Die so genannten weichen Standortfaktoren spielen bei Investitionsentscheidungen eine immer größere Rolle und tragen zur Wettbewerbsfähigkeit sowie der Erhöhung der Lebensqualität in den Städten bei. Neben der überregionalen Anbindung sind für Neuansiedlungen vor allem auch ein attraktives Wohnungsangebot, eine gute Verknüpfung mit dem ÖPNV sowie gute Freizeit- und Bildungsangebote von besonderer Bedeutung. Die zukunftsfähige Stadt soll sich als umweltfreundlicher Unternehmensstandort präsentieren und Unternehmen, die ressourcenschonend und umweltverträglich handeln besondere Angebote machen. Sowohl mit den Standortentwicklungskonzepten (SEK) als auch mit den Integrierten Stadtentwicklungskonzepten (INSEK) werden die Stadtentwicklung und die Wirtschaftsentwicklung besser aufeinander abgestimmt. Mit den SEK soll eine Steigerung 21 Interministerielle Arbeitsgruppe Integrierte Standortentwicklung: Zwölfter Bericht

zur Sitzung der Landesregierung am 26.02 2013 zur Stärkung der Regionalen Wachstumskerne 22 Plan und Praxis GmbH, RegioKontext im Auftrag MIL: Gutachten „Probleme, Instrumente und Verfahrensweisen der Stadtentwicklung in kleinen Städten des Landes Brandenburg", 2013 23 LBV: Stadtumbaumonitoring im Land Brandenburg, Stadtentwicklungsbarometer – Berichtsjahr 2013 16

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

der überregionalen Wettbewerbsfähigkeit der RWK erreicht werden, während die INSEK eher auf die lokale Ebene abzielen. Die Verzahnung des RWK-Prozesses mit dem INSEKProzess gelingt zwischenzeitlich reibungslos.24 Innenstädte sind Wirtschaftsstandorte und Arbeitsorte Die Innenstädte sind mit ihren vielfältigen Angeboten von Handel, Bildung, Freizeit und Kultur die Visitenkarten der Städte. Ihre Angebote und ihre Attraktivität sind ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung und im Wettbewerb um Fachkräfte. Die Innenstädte bieten das urbane Umfeld, das auch von der eher kleinteilig geprägten Kreativwirtschaft und für Existenzgründungen nachgefragt wird. Zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Innenstadt mit kleinteiligen aber beschäftigungsintensiven Handels-, Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben gehören weiterhin die Sanierung stadtbildprägender Bausubstanz, der Ausbau touristischer und kultureller Angebote sowie die Revitalisierung von Brachflächen. Wirtschafts- und Stadtentwicklung müssen Hand in Hand gehen. Die lokale Wirtschaft muss in die wirtschaftlich-funktionalen Strategien der Innenstadtentwicklung eingebunden werden. Innenstädte und Stadtteilzentren brauchen den Einzelhandel Das Land Brandenburg hat seit den 1990er Jahren eine im Vergleich der Bundesländer sehr gute Verkaufsflächenausstattung. Nach wie vor müssen die Einzelhandelsstandorte in den Innenstädten mit Standorten in nicht integrierten Lagen konkurrieren. Zwar befindet sich der überwiegende Teil der Einzelhandelsbetriebe (ca. 52 %) in den Zentralen Orten, aber ca. 79 % der Verkaufsflächen befinden sich außerhalb der städtischen Zentren bzw. in nicht integrierten Lagen. Die Einzelhandelsangebote in Berlin und Potsdam, in den größeren Städten oder auch solitäre, städtebaulich nicht integrierte Einkaufsstandorte wie z.B. das A10-Center in Wildau oder das B5-Outlet-Center in Wustermark gewinnen in Relation zu Einzelhandelsangeboten in den Klein- und Mittelstädten weiter an Bedeutung. In kleineren Städten liegt die Hauptaufgabe in der Gewährleistung der Nahversorgung. Zentren-relevante Ansiedlungen müssen auf zentrale Lagen gelenkt werden, um die Stadtkerne zu stärken.25 Mit dem LEP B-B wurden raumordnerische Festlegungen zur Stärkung zentraler Versorgungsbereiche und integrierter Lagen in den Zentralen Orten getroffen. Viele Städte haben in Umsetzung dessen Zentren- und Einzelhandelskonzepte erarbeitet und steuern die Entwicklung auch mit Hilfe von Bebauungsplänen. Aufgrund des Strukturwandels im Einzelhandel ist auch in den kommenden Jahren mit Veränderungen der Einzelhandelsstrukturen und somit auch der den bisherigen Konzepten zugrunde liegenden Ausgangssituationen zu rechnen. Mit einer Verstetigung der Erhebungen und die Zusammenführung der kommunalen Daten zu einem landesweiten Informationssystem könnte eine wesentliche Voraussetzung für eine fundierte Einschätzung und die gezielte regionale Steuerung geschaffen werden, die ihren Fokus deutlich auf die Stärkung der Kernstädte und die Versorgung der Bevölkerung legt. Dies ist jedoch mit personellem und finanziellem Aufwand verbunden.26 Stadt, Handel, Eigentümerinnen und Eigentümer müssen kooperieren, um die Innenstädte attraktiv zu halten. Die Landesregierung unterstützt Geschäftsstraßenmanagements. Insbesondere die größeren Städte nutzen diese Möglichkeit. Mit dem Programm Aktive Stadtzentren werden die Städte mit Hilfe der Städtebauförderung bei der Stärkung ihrer innerstädtischen Versorgungsbereiche unterstützt. Diese Möglichkeit nutzen 10 Städte in Brandenburg. 24 Interministerielle Arbeitsgruppe Integrierte Standortentwicklung: Zwölfter Bericht zur Sitzung

der Landesregierung am 26.02 2013 zur

Stärkung der Regionalen Wachstumskerne 25 Stadt + Handel im Auftrag GL: Einzelhandelserfassung Brandenburg 2010/2011 26 Ebd. Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Wohnen In den kommenden beiden Jahrzehnten werden sich die Rahmenbedingungen auf den Wohnungsmärkten im Land Brandenburg weiter gravierend verändern. Dabei wird es zu räumlich sehr unterschiedlichen Ausprägungen kommen. Als dominierende Struktur der Wohnungsmarktentwicklung in Brandenburg zeigt sich die divergierende Entwicklung zwischen dem Berliner Umland und dem weiteren Metropolenraum. Dies bezieht sich auf die quantitative Nachfrageentwicklung, die qualitativen Differenzen der einzelnen Marktsegmente sowie auf die Entwicklung des jeweiligen Angebotes und der Mietpreise. In Folge des demografischen Wandels werden sich die vorherrschenden Disparitäten der Wohnungsmärkte in Brandenburg weiter verstärken. Nachfrageentwicklung Lebten 1995 noch 28 % aller Haushalte in einem Einpersonenhaushalt so ist dies 2011 bereits bei ca. 38 % aller Haushalte in Brandenburg der Fall. Die Zahl der Drei- und Mehrpersonenhaushalte sank im selben Zeitraum von 39,5 % auf 24 %.27 Die Nachfrage nach Wohnungen ändert sich entsprechend. Im Mietwohnungsbereich ist nach Einschätzung der Kommunen in den nächsten 2 – 3 Jahren für das Berliner Umland mit einer wachsenden oder punktuell sogar stark wachsenden Wohnungsnachfrage zu rechnen. Hingegen muss im weiteren Metropolenraum von einer Verringerung der Wohnungsnachfrage ausgegangen werden.28 Insbesondere im Berliner Umland wird weiterhin Neubaubedarf und im weiteren Metropolenraum weiterer Rückbaubedarf bestehen. Durch Verschiebung der Proportionen zwischen den Altersgruppen verändert sich die Nachfrageseite und erfordert umfangreiche Wohnungsanpassungen. Vordringlich besteht ein Defizit an kleinen, barrierefreien sanierten Wohnungen. Auch ein barrierefreies Wohnumfeld wirkt sich bereits heute positiv auf die Nachfrage aus. Damit verbunden ist ein hoher Anpassungsbedarf der Wohnungsmärkte. Eine flexible Anpassung an sich ändernde Marktsituationen (Ausstattungsstandards, Grundrisse, Anpassung der Wohnfläche an die sich ändernden Haushaltsgrößen und energetische Sanierungsmaßnahmen) ist nur begrenzt möglich. Die Investitionen müssen refinanzierbar sein und mit dem Ziel der Sicherstellung bezahlbaren Wohnraums einhergehen. Besonders im weiteren Metropolenraum sind deutliche Zielkonflikte zwischen Anpassungsbedarf und Durchsetzbarkeit kostendeckender Mieten zu erkennen. In einigen Kommunen ist der Wohnungsmarkt bereits heute deutlich angespannt. Knapp sind vor allem kleine Wohnungen, barrierefreie Wohnungen und geeignete größere Wohnungen für Familien – jeweils im unteren und mittleren Preissegment. Die Nachfrage nach Wohneigentum zielt in Brandenburg weiterhin vordringlich auf den Einfamilienhausbereich in den städtischen Randlagen und umliegenden Dörfern. Miethaushalte hingegen präferieren modernisierte Wohnungen in innerstädtischen Lagen.29 Dies ist ein deutliches Zeichen, dass die Politik der Innenentwicklung und Sanierung in den Städten erfolgreich ist. Unabhängig davon ist die Fortführung der Wohnungsmarktbeobachtung durch das Land einschließlich vertiefender Untersuchungen zu besonderen Fragestellungen unerlässliche Voraussetzung für die erfolgreiche Gestaltung der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik.

27 Amt für Statistik Berlin-Brandenburg,

Stand 31.12.2011 im Land Brandenburg, Stadtentwicklungsbarometer – Berichtsjahr 2013 29 ANALYSE & KONZEPTE Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien und Tourismus mbH im Auftrag MIL: Wohnungspolitischer Kompass 2009 28 LBV: Stadtumbaumonitoring

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Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Kommunale Wohnungsmarktkonzepte Viele Städte verfügen durch Bevölkerungsprognosen über relativ genaue Kenntnisse der voraussichtlichen quantitativen Entwicklung der Haushalte. Hingegen ist die qualitative Nachfrageentwicklung für die Städte und Gemeinden relativ schwer abschätzbar. Vielfach sind in den Städten und Gemeinden neben quantitativen Wohnungsmarktprognosen nur Rückbau- und Aufwertungsplanungen vorhanden. Es fehlen jedoch vielfach übergreifende kommunale Wohnungsmarktstrategien und -konzepte mit guten Handlungsansätzen unter Berücksichtigung der sich ändernden Sozialstrukturen in den Städten und Quartieren. Eine Integration der zentralen Aussagen und Schlussfolgerungen in die vorhandenen INSEK ist im Zuge der Fortschreibungen zielführend. Mietpreisentwicklung - regionale Disparitäten auch bei den Mieten Nachdem sich die Mieten in den Jahren 2009 und 2010 im Land Brandenburg insgesamt verhalten entwickelten, lag die Mietsteigerung im Jahr 2011 mit durchschnittlich 2 % erstmals wieder über dem mehrjährigen Mittel. Grundsätzlich verfügt Brandenburg über ein relativ stabiles Mietpreisniveau mit geringen Mietpreissprüngen, aber auch hier mit deutlichen regionalen Unterschieden.30 Am 31.12.2011 betrug die durchschnittliche Nettokaltmiete 4,52 €/m² (+ 9 Cent im Vergleich zum Vorjahr) im Land Brandenburg, im Berliner Umland 4,99 €/m² und 4,32 €/m² im weiteren Metropolenraum bei den BBU-Unternehmen. In den Städten mit Angebotsüberhängen wurden bei Neuabschlüssen von Mietverträgen tlw. stagnierende oder sinkende Mieten festgestellt. Die höchsten durchschnittlichen Nettokaltmieten der BBU-Unternehmen von mehr als 5 €/m² wurden ausschließlich im Berliner Umland und hier direkt an Berlin angrenzend erzielt (Falkensee, Potsdam, Teltow). Unterdurchschnittliche Mieten werden hingegen - mit Ausnahme von Velten, Erkner, Rüdersdorf und Strausberg - im weiteren Metropolenraum erzielt.31 Steigende Energiepreise und der mangelnde Wettbewerb bei den Wohnnebenkosten erhöhen weiterhin kontinuierlich die Betriebskosten (sog. „Zweite Miete“). Durch Einsparungs- und Erneuerungsmaßnahmen wird die Energieeffizienz der Bestände laufend verbessert und der Energieverbrauch gesenkt. Hierbei darf aber die Kosteneffizienz, die Wirtschaftlichkeit und die Sozialverträglichkeit nicht aus den Augen verloren werden. Die energetische Modernisierung sichert aus Sicht der Vermieterinnen und Vermieter zwar die Vermietbarkeit der Objekte, eine notwendige Mietanpassung ist jedoch nur bedingt möglich, sodass die Investitionen z.T. nicht rentierlich sind.32 Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik

sichern

-

Kernaufgabe

der

Seit der Föderalismusreform sind die Bundesländer für die Wohnraumförderung zuständig. Dies bot ab 2007 die Chance, die Förderprogramme an den landespolitischen Zielen der Fokussierung auf die Innenstädte, der Generationengerechtigkeit und Barrierefreiheit auszurichten. Brandenburg hat vom Bund in den Jahren 2007–2013 Kompensationsmittel für die Wohnraumförderung erhalten. Die noch bis Ende des Jahres 2013 zur Verfügung stehenden Gelder sind bereits bewilligt. Um eine Förderlücke durch fehlende Bundeszuweisungen zu schließen, hat das Land die Wohnraumförderung umgestellt. Die Bundeszuweisungen gehen Aussagen zur Mietpreisentwicklung der organisierten Wohnungswirtschaft erfolgen auf der Grundlage der BBU-Statistik, BBU Marktmonitor 2012. Im Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU) sind 355 Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften der Länder Berlin und Brandenburg vereinigt. Damit verfügen die BBU-Unternehmenr mit ihren 1,1 Millionen Wohneinheiten über 29 % des Wohnungsbestandes in Brandenburg und bewirtschaftet 50 % des Brandenburgischen Mietwohnungsbestandes in denen ca. 800.000 Brandenburgerinnen und Brandenburger leben. 31 vgl. hierzu BBU Marktmonitor 2012. 32 ANALYSE & KONZEPTE Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien und Tourismus mbH im Auftrag MIL: Wohnungspolitischer Kompass 2009 30

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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ab 2014 in das Wohnungsbauvermögen des Landes und werden bereits ab 2013 als Darlehen für die Wohnraumförderung zu günstigen Konditionen ausgereicht. Die bisherigen Förderprogramme für Aufzüge und Mietwohnraumförderung sowie das Wohneigentumsprogramm können dadurch auf Darlehensbasis weitergeführt werden. Die behindertengerechte Ausstattung von Wohnungen bleibt bezuschusst. Von 2007 bis 2012 hat das Land Brandenburg den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von 12.000 Wohnungen mit 186 Millionen Euro unterstützt. Davon sind 5.500 Wohnungen barrierefrei. Die Wohnraumförderung unterstützt die Ziele der nachhaltigen Stadtentwicklung, indem sie gezielt in den nachhaltigen innerstädtischen Gebietskulissen der Stadterneuerung eingesetzt wird. Handlungsbedarf besteht dennoch weiterhin und trotz Wohnungsleerstands vor allem bei der Bereitstellung altengerechten, barrierefreien Wohnraums und bei familienfreundlichen Wohnungen. Ohne Anschlussförderung laufen bis 2019 allein in der Landeshauptstadt Potsdam für fast 9.000 Wohnungen die Mietpreisbindungen aus. Auch mit Blick auf die abnehmenden öffentlichen Mittel für die Wohnraumförderung hat das MIL mit der Investitionsbank des Landes und dem städtischen Wohnungsunternehmen das sog. „Potsdamer Modell“ entwickelt. Bei diesem Modell erhalten Wohnungsunternehmen einen Zinsbonus bei der Konditionsanpassung von Förderdarlehen nach Ablauf von Zinsbindungen. Im Gegenzug verpflichten sich die Wohnungsunternehmen zur Verlängerung von Miet- und Belegungsbindungen.33 Dadurch konnten für 3.300 Wohneinheiten in Potsdam die Bindungen verlängert und so bezahlbarer Wohnraum erhalten werden. Wohnungsleerstand Der anhaltende Bevölkerungsrückgang seit den 1990er-Jahren führte in vielen Kommunen des weiteren Metropolenraums zu einem hohen Leerstand. Viele Kommunen bekamen dadurch stadtstrukturelle Probleme und die Wohnungsunternehmen waren in ihrer Existenz bedroht. Meldete die Wohnungswirtschaft 1995 noch eine Leerstandsquote von 4,2 %, waren es Ende der 1990er Jahre landesweit bereits mehr als 10 %. Insgesamt standen in Brandenburg im Jahr 2002 rund 164.000 Wohnungen leer. Trotz des erfolgten Rückbaus von Wohnungen verzeichneten die Stadtumbaustädte im Jahr 2011 noch 39.100 leerstehende Wohnungen. Der Rückbaubedarf besteht weiterhin und wird durch das „demografische Echo“ nach 2015 vor allem in der Peripherie zunehmen. Dabei wird der Rückbau kleinteiliger, teurer und verteilt sich dispers im Stadtgebiet. Neben den geringer werdenden Mitteln treten dabei zunehmend Probleme auf, überhaupt noch geeignete Rückbauobjekte zu finden. Durch den erreichten Sanierungsgrad der Wohnungsbestände34 sind unsanierte Wohnungen für den notwendigen Wohnungsrückbau nicht mehr in ausreichendem Umfang vorhanden. Stadtumbau Städtebauliche Herausforderungen nach der Wiedervereinigung Hinsichtlich der Anfang der 1990er Jahre durch Wiedervereinigung und Strukturwandel auf die Städte zukommenden Herausforderungen wurden Antworten auf neue Fragen benötigt. Wie umgehen mit dem nachhaltigen Bevölkerungsrückgang und dem daraus entstehenden Wohnraumüberhang sowie nicht mehr benötigten industriell oder militärisch genutzten Flächen und Gebäuden? Wie umgehen mit den neuen Flächenanforderungen der Wirtschaft, des Einzelhandels und des Wohnungsbaus? Wie umgehen mit dem veränderten Bedarf an öffentlichen Infrastruktureinrichtungen und ver-/entsorgungstechnischen Anlagen? Wie 33 MIL: Presseerklärung "Karl

Marx" neuer Partner des "Potsdamer Modells" vom 22.04.2013 % des BBU-Wohnungsbestandes inzwischen als energetisch vollsaniert und ca. 25 % als teilsaniert angesehen werden kann, BBU Statistik

34 Beispielhaft ist hier, dass ca. 55

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Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

umgehen mit sich rapide verändernden Anforderungen und Wünschen der Bürgerinnen und Bürger an Wohnraum, Grünflächen und öffentlichem Raum? Und wie können unter diesen Vorzeichen die historische Substanz der Städte und die baukulturelle Qualität der historischen Stadtbereiche nach Jahrzehnten des Verfalls gerettet und für die Zukunft nutzbar gemacht werden? Brandenburg hat zur Bewältigung dieser Fragestellungen drei Ansätze entwickelt: 

die Stärkung der Stadtkerne durch Innenentwicklung und Erneuerung der Innenstadtquartiere



die Konversion von ehemals industriell oder militärisch genutzten Flächen und Gebäuden



die Anpassung der Städte an Bevölkerungsrückgang, demografischen Wandel und Strukturwandel durch Umbau

Stadtumbau – Doppelstrategie für städtebauliche Transformationsprozesse Mit dem Förderprogramm Stadtumbau-Ost wurde vor dem Hintergrund massiver Wohnungsleerstände im Jahr 2002 ein Transformationsprozess in Gang gesetzt, der den Um- und Rückbau von Stadtquartieren in den Mittelpunkt stellt. Es war das erste Programm überhaupt, das explizit auf die Bewältigung demografischer Herausforderungen gerichtet ist. Es fördert den Rückbau „von außen nach innen“ und die Aufwertung bzw. Stabilisierung innerstädtischer Quartiere. Diese Doppelstrategie hat wesentlich dazu beigetragen positive Signale zu setzen und die Innenstädte weiter zu stärken. Von 2002 bis 2011 wurden 56.400 Wohnungen mit Unterstützung des Programms Stadtumbau-Ost vom Markt genommen. In den Stadtumbaustädten konnte der Wohnungsleerstand von 14,5 % auf 9,2 % (2009) im Durchschnitt gesenkt werden, wobei die Spanne von 2,5 % (Jänschwalde) bis 18,7 % (Wittenberge) reicht. Den Schwerpunkt des Rückbaus bilden mit Abstand die Siedlungen des DDR-Wohnungsbaus. Die räumliche Verteilung belegt einerseits den überwiegenden Vollzug des Rückbaus in den Städten von außen nach innen und andererseits die Reduzierung von Beständen, in denen sich auch schwerpunktmäßig der Leerstand befindet.35 Das Programm wurde aufgrund der absehbaren weiteren Bevölkerungsverluste und des erwarteten Wiederanstiegs des Wohnungsleerstands36 nach der ersten Programmphase 2002-2009 durch eine zweite Phase mit einer Laufzeit von 2010-2016 verlängert. An dem Bund-Länder-Förderprogramm sind 35 Brandenburger Städte beteiligt. Die in der ersten Programmphase eingeführten Teilprogramme „Aufwertung“, „Wohnungsrückbau“ und „Rückbau städtischer Infrastruktur“ laufen in der zweiten Programmphase unverändert weiter. Neu ab 2010 hinzugekommen ist das Teilprogramm „Sanierung, Sicherung, Erwerb“, mit dem die Sanierung von Altbauten ohne kommunalen Mitleistungsanteil gefördert werden kann. Mit dem "Dialog Stadtumbau" hat das MIL gemeinsam mit Kommunen und Verbänden diese zweite Programmphase vorbereitet. Durch den demografischen Wandel und den Um- oder Rückbau von Quartieren verändert sich der Bedarf für soziale und kulturelle Infrastruktureinrichtungen. Ehemalige Schulen oder Kitas werden bereits jetzt umgenutzt oder zurückgebaut. Bei Neu- und Umbauten ist auf eine flexible Anpassungsfähigkeit der Gebäude zu achten. Das Land hat den Rückbau von außen nach innen aus städtebaulichen und aus betriebswirtschaftlichen Gründen sowie im Hinblick auf die stadttechnische Versorgung verfolgt. Die Möglichkeiten und Grenzen der bestehenden rechtlichen Instrumente wie 35 LBV: Stadtumbaumonitoring 36

im Land Brandenburg, Monitoringbericht 2013 – Berichtsjahr 2011 Die Monitoringgemeinden prognostizieren für 2020 einen Leerstand von insgesamt 57.000 Wohnungen. Als Monitoringgemeinden in Brandenburg werden die 34 Gemeinden im Programm Stadtumbau Ost der Phasen I (2002 bis 2009) und II (2010 bis 2016) bezeichnet. Herzberg (Elster), als 35. Stadt im Programm, wird auf Grund einer Festlegung des MIL im Monitoring nicht berücksichtigt. Bis auf Velten befinden sich alle Monitoringgemeinden im weiteren Metropolenraum.

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Veränderungssperren oder Rückbaugeboten müssen ebenso verstärkt in den Blick genommen werden wie die Suche nach weiteren geeigneten und realistisch einsetzbaren Instrumenten für den planerischen Umgang mit Rückbauflächen. Die Erfolgsgeschichte fortsetzen Der Stadtumbau ist erfolgreich: Die Teilprogramme Rückbau, Aufwertung, Rückbau städtischer Infrastruktur, Sanierung, Sicherung, Erwerb und die Altschuldenhilfe als flankierende Maßnahme haben sich als wirksame Instrumente erwiesen, um den stadtentwicklungspolitischen Herausforderungen heute und morgen zu begegnen. Flankierend hat die Altschuldenhilfe einen wesentlichen Beitrag zur Konsolidierung der Wohnungsunternehmen geleistet. Neben dem weiterhin erforderlichen Rückbau von Wohnungen sind erhebliche Strukturanpassungsmaßnahmen in den betroffenen Städten notwendig. Der Rückbau in den Ortsteilen vor allem der großen Stadtumbaustädte trägt zur Innenstadtstärkung bei. Eine Fortsetzung des Stadtumbaus ist daher unerlässlich. Investitionsvorbereitende und begleitende Aktivitäten wie Stadtteilmanagement, Moderation von Partizipationsprozessen, Aktivierung und Beratung bei Einzeleigentum und Mediation von Konflikten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen einer Altbaustrategie müssen Prioritäten gesetzt und der zielgerichtete Einsatz von Instrumenten aufgezeigt werden, die Anstoßeffekte in der Nachbarschaft auslösen. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Energieeinsparung, zum Klimaschutz und zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Um die Immobilienwirtschaft für ein stärkeres Engagement in den Schwerpunktquartieren des innerstädtischen Stadtumbaus zu gewinnen, sind gezielte Investitionsanreize sowie Beratungs‐ und Unterstützungsangebote notwendig. Stadtumbau meint nicht nur das Förderprogramm Stadtumbau-Ost oder die Konversion industrieller und militärischer Flächen. Er ist als Daueraufgabe fortlaufender integrierter Prozesse nachhaltiger Stadtentwicklung in allen Kommunen des Landes zu verstehen und bedeutet die kontinuierliche Anpassung der Städte und ihrer Quartiere an die demografische, wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Entwicklung. Freiraumentwicklung als zentrales Thema der Stadtentwicklung Die Gestalt und Qualität des öffentlichen Raums und der öffentlichen Freiräume ist ein wichtiges Handlungsfeld der Städte. Vor allem in den Innenstädten, aber auch in zu stabilisierenden Quartieren ist zur Pflege des Stadtbildes und zur Vermeidung von Angsträumen eine attraktive, barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raums für alle Bevölkerungsgruppen erforderlich. Ergänzt durch barrierefreie, gendergerechte, familienfreundliche und generationsgerechte Angebote erhöht sie die Attraktivität der Städte. Schöne Plätze, Grünflächen und Parkanlagen erhöhen den Freizeitwert, benötigen aber heute Konzepte mit überschaubarem Pflegeaufwand und hohem Nutzen für die Umwelt. Wo bauliche Nutzungen aufgegeben werden und Rückbau erfolgt, werden neue Freiräume verfügbar, deren Nachnutzung, Mobilisierung und Integration die Städte vor neue Herausforderungen stellt. Es entstehen sowohl Freiräume in den äußeren Stadtteilen im Übergang zur Landschaft als auch in den inneren Bereichen. Klassische städtische Freiraumnutzungen sind angesichts der Investitions- und Unterhaltungskosten nur für wenige Freiflächen eine dauerhafte Nutzungsperspektive. Stichworte für Nachnutzungsoptionen sind: Energetische Nutzungen, Rückkehr zur Landwirtschaft, ökologische Ausgleichsflächen, stadtklimatische Optimierung, neuartige privat-öffentliche Nutzungsformen und Trägerschaften. Gesamtstädtische Freiraumkonzepte unter Einbeziehung öffentlicher und privater Flächen sind noch die Ausnahme, müssen aber eine größere Berücksichtigung finden. Als Lösungsansatz bietet sich eine stärkere Verzahnung von Stadtentwicklungs-, Freiraum- und Naturschutzstrategien auf kommunaler Ebene im Rahmen von Flächenpools

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für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an. Das Land hat dies bereits öffentlich zum Thema gemacht (Fachtagung und Broschüre „Freiräume in der Stadt“). Nachhaltige Impulse für die Gesamtentwicklung der Städte auch bezüglich des Freiraums und der touristischen Attraktivität wurden mit den ressortübergreifend und gezielt unterstützten Maßnahmen in Vorbereitung der Bundes- und Landesgartenschauen erreicht. Für Cottbus, Potsdam, Luckau, Eberswalde, Rathenow, Oranienburg und Prenzlau konnten deutliche Entwicklungsschübe erreicht werden, die bis heute in das Umland ausstrahlen. Baukultur – Mehr Qualität durch gutes Planen und Bauen Baukultur ist ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Stadtentwicklung in Brandenburg, sie bestimmt ganz wesentlich die Umwelt- und Lebensqualität in den Städten und trägt dazu bei, dass Städte „angenommen“ werden. Gutes Planen und Bauen hängt fast immer von der richtigen Vorbereitung ab: Von der Mitwirkung der Betroffenen bis zum Qualitätswettstreit um die beste Lösung der gestellten Aufgabe. Ein Leitsatz der Baukultur ist „mit Wettbewerben zu mehr Qualität“. Durch einfachere Verfahrensregeln wurde die Anwendung in der Praxis erleichtert. Deswegen sieht das MIL die Durchführung von Planungswettbewerben als den besten Weg zu guten Planungen für Städtebau, Architektur und Ingenieurbau, insbesondere im Rahmen öffentlich geförderter bzw. finanzierter Vorhaben. Baukultur hat auch mit den Menschen vor Ort zu tun: Ihr Verständnis, ihre Nutzung, ihre Besitzpflege und ihre Wertschätzung entscheiden letztlich, welche gebauten Qualitäten bewahrt und entwickelt werden können. Insbesondere in Quartieren mit unsicherer oder begrenzter Zukunftsperspektive gewinnt die soziale Begleitung der Stadtentwicklung und des Stadtumbaus an Bedeutung. Der Begriff Baukultur verbindet die Arbeit der Landesregierung, der Kommunen, Kammern, Verbände und nicht zuletzt der einzelnen Planerinnen und Planer, Bauherrschaft sowie der Bauwirtschaft und des Handwerks. Mit dem Brandenburgischen Baukulturpreis unterstützt das Land eine öffentliche Auseinandersetzung mit den gebauten Ergebnissen von Architektur und Ingenieurkunst. Bürgerbeteiligung und – bürgerschaftliches Engagement Städte binden Bürgerinnen und Bürger Die Städte bilden als historische und kulturelle Zentren sowie als attraktive Orte für Arbeit und Wohnen die Identität für das Land und seine Regionen. Viele Jahrhunderte Stadtentwicklung machen die Städte mit ihren baulichen Zeugnissen und dem hohen Anteil historischer Strukturen unverwechselbar. Diese Faktoren stärken die Verbundenheit der Bevölkerung mit ihrer Heimat. Die gewachsene Qualität der Städte ermöglicht auch den Bevökerungszuzug. Voraussetzung ist jedoch, dass die Rahmenbedingungen passen, d.h. gute Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen bestehen.37 Im Berliner Umland sind aufgrund der vielfältigen historischen, sozialräumlichen und arbeitsweltlichen Verknüpfungen über die Landesgrenze hinweg die Identitäten weniger profiliert und die Bindungskräfte der einzelnen Städte geringer. Hier überlagert die starke Ausstrahlung und Magnetwirkung der Metropole Berlin die Individualität der Städte in Brandenburg. Die „weichen“ Standortfaktoren gilt es im Sinne einer Steigerung von Identität und Heimatverbundenheit zu sichern und zu entwickeln. Städtebau, Baukultur und Stadtgestaltung müssen dabei noch mehr als unverzichtbare Bestandteile kommunaler Qualitätsstrategien verstanden werden. Zudem müssen Partizipationsmöglichkeiten für junge 37 Gemeinsame Landesplanungsabteilung der Länder Berlin und Brandenburg: Studie

„Bleiben, Weggehen, Wiederkommen? Lebenszufriedenheit und Wanderungsmotive junger Menschen in Brandenburg“, November 2010.

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Menschen geschaffen werden, die eine zielgerichtete Mitbestimmung ermöglichen. Auf Landesebene müssen diese Aspekte ressortübergreifend als Kriterien für Entscheidungen fest verankert werden. Partizipation weiterentwickeln und verankern Beteiligung der Menschen vor Ort funktioniert nur innerhalb der demokratischen Regeln als ergänzendes Element zu den klassischen Verfahren des Interessenausgleichs in der repräsentativen und direkten Demokratie. Sie braucht auf Stadtebene einen klaren Rahmen; gleichzeitig gibt es eine große Vielfalt an Ausgestaltungsmöglichkeiten. Der personelle sowie finanzielle Aufwand ist dabei für Politik und Verwaltung in verträglichen Grenzen zu halten. Gute Bürgerbeteiligung bedeutet Dialog auf Augenhöhe, Interaktion, Kommunikation und Kooperation, Beachtung der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, nicht nur Information. Die Verfahren der Bürgerbeteiligung befinden sich in ständiger Weiterentwicklung, wie die Aufnahme der Mediation in das Baugesetzbuch im Zuge der Novelle 2013 zeigt (§ 4b Satz 2 BauGB). Zu oft ist Bürgerbeteiligung bislang eine rechtliche oder fördertechnische Pflichtaufgabe und wird noch nicht als Kernelement der Stadtpolitik und Baukultur verstanden. Beteiligung hat noch keine lange Tradition im Land und es müssen Wege gefunden werden, sie attraktiv und interessant zu machen sowie zu verstetigen. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung von interessierten jungen Menschen. Die in vielen Städten eingeführten Verfahren der INSEK bieten hierfür einen geeigneten Rahmen. Insgesamt besteht Weiterbildungs- und Qualifizierungsbedarf zum Thema Bürgerbeteiligung. Insbesondere der Stellenwert im Rahmen der Umsetzung öffentlicher Vorhaben bedarf einer Neubetrachtung. Es gilt, auf die gesammelten Erfahrungen aufzubauen, sie im Diskurs zwischen Land, Städten sowie Bürgerinnen und Bürgern weiterzuentwickeln und die als wirksam nachgewiesenen Ansätze sowie Verfahren landesweit unabhängig von Förderprogrammen in der Breite der lokalen Praxis zu verankern. Mit den 2013 im Internet eingestellten „Bausteinen zur Bürgerbeteiligung“ übernimmt das MIL hierbei die Rolle der „Partnerschaft für die lokale Praxis“. Hier werden die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung in den verschiedenen Planungs- und Förderverfahren nicht nur im Themenfeld Stadtentwicklung, sondern z.B. auch für den Bereich der Infrastrukturplanung dargestellt und mit Praxisbeispielen erläutert. Darüber hinaus bestehen bei der Staatskanzlei und der Landeszentrale für Politische Bildung Angebote zum Wissenstransfer und zur Weiterbildung, die für die Stadtentwicklung relevant sind.38 Sozialräumliches Handeln – den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Städten sichern Sozialräumliches Handeln trägt dazu bei, dass benachteiligte Quartiere Anschluss finden an die übrige Stadtgesellschaft. Es kann auch dem Entstehen von benachteiligenden Situationen und sich negativ verstärkenden Effekte in Quartieren entgegenwirken und so präventiv wirksam sein. Unter sozialräumlichem Handeln versteht man die Einbindung von Bürgerschaft, Wirtschaft und anderen Schlüsselbeteiligten aus Nachbarschafts- und Quartiersnetzwerken (z.B. Vereine und Kulturkreise) vor Ort in die Stabilisierung und Aufwertung der Quartiere und Stadtteile. Dieser Ansatz erfordert integriertes Denken und Handeln. Vor allem mit den Programmen der EU-Strukturfonds und im Programm "Soziale Stadt" werden umfangreiche Maßnahmen zur Einbeziehung und Aktivierung durchgeführt und zahlreiche Projekte gefördert, die unmittelbar „vor Ort“ wirken: Herrichtung soziokultureller Zentren und Bürgertreffs, "Quartiersmanagement" in den Städten und Gemeinden, Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und der Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen sind nur einige Beispiele. Projekte wie Bürgerschaftshäuser und 38 MIL aktuell

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3/11 Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Jugendzentren schaffen mit ihren vielfältigen Angeboten gute Voraussetzungen für das eigene Engagement und gelebte Teilhabe und Toleranz. Mit dem Programm „Soziale Stadt“ werden seit 1999 zum ersten Mal in der Städtebauförderung die sozialen und ökonomischen Lebenslagen der Menschen und sozialräumliches Handeln in den Mittelpunkt gestellt. In den letzten zehn Jahren hat das Programm erheblich dazu beigetragen, die Abwärtsspirale problematischer Stadtquartiere in Brandenburg zu stoppen und positive Entwicklungen anzustoßen. Dabei hat es sich kontinuierlich weiterentwickelt im Sinne eines „lernenden Programms“. Mit Hilfe der „Sozialen Stadt“ wurden in Brandenburg erfolgreich bauliche mit sozial-integrativen Maßnahmen verknüpft. Wertvolle Integrationsprojekte wurden gefördert und entwickelten für viele andere Projekte Vorbildcharakter. Das Programm "Soziale Stadt" wurde im Jahr 2011 bundesweit von 95 Millionen Euro auf 28,5 Millionen Euro gekürzt und auf eine überwiegend investive Förderung ausgerichtet. Seitdem flossen nur noch ca. 0,9 Millionen Euro in 2011 sowie rund 1,3 Millionen Euro Bundesmittel in 2012 und 2013 nach Brandenburg. Durch diese Absenkung hat das Erfolgsprogramm "Soziale Stadt" an Wirksamkeit verloren. Bereits zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern vorbereitete Maßnahmen und Projekte konnten nicht immer begonnen werden. Auch laufende Projekte wie die Stadtteileltern, Bildungszusammenschlüsse von Schulen, Kindertagesstätten und Bewohnerschaftsvereinen, Ausbildungsprojekte für Jugendliche sind nachhaltig beeinträchtig und können z.T. nicht mehr weitergeführt werden. Das Programm „Soziale Stadt“ hat gezeigt, dass es nur durch sozialräumliches Handeln gelingen kann, die Lebenssituation der Menschen in sozialen Brennpunkten zu verbessern. Eine angemessene Mittelausstattung ist Voraussetzung für eine Sicherung einer zukunftsgerechten Quartiersentwicklung benachteiligter Gebiete in Brandenburger Städten. Stadt-Umland-Kooperation Die Bedeutung der Zusammenarbeit wächst Die demografischen und strukturellen Entwicklungen im gesamten Land Brandenburg erfordern eine verstärkte Kooperation der Kommunen. Nur so kann die Daseinsvorsorge zukünftig gewährleistet, die Infrastruktur tragfähig gemacht und das Leben in allen Regionen des Landes attraktiv gestaltet werden. Diese Situation erfordert eine Abkehr von der sektoralen Sicht hin zu einem problem- und handlungsorientierten Politikansatz, der Städte und nichtstädtische, dörfliche Strukturen mit landwirtschaftlicher Prägung gleichermaßen einbezieht. Die fachlichen Zuständigkeiten müssen auf allen Ebenen vernetzt werden. Der Rolle von Stadt-Umland-Kooperationen ist vor allem vor Ort mehr Bedeutung zuzumessen. Zudem sollen regional definierte innovative Lösungen im Vordergrund stehen, um den Einsatz öffentlicher Mittel besser auf die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen auszurichten. Stadt und ländlicher Raum befinden sich hierbei in einer mittelzentralen Verantwortungsgemeinschaft.39 Bereits die Hälfte der Mittelbereiche in Brandenburg – insbesondere im weiteren Metropolenraum – haben Kooperationsstrukturen entwickelt. Im Berliner Umland ist die Kooperationsbereitschaft vermutlich auf Grund des noch geringen Handlungsdrucks weniger ausgeprägt. Auch die kleinen Städte erkennen in der interkommunalen Zusammenarbeit einen hohen Handlungsbedarf.40 Innerhalb der funktionsteiligen Mittelzentren wird im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge wegen der offensichtlich schwierigen Umsetzung eher wenig

39 Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg (LEP B-B) 2009 40 Plan und Praxis GmbH, RegioKontext im Auftrag

MIL: Gutachten „Probleme, Instrumente und Verfahrensweisen der Stadtentwicklung in

kleinen Städten des Landes Brandenburg", 2013 Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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zusammengearbeitet. Gegenstand der Kooperationen sind dagegen häufiger weiche Themen wie die Wirtschaftsförderung, Tourismus oder Standortmarketing.41 Bisher wurden im MIL gute Erfahrungen mit interkommunaler Kooperation gemacht. Dazu gehören folgende Beispiele: 

Etablierung der Mittelbereiche durch den LEP B-B als Kooperationskulisse zur Sicherung von Angeboten der regionalen Daseinsvorsorge



Regionaldialoge des MIL haben 2010 und 2012 die Auswirkungen fachpolitischer Schwerpunktsetzungen auf die Daseinsvorsorge erörtert



Ländliche Entwicklung nach dem LEADER-Prinzip: Lokale Aktionsgruppen setzen die Gebietsbezogenen Entwicklungsstrategien (GLES) um



Zusammenarbeit von Städtebauförderung und Ländlicher Entwicklung - gemeinsame Projekte u.a. in Letschin, Baruth, Storkow, Lenzen, Dahme, Altlandsberg



Programm Kleinere Städte und Gemeinden (KLS): Bisher 9 interkommunale Kooperationen (Mittelbereiche). Städtebauliche Maßnahmen zur Sicherung der Daseinsvorsorge



Aktionsprogramm Regionale Daseinsvorsorge (ArD) - zwei Landkreise (Uckermark, Elbe-Elster) und zwei Mittelbereiche (Oderlandregion und Spreewalddreieck) suchen Lösungen zur Daseinsvorsorge (Bildung, Gesundheit, Gefahrenabwehr, Mobilität, Abwasser)

Grenzüberschreitendend arbeiten die Städte Frankfurt (Oder) und Slubice zu verschiedenen Themen zusammen (Innenstadtentwicklung, Verkehr, Abfallwirtschaft, Umweltschutz und Bildung). Ein erfolgreiches Beispiel ist die Busverbindung zwischen den beiden Städten. Erfolgreiche Kooperationen gelingen vor allem, wenn es feste verbindliche Strukturen oder Managements gibt und aktiv handelnde Personen in Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft vor Ort sind. Es müssen gemeinsame Themen und Ziele, abgeleitet aus integrierten Konzepten, definiert werden. Die Vernetzung der fachlichen Zuständigkeiten auf allen Ebenen (Gemeinde, Landkreis und Landesregierung) müssen gewollt und organisiert sein. Es braucht neben geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen passende, räumliche Aktionskulissen (funktionale Räume), die vor Ort abgestimmt und definiert sind. Finanzielle Handlungsspielräume wie Eigenmittel, umlagefinanzierter Finanzrahmen oder Interessenausgleich müssen zur Verfügung stehen. Allein diese Fülle der Erkenntnisse zeigt, dass bereits eine gute Basis geschaffen wurde. Oft fehlt es nur an der entsprechenden Anstoßwirkung bspw. durch Fortbildung der „Interessierten“. Aufgaben für Stadt-Umland-Kooperationen Der Rückgang der Bevölkerung und geringer werdende Mittel erfordern eine höhere Wirkungseffizienz der Förderung. Es muss über das einzelne Projekt hinaus ein Mehrwert erreicht werden. Die Vielzahl der möglichen Strukturen für die Zusammenarbeit in der Region (Lokale Aktionsgruppen, Regionale Planungsgemeinschaften, Regionale Wachstumskerne, Mittelzentrale Verantwortungsgemeinschaften, funktionsbezogene freiwillige Zusammenschlüsse) und der Konzepte (Gebietsbezogene lokale Entwicklungsstrategien, Regionalpläne, Kreisentwicklungskonzeptionen, RWKStandortentwicklungskonzepte, Integrierte Stadtentwicklungskonzepte) erfordern einen hohen Koordinierungsaufwand in der Region. Sie sind derzeit aber Voraussetzung für eine

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Regionomica GmbH im Auftrag GL: Evaluierung der interkommunalen Zusammenarbeit innerhalb funktionsteiliger Mittelzentren im Land Brandenburg, 2011 26

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

zielgerichtete regionale Kooperation sowie für die weitgehend sektoral bestimmte Kommunikation mit der Landesregierung.42 Daseinsvorsorge und wirtschaftliche Entwicklung können zukünftig nur mit stärkerem Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft, Kultur und Bildung aufrechterhalten werden. Förderbedingungen müssen dieses Engagement unterstützen und ergänzen. Dabei gewinnt die unmittelbare Einbeziehung der regionalen Wirtschaftsakteure eine besondere Bedeutung. In der Förderperiode ab 2014 ist die gezielte Unterstützung der Entwicklung der StadtUmland- Kooperationen ein wichtiges Anliegen der Landesregierung (s. Kapitel Vorbereitung der Förderperiode 2014 – 2020) Erfahrungsaustausch und gemeinsame Interessensvertretung der Städte Im Land Brandenburg gibt es bereits eine Vielzahl von Netzwerken und Kooperationen. Knapp die Hälfte der Städte hat sich im Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung in Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen. Als kommunalen Spitzenverband gibt es den Städte- und Gemeindebund Brandenburg, dem ein Großteil der Brandenburger Kommunen angehört. Den Städten geht es dabei um den Erfahrungsaustausch, eine gemeinsamen Interessenvertretung und um die aktive Mitgestaltung der Brandenburger Stadtentwicklung. Auch zwischen den Bundesländern haben sich Kooperationen etabliert, z.B. das Kommunale Nachbarschaftsforum Berlin-Brandenburg und die Zusammenarbeit mit Sachsen-Anhalt im Rahmen der Bundesgartenschau Havelregion 2015. Auch über die Landesgrenze zu Polen haben sich Städtepartnerschaften gebildet, die in Bereichen der Stadtentwicklung zusammenarbeiten (Bsp. Frankfurt/O. und Slubice). Mit großem Engagement wird auch die Entwicklung der grenzüberschreitenden Metropolregion Stettin vorangetrieben. EU-Förderung Die EU-Förderung im Land Brandenburg hat in den Jahren seit 1991 erheblich zum Gelingen des Transformationsprozesses beigetragen. In der Förderperiode 2007 bis 2013 wurden im MIL mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) schwerpunktmäßig die Städtische Entwicklung und die Verkehrsinfrastruktur sowie mit Mitteln der Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) die Entwicklung des ländlichen Raums gefördert. EFRE-Programm Nachhaltige Stadtentwicklung (NSE) 2007 - 2013 Entsprechend dem Leitbild „Stärken stärken“ zielt dieses Programm zugleich als „städtische Dimension“ der Strukturentwicklungspolitik der Europäischen Union darauf, einer Konzentration von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Problemen in Städten zu begegnen und so einen Beitrag zur Beschäftigung, zur Wirtschaftsentwicklung und zum sozialen Zusammenhalt zu leisten. Die beabsichtigte städtebauliche und komplexe Wirksamkeit erfordert einen entsprechenden integrierten Ansatz. Er ist im INSEK in den Grundzügen zu entwickeln und im programmbezogenen Handlungskonzept zu verdeutlichen. In der laufenden Förderperiode wurden für die 15 EFRE-Städte in Brandenburg wichtige Impulse in der Stadtentwicklung gesetzt, wobei auch die Regionen oftmals von den Vorhaben profitiert haben. Das Förderprogramm hat für zahlreiche Städte eine signifikant positive Entwicklung mit Imagewirkung zur Folge. Es wurden vielfach große Vorhaben bewältigt, die ohne ein derart integratives Förderprogramm kaum leistbar gewesen wären.

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Regionomica GmbH im Auftrag GL: Evaluierung der interkommunalen Zusammenarbeit innerhalb funktionsteiliger Mittelzentren im Land Brandenburg, 2011 Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Die erstmals in dieser Breite mögliche Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderung) wurde positiv angenommen. Mit der kleinteiligen Intervention zugunsten lokaler Unternehmen wird ein Beitrag zur funktionalen und gestalterischen Qualität der Städte geleistet und eine Förderlücke geschlossen, auf die bisher weder die Städtebauförderung noch die Wirtschaftsförderung so zielgerichtet eingehen konnte. Mit dem Stadtentwicklungsfonds (SEF) konnten erstmalig Stadtentwicklungsprojekte über Darlehensmittel des EFRE realisiert werden. Damit wurden in den EFRE-Städten zusätzliche Stadtentwicklungsprojekte mit Hilfe eines revolvierenden Fonds unterstützt. Seit 2010 können zusätzlich zu den Kommunen auch städtische Gesellschaften Förderzuschüsse und Darlehen erhalten. ELER – ein Fonds zur ländlichen Entwicklung (2007-2013) Auf der Basis des Entwicklungsplans für den ländlichen Raum (EPLR) Brandenburgs und Berlins (2007-2013) sind für das Land Brandenburg die vier Förderschwerpunkte des ELER (Fonds zur ländlichen Entwicklung) als Prioritäten festgelegt worden: Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft, Verbesserung der Umwelt und der Landschaft, Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft sowie LEADER. LEADER-Gebiete umfassen überwiegend ländliche Regionen mit weniger als 50 Einwohnerinnen und Einwohnern je Quadratkilometer. In Brandenburg gibt es 14 LEADER-Regionen. Jede Region hat ihre Schwerpunktthemen in einer gebietsbezogenen lokalen Entwicklungsstrategie (GLES) beschrieben und wird durch ein Regionalmanagement organisiert. 43 Die Entwicklung der ländlichen Räume hat - insbesondere unter Beachtung ihrer Funktionen, ihrer flächenmäßigen Ausdehnung und der Interessen der dort lebenden Menschen - für die Zukunft der Metropolenregion Berlin- Brandenburg, einen herausragenden Stellenwert. Mit der Sicherung einer stabilen Entwicklung auf dem Lande kann ein erfolgreicher Beitrag zur Realisierung der EU-Strategie „Europa 2020“ geleistet werden. Innovation, möglichst umfassende Beteiligung, Ressourcenschonung und Nutzung moderner Technologie sind grundsätzliche Ansprüche, die dabei im Mittelpunkt stehen. Vorbereitung der Förderperiode 2014-2020 Nachhaltiges Wachstum soll auf europäischer Ebene künftig noch stärker als bisher unter Einbeziehung der Potenziale aller Städte, Regionen und ländlichen Räume gefördert und räumlich ausgewogen gestaltet werden. Eine EU-fondsübergreifende Zusammenarbeit und bessere Verzahnung der bestehenden fondsspezifischen Fördermöglichkeiten ist daher unabdingbar. Sie soll insbesondere der Festigung des wirtschaftlichen, sozialen und räumlichen Zusammenhalts der Regionen dienen. Integrierte Maßnahmen tragen dazu bei, die endogenen Potenziale der Städte und ihres Umlands sowie der ländlichen Räume besser zu nutzen. Sie können in der Folge durch Synergien zu Kostenersparnissen, mehr Effizienz und Akzeptanz durch Bürger und Beteiligte vor Ort führen. Die „Stärkere Integration der Entwicklung von städtischen und ländlichen Räumen durch fondsübergreifende Zusammenarbeit“ ist im Lichte dieser übergreifenden Zielstellung für Brandenburg in der Förderperiode 2014 bis 2020 ein gesetztes landespolitisches Ziel. Über verschiedene Wettbewerbe sollen Konzepte/Strategien und Vorhaben identifiziert werden, die den EUfondsspezifischen Zielen entsprechen und mit denen insbesondere eine stärkere Verzahnung der Stadt-Umland-Kooperation umgesetzt werden kann. Die stärkere Integration der Entwicklung von städtischen und ländlichen Räumen durch fondsübergreifende Zusammenarbeit ist der zentrale integrierte Ansatz des Landes und wird aus den EU-Fonds EFRE, ESF und ELER unterstützt. Die Auswahl der Konzepte/Strategien und Vorhaben erfolgt in drei parallelen Wettbewerben: · ein Wettbewerb im Rahmen der nachhaltigen Stadtentwicklung, · ein Wettbewerb im Rahmen der Stadt-Umland-Kooperation sowie 43 Internetseite MIL zum ELER

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www.eler.brandenburg.de Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

· ein Wettbewerb im Rahmen der integrierten ländlichen Entwicklung/LEADER. Dieser Ansatz bedeutet, die bisherige erfolgreiche Förderung der Nachhaltigen Stadtentwicklung wird auch ab 2014 fortgeführt, muss aber voraussichtlich mit einer geringeren Mittelausstattung auskommen. Zusätzlich können die Städte von dem neuen Förderangebot zur Entwicklung der Stadt-Umland-Kooperation profitieren, sofern sie entsprechende Partnerschaften eingehen. Energie Herausforderung Energiewende - Die Städte als Partner Der Energieverbrauch in Deutschland entfällt zu etwa 30 % auf den Verkehr, 30 % auf den Industriesektor, 5 % auf den Bereich Gewerbe, Handel und Dienstleistung sowie 25 % auf die privaten Haushalte und hier zu 80 % auf Raumwärme. Hier besteht also ein erhebliches Energieeinspar- und CO2-Minderungspotenzial, das es zu erschließen gilt. So hat die Bundesregierung mit ihrem Energiekonzept das Ziel postuliert, den Wärmebedarf bis 2050 so zu senken, dass der Gebäudebestand insgesamt klimaneutral ist. Dafür ist eine Verdoppelung der energetischen Sanierungsrate von 1 auf 2 % pro Jahr erforderlich. Die Energiestrategie 2030 des Landes Brandenburg - sie wurde Ende Februar 2012 verabschiedet - orientiert sich an übergeordneten Zielen der EU und des Bundes, geht teilweise sogar über diese hinaus. Wesentliche Zielmarken sind 

Steigerung des Anteils der Erneuerbaren Energien (EE) am Primärenergieverbrauch auf mindestens 32 % (erreicht wurden bis 2010 knapp 16 %). Damit soll der bundesweite Spitzenposition beim Ausbau der EE gefestigt und ausgebaut werden.



Senkung des Endenergieverbrauchs bis 2030 um 23 % im Vergleich zum Jahr 2007; das sind durchschnittlich 1,1 % weniger pro Jahr.



Senkung der CO2-Emissionen bis 2030 um 72 % gegenüber dem Referenzjahr 1990,



Sichere und wirtschaftliche Energieversorgung.

Um diese Ziele zu erreichen, sind vielfältige Wege und Lösungen erforderlich. Ein Schwerpunkt der Stadtentwicklungspolitik liegt in der energetischen Gebäudesanierung und ertüchtigung. Für die Umsetzung der politischen Ziele reichen Gesetze und Richtlinien alleine nicht aus. Vielmehr bedarf es gemeinsamer Anstrengungen aller am Planen und Bauen Beteiligten, vor allem auch der Eigentümerschaft. Auch die städtischen Energieversorgungssysteme und die Energieträger rücken immer mehr in den Blick, wenn dieser nicht mehr ausschließlich auf das einzelne Gebäude gerichtet ist, sondern das Thema „Energie“ weiter gefasst wird. Dann wird schnell klar, dass die Energiewende eine gesamtstädtische Dimension hat und der energetische Umbau im Kontext der Stadtentwicklung insgesamt betrachtet und in den integrierten Stadtentwicklungskonzepten berücksichtigt werden muss. Von größter Bedeutung ist, dass bei allen Bemühungen und Aktivitäten Versorgungssicherheit, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit in einem Gleichgewicht stehen. Daher muss die energetische Sanierung mehr denn je als Chance verstanden und genutzt werden, um den ökologischen Umbau der brandenburgischen Städte mit deren Weiterentwicklung zu attraktiven Lebens- und Arbeitsorten zu verknüpfen, d.h. den energetischen Umbau mit stadtentwicklungspolitischen, wirtschaftlichen, sozialen und baukulturellen Fragestellungen in Einklang zu bringen. Vom Gebäude zum Quartier Der vom MIL initiierte Gutachterprozess „Energie in der Stadt“ und das von BMVBS, Sachsen-Anhalt und Brandenburg gemeinsam durchgeführte ExWoSt-Modellvorhaben zum Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Thema „Energetische Stadterneuerung“ - beide im Sommer 2011 abgeschlossen - haben maßgeblich dazu beigetragen den Blick vom Gebäude auf das Quartier zu lenken. Damit werden Fragen relevant wie z.B: 

Können bestehende Fernwärmenetze optimiert und energieeffizient gestaltet werden, oder müssen sie in kleinere Einheiten (Insellösungen, Nahwärmenetze) zerteilt werden?



Wo kann Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden?



Welche Möglichkeiten und Potenziale bestehen, um den Anteil Erneuerbarer Energien (EE) zu erhöhen?



Welche Energiespeichermöglichkeiten bestehen im Quartier?



Wie können gebäudeübergreifende Energieerzeugungslösungen im privaten Bereich organisiert und gemanagt werden – vor allem bei Mini-Blockheizkraftwerken in Verbindung mit EE



Welche gestalterischen Möglichkeiten der Integration von EE bestehen bei historischen und denkmalgeschützten Ensembles?

Vor diesem Hintergrund muss sich ein systematischer konzeptioneller Ansatz vom Einzelgebäude lösen und sich stattdessen auf den „Energetischen Umbau im Quartier“ richten. Durch die Einbeziehung aller relevanten Beteiligten – Verwaltung, private Eigentümerschaft, Wohnungs- und energiewirtschaft etc. bestehen hier gute Möglichkeiten, konzeptionelle Grundlagen mit Maßnahmen umzusetzen. Energetischer Umbau im Quartier – ein Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt des Erscheinungsbildes unserer Innenstädte Erhebungen des BBU zeigen, dass der Energieverbrauch bei den Mitgliedsunternehmen von 1990 bis 2009 auf Grund des guten Sanierungsstandes um gut 42 % gesunken ist. Umfassende, rein energetische Sanierungsmaßnahmen stoßen - vor allem bei schwieriger Marktlage - an Grenzen, da die Investitionskraft der Wohnungsunternehmen und die Mietzahlungsbereitschaft bzw. -fähigkeit begrenzt ist und die bereitstehenden Mittel unzureichend sind. Natürlich soll das Einzelgebäude nicht vergessen werden – aber: in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten werden zusätzliche energetische Maßnahmen oberhalb eines bestimmten Sanierungsniveaus unwirtschaftlich bzw. der zusätzliche Energieeinspareffekt wird zu teuer erkauft und kann nicht refinanziert werden. Auch deshalb rückt der Umbau im Quartier in den Vordergrund. Die Verbesserung der Energieversorgungsstruktur und der Ersatz fossiler durch erneuerbare Energieträger führen in der Breite zu einer signifikanten CO2-Minderung und erst dadurch zu einem messbaren Beitrag für den Klimaschutz. Der „Energetische Umbau im Quartier“ hat also zwei Stoßrichtungen, die erst zusammen genommen den notwendigen Wandel erleichtern und beschleunigen können. Das Ziel heißt Klimaneutralität im Quartier, d.h. weniger Verbrauch, Ersatz fossiler durch erneuerbare Energieträger, Optimierung bestehender Netze oder dezentrale Versorgungsstrukturen und CO2- Minimierung auf der Ebene eines definierten städtischen Gebietes. Die Gebäudehülle muss wie kaum ein anderes Bauteil eine Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen und Funktionen erfüllen. Sie schützt den Innenraum vor unerwünschten Umwelteinflüssen und prägt gleichzeitig das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes. Neben den erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Außenhülle müssen insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz integriert werden. Auch deshalb ist es sinnvoll, sich hier dem Quartier zuzuwenden. Im Verbund können innovative energetische Konzepte entwickelt und umgesetzt werden, die über die Möglichkeiten ein 30

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

einem Einzelgebäude hinausgehen und gleichzeitig den Bedürfnissen gerecht werden, die stadtbildprägende Bestandsarchitektur in den Innenstädten zu erhalten. Im Herbst 2011 hat das MIL zusammen mit der KfW begonnen, in einer gemeinsamen Informationsveranstaltung zum neuen KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung – Zuschüsse für integrierte Quartierskonzepte und Sanierungsmanager“ das Interesse der brandenburgischen Städte zu wecken. Mittlerweile haben 11 Städte für insgesamt 13 Konzepte ihre Förderzusagen von der KfW erhalten und arbeiten an den energetischen Quartierskonzepten – die ersten wurden im 3. Quartal 2013 fertig gestellt. Gemessen an der Größe des Landes und seiner Städte hat Brandenburg eine gute Resonanz und Beteiligung an diesem Programm vorzuweisen. Qualitativ besteht dabei ein breites Spektrum an Themen, Beteiligten und Herangehensweisen. Strategien zur Umsetzung der Quartierskonzepte Die Städte müssen den „Energetischen Umbau im Quartier“ als Stadtentwicklungsaufgabe verstehen. Mittelfristig sollen die INSEK um die energetische Komponente ergänzt werden. Das MIL konzentriert sich bei dem „Energetischen Umbau im Quartier“ auf die Innenstädte und die stadtentwicklungspolitisch relevanten nachhaltigen Kulissen vorwiegend der großen Städte mit Bevölkerungszahlen über 20.000. Dabei stehen die Stadtumbaustädte im Mittelpunkt. Sie verfügen über ein großes Wissen bei der Steuerung komplexer Prozesse, der Umsetzung integrierter Strategien und der Einbeziehung der Beteiligten. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die energetische Erneuerung der Quartiere und Städte ein langfristiger, kosten- und kommunikationsintensiver sowie integrativer Prozess ist, der personelle und finanzielle Ressourcen bindet. Die KfW fördert die Umsetzung der energetischen Quartierskonzepte über Zuschüsse für ein Sanierungsmanagement ebenfalls im Rahmen des erwähnten Programms für maximal 2 Jahre. Diese Phase haben die brandenburgischen Städte noch vor sich. Das MIL hat im Herbst 2011 ein Werkstattverfahren mit den KfW-Kommunen unter Hinzuziehung externer Expertise eingerichtet, das weiter fortgesetzt wird. Die Aufgabe besteht vor allem 

in der fachlichen Begleitung der Kommunen und der inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung von je zwei Workshops pro Jahr, die vornehmlich dem Erfahrungsaustausch der Kommunen untereinander, aber auch mit dem MIL und den genannten Fachleuten dienen,



in einer Anlaufberatung für die Kommunen, die Interesse an dem „Energetischen Umbau im Quartier“ zeigen, sich aber noch nicht auf den Weg gemacht haben. Ziel ist zunächst, weitere Stadtumbaustädte anzusprechen und sie bei der Auswahl eines Quartiers und der Antragstellung bei der KfW im Vorfeld zu unterstützen. Hier steht also die breitere Verankerung des Themas in den brandenburgischen Städten im Vordergrund.

Mit den Verbänden der organisierten Wohnungswirtschaft hat das MIL bilaterale Zielvereinbarungen zum Klimaschutz unterzeichnet, bei denen der „Energetische Umbau im Quartier“ bei den Bemühungen um messbare CO2-Reduktionen ebenfalls im Mittelpunkt steht. Hier sollen zunächst exemplarisch Modellvorhaben mit dem MIL, den erwähnten externen Fachleuten , den jeweiligen örtlichen Wohnungsunternehmen, den Kommunen und den Energieversorgern vorbereitet und durchgeführt werden. Von besonderem Interesse sind dabei Städte, bei denen sich sowohl die Energieversorger als auch die Wohnungsunternehmen in kommunalem Besitz befinden. Für die Förderperiode 2014-2020 verlangt die EU, dass 20 % der insgesamt zur Verfügung stehenden EFRE-Mittel für das thematische Ziel 4 „Förderung der Bestrebungen zur Verringerung der CO2-Emissionen in allen Branchen der Wirtschaft“ verausgabt werden. Öffentliche Gebäude und öffentliche Infrastrukturen sollen energetisch ertüchtigt werden. Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Über die energetische Sanierung von Einzelgebäuden hinaus ist auch die Schaffung von CO2-armen Quartieren im Sinne des „Energetischen Umbaus im Quartier“ geplant. Der „Energiedialog“ mit den brandenburgischen Städten wird in Auswertung der vorliegenden energetischen Quartierskonzepte, der gemachten Erfahrungen und der Diskussion relevanter Fragestellungen fortgeführt. Zielkonflikte bestehen insbesondere zwischen der Forderung nach „bezahlbarem Wohnraum“ einerseits und der energetischen Sanierung andererseits. Das erleben vor allem Kommunen, bei denen Stadtwerke und Wohnungsunternehmen in kommunalem Mehrheitsbesitz stehen. Hier gilt es abzuwägen, ob die Energiekosten durch preiswerten Bezug von Strom und Gas - zumindest kurzfristig möglichst niedrig bleiben, oder ob durch die energetische Ertüchtigung der Gebäude und Quartiere - mittel- bis langfristig - Preissprünge vermieden bzw. kurzfristig höhere Energiepreise, die aus dem Einsatz Erneuerbarer Energien resultieren, akzeptiert werden können.

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Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

Zusammenfassung 1. Der Blick zurück Die Erhaltung des baukulturellen Erbes und die Versorgung der Bevölkerung mit modernem bedarfsgerechten Wohnraum stehen seit Beginn der 90er Jahre im Mittelpunkt der Stadtentwicklungs-und Wohnungspolitik. Mit dem demografischen und wirtschaftlichen Wandel sowie den parallel laufenden Prozessen in wachsenden und schrumpfenden Regionen rückte ab Ende der 90er Jahre der zunehmende Wohnungsleerstand in den Mittelpunkt . Die Städte und die Wohnungswirtschaft begannen sich dieser Aufgabe zu stellen und wurden durch das Programm Stadtumbau-Ost unterstützt. Zeitgleich mit dem Rückbau wurden Wohnungen sowohl in angespannten Wohnungsmärkten, als auch in schrumpfenden Städten in städtebaulich nachhaltigen Kulissen modernisiert und generationsgerecht ertüchtigt. Als Folge der gesellschaftlichen Transformationsprozesse wurden auch die Auswirkungen auf Versorgung und Infrastruktur deutlich und deren Anpassung als Aufgabe anerkannt. Durch integrierte Stadtentwicklungsstrategien basierend auf dem Masterplan Stadtumbau des MIL konnten Lösungen vorbereitet und entwickelt werden. Die Bedeutung von Erreichbarkeit und Mobilität nahm besonders in schrumpfenden Regionen zu. Modellvorhaben zur Mobilitätssicherung in Stadt und Land wurden entwickelt und erfolgreich umgesetzt. 2. Aktuelle Herausforderungen Der demografische Wandel im Land Brandenburg setzt sich fort. Stadt und (Um-)Land werden gemeinsam und abgestimmt mit den Folgen des demografischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels umgehen müssen. Die gegenläufige Entwicklung in wachsenden und schrumpfenden Regionen und Städten verstärkt sich weiter und bedeutet unterschiedliche Bedingungen für die Stadtentwicklung. Insbesondere bei der Infrastruktur kommt es zu qualitativen und quantitativen Bedarfs- und Nachfrageänderungen, wobei die Kosten nicht automatisch sinken. Der Stadtumbau ist nicht abgeschlossen. Eine durch die Folgen des demografischen Wandels veränderte Wohnungsnachfrage erfordert umfangreiche Wohnungsanpassungen. Handlungsbedarf besteht weiterhin bei der Bereitstellung bezahlbarer kleiner, barrierefreier, altengerechter sowie familienfreundlicher Wohnungen und einer entsprechenden Anpassung des öffentlichen und privaten Wohnumfelds. Die Umsetzung von Vorhaben im Stadtumbau wird immer komplexer und schwieriger. Deshalb gewinnen investitionsvorbereitende und -begleitende Aktivitäten wie Stadtteilmanagement, Moderation von Partizipationsprozessen, Aktivierung und Beratung bei Einzeleigentum und Mediation von Konflikten an Bedeutung. Gutes Planen und Bauen im Sinne von Baukultur trägt dazu bei, dass Städte „angenommen“ werden. Dies umfasst einen Prozess von der Mitwirkung der Betroffenen bis zum Qualitätswettstreit um die beste Lösung der gestellten Aufgabe. Bürgerbeteiligung wird als wichtige Aufgabe, aber nicht als Kernelement der Stadtpolitik und Baukultur verstanden. Es müssen Wege gefunden werden, die Bürgerbeteiligung zu verstetigen und zu intensivieren. Durch die Kürzungen im Programm Soziale Stadt auf Bundesebene und die Einschränkung der Mittelverwendung auf investive Maßnahmen können vielerorts sozial-integrative Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden.

Situation der Stadtentwicklung im Land Brandenburg

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Die Gestaltung der Energiewende ist das bestimmende Zukunftsthema für die integrierte Stadtentwicklung. Mit der Energiestrategie 2030 hat die Landesregierung ihre Ziele zur CO2-Reduzierung und zur Senkung des Energieverbrauchs formuliert. Ein Schwerpunkt für die Stadtentwicklung liegt in der energetischen Gebäudesanierung und ertüchtigung. Hierzu ist es erforderlich, dass der konzeptionelle Ansatz zur Erreichung der energiepolitischen Ziele nicht nur das Einzelgebäude betrachtet, sondern sich zusätzlich auf den energetischen Umbau im Quartier richtet. Die Gewährleistung der Daseinsvorsorge und Auslastung der Infrastruktur benötigen neue Impulse und Partnerschaften. Auf Grund der demografischen und strukturellen Entwicklungen müssen Stadt und Umland verstärkt zusammenarbeiten. Nur so kann die Daseinsvorsorge zukünftig gewährleistet und die Infrastruktur tragfähig gehalten werden. Die Zusammenarbeit in verschiedenen Themen wie Wirtschaft und Standortmarketing ist schon vielerorts angestoßen, Kooperationen bei der Daseinsvorsorge sind noch weniger ausgeprägt. Die Vernetzung der Fachleute auf allen Ebenen (Gemeinde, Landkreis und Landesregierung) ist erforderlich. Die Anforderungen an Mobilität verändern und verstärken sich. Die Landes-, regionale und kommunale Verkehrsplanung muss sich ebenfalls darauf einstellen, dass die Schrumpfungsprozesse sich fortsetzen. Damit einher gehen größere Einzugsbereiche für Infrastruktur (z.B. für Schulen), veränderte Mobilitätsanforderungen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, geringer ausgelastete und neu zu strukturierende Verkehrsnetze und ggf. örtliche Rück- und Umbaumaßnahmen im Straßenraum. Die finanziellen Handlungsspielräume von Land und Kommunen bleiben angespannt. Die absehbar rückläufige Finanzausstattung des Landes und der Kommunen schränkt die Handlungsspielräume des Landes im Umgang mit den stadtentwicklungs-und Wohnungspolitischen Herausforderungen ein. Für freiwillige Aufgaben in den Städten bestehen immer weniger finanzielle Gestaltungsspielräume, da die Städte zum Teil nicht mehr in der Lage sind, die kommunalen Eigenanteile zur Ausgestaltung der Förderprogramme aufzubringen. 3. Zukünftige Aufgaben der Stadtentwicklung Infrastrukturangebote zukunftsfähig anpassen. Die Themen Generationsgerechtigkeit, Barrierefreiheit, Inklusion, Nachhaltigkeit und Energiewende stehen dabei im Vordergrund. Kommunale Konzepte, insbesondere die INSEK, sind Voraussetzung für eine zukunftsgerichtete Stadtentwicklung, sie sind hinsichtlich der neuen Herausforderungen weiter zu qualifizieren. Das Land muss diese Instrumente als Grundlage für zeitlich, räumlich und inhaltlich koordinierte Unterstützung nutzen. Dabei gilt es individuelle Lösungen für die in den Teilräumen des Landes unterschiedlich gelagerten Herausforderungen zu entwickeln. Zentralörtliche Funktionen stärken und unterstützen. Die Städte müssen bei der Wahrnehmung ihrer im Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg festgelegten Zentrumsfunktion unterstützt werden. Bund, Land und Kommunen müssen vor allem in den dünn besiedelten Regionen passfähige Lösungen wie mobile Einrichtungen oder virtuelle Dienstleistungen modellhaft entwickeln. Lösungen mit Vorbildwirkung gilt es zu kommunizieren und auszubauen. In kleineren Städten liegt eine Hauptaufgabe in der Gewährleistung der Nahversorgung. Die Kommunen müssen der Bestandspflege der bestehenden Unternehmen vor Ort eine hohe Bedeutung beimessen. Grundsätzlich sind die Standortbedingungen zu optimieren und die „weichen“ Standortfaktoren zu verbessern. Der Erhalt des baukulturellen Erbes ist auch künftig Aufgabe der Stadtentwicklung. In den letzten 20 Jahren ist es durch kontinuierliche Investitionen gelungen, zahlreiche historische Stadt- und Ortskerne als attraktive Anziehungspunkte und Aufenthaltsorte zu bewahren und weiterzuentwickeln. Die Dichte herausragender Ensembles ist in Brandenburg enorm hoch, die gewachsenen Zentren sind baukulturelle Kostbarkeiten, die sich über Jahrhunderte entwickelt haben. Ziel ist es, diese städtebaulichen Qualitäten zu sichern und sie auch weiterhin behutsam an aktuelle Lebensbedürfnisse anzupassen. 34

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Mobilität sicherstellen und Erreichbarkeit gewährleisten. Mobilitätssicherung ist eine bedeutende gemeinsame Aufgabe von Bund, Land und lokalen Akteuren, die integrierte Verkehrskonzepte erfordert. Die Erreichbarkeit der zentralen Infrastruktureinrichtungen muss durch eine entsprechende Verkehrspolitik gewährleistet werden. (Verknüpfungspunkte ÖPNV in den Städten entwickeln, gestalten und optimieren.) Stadt und Umland müssen Mobilitätskonzepte entwickeln, gemeinsam langfristige zielgruppenorientierte intermodale Angebote über die gesamte Mobilitätskette schaffen (von Haus zu Haus) und diese mit anderen kommunalen Planungen verknüpfen. Dazu gehört die horizontale und vertikale Vernetzung der regionalen Akteure. Besonderes Augenmerk gilt auch der Stärkung der Nahmobilität innerhalb der Städte und Quartiere. Zusammenarbeit auf allen Ebenen intensivieren. Der RWK-Prozess und die kommunalen INSEK haben hier bereits gute Grundlagen geschaffen; eine Fortsetzung ist elementar. Die Städte müssen mit der Entwicklung von eigenen „RWK-Clusterprofilen“ und einer noch stärkeren strategischen Ausrichtung auf Schwerpunkte ihre Ausstrahlfunktion auf ihr Umland und ihre Vorbildwirkung für das ganze Land weiter steigern. Strategien integrierter Stadtentwicklungs-und Wohnungspolitik qualifizieren. In Zukunft wird eine individuellere Sicht auf die Wohnungsmärkte erforderlich sein, da es je nach Stadt bzw. Wohnquartier spezielle Lösungsansätze geben muss. In den INSEK sollen klare Prioritäten zugunsten von Stadtquartieren mit Entwicklungspotenzial formuliert werden. Einige Städte verfügen bereits über kommunale Wohnungsmarktstrategien und -konzepte. Mit ihren strategischen Handlungsansätzen bieten diese Orientierung bei der Entwicklung von Städten und Quartieren. Der Dialog des Landes mit den Kommunen - vor allem des Städtekranzes - hat gezeigt, dass diese Instrumente von den Kommunen benötigt werden Weiterführung und Qualifizierung des Stadtumbaus. Die Teilprogramme Rückbau, Aufwertung, Rückbau städtischer Infrastruktur, Sanierung, Sicherung, Erwerb haben sich als geeignet erwiesen, um den stadtentwicklungspolitischen Herausforderungen zu begegnen. Der Stadtumbau muss jedoch stärker auf die individuelle Problemlage der Stadtumbaustädte ausgerichtet werden können (Flexibilisierung). Stadtumbau als „lernendes Programm“ ist durch Kommunikation zwischen Land, Kommunen und Eigentümern (z.B. „Dialog Stadtumbau“) den aktuellen Anforderungen kontinuierlich anzupassen. Das Programm muss über ausreichend Rückbaumittel für die zweite Leerstandswelle ab 2015 verfügen. Die Stadtumbaugrundsätze „Rückbau von außen nach innen“ und „Aufwertung vorrangig in die Innenstädte“ sind beizubehalten. Die Innenstädte sind weiterhin Förderschwerpunkte. Auch werden zukünftig weitere, insbesondere kleinere Städte vom Leerstand betroffen sein. Das MIL hat 2013 bereits ein Sonderprogramm aufgelegt. Über weitere Programmaufnahmen ist nachzudenken. Stadtumbau mit kommunalen Energieeinsparstrategien verknüpfen. Die Altbauaktivierung in der Innenstadt und die Modernisierung und Instandsetzung der Wohnungen muss auch auf energetischen Quartierskonzepten basieren. Fokussierung der energetischen Ziele vorantreiben. Die Unterstützung der energiepolitischen Ziele muss sich auf die Innenstädte und die stadtentwicklungspolitisch relevanten Kulissen vorwiegend der größeren Städte mit über 20.000 Einwohnern konzentrieren. Der begonnene „Energiedialog“ mit den brandenburgischen Städten und externen Fachleuten ist fortzuführen. Kooperationsvereinbarungen mit den Kommunen und der organisierten Wohnungswirtschaft zu Zielen, Finanzierungsfragen und Modellvorhaben für die energetische Ertüchtigung von Gebäuden und Quartieren sind zu entwickeln. Planungs- und Baukultur als Strategie zur Qualitätsverbesserung und Bürgermitwirkung einsetzen. Die Städte müssen mit Hilfe von Planungswettbewerben und Beteiligungsprozessen einen Beitrag zur Baukultur leisten, um zu guten Planungen für Städtebau, Architektur und Ingenieurbau zu gelangen. Es müssen Partizipationsmodelle vor allem für junge Menschen geschaffen werden. Auf Landesebene müssen als wirksam nachgewiesene Beteiligungsprozesse der Stadtgesellschaft und Beförderung des

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bürgerschaftlichen Engagements ressortübergreifend lokal etabliert und als Kriterium für Förderentscheidungen der Landesregierung fest verankert werden. Die Rolle von Stadt-Umland-Kooperationen stärken und unterstützen. Dabei muss die Daseinsvorsorge als Kooperationsfeld mehr in den Vordergrund gerückt werden. Die Landesregierung entwickelt und kommuniziert Good-Practice-Projekte, um die Vorteile und die Handlungsmöglichkeiten von Kooperationen aufzuzeigen. Die Städte und Gemeinden müssen Kooperationsprojekte vor Ort entwickeln und aus den vorhandenen Konzepten ableiten.

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Impressum: Herausgeber: Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MIL) Henning-von-Tresckow-Str. 2-8 14467 Potsdam www.mil.brandenburg.de Bearbeitung/Koordination: MIL, Abteilung 2, Stadtentwicklung und Wohnungswesen Referat 20: Grundsatzangelegenheiten Stadtentwicklung, Wohnen

Hinweis: Der Bericht wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft herausgegeben. Er darf nicht während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen sowie auch für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Unabhängig davon, wann, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Schrift der Empfängerin/ dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte.

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