Sprechnotiz des Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektors des Kantons Bern 7. November 2016

Es gilt das gesprochene Wort Aufnahme in den bernischen Kirchendienst Sprechnotiz des Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektors des Kantons Bern 7. No...
Author: Siegfried Kranz
2 downloads 1 Views 99KB Size
Es gilt das gesprochene Wort

Aufnahme in den bernischen Kirchendienst

Sprechnotiz des Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektors des Kantons Bern 7. November 2016

1. Begrüssung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Nachdem Sie sich nun während einer knappen halben Stunde mit der Bedeutung dieses Hauses in Geschichte und Gegenwart haben vertraut machen können, freue ich mich, Sie hier in der Rathauskapelle zur Aufnahme in den bernischen Kirchendienst zu begrüssen und willkommen zu heissen.

Die Aufnahme in den Kirchendienst ist eine Folge Ihres erfolgreich bestandenen Abschlusses. Dazu möchte ich Sie meinerseits ganz herzlich beglückwünschen. Im Rahmen der feierlichen Ordination im Münster wurden Sie vorgestern durch die Landeskirche zum Dienst als Pfarrerinnen und Pfarrer ermächtigt.

Mit der heutigen Aufnahme in den bernischen Kirchendienst erteilt Ihnen auch der Kanton Bern das Recht, in einer bernischen Kirchgemeinde als Pfarrerin oder als Pfarrer angestellt zu werden. Es entspricht einer schönen Tradition, dass auch diese Übergabe in einem etwas speziellen Rahmen erfolgt.

Einen besonderen Gruss entbiete ich -

Herrn Synodalratspräsident Dr. Andreas Zeller,

-

Herrn Synodalrat Lucien Boder,

-

Herrn Professor Martin Sallmann, Präsident der evang.-theol. Prüfungskommission

-

Professor

Matthias

Zeindler,

Bereichsleiter

Theologie

reformierten Synodalverbandes Bern-Jura-Solothurn

des

evangelisch-

Es gilt das gesprochene Wort

-

Dr. Christoph Hagenow, Verantwortlicher für die Personalentwicklung des Synodalverbandes

2. Ansprache

Sie, liebe Pfarrerinnen und Pfarrer, haben einen wunderbaren Beruf vor sich: Sie haben die Chance, sich mit Ihren Gemeindegliedern, Ihrer Kirchgemeinde und Ihrer Kirche immer neu zu verändern und gleichzeitig mit der Verkündigung des Evangeliums für das einzustehen, was bleibt.

Auf den ersten Blick scheinen zwar die Veränderungen unserer Zeit den bleibenden Grundlagen des Evangeliums zu widerstreiten. In Wahrheit aber gehören sie wie Zwillinge zusammen, gehen miteinander durch dick und dünn, sind auf einander angewiesen und geben jedes dem andern sein Gesicht. „Ekklesia semper reformanda“ – die Kirche und damit die Theologie sind per se dem ständigen Wandel unterworfen und bejahen ihn nicht als etwas zerstörisches, sondern als etwas, was zum Menschsein gehört. Was heisst das, und was hat es für Konsequenzen?

1. Der Wandel ist ein zentraler Wert des christlichen Glaubens

Bert Brecht erzählt in seinen Kurzgeschichten über Herrn K. von dem Tag, an dem Herr K. nach vier Jahrzehnten einen alten Schulfreund wiedersieht. Der Schulfreund sagt ihm erfreut: „ Du hast Dich gar nicht verändert“. „Oh, sagte Herr K, und erbleichte.“

Nicht zweimal, heisst es, steigt einer in denselben Fluss. Der Fluss ist derselbe, diese Welle ist der andern gleich, aber du bist derselbe nicht mehr. Du bist ein Gewandelter. Wie gewandelt? Zum Guten, dem Wesentlichen näher als zuvor? Zum Bösen, dem Verstörten und Verwirrten näher als zuvor? Die menschliche Lebensaufgabe besteht wesensmässig darin, sich zu wandeln, ein Leben lang zu werden und zu wachsen, zu reifen, an sich zu arbeiten, sich hineinzugeben in Aufgaben, sich hinzugeben an Menschen, und das Leben als

Es gilt das gesprochene Wort

grosse Reise zwischen dem Tor der Geburt und dem Tor des Todes zu begreifen. Wir Menschen kommen unfertig zur Welt, und wir sterben unfertig. Wir nehmen die Fäden auf, die uns mit der langen Kette der Generationen verbinden, wir spinnen sie weiter, wir geben sie weiter. Wir knüpfen sie neu, und wir lernen, dass alles im Leben Bruchstück ist.

Die Bibel, die ich Ihnen heute überreichen werde, ist eine Art Wegebuch. Sie gleicht einer Seekarte, auf der Routen und Kurse eingezeichnet sind, aber breite, mit Raum zum eigenen Navigieren, je nach Gezeiten und Wind. Man könnte sie auch ein Logbuch nennen, in das frühere Reisende ihre Positionen, Beobachtungen, Widerfahrnisse und Erfahrungen eingetragen haben, nicht wörtlich zu wiederholen, schon gar nicht anzubeten. Aber ein Wegweiser. Schon 1. Mose 12,1-3.sagt „ Gehe aus deinem Vaterland und aus Deiner Freundschaft in ein Land, das ich Dir zeigen werde“. Ein „Gehe“ stand über Jakobs Weg, und Mose gehorchte dem göttlichen „Gehe“, als er sein Volk aus dem Land der Knechtschaft in das Land der Freiheit führte, auf vierzig-jährigem Weg durch die Wüste. Es folgte das „Gehen“ aus den Tagen des Propheten Jeremia dann, Israels Weg in die babylonische Gefangenschaft, und siebzig Jahre später die Rückkehr in das Land ohne Tempel. Dann, nach der Zerstörung Jerusalems das Gehen ohne Ende, die Wege in die Diaspora aller Erde. Jesaja 62,2 heisst es: „Man wird dich nennen mit neuem Namen“. Und Jesaja 65,17 steht: „Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde; man wird der früheren Dinge nicht mehr gedenken, und niemand wird sich ihrer mehr erinnern.“ Jesus sagte von sich selber: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel des Himmels haben Nester, der Sohn des Menschen dagegen hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Matthäus. 8,20). Und Lukas 5,36f mahnt „Niemand reisst ein Stück von einem neuen Kleid ab und setzt es auf ein altes Kleid; sonst wird er nicht nur das neue zerreissen, sondern auch zu dem alten wird das Stück

Es gilt das gesprochene Wort

vom neuen nicht passen. Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche, sonst wird der neue Wein die Schläuche zerreissen… Sondern neuen Wein soll man in neue Schläuche füllen.“

Ostern schliesslich war nicht nur die Erfahrung des Todes und des Endes, sondern des neuen Anfangs: da bricht etwas neu auf, das unsere bisherigen Erfahrungen und unsern Horizont sprengt, da beginnt etwas, das uns auf einen neuen Weg führt.

Und endlich das letzte Bild der Bibel malt uns in Offenbarung 21 vor Augen: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen.“

Dieses Auf-Dem-Weg-Sein und sich Wandelnde Ihres Berufes wird Sie ein Leben lang begleiten, und dass wir zur Stunde das neue Kirchengesetz in die Vernehmlassung gegeben haben, ist nur ein kleiner Ausdruck davon.

2. Die andere Seite Ihrer Aufgabe ist das, was bleibtl

Doch der Wandel ist nicht für sich allein und in sich selbst ein Wert. Er ist wertvoll, weil er unterwegs ist auf ein Ziel hin. Der Wandel für sich allein genommen, gliche einer Tinguely-Maschine. Es klöpft und tätscht und doch verändert sich nichts. Er wäre, wie es im Buch des Predigers heisst: „Was gewesen ist, wird wieder sein, und was geschehen ist, wieder geschehen, es gibt nichts neues unter der Sonne.“ Der Wandel wird erst sinnvoll und nötig, wenn Sie ihn immer wieder an den bleibenden Grundlagen des Evangeliums messen.

Ich will Ihnen das am Gegensatz von Alt und Neu zeigen. Die einen haben das Bewahren des Alten, die andern das Befördern des Neuen auf ihre Fahne geschrieben. Aber das sind nur relative Akzentverschiedenheiten. Denn Leben lässt sich nicht bewahren ohne die Dimension des Neuen, und Neues muss sich am Bewahren des Lebens bewähren. Als evangelische Theologinnen und Theo-

Es gilt das gesprochene Wort

logen vertreten Sie Grundlagen, die immer neu vor uns stehen und bleibend sind. Sie sind nicht deshalb bleibend, weil sie immer schon gegolten haben und vorhanden sind, sondern umgekehrt, weil sie uns immer neu eine Richtung, ein Ziel, eine Hoffnung, ein Vertrauen geben und wir in aller Flüchtigkeit des Lebens erfahren: hier haben wir festen Boden unter unsern Füssen. Hier stehen wir nicht nur im Fluss der Zeit, sondern vor der Felswand der Ewigkeit. Diese Grundlagen gehören zur DNA auch unseres schönen Kantons Bern. Sie sind wie das Grundwasser, das unsere Gesellschaft vor dem Vertrocknen bewahrt und uns lebendig erhält.

Auf dem Münsterplatz werden wir auf unserem Weg zum Mittagessen am Moses-Brunnen vorbeigehen, an dessen Säule die beiden Gesetzestafeln mit den zehn Geboten stehen. Als Pfarrerinnen und Pfarrer können Sie an diese ganz einfachen und gleichzeitig ganz grundsätzlichen Dinge erinnern, an die Fundamente, auf denen unser Leben steht. Und schon nur, wenn Sie ein schlichtes Unser Vater beten, dann geben Sie uns ein Stück Vertrauen darein weiter, dass die Erde mehr ist als ein windiger Planet im unbehausten Universum, und unsere Zeit mehr ist als ein Mahnmal der Vergänglichkeit.

Ich denke da gerne im Bild vom Sommerwind, der den Blütenstaub fortträgt, und keiner weiss, wohin, und an das Bild vom Stein, der ins Wasser geworfen den Meeresspiegel verändert, an die Wirkung in die Ferne also und die Macht des Verborgenen.

3. Meine Wünsche für Ihren Weg durch die Zeit

So komme ich zu meinen Wünschen für Ihren Weg durch die Zeit.

Ich wünsche Ihnen erstens, dass Sie in Ihrem Leben beides im Auge behalten: das Rathaus und die Kirche, die Bürgergemeinde und die Christengemeinde. Das Rathaus steht für all die Veränderungen, denen wir uns stellen

Es gilt das gesprochene Wort

müssen, für den Willen, in vielen kleinen Schritten das Leben unserer Gesellschaft zu verbessern. Die Kirche steht demgegenüber für das Ewige, das bleibt.

Ich wünsche Ihnen zweitens, dass Sie die eigene Zerbrechlichkeit nicht vergessen. Sie hatten die Chance, viel zu lernen und einen guten Abschluss zu machen. Sie haben in Ihrem jungen Leben schon viel erreicht. Doch nehmen Sie auf Ihren Weiterweg das Wissen mit, dass jedes Menschenleben sehr zerbrechlich ist. Ich selber bin zum Beispiel kurzsichtig. Wenn es dumm gegangen wäre, hätte es sein können, dass ich heute ein IV-Bezüger wäre.

Und ich wünsche Ihnen drittens, dass Sie nie vergessen, was andere für Sie getan haben und noch tun werden. Wir sind nicht nur das, was wir selber auch machen. Wir verdanken unser Leben der langen Reihe derer, die vor und neben und auch nach uns an der Arbeit sind. Wir sind kleine Glieder in der grossen Kette des Lebens..

3. Übergabe von Urkunde und Geschenk.

Zum Zeichen dafür, dass auch der Staat auf Werte angewiesen ist, die er nicht selbst erschaffen kann, und zum Zeichen dafür, dass der Kanton Bern Sie als verbi divini ministri und verbi divine ministrae anerkennt und respektiert, überreiche ich jetzt jedem von Ihnen

- Die Anerkennungsurkunde und - eine Bibel

Ich lade Sie dazu ein, einzeln und nach Aufruf zu mir zu kommen: (in alphabetischer Reihenfolge und mit Handschlag)

4. Schluss

Wir sind am Schluss des Aufnahmeaktes in den bernischen Kirchendienst angelangt.

Es gilt das gesprochene Wort

Bekanntlich erhält jede Feier erst durch gemeinsames Essen und Trinken eine solide Grundlage.Dies soll auch heute so sein und ich freue mich, Sie nun in die Bernerstube des Restaurants Casino einzuladen. Wir können gleich gemeinsam hinübergehen. Damit aber alle dorthin finden: Wenn wir vom Münster her die Herrengasse heraufgehen, nehmen wir beim grossen Casino-Gebäude gleich die erste Türe links, und dort im Parterre wiederum links befindet sich die Bernerstube.