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Author: Elke Fiedler
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Sonderbrief - für Familien mit behindertem Kind In diesem Brief lesen Sie:

Seite 56

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Eltern eines besonderen Kindes

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Die „lieben“ Verwandten

Schuldgefühle? Warum ist UNSER Kind behindert

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Familienentlastender Dienst

Seite 61

Seite 63

Leistungen und Unterstützungen

Der Bürokratismus macht auch vor Ihnen nicht Halt

Erfahrungsaustausch relativiert die eigene Lebenslage

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Geschwisterkinder brauchen Aufmerksamkeit

Auch Ihre Gesundheit ist wichtig

Adressenverzeichnis

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Liebe Eltern, liebe Mutter, lieber Vater

Sonderbrief

für Familien mit behindertem Kind

Eltern eines besonderen Kindes „Wir können Ihnen nicht sagen, ob Ihre Tochter jemals selber essen, sprechen oder laufen kann!“ – Was für ein Schock, als wir dieses vom Arzt über unsere einjährige Tochter hören musste. Mit einem Schlag war alles anders: Über die große Freude über unser – wie wir dachten gesundes – erstes Kind legte sich ein großer Schatten.

Krankheit behindert wurde – die Tatsache, kein gesundes Kind zu haben, ist eine schwere Belastung für die Eltern. Der Lebensplan muss neu geschrieben werden. Was kommt nun alles auf uns zu? Wie wird es weitergehen? Was müssen wir alles umstellen in unserem bisherigen Leben, um mit diesem Schicksal fertig zu werden?

Im Alter von sieben Monaten wurden bei ihr erste Entwicklungsrückstände sichtbar, doch unser Kinderarzt verschrieb daraufhin Krankengymnastik und wir dachten, nun würde alles gut. Doch nachdem das nicht die gewünschte Verbesserung in der motorischen Entwicklung brachte, war dann eben eine zehntägige stationäre Diagnostik in der Kinderklinik nötig. Das Ergebnis lautete: statomotorisch und psychointellektuell retardiert mit ungeklärter Ätiologie, kurz: unsere Tochter ist entwicklungsverzögert und kein Arzt weiß – bis heute – warum. Mittlerweile ist sie ein hübsches, großgewachsenes 15jähriges Mädchen, das selber essen, sprechen und laufen kann. Doch ihre Feinmotorik und Intelligenz sind die einer etwa Sechsjährigen.

Eltern sind in dieser Zeit sehr mit sich selbst beschäftigt und äußerst verletzlich. Und ausgerechnet in dieser Zeit kommen eine Vielzahl von Anforderungen auf Sie zu: Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte, Schwierigkeiten im Umgang mit Ihrem behinderten Kind, die Auseinandersetzung mit Frühförderung, Therapeuten, Institutionen, Behörden, Krankenkasse usw... Nicht zu vergessen, die Familie, Freunde und Bekannten, deren Reaktionen oft sehr unterschiedlich ausfallen und zusätzlich fordern.

Ob Sie es gleich bei der Geburt erfahren haben, ihr Kind erst später auffällig oder bedingt durch einen Unfall oder eine S-56

Dieser Sonderbrief soll Sie in dieser für Sie so schweren Lebensphase unterstützen und begleiten – mit Texten, Tipps und Adressen für unterstützende Hilfen. Wir wünschen Ihnen viel Mut, Kraft, aber auch Geduld, um im Laufe der Zeit Ihr behindertes Kind so anzunehmen, wie es ist.

Schuldgefühle? Warum ist UNSER Kind behindert Besonders in der ersten Zeit nach der Diagnose werden Sie sich oft fragen, warum bekommen ausgerechnet WIR ein behindertes Kind? Andere haben vielleicht nicht so gut wie Sie in der Schwangerschaft auf sich und Ihr ungeborenes Kind aufgepasst oder auch später nicht alles so wie Sie getan, damit Ihr Kind glücklich, gesund und zufrieden aufwachsen kann … und die haben ein gesundes Kind. In Ihnen entstehen eventuell Fragen nach der Gerechtigkeit auf dieser Welt. Oder Sie machen sich Vorwürfe, einen Moment nicht aufgepasst zu haben und dass Ihrer Meinung nach nur so der Unfall passieren konnte. Rationalen oder logischen Argumenten stehen Sie nun eher verschlossen gegenüber, denn Ihre Gefühle füllen Sie ganz aus: Wir wollen unser Kind beschützen, es soll keine Schmerzen oder Beeinträchtigungen haben, wir möchten mit ihm zusammen glücklich sein und lachen können.

Hören Sie auf, mit sich und Ihrem Schicksal zu hadern. Denn Sie müssen – erscheint es Ihnen anfangs auch noch so hart – um Ihrer selbst und Ihrer Familie willen akzeptieren lernen, dass diese Diagnose womöglich unumstößlich ist. Und dann, nur dann!, haben Sie die Chance zu erkennen, dass dieses Leben jetzt zwar ein ganz anderes ist, als Sie es sich vielleicht einmal vorgestellt, geplant oder gewünscht haben, aber dennoch ist es lebenswert. Täglich werden Sie sich in Geduld üben müssen, kleine Entwicklungsschritte schätzen lernen und Dinge achten können, die Sie zuvor möglicherweise gar nicht mehr wahrgenommen haben. Und Sie werden Momente des Glücks erleben, mit Ihrem Kind spielen und lachen und kuscheln. Nur wird Ihr Leben sich in sehr vielen Bereichen immer von dem anderer Familien mit gesunden Kindern unterscheiden. S-57

Sonderbrief

für Familien mit behindertem Kind

Die „lieben“ Verwandten Es gibt nicht nur Sie und Ihr behindertes Kind – auch wenn Sie sich das zugegebenermaßen so manches Mal wünschen und eine einsame Insel vorziehen würden. Erfahrungsgemäß – aber auch abhängig von der Art der Behinderung – sind Mütter mehr von der Pflege des behinderten Kindes beansprucht. Väter leben nicht selten weiterhin ihren Arbeitsalltag und werden eher mal abends und an den Wochenenden mit der Problematik konfrontiert. Doch in jedem Fall treten die Bedürfnisse einer Partnerschaft, Zeit und Muße füreinander zu haben, erst einmal in den Hintergrund. Sie sind nun anderen Belastungen ausgesetzt. Dabei ist es so wichtig, auch oder gerade in dieser schwierigen Zeit, einen liebe- und verständnisvollen Partner oder Partnerin an seiner Seite zu wissen. Versuchen Sie daher, kleine Inseln der Zweisamkeit zu schaffen: Erleben Sie sich nicht nur als Eltern, sondern nehmen Sie sich auch noch Zeit für sich. Sie sind jetzt zwar Eltern, aber ebenso noch ein Paar. Und berücksichtigen Sie, dass jeder Mensch seine eigene, persönliche Weise hat, diese Schicksalsschläge zu verarbeiten. Schweigen muss nicht Interessenlosigkeit bedeuten, sondern kann auch ein Zeichen von Hilflosigkeit sein. Wichtig ist es nun, miteinander offen und ehrlich zu reden - möglichst ohne Tabus. Teilen Sie Ihrer Familie und Ihren Freunden Ihre Ängste und Sorgen mit und sagen Sie auch frei heraus, wo und wie Sie sich Unterstützung von anderen wünschen. Manchmal stehen Ihnen Großeltern, Tante und Onkel zur Seite, oftmals S-58

verhindern aber auch räumliche Entfernungen eine Unterstützung. Doch aus vielen Familien hört man, dass das behinderte Kind nicht in die Welt der Verwandten passt, schlimmstenfalls werden auch noch von dieser Seite aus Vorwürfe laut. Vergessen Sie nicht, auch für die anderen ist das Thema Behinderung neu und sie müssen sich erst damit auseinandersetzen. Oftmals mag das aus Unsicherheit heraus entstehen. Denn nicht nur Sie als Eltern müssen Ihr bisheriges Wertesystem in Frage stellen und mit komplett veränderten Zukunftsaussichten für sich und Ihr Kind umgehen lernen – ebenso ergeht es Ihrer Verwandtschaft. Vielleicht kann dann ein offenes Gespräch Klarheit für beide Seiten schaffen. Je schwerer die Behinderung Ihres Kindes ist, desto weniger wird Ihnen auch Hilfe von Freunden und Nachbarn angeboten – aus Mangel an Erfahrung ebenso wie aufgrund von Ängsten und Betroffenheit. Dennoch stehen Sie nicht alleine da! Sie können – und sollten es auch – auf bezahlte Helfer und professionelle Dienste zurückgreifen. Denn es gibt „offizielle“ Stellen, die nicht nur viel Erfahrung im Umgang mit behinderten Kindern haben, sondern Sie auch unterstützen und entlasten. Hierzu zählen die Offene Behindertenarbeit oder der Familienentlastende Dienst, zusätzliche Betreuungsleistungen (ZBL) durch die Krankenkassen sowie die Möglichkeit der Kurzzeitpflege. Die Kosten hierfür können Sie mit der Krankenkasse als stundenweise Ersatzpflege abrechnen, wenn Ihr Kind in eine Pflegestufe der Pflegeversicherung eingestuft wurde.

Familienentlastender Dienst Der Familienentlastende Dienst unterstützt die Familie bei der Bewältigung des Alltags mit ihrem Kind mit Behinderung. Das Wann, Wo und Wie wird durch die individuellen Bedürfnisse des Kindes und seiner Familie bestimmt und mit der Familie selber vereinbart. Es soll Ihnen die Möglichkeit gegeben werden, eine Atempause einlegen, einfach mal eine Auszeit nehmen zu können. Betreut werden stundenweise behinderte Kinder und Jugendliche in ihrer Familie. Dazu zählen Begleiten, Versorgen, Pflegen, Beschäftigen, Gestalten der Freizeit, Übernehmen der Fördermaßnahmen und der therapeutischen Übungen nach Anweisung. Damit werden die Familien und Pflegepersonen entlastet. So können Sie in dieser Zeit Sport treiben oder ins Theater, Konzert oder Kino gehen. Vielleicht möchten Sie die Zeit auch einfach mal für sich alleine nutzen oder etwas für ihre Familie oder Partnerschaft tun. Aber auch wenn Sie krank oder erschöpft sind, einen Krankenhaus- oder

Kuraufenthalt antreten müssen oder eben auch einfach einmal Zeit für sich selber brauchen, stehen Ihnen hilfsbereite Menschen vom Familienentlastenden Dienst zur Seite. "Beim ersten Mal habe ich mich noch schwer getan, die Verantwortung für mein Kind abzugeben und mich während dieser Zeit wirklich zu entspannen." Doch üben Sie sich darin - vielleicht anfangs nur mal für eine Stunde. Nehmen Sie sich genug Zeit, um Ihren Helfern im Vorfeld in Ruhe alles erklären zu können, was es bei Ihrem Kind zu beachten gibt. Je besser der „Babysitter“ Bescheid weiß, desto beruhigter können Sie Ihre FREIzeit genießen. Und damit tun Sie insbesondere sich selber etwas Gutes, aber auch Ihrer Familie. Denn auf lange Sicht werden Sie die vielfältigen Anforderungen nur schaffen, wenn Sie sich zwischendurch und immer wieder auch Zeit für sich selber gönnen und abschalten können.

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Sonderbrief

für Familien mit behindertem Kind

Der Bürokratismus macht auch vor Ihnen nicht Halt

Leistungen und Unterstützungen

"In vielen Momenten grübelten wir schon über die Ungerechtigkeit der Welt, wenn wir - schon vom Schicksal betroffen mit einem behinderten Kind - dann auch noch der oftmals ablehnenden Weise von anderen entgegentreten musste. So viel Energie, die wir lieber in die Pflege unseres Kindes gesteckt hätten!

Anspruch haben Sie auf Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, wenn Ihr Kind aufgrund einer Behinderung pflegebedürftig ist und Sie es pflegen. Für die Begutachtung und somit auch Einstufung - Pflegestufe I, II oder III - ist der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) zuständig. Wichtig ist hierbei, in welchem Umfang Ihr Kind im Verhältnis zu gleichaltrigen gesunden Kindern pflegebedürftig ist. Sinnvoll ist es, vor der Begutachtung durch den MDK ein bis zwei Wochen lang ein Pflegetagebuch zu führen, damit der tatsächliche Hilfebedarf besser dargestellt und die MDK-Begutachtung nicht nur eine Momentaufnahme ist.

Nicht selten gab es auf unsere Anträge ablehnende Bescheide, gegen die wir erst Widerspruch einlegen musste, um letztendlich doch an unser Ziel zu gelangen." Formulare, Gutachten, Anträge – es kommt einiges auf Sie zu. Am besten legen Sie sich von Anfang an einen Ordner mit allen Arztberichten, Untersuchungsergebnissen, Therapien etc. an. Bitten Sie die betreuenden Ärzte bei jeder Untersuchung um eine Kopie des Arztberichtes und die Therapeuten um schriftliche Zwischenberichte. Und vergessen Sie nicht, von allen Anträgen, Formularen und Schreiben an Ämter, Kassen und Behörden Kopien für sich anzufertigen. Eine Ablehnung bedeutet nicht zwangsläufig, dass Sie die angeforderte Leistung nicht erhalten - denn Sie können und sollten in diesem Fall Widerspruch einlegen. Durch den Austausch mit anderen Familien behinderter Kinder werden Sie viele hilfreiche Tipps und Informationen erhalten. S-60 S-44

Einen Schwerbehindertenausweis können Sie beim Versorgungsamt beantragen. Dieser dient dem Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft, des Grades der Behinderung (GdB) und weiterer gesundheitlicher Merkmale. Der Gesundheitszustand Ihres Kindes wird in größeren Zeitabständen erneut begutachtet und entsprechend werden Grad der Behinderung und Merkzeichen angepasst. Die zusätzlichen sogenannten Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis sind:

- G = Erhebliche Gehbehinderung - aG = Außergewöhnliche Gehbehinderung - B = Notwendigkeit ständiger Begleitung - H = Hilflosigkeit - Bl = Blind - Gl = Gehörlos - RF = Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht Sie können je nach Grad der Behinderung auch eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr beantragen, die KFZ-Steuer-Befreiung oder einen steuermindernden Pauschbetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs beim Finanzamt beantragen. Auch die Eintrittspreise vieler Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen sind ermäßigt für Behinderte und deren Begleitpersonen – sofern ein B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) im Behindertenausweis eingetragen ist. In München gibt es für jede der 13 Sozialregionen ein Sozialbürgerhaus, in denen Ihnen Leistungen im Bereich Arbeit, Soziales, Wohnen, wirtschaftliche Jugendhilfe, sozialpädagogischen Hilfen wohnortsnah angeboten werden. Die erste Anlaufstelle ist die Bezirkssozialarbeit in den jeweiligen Sozialbürgerhäusern. Diese stellt Ihren Hilfebedarf fest S-61

Sonderbrief

für Familien mit behindertem Kind Erfahrungsaustausch relativiert die eigene Lebenslage

und ist im Stadtteil mit anderen Institutionen vernetzt. So können Sie je nach Ihrem persönlichen Bedarf Leistungen erhalten in den Bereichen - Soziales / wirtschaftliche Hilfen - Hilfen nach SGB XII Kap 3-9 - Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Hilfe zur Gesundheit und Hilfe zur Pflege - Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und - Hilfe in anderen Lebenslagen Die Leitung der Sozialbürgerhäuser erreichen Sie telefonisch unter Tel.: 089-233-22616 oder im Internet: www.muenchen.de/Rathaus Die Landeshauptstadt München bietet über das Referat für Gesundheit und Umwelt eine gesundheitliche Beratung und Anleitung durch eine Kinderkrankenschwester an. Sie können dieses Angebot während der gesamten ersten drei Lebensjahre Ihres Kindes kostenlos und ohne Krankenversicherungskarte zuhause oder telefonisch in Anspruch nehmen: Landeshauptstadt München

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Referat für Gesundheit und Umwelt Abteilung Gesundheitsvorsorge, Frühkindliche Gesundheitsförderung, Bayerstraße 28 a, 80335 München Tel.: 089 - 233 -479 11 Fax: 089 - 233 - 479 03 Montag - Freitag 8.00 - 11.00 Uhr, www.muenchen.de Regsam - Regionalisierung sozialer Arbeit in München - Informationen über das Vernetzungssystem aller sozialer, gesundheitlicher und schulischer Dienstleistung finden Sie im Internet unter: www.muenchen.de Als überörtlicher Sozialhilfeträger ist der Bezirk Oberbayern zuständig für Hilfeleistungen in besonderen Lebenslagen. Während die Kommunen und Landkreise hauptsächlich für die so genannte "Hilfe zum Lebensunterhalt" zuständig sind, ist der Bezirk insbesondere für die "Hilfe zur Pflege" sowie für die "Eingliederungshilfe" für Menschen mit Behinderung zuständig. Bezirk Oberbayern Prinzregentenstr. 14 80538 München Tel.:089 – 21 98 01

"Warum gerade unser Kind? Alle anderen haben doch auch gesunde Kinder!" Fragen und Gedanken, die immer wieder aufsteigen und einen sehr beschäftigen, ja sogar frustrieren können. Nachdem sich die meisten in der ersten Zeit nach der Diagnose erst mal sehr zurückziehen, ist es umso wichtiger, andere Familien mit behindertem Kind kennenzulernen. "Für uns Eltern ist die Entwicklung unseres behinderten Kindes keine Selbstverständlichkeit. In den vielen, oftmals auch nur kleinen Entwicklungsschritten unseres behinderten Kindes stecken Kraft, Tränen, Geduld, Nerven, Überwindung, Gelassenheit und immer wieder auch viel Freude, Glück und Liebe von uns Eltern und unseren Kindern. Trotz der Mehrfachbelastung durch Kinder, Behinderung, Haushalt, vielleicht auch Beruf und des erschwerten Lebens in Familie und Gesellschaft versuchen wir, uns nicht unterkriegen zu lassen!

können. Das einprägendste Erlebnis war vor einigen Jahren die Beerdigung der 13jährigen behinderten Tochter von Bekannten. Was erlauben wir uns denn, herum zu jammern: Unsere Tochter lebt! Es entstanden auch Freundschaften mit anderen betroffenen Familien. Denn wir verstehen einander, wissen, was es heißt, ein besonderes Kind zu haben. Wir schenken uns gegenseitig Mut und Lebenskraft, wenn einem von uns gerade mal wieder die Puste ausgeht."

In Gesprächen über die Erfahrungen und auch die Gefühle anderer Eltern lernten wir, unsere eigene Lebenssituation zu akzeptieren und oftmals auch zu relativieren: Andere Eltern haben das auch geschafft, wir sind nicht die Einzigen, denen ein solches Schicksal widerfährt. Und oftmals erschien uns deren Situationen – sei es aufgrund der Behinderung oder der familiären Zusammenhänge – noch viel schlimmer als unsere eigene. So entstand manchmal sogar aus unserem Kummer eine Art Dankbarkeit, es hätte uns ja noch schlimmer treffen S-63

Sonderbrief

für Familien mit behindertem Kind

Geschwisterkinder brauchen Aufmerksamkeit Vielleicht haben Sie nicht nur das eine behinderte Kind, sondern auch noch gesunde Kinder. Dann kennen Sie den täglichen Spagat, Bedürfnissen und Interessen aller Ihrer Kinder gerecht werden zu wollen. Viele Kinder mit Behinderungen wachsen heute erfreulicherweise mit Geschwistern auf, erleben dadurch von klein auf bereits die Integration in der Familie. Aus Elternsicht und Sicht der behinderten Kinder ein unschätzbarer Vorteil! Doch es ist eben auch wichtig, unseren nicht behinderten Kindern genügend Aufmerksamkeit und Zeit zu widmen, sie weder zu überfordern, noch über zu behüten. Dann haben Geschwisterkinder gute Chancen auf eine eigenständige Entwicklung. Je selbstsicherer und unabhängiger die Geschwister sind, desto besser können sie ihr behindertes Geschwister akzeptieren. Und sie können das Zusammenleben mit einem behinderten Menschen als persönliche Chance für die eigene Entwicklung nutzen. Bewährt haben sich eigene Angebote für Geschwisterkinder, bei denen sie sich untereinander austauschen können. Bei diesen Geschwisterkinder-Angeboten lernen die Kinder, wie sie sich zum Beispiel gegen Hänseleien wegen ihres behinderten Bruders wehren können. Oder sie erfahren, dass man auch mit einer behinderten Schwester streiten darf. Jedem Menschen geht es besser, wenn er merkt, dass er von anderen verstanden wird! Vergessen Sie als Eltern S-64

Auch Ihre Gesundheit ist wichtig nicht, dass es Kinder sind und dass Sie ihnen nicht zu viel an Hilfe und Verständnis für ihr behindertes Geschwister abfordern dürfen. Weiterführende Informationen erhalten Sie im Internet unter: - www.stmas.bayern.de/behinderte/ kinder/geschwister.htm - Arbeitskreis Geschwisterkinder, Bayern (AK Geki), c/o Eberhard Grünzinger, Dipl. Sozialpädagoge, systemischer Supervisor, Beratungs- stelle des Sozialverbands VdK Bayern, Schellingstraße 31, 80799 München, Tel: 089/ 2117-244, E-Mail: [email protected], www.geschwister-behinderter-kinder.de - Bildungs- und Erholungsstätte Langau e.V., 86989 Steingaden, Tel.: (08862) 91 02-0, www.langau.de Erschrecken Sie nicht, wenn das gesunde Kind plötzlich sein behindertes Geschwister nachahmt. Vielleicht probiert es nur aus, wie man sich als Mittelpunkt der Familie fühlt. Denn es hat die Erfahrung bei seinem behinderten Geschwister gemacht: So schenken die Eltern einem ihre Aufmerksamkeit! Loben Sie Ihr gesundes Kind, wenn es sich einfach „normal“ benimmt! Oft hilft es auch, wenn Sie etwas Besonderes für das gesunde Kind planen, sich mal nur Zeit zu zweit nehmen: „Morgen gehe ich nur mit dir ganz allein zum Eis essen.“ Währenddessen kann sich Ihr Partner oder Ihre Partnerin intensiv um Ihr behindertes Kind kümmern.

Kinder glauben recht lange an Magie. Vielleicht entwickelt Ihr gesundes Kind Schuldgefühle, weil es gar kein Geschwister mehr haben wollte oder fürchterlich mit dem Geschwister gestritten hat – und dieses deswegen nun behindert sei. Nehmen Sie sich bei all dem Alltagsstress Zeit für Ihr gesundes Kind und trösten Sie es liebevoll. Reden Sie mit ihm, dass es nicht schuld an den Problemen des Geschwisters ist. Kinder haben ein starkes Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Umso mehr leiden sie, dass es im Leben oft so ungerecht zugeht. Warum gibt es böse, unfreundliche Menschen auf der Welt – auch noch reich und gesund – während die geliebte Schwester krank oder behindert ist. Ein behindertes Kind bringt viele Belastungen für die Familie. Manche Auswirkungen können aber auch hilfreich sein. Die Übernahme von Verantwortung, häufige Rücksichtnahme, die täglich erforderliche Mithilfe können aus Geschwistern besonders kompetente, lebenstüchtige, selbstbewusste Menschen machen. Denn sie wissen, dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist – und ihre Unterstützung für das schwächere Geschwister wichtig ist!

"Wir mussten lernen, mit unserer behinderten Tochter unsere Familien-Zeit und unsere Kräfte neu einzuteilen, vieles Unwichtige auch einfach fallen zu lassen. Schon lange regen wir uns nicht mehr über jeden Kleinkram auf, sondern versuchen vielmehr, uns in Gelassenheit und Humor zu üben – das macht unser Leben etwas leichter!" Doch Gelassenheit allein hilft nicht, denn Eltern behinderter Kinder müssen einfach erhöhte Betreuungs- und Pflegeleistungen erbringen. Das verstärkt oft die üblichen Familien- und Partnerschaftsprobleme und führt so schnell zu Erschöpfungssyndromen mit seelischen und körperlichen Beschwerden. Vergessen Sie darum bei allem Alltagsstress sich selbst nicht! Dank Familienentlastender Dienste oder anderer sozialer Einrichtungen können Sie Hilfe bekommen. Es ist wichtig für Sie, im Freundeskreis, im Sportverein oder auch beim Stadtbummel Lebensfreude zu tanken. Wenn Sie Energie und Optimismus ausstrahlen, wird es auch Ihren Kindern leichter fallen, mit der Familiensituation umzugehen. Auch eine Familien- oder Mutter-KindKur kann Ihnen gemeinsam mit Ihrem Kind eine wohltuende Erholungspause verschaffen. Anspruch auf eine Kur hat man alle vier Jahre, sofern medizinisch notwendig – was natürlich im Fall eines behinderten Kindes entsprechend begründbar ist. In Einzelfällen ist auch eine weitere Kur vor Ablauf der vier Jahre möglich. Sprechen Sie mit Ihrem S-65

Sonderbrief Haus- oder Kinderarzt darüber und erkundigen Sie sich – nicht nur bei Ihrer Krankenkasse sondern auch bei anderen betroffenen Eltern. Wenn Sie krank sind, haben Sie Anspruch auf eine Haushaltshilfe, die von der Krankenkasse bezahlt wird. Denn jedes Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse kann Haushaltshilfe beantragen, wenn es wegen Krankenhausoder Kuraufenthalts, Schwangerschaft und Entbindung nicht imstande ist, seinen Haushalt weiterzuführen. Antragsberechtigt sind also auch Alleinerziehende und “Hausmänner”. Voraussetzung ist ein im Haushalt lebendes Kind unter zwölf Jahren oder ein behindertes Kind (keine Altersbegrenzung). Die Haushaltshilfe können Sie telefonisch oder schriftlich bei der Krankenkasse beantragen. Die Krankenkasse genehmigt zwar die Haushaltshilfe - und rechnet die Kosten dann auch mit dem Pflegedienst direkt ab - , aber nicht jede Kasse besorgt Ihnen eine Haushaltshilfe. In solchen Fällen müssen Sie selber mit sozialen Diensten wie Sozialstationen, Haus- und Familienpflegestationen oder Nachbarschaftshilfen Kontakt aufnehmen. Oder fragen Sie den Sachbearbeiter der Krankenkasse nach geeigneten Adressen! Noch besser ist es, wenn Sie sich im Vorfeld schon nach den entsprechenden Möglichkeiten erkundigen, dann sparen Sie sich die Suche, wenn Sie krank sind. "Wie froh waren wir, wenn mich mal wieder eine Grippe oder ähnliches richtig erwischt hatte, aber mein Mann zur Arbeit musste und zu meiner Unterstützung eine Haushaltshilfe zu uns kam. Die Küche, in der meine drei kleinen Kinder S-66

zuvor unbeaufsichtigt eine wahre Topf& Tellerschlacht veranstaltet hatten, sah wieder tip-top aus, der Kühlschrank war gefüllt, ein leckeres Essen stand auf dem Tisch oder wurde mir sogar ans Bett serviert. Und selbst die mittlerweile ins Unermessliche angestiegenen Wäscheberge waren gewaschen, gebügelt und in die Schränke sortiert. Selbst die Zeit, um noch mit den Kindern zu spielen, blieb der Haushaltshilfe. So konnte ich mich auf meine Genesung konzentrieren, mich auch tagsüber einfach mal gesundschlafen ohne ein permanentes „Mama, wie macht man das?“ zu hören und kam schnell wieder auf die Füße. Niemals gab es Berührungsängste mit unserer behinderten Tochter - diese erfahrenen Haushaltshilfen sind einfach Gold wert!" Und damit Sie gar nicht erst krank werden, gönnen Sie sich auch in den Schulferien freie Zeit, um zur Ruhe zu kommen und wieder Kräfte zu sammeln: Das Stadtjugendamt München engagiert sich seit Jahren in vielfältiger Weise. Es bietet Ferienprogramme für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen an. Informationen und Beratung erhalten Sie bei der Integrationsstelle, Landeshauptstadt München, Stadtjugendamt, Ferienangebote. Wir hoffen, Ihnen mit diesem Brief einige weiterführende Informationen vermittelt zu haben und Sie ein wenig in Ihrer schwierigen Situation unterstützen zu können. Für Ihren gemeinsamen FamilienLebensweg wünschen wir Ihnen viel Mut und Kraft, aber ebenso auch eine Menge Geduld.

für Familien mit behindertem Kind Adressenverzeichnis:

Landeshauptstadt München Münchener Sozialbürgerhäuser www.muenchen.de/Rathaus Leitung der 13 Münchener Sozialbürgerhäuser: Tel: 089-233-22616 Referat für Gesundheit und Umwelt, Abteilung Gesundheitsvorsorge, Frühkindliche Gesundheitsförderung Bayerstraße 28 a 80335 München Tel.: 089 - 233 - 479 11 Fax: 089 - 233 - 479 03 www.muenchen.de Gemeinsam Leben e.V.Familienentlastung Nymphenburger Str. 147 80634 München Tel.: 089 - 12 39 90 50 Fax: 089 - 12 39 90 58 www.gll-muenchen.de Spielratz e.V. - integrative Ferienaktionen Auerfeldstr. 27 81541 München Tel.: 089 - 48 48 98 Fax: 089 - 448 74 39 www.spielratz.org Landeshauptstadt München, Sozialreferat, Stadtjugendamt Integrationsstelle / Ferienangebote Luitpoldstr. 3 80335 München Tel.: 089-233 - 497 62

BIB e.V. – Verein zur Betreuung und Integration behinderter Kinder und Jugendlicher Seeriederstr. 25 81675 München Tel.: 089 - 3 16 50 08 Fax: 089 - 3 16 54 47 www.bib-ev.org/index.html Ambulanter familienentlastender Dienst und Freizeitmaßnahmen für Familien mit geistig behinderten Kindern und Erwachsenen Lebenshilfe für geistig Behinderte e.V. St.-Quirin-Straße 13 a 81549 München Tel.: 089 - 693 47-130 Fax: 089 - 693 47-132 Dienst der offenen Behindertenarbeit Offene Behindertenarbeit im Evang.Luth. Dekanatsbezirk München Blutenburgstraße 71 80636 München Tel.: 089 -126 611-61 Fax: 089 -126 611-59 allfa beta Petra Nold Kontakt_Netz für allein erziehende Frauen mit Kindern mit Behinderung Sedanstraße 37 81667 München Telefon: 089 - 62 28 62 87 Fax: 089 - 45 80 25 13 E-Mail: [email protected] www.allfa-m.de/allfa_beta.htm

Ihr Stadtjugendamt

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Sonderbrief - für Familien mit behindertem Kind

Arbeitskreis Geschwisterkinder, Bayern (AK Geki) c/o Eberhard Grünzinger Beratungsstelle des Sozialverbands VdK Bayern Schellingstraße 31 80799 München Tel: 089 - 2117-244 E-Mail: [email protected] www.geschwister-behinderter-kinder.de Bildungs- und Erholungsstätte Langau e.V. 86989 Steingaden Tel.: 08862 - 91 02-0 www.langau.de

Die deutsche Liga für das Kind bundesweit tätiges, interdisziplinäres Netzwerk zahlreicher Verbände und Organisationen aus dem Bereich der frühen Kindheit (0-6 Jahre) www.dksb.de Deutscher Kinderschutzbund www.behindertenbeauftragte.bayern.de Behindertenbeauftragte der Staatsregierung www.stmas.bayern.de/fibel/index.htm Sozialfibel, Lexikon über soziale Leistungen und Rechte

www.intakt.info Internetplattform für Eltern von Kindern mit Behinderung – inkl. Chat www.familienratgeber.de Für Familien, die von Behinderung betroffen sind www.kindernetzwerk.de für Familien mit von Behinderung betroffenen Kindern www.elternimnetz.de Internetportal für Eltern / Familien www.kid.de Forum zu Information und Austausch für Familien www.bambeki.eu Bayerns Alleinerziehende Mütter behinderter Kinder www.liga-kind.de

Impressum: Verantwortlich: Landeshauptstadt München Sozialreferat, Stadtjugendamt Text: Frauke Rösl Zitate: Von betroffenen Eltern Gestaltung: www. kunst-oder-reklame.de Illustrationen: Jonas Distel Fotos: Von münchner Eltern zur Verfügung gestellt. © 2016 Landeshauptstadt München, Abdruck nur mit schriftlicher Genehmigung.

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