Spezifische Probleme des Schwarzwildmanagements

Spezifische Probleme des Schwarzwildmanagements in Großschutzgebieten Prof. Dr. Dr. Sven Herzog und Toralf Bauch Einleitung Mit der Ausweisung von Gro...
Author: Teresa Flater
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Spezifische Probleme des Schwarzwildmanagements in Großschutzgebieten Prof. Dr. Dr. Sven Herzog und Toralf Bauch Einleitung Mit der Ausweisung von Großschutzgebieten entsteht immer die Frage, welche Ziele im Hinblick auf Wildtiere, und hier insbesondere im Hinblick auf die für den Menschen besonders interessanten großen Schalenwildarten, verfolgt werden. Oft wird diese Frage nicht rechtzeitig artikuliert und hinreichend diskutiert, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zu späteren Problemen führt. Solche Probleme, oft aus geringen Ursachen entstanden, können nicht selten sogar die öffentliche Akzeptanz und damit den Schutzstatus eines Gebietes gefährden. Hinsichtlich der Akzeptanz in einem meist agrarisch geprägten Umfeld spielt wiederum das Schwarzwild (Sus scrofa) aufgrund seines Schadpotentials in der Landwirtschaft, seiner unter günstigen Bedingungen vergleichsweise hohen Vermehrungsrate sowie der Möglichkeit der Übertragung von Tierseuchen eine zentrale Rolle. Der vorliegende Beitrag will daher einige der spezifischen Probleme, welche sich in Zusammenhang mit dieser Art bei der Ausweisung von Großschutzgebieten stellen, aufzeigen und praktikable Lösungsansätze vorstellen.

Was verstehen wir unter „Großschutzgebieten“ ? Unter Großschutzgebieten im Sinne der vorliegenden Arbeit werden große Naturschutzgebiete, Naturparke, Landschaftsschutzgebiete, Nationalparke, Biosphärenreservate nach deutschem Recht bzw. diesen vergleichbare Gebiete verstanden. Dabei gehen wir orientierend von einer Fläche von mindestens 5000 Hektar aus. Kleinere Gebiete können zwar im Einzelfall ebenfalls nach den hier dargestellten Kriterien und Konzepten behandelt werden, sofern sie sich in der Landschaft als besondere, vom Umfeld abgegrenzte Strukturen darstellen, etwa als Waldenklave in einer weiträumigen Agrarlandschaft. Gleichzeitig sollten wir bedenken, dass Wildmanagementkonzepte möglichst immer auch für das Umfeld erarbeitet werden sollten. Während in Naturparken und Landschaftsschutzgebieten aufgrund ihrer Flächenausdehnung und ihres vergleichsweise niedrigen Schutzstatus eher wenige Besonderheiten in Bezug auf Jagd und Wildtiermanagement auftauchen, stellt sich dies in Nationalparken, aber auch in vielen großen Naturschutzgebieten oft anders dar.

Im Biosphärenreservat Rhön macht das Schwarzwild den Verantwortlichen wegen landwirtschaftlicher Schäden und dem Vernichten von Bodenbrütergelegen große Sorgen.

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Gerade anspruchsvolle Schutzziele innerhalb der Gebiete, insbesondere solche, welche menschliche Aktivitäten weitestgehend ausschließen, können Situationen, in denen sich Schwarzwildbestände unkontrolliert entwickeln, begünstigen. Gleichzeitig sind es gerade die Gebiete mit vergleichsweise hohem Schutzstatus, welche auch in der regionalen und überregionalen Fach- und Laienöffentlichkeit häufig auf Akzeptanzprobleme stoßen.

Jagd in Großschutzgebieten Die traditionelle Landnutzungsform „Jagd“ kann in Schutzgebieten, beispielsweise in Naturschutzgebieten, vor allem aber in Nationalparken Beschränkungen unterliegen. Dies ist zwar nicht immer zwingend, zumal in Schutzgebieten durchaus althergebrachte Nutzungsformen erlaubt oder gar erwünscht sein können. Dennoch treffen wir immer häufiger die Situation an, dass Jagd sich dem Schutzziel unterzuordnen hat, also selbst nicht Bestandteil des Schutzzieles ist. Damit ist Jagd nicht mehr alleine eine nachhaltige Nutzungsform, sondern darüber hinaus oder stattdessen ein Werkzeug, ein Instrument des Naturschutzes. Ein besonderes Problem stellen diejenigen Flächen dar, auf denen „Prozessschutz“ betrieben werden soll, das heißt auf welchen möglichst jeder aktive menschliche Eingriff zu unterlassen ist. Unter derartigen Prozessschutzzielen stellt sich regelmäßig die Frage, ob und in welchem Umfang in Großschutzgebieten auf Regulation des Wildes oder bestimmter Arten überhaupt verzichtet werden kann bzw. soll.

Die Situation beim Schwarzwild Hinsichtlich dieser Fragen finden wir im Einzelfall sehr unterschiedliche Vorstellungen. In Bezug auf das Schwarzwild wird etwa die Notwendigkeit einer Bestandesregulation durchaus unterschiedlich gesehen. Bei der ausschließlichen Betrachtung von Waldlebensräumen oder Gebieten ohne menschliche Nutzung wird das Schwarzwild zunächst oft als eher unproblematisch eingestuft. Gleichzeitig besitzt es ein ausgesprochen hohes Schadpotential auf landwirtschaftlichen Flächen. Letzteres, in Zusammenhang mit der aktuellen Agrarstruktur (KRÜGER 1998), dem hohen Vermehrungspotential, einer großen Anpassungsfähigkeit dieser Art sowie dem Risiko eines Übergreifens der Schweinepest auf die Wildschweinbestände, lässt hinsichtlich der Notwendigkeit einer Regulation oft sogar einen Kon-

sens zwischen verschiedenen, sonst durchaus konträr agierenden Interessengruppen entstehen. Ein weiterer Aspekt in Bezug auf die derzeit landesweit meist sehr hohen Schwarzwildbestände ist die Frage, welche Rolle das Schwarzwild in Bezug auf seltene Arten, insbesondere etwa Bodenbrüter wie das Auerhuhn (Tetrao urogallus) oder Birkhuhn (Tetrao tetrix) spielt. Wenngleich die bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse noch keine eindeutige Aussage zulassen, zeichnet sich doch ab, dass zumindest lokal ein hoher Schwarzwildbestand durchaus einen signifikanten Einfluss haben kann (KRÜGER und HERZOG 2000a,b). Wie auch immer, der erwähnte Konsens zwischen unterschiedlichen Interessengruppen ist aber in vielen Fällen nicht selbstverständlich, sondern bedarf intensiver Vorarbeit, insbesondere externer Berater und Moderatoren, welche außerhalb des regionalen Beziehungsgeflechtes stehen. In einem nächsten Schritt ist es erforderlich, die Populationsdynamik der betreffenden Schalenwildarten möglichst gut zu dokumentieren. Der altbekannte Satz „Wild lässt sich nicht zählen“ relativiert sich in diesem Zusammenhang: Es muss sich zählen oder zumindest semi-quantitativ erfassen lassen, gilt es doch, eine allgemein akzeptierte Diskussionsgrundlage zu schaffen. Erfahrungsgemäß sind es oft sauber recherchierte Bestandeszahlen und eine professionelle Moderation, welche schnell dazu beitragen, eine emotionsbeladene Diskussion zu versachlichen. Wenn nicht schon früher, so wird spätestens an dieser Stelle klar, dass gerade in Gegenden mit Schwarzwildvorkommen der Verzicht auf eine Populationsregulation sehr schnell zu Akzeptanzproblemen, insbesondere im Umfeld des Schutzgebietes, führen kann.

„Never change a winning team” Naturgemäß ist aktives Wildmanagement immer mit menschlichen Eingriffen in ein Ökosystem verbunden. Die Beurteilung derartiger Eingriffe und die Abschätzung von deren Folgen ist aufgrund der Komplexität ökologischer Systeme schwer und auch nur langfristig und oftmals unzureichend wissenschaftlich prospektiv erforschbar. Dies bedeutet aber, dass Methoden und Strategien im günstigsten Falle durch retrospektive wissenschaftliche Analysen, oftmals aber auch lediglich durch Empirie, das heißt durch die jahrzehnte- bis jahrhundertelange Erfahrung aus der Praxis in ihrer Effektivität und Effizienz sowie ihrer Nebenwirkungen beurteilbar sind.

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Die Gesellschaftsjagd ist eine ebenso sinnvolle Jagdstrategie in Großschutzgebieten wie die Intervalljagd.

Damit bietet sich der Rückgriff auf traditionelle Methoden immer dort an, wo sie sich bewährt haben, das heißt, wo man grundsätzlich mit den Resultaten zufrieden ist und bislang keine schwerwiegenden oder nicht beherrschbaren externen Effekte aufgetreten sind. Ein typisches Beispiel ist die Jagd als ein bewährter Ansatz der Regulation des Schalenwildes. Speziell beim Schwarzwild würde sich alternativ zur Bejagung noch die Dezimierung mittels Frischlingsfängen anbieten. Der Aufwand wäre dabei aber sicherlich nicht geringer als bei traditioneller Bejagung. Demgegenüber würden aber langfristig hohe Kosten anfallen, da die tierschutzgerechte Arbeit mit Frischlingsfängen speziell ausgebildetes Personal mit einem hohen Maß an Erfahrung erfordert, wenn man die ethischen und tierschutzrechtlichen Anforderungen erfüllen will. Mit anderen Worten, man wird beim Schwarzwild auch in Großschutzgebieten in den allermeisten Fällen auf eine Bejagung nicht verzichten können.

Jagdstrategien in Großschutzgebieten: Beispiele Wenn Einigkeit besteht, dass in einem Schutzgebiet das Schwarzwild bejagt werden soll, ist in einem nächsten Schritt Konsens über die anzuwendenden Jagdstrategien und -methoden sowie über die Intensität der Bejagung herzustellen. In diesem Zusammenhang sollte auch der nicht ganz unwesentlichen Frage, wer die Jagd ausüben soll, Beachtung geschenkt werden. Als besonders geeignete Jagdstrategien auf Schwarzwild in Schutzgebieten haben sich einer-

seits die Schwerpunktbejagung, andererseits die Intervalljagd erwiesen. Schwerpunktbejagung bedeutet die Bildung räumlicher Schwerpunkte unterschiedlicher jagdlicher Intensität. Zonen hoher jagdlicher Intensität (=hohen Jagddruckes) stehen im Idealfall Jagdruhezonen oder zumindest Flächen mit sehr geringer jagdlicher Intensität gegenüber. Dieser Ansatz ist besonders geeignet bei unterschiedlichen Zielen innerhalb des Gebietes, z.B. auch unterschiedlichen Schutzintensitäten. Gerade dort, wo man Prozessschutzgedanken konsequent umsetzten möchte, wird man nicht um derartige Konzepte der Schwerpunktbejagung umhinkommen. Vorteil dieses Ansatzes ist es, dass auf den bejagten Flächen nötigenfalls eine sehr intensive Bejagung mit entsprechenden Vergrämungsund Verdrängungseffekten in die Ruhezonen stattfinden kann. Gleichzeitig findet das Wild in den Ruhezonen ein Refugium. Es wird sich dort auch vergleichsweise schnell an nichtjagende Menschen gewöhnen und oft sehr vertraut (und damit beispielsweise für Waldbesucher beobachtbar) sein. Letzteres setzt aber meist ein konsequentes Wegegebot und Leinengebot für Hunde voraus. Intervalljagd wiederum bedeutet nicht räumliche, sondern zeitliche Schwerpunktbildung. Während bestimmter Zeiten innerhalb der gesetzlichen Jagdzeit wird bewusst auf eine Bejagung des Wildes verzichtet. Ziel ist es hier, durch Unterbrechung des Jagddruckes beim Wild eine insgesamt größere Vertrautheit und, in den Jagdintervallen, auch einen höheren Jagderfolg zu erreichen.

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Abb. 1: Methoden der Wildbestandserfassung

Die Intervalljagd ist besonders geeignet in eher homogen strukturierten und/oder behandelten Gebieten, oder bei besonderen Situationen im Jahresverlauf, z. B. beim Vorhandensein von Horsten des Seeadlers, bei bekannten Rastplätzen während des Vogelzuges, bei bestimmten landwirtschaftlichen Kulturen im Umfeld sowie zur Minimierung des störenden Einflusses der Jagd im Allgemeinen. Das Wild soll während der Ruheintervalle die Gefährlichkeit des Menschen „vergessen“. Ob und wie gut das gelingt, hängt von unterschiedlichen Voraussetzungen ab. Einerseits muss im Ruheintervall wirklich komplette Jagdruhe herrschen. Andererseits müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Ob beispielsweise intensiv genutzte Erholungsräume für Intervalljagd geeignet sind oder nicht, bedarf noch der genaueren Klärung. Eine Hypothese besagt, dass das Konzept dort nicht funktioniert, da die Umstellung von „jagenden und nichtjagenden Menschen“ auf ausschließlich „nichtjagende Menchen“ längere Zeiträume erfordert. Verschärft wird dieses Problem ebenfalls dort, wo kein Leinengebot für Hunde herrscht.

Jagdmethoden auf Schwarzwild in Großschutzgebieten: Beispiele Bei den Jagdmethoden können wir zunächst solche der Einzeljagd und solche der Gesellschaftsjagd unterscheiden. In Schutzgebieten besteht grundsätzlich kein Zwang, eine bestimmte Jagdmethode auf Schwarzwild zu favorisieren.

Hinsichtlich der Einzeljagd werden häufig Bedenken geäußert, dass diese mit zu großen Störungen verbunden sei. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall. Vielmehr hängt die Intensität der Störungen mehr an der Organisation der Jagd und an der Frage, wer jagt. In von Besuchern hoch frequentierten Schutzgebieten scheidet meist die Pirsch und der Ansitz vom Boden aus als optisch für Besucher unauffälligste Methoden aus Sicherheitsgründen aus. Die klassische Ansitzjagd ist auf entsprechende Einrichtungen (Leitern, Kanzeln) angewiesen. Diese werden nicht immer von allen Beteiligten akzeptiert, oft mit Hinweis auf vermeintlich fehlende Akzeptanz durch die Besucher bzw. Touristen. Letztere ist allerdings noch keineswegs belegt, so dass gegen eine Ansitzjagd unter Verzicht auf groß dimensionierte, geschlossene Kanzeln in Schutzgebieten grundsätzlich wohl nichts einzuwenden ist. Desgleichen sollte auf Kirrungen in Schutzgebieten grundsätzlich verzichtet werden. Die Kirrjagd auf Schwarzwild ist schon unter normalen Umständen nicht unumstritten, wenngleich im Einzelfall möglicherweise ausnahmsweise akzeptabel. In einem Schutzgebiet sollte sie aus grundsätzlichen Erwägungen ebenso wie aus Akzeptanzgründen unterlassen werden. Gesellschaftsjagden auf Schwarzwild sind sowohl in Form von Gruppenansitzen ohne Beunruhigung als auch als sog. „Bewegungsjagden“ (besser sollte es vielleicht heißen „Beunruhigungsjagden“) denkbar. Wenngleich der Gruppenansitz

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auf Schwarzwild weniger typisch sein mag, so bildet er doch eine Alternative zur Beunruhigungsjagd. Letztere erfolgen auf Schwarzwild typischerweise in Form von Drückjagden mit Hunden. Entscheidend ist für die Frage des Hundeeinsatzes zunächst, welches die jagdliche Leitart bzw. die Zielart der jeweiligen Jagd ist. Soll nämlich auch gleichzeitig etwa Rotwild erlegt werden, muss vom Ansatz her völlig anders vorgegangen werden als bei einer Jagd, bei der das Schwarzwild allein im Vordergrund steht. Aber auch wenn es alleine um Schwarzwild geht, erfordert die Planung einer Drückjagd große Erfahrung in dem Metier. Grundsätzlich gilt auch hier: keine großen, hetzenden Hunde. Darüberhinaus will beispielsweise der Einsatz einer Meute gut überlegt sein. Oft schadet der Meuteeinsatz mehr als er nutzt. In kleinen Treiben kann es schnell vorkommen, dass die Meute, die eine Rotte gesprengt hat, hinter einem einzelnen Stück komplett das Treiben verlässt und damit die weitere Jagd ineffizient macht. Beim Vorkommen bestimmter seltener Arten (z.B. Otter, Biber) werden Hunde oft abgelehnt. Hier müsste dann mit einer größeren Zahl Treiber gearbeitet werden. Generell problematisch sind Drückjagden in Landschaften mit hohem Wasser-, Moor- oder Sumpfanteil, da hier sowohl Treiber als auch Hunde schnell an ihre Grenzen stoßen. In jedem Falle und nicht nur wegen einer möglicherweise größeren Öffentlichkeit der Jagden in Schutzgebieten gilt für Drückjagden, dass peinlichst genau auf die Einhaltung der Grundsätze des Tierschutzes zu achten ist. Leider wird dieser Aspekt gerade beim Schwarzwild immer noch zu häufig vernachlässigt.

Brauchen wir ein Wildmonitoring?

Das Problem würde zu spät erkannt und erst mit massiven Ressentiments aus dem Umfeld, z.B. der Landwirtschaft, offensichtlich. Zu diesem Zeitpunkt könnte aber die Mühe von vielen Jahren Ringen um Akzeptanz eines Schutzgebietes bereits zunichte gemacht sein.

Es erscheint daher zumindest immer dann, wenn die Bejagung im Gebiet Einschränkungen In Fällen, in denen die Bejagung einer Wildart unterliegt, zwingend, ein Wildmonitoringsystem generell oder räumlich begrenzt eingeschränkt einzurichten (vergl. BAUCH et al. 2005). wird, ist auch der Informationsrückfluss zur Bestandesentwicklung über die Jagdstrecke deut- Aufgaben dieses Monitoringsystems sind unter lich eingeschränkt oder fehlt sogar ganz. anderem Gerade beim Schwarzwild kann aber ein Be- • die orientierende quantitative Einschätzung stand unter günstigen Voraussetzungen vervon Höhe und räumlicher Verteilung der Begleichsweise schnell anwachsen. Insbesondestände re die Kombination von Deckung und Ruhe in • die Beobachtung der Populationsentwickeinem großen Schutzgebiet und gute Äsungsbelung, der Raumdynamik und der Migratidingungen in umgebenden landwirtschaftlichen onstendenzen der betrachteten Arten Flächen schaffen eine kritische Situation, welche • die Bewertung der Einflüsse im Schutzgebiet bereits nach wenigen Jahren ausser Kontrolle gevorhandener Populationen auf angrenzende raten kann. Gebiete im Zeitverlauf

Abb. 2: Bestandesentwicklungen

Abb. 3: Wildvorkommen im Jahresverlauf

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Abb. 4: Konzentrationsschwerpunkte des Schwarzwildes

• die Analyse der Veränderung von Verhaltensweisen des Wildes und deren Auswirkungen z.B. auf die Schadenssituation im Umfeld oder auch auf schutzgebietsinterne Ziele wie Beobachtbarkeit des Wildes • die Analyse der Akzeptanz des Schutzgebietes und des Wildmanagements im Zeitverlauf Das Wildmonitoring ist also nicht allein ein „Wildzählen“, sondern ein zielorientiertes, komplexes Werkzeug zur langfristigen Lenkung der Aktivitäten im Schutzgebiet. Es besteht normalerweise aus einer Kombination unterschiedlicher Methoden. Abbildung 1 zeigt Beispiele. Als für mitteleuropäische Verhältnisse ungeeignet haben sich in unseren Voruntersuchungen insbesondere Methoden der Abundanzerfassung aus dem Flugzeug und mit Wärmebildtechnik herausgestellt. Diese stoßen bei dichten Gehölzbeständen (und dazu können bereits sich schließende Kieferndickungen zählen) schnell an ihre Grenzen. Kirrungsverhalten im Umfeld

Methoden der direkten Erfassung (Zählung, z.B. Scheinwerfertaxation) können dort eine Rolle spielen, wo entsprechend gute Sichtverhältnisse herrschen, und wo Zähllinien langfristig nutzbar bleiben. Leider sind beide Voraussetzungen in großen Schutzgebieten nicht immer gewährleistet, insbesondere dort, wo flächige Sukzessionsentwicklungen zum Schutzziel gehören. Eine wichtige Methode aus der Gruppe der indirekten Erfassungsmethoden stellt dort, wo sie aufgrund der Klima- und Witterungsverhältnisse möglich ist, die Fährtenerfassung bei Neuschnee dar. Diese hat den großen Vorteil, dass sie als Resultat eine absolute Zahl und nicht nur eine Tendenz ergibt. Führt man die Methode sachgerecht durch, erhält man eine Mindestzahl des im Untersuchungsgebiet vorhandenen Wildes. Ideal sind drei Wiederholungen in einer Saison. Nachteilig ist hier die hohe Witterungsabhängigkeit bei vergleichsweise hohem Bedarf an qualifiziertem Personal. Losungszählverfahren scheinen für mitteleuropäische Verhältnisse grundsätzlich geeignet zu sein, bedürfen aber noch der intensiven Verbesserung. Entsprechende Untersuchungen erfolgen derzeit beispielsweise im eigenen Haus. Mathematisch-statistische Verfahren wie etwa die Analyse von Jagdstrecken aus der Vergangenheit können unterstützend eingesetzt werden. Sie geben allerdings immer einen retrospektiven Aspekt wieder und haben für Voraussagen nur insoweit Gültigkeit, als sie auf der Unveränderlichkeit der Rahmenbedingungen, z.B. Jagdstrategie und Jagdmethode, beruhen. Da aber gerade diese in

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Abb. 5 (links): Bestandeseinschätzung der Jäger

Abb. 6 (rechts): Bestandeseinschätzung durch Landwirte

Großschutzgebieten oftmals Gegenstand von Veränderungen sind, haben diese Verfahren hier eher ergänzenden Charakter. Schließlich sind noch als wichtiger Sonderfall die soziologischen Methoden, also die Befragungen von spezifischen Interessen- und Bevölkerungsgruppen zu erwähnen. Gerade in Bezug auf Akzeptanzfragen kommt diesen Methoden über das reine Wildmonitoring hinaus eine hohe Bedeutung zu. Sie sollten daher auch regelmäßig genutzt werden. Wildbiologische Universitätsinstitute besitzen hier meist die erforderliche Expertise und können, etwa bei der Fragebogenentwicklung, unterstützen. Für das größte Naturschutzgebiet (7000 ha) des Freistaates Sachsen, die Königsbrücker Heide, wurde beispielsweise ein Monitoringkonzept entwickelt, welches seit mehreren Jahren erfolgreich Anwendung findet. Mit Hilfe dieses Monitorings werden unter anderem Bestandesentwicklungen des Schwarzwildes nachvollziehbar. Darüber hinaus können auch jahreszeitliche Bestandesschwankungen innerhalb des Gebietes nachvollzogen werden (Abb. 5), welche durch Frequentierung landwirtschaftlicher Flächen und kleiner Feldgehölze im Umfeld des Schutzgebietes zumeist bis zur Ernte der landwirtschaftlichen Kulturen verursacht sind.

Mit Hilfe des Abfährtens bei Schnee ist es möglich, kurzfristige Verlagerungen der Konzentrationsschwerpunkte nachzuvollziehen und Ursachen für dieses Verhalten zu ermitteln. Ursache der in Abb. 4 dargestellten starken Einstandsverlagerung des Schwarzwildes, welche innerhalb kürzester Zeit erfolgte, war das übermäßige Nahrungsangebot im Umfeld des Schutzgebietes (Abb. 7), welches nach Beendigung der Hauptjagdzeit am 31. 01. wieder stark eingeschränkt wurde. Das Schwarzwild reagierte auf das geringer werdende Nahrungsangebot umgehend und verlagerte seinen Einstand wieder an den ursprünglichen Punkt im Kerngebiet. Hinsichtlich der Frage der Akzeptanz des Gebietes und dessen Wildvorkommen bei unterschiedlichen Interessengruppen wurden die verschiedenen Sichtweisen und Bestandeseinschätzungen bereits durch einfache Umfragen deutlich (Abb. 8 & Abb. 9). Die unterschiedliche Wahrnehmung bei der Bestandeseinschätzung gerade beim Schwarzwild, welches die im Umfeld des Schutzgebietes vorkommenden landwirtschaftlichen Flächen stark frequentiert, zeigt auch welche Konfliktpotentiale in diesen Fragen, gerade bei der Einschätzung eines „Schadens“ bestehen (Abb. 10). Mit Hilfe eines Wildmonitoring wird es wie in diesem Fall möglich, nicht nur Wildbestände und Abb. 7: Einschätzung der Wildschäden durch unterschiedliche Gruppen

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deren Entwicklung sowie die sich verändernden Literatur Verhaltensweisen einzuschätzen bzw. einzuordBAUCH, T.; FUCHS, K.; HERZOG, S. Wildmonitoring in der nen, sondern auch mögliche Probleme im sozio„Königsbrücker Heide“: Vom Reden zum Handeln. waldökonomischen Umfeld aufzuzeigen und entsteblick 2/2005, 6. henden Konflikten möglichst schon im Vorfeld zu KRÜGER, T. Entwicklung der Jagdstrecken des Schwarzbegegnen, um somit die Akzeptanz dieser Schutzwildes (Sus scrofa L. 1758) und möglicher Einflußfaktoren gebiete bei den verschiedensten Interessengrupim heutigen Freistaat sachsen. European Journal of Wildlife pen zu gewährleisten. Research 44, 151-166, 1998.

Resümee

KRÜGER, T.; HERZOG, S. Zur Entwicklung des Birkhuhnbestandes (Tetrao tetrix LINNÉ ) im sächsischen Erzgebirge von 1980 bis 2000. European Journal of Wildlife Research

In Großschutzgebieten Mitteleuropas wird in den meisten Fällen ein aktives Schwarzwildmanagement erforderlich sein. Aus Gründen der Praktikabilität, der Kosten und nicht zuletzt der langen Erfahrung wird dies bevorzugt mit jagdlichen Methoden erfolgen. Dabei ist es jedoch wichtig, dass für jedes Großschutzgebiet schutzzielorientiert ein individuelles Wildmanagementkonzept erarbeitet wird. Die Entwicklung dieses Managementkonzeptes sollte über einen partizipativen Ansatz unter Einbindung der unterschiedlichen lokalen und überregionalen Interessengruppen erfolgen. Unter professioneller Moderation dieses Prozesses können Interessenkonflikte im Vorfeld vermieden bzw. entschärft und ein breiter Konsens für das Jagdkonzept geschaffen werden. Hinsichtlich Jagdstrategien und Jagdmethoden gilt es, individuelle Besonderheiten zu beachten. Eine wichtige Frage ist diejenige, wer jagen soll. Gerade ein schlüssiges Jagdkonzept ermöglicht auch die Einbindung zahlreicher lokaler Jäger und fördert die örtliche Akzeptanz. Im übrigen richten sich Jagdstrategien und –methoden oft nach dem Schutzziel. Jagd wird ein Instrument professioneller Naturschutzarbeit. Entscheidend für den langfristigen Erfolg und die Akzeptanz eines Jagdkonzeptes ist die Etablierung eines Qualitätskonzeptes, in dem auch ein Monitoringkonzept für Wildbestände und für die Wahrnehmung des Schutzgebietes und seiner Ziele in unterschiedlichen sozialen Gruppen enthalten ist. Erst dieses erlaubt ein langfristiges „Controlling“ sowohl im Hinblick auf Wild, aber auch auf Menschen, und wird damit zu einem unerlässlichen Steuerungsinstrument im Naturschutz.

46, 1-8, 2000a. KRÜGER, T.; HERZOG, S. Development of the Black Grouse (Tetrao tetrix) populations in Sachsen between 1980 and 2000. Cahiers d´ Ethologie 20, 323-332, 2000b.

Anschrift der Verfasser Prof. Dr. Dr. Sven Herzog Forstassessor Toralf Bauch Abteilung Wildökologie Technische Universität Dresden Pienner Strasse 8 D-01737 Tharandt e-mail [email protected]

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