Sechs Thesen zur Fusionswelle im Bankenbereich

Finanzwirtschaft Sechs Thesen zur Fusionswelle im Bankenbereich Theodor Weimer / Cornel Wißkirchen Eine Fusion ist kein Ersatz für eine saubere und ...
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Sechs Thesen zur Fusionswelle im Bankenbereich Theodor Weimer / Cornel Wißkirchen

Eine Fusion ist kein Ersatz für eine saubere und klare Strategie und schon gar nicht e i n Ve h i k e l , d i e L ö s u n g e n v o n Problemen im eigenen Haus zu umgehen. Aus der Kombination v o n z w e i S c h w äc h e n e n t s t e h t n o c h l ä n g s t k e i n S t a r k e r, u n d eine kleine Infusion reicht für den Turnaround eines Großen nicht aus. Andererseits steht außer Frage, dass Fusionen gänzlich neue strategische Optionen eröffnen können. Die Gestaltung der Wettbewerbsarena zählt zur höchsten unternehmerischen Kunst. Vo r a u s s e t z u n g i s t a l l e r d i n g s , dass auch zusammenwächst, was formal zusammen ist.

Die Fusionswelle ist zur Flut angeschwollen, und manch einer hat nicht ganz zu Unrecht die Sorge, dass es eine Sturmflut für alle Beteiligten werden könnte. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Der Wert angekündigter Fusionen war allein in den ersten sieben Monaten 1999 in Europa doppelt so hoch wie der Wert realisierter Fusionen des Vorjahrs. Sieht man von dem Ausnahmejahr 1998 (Travelers / Citicorp Deal) ab, so ist auch in den USA für das Gesamtjahr ein (moderates) Wachstum zu erwarten.!(1) Sowohl die Anzahl der Deals als auch die durchschnittlichen Transaktionsvolumina sind – wieder abgesehen von den USA – steigend. Tendenz: Nichts scheint unmöglich. These 1: Die Banken sind Fusionsvorreiter Die Finanzdienstleistungsbranche ist der aggressivste Fusionsprotagonist. Die deutsche Bankenlandschaft ist massiv in Bewegung geraten: Im September 1998 fusionierten Hypo-Bank und Vereinsbank zum zweitgrößten Bankkonzern in Deutschland. Vor einigen Monaten gingen Deutsche Bank und Bankers Trust zusammen. Es entstand die weltweit nach Bilanzsumme größte Bank mit etwa 1.300 Mrd. DM Bilanzsumme. Da nimmt sich die zwischenzeitlich erfolgte Zusammenführung von Südwest LB, Landesgirokasse und L-Bank zur Landesbank Baden –Württemberg vergleichsweise bescheiden aus.

Dabei fällt es auf, dass auch die tradierte deutsche Sektorengliederung aufbricht: In Sachsen wird eine Sparkassenholding unter Einschluss der Landesbank betrieben, es gibt Übernahmeangebote von Geschäftsbanken an Sparkassen, und Genossenschaftsbanken sind umtriebig und werden beäugt. Sogar Dresdner und Deutsche Bank haben über eine Fusion nachgedacht, auch wenn es nicht zu einer Zusammenlegung gekommen ist. Nichts ist wie es früher einmal war. In Europa haben die Fusionen von UBS und SBC, von Bank Austria und Creditanstalt, von Unicredito und Credito Italiano, die Übernahme der Générale de Banque durch Fortis sowie die Übernahmeschlacht von BNP, SG und Paribas Furore gemacht. In USA dreht sich das Fusions- und Übernahmekarussell schnell und schneller. Vorgestern (also 1996) fusionierten noch Chase mit Chemical oder auch Wells Fargo mit First Interstate, gestern (1997) Morgan Stanley mit Dean Witter, Salomon Brothers mit Travelers sowie Nations Bank mit Barnett und 1998 Citicorp mit Travelers, 1. M&A-Transaktionen im Banken> 0,5 Mrd.USD-Volumen in Mrd.USD

1993 1994 1995 1996 1997 1998 * per 30.9.

Europa

USA

übrige

3 7 26 14 76 73

12 9 55 35 120 284

1 2 29 7 4 30

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Nations Bank mit Bank America, Wells Fargo mit Norwest Corp. oder Bank One mit First Chicago. Die Tendenz ist klar: Die US-Banken entwickeln sich von lokalen zu superregionalen und vereinzelt zu nationalen oder auch globalen Spielern. These 2: Die Fusionswelle steht erst am Anfang Die Fusionswelle im Bankenbereich steht – auch oder gerade auch in Deutschland – erst am Anfang. Es gibt objektive Handlungszwänge zur Konsolidierung. Kreditinstitute sehen sich in vielfacher Hinsicht wachsenden Mindestanforderungen hinsichtlich Größe, Produktpalette, geographischer Präsenz und Professionalität gegenüber. Ständig steigende Investitionserfordernisse im IT-Bereich setzen kleinere Unternehmen zunehmend unter Druck. Einige der zukunftsträchtigen Geschäftsfelder, wie etwa Asset Management, besitzen (zumindest theoretisch) fast unbegrenzten Leverage. Zudem wird die in der Vergangenheit übliche Kreuzsubvention zwischen einzelnen Geschäftsfeldern auf Grund von Cherry-Picking-Attacken fokussierter Wettbewerber und selektivem Kaufverhalten der Kunden immer schwieriger und verlangt strukturelle Anpassung. In Deutschland stehen alle Bankengruppen (Großbanken, Regionalbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken) – wenngleich auch unterschiedlich motiviert – unter Strukturveränderungsdruck. Es hat sich eine regelrechte “Überlebenskampfstimmung” um Privat-, Firmenkunden- und InvestmentBanking-Reviere breit gemacht. Positiv ausgedrückt: Seit Jahren vorhandene Handlungszwänge werden nun aufgegriffen. Die Fusionswelle ist zur Flut Über die letzten Jahre ist der Konzentrationsgrad im Bankensektor in vielen Ländern zwar angestiegen, bleibt aber in wesentlichen Kernmärkten – wie USA, Deutschland, Italien oder auch Japan – immer noch vergleichsweise niedrig.

Zudem ist der Konzentrationsgrad oft gerade in kleineren Märkten hoch (z.B. Benelux oder auch Schweden), so dass in diesen Märkten auf Grund geringer absoluter Größe der Institute wahrscheinlich grenzüberschreitende Konsolidierung ansteht. Eigendynamik und Signalwirkung einzelner Fusionen sind beachtlich und erzeugen subjektive Handlungszwänge in den Vorstandsetagen. Da mit jeder durchgeführten Fusion die Lösungsräume (d.h. die Anzahl verbleibender Alternativen) kleiner werden, erhöht sich der Druck für alle Beteiligten zusätzlich. Vom Strukturaspekt unabhängig werden Fusionen auch hin und wieder instrumentalisiert. Fusionen bieten die elegante Chance zum Trennen von unternehmerisch Überholtem, aber auch zum Verdecken von Problemen. Durch Fusionen gewinnt man kurzfristig Zeit. Nicht verschwiegen werden soll – worüber ohnehin alle reden -, dass Fusionen auch dem Ausleben individueller Machtansprüche dienen. Fusionen eröffnen zudem gerade im öffentlich-rechtlichen Bereich für Politiker Möglichkeiten zur Strukturpolitik.

These 3: Bei Bankenfusionen ist die Erfolgsrate gering, und der Markt hat dies mittlerweile realisiert. Die wissenschaftliche Literatur gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Erfolg von Fusionen, die Ergebnisse zahlreicher Studien sind widersprüchlich. Wir haben bei Bain & Company versucht, die Wertschöpfung von Fusionen auf drei Aggregationsebenen zu beleuchten: nationale, regionale und Einzeltransaktionsperspektive. Auf der Ebene nationaler Märkte ist das Ergebnis zunächst ernüchternd. Eine Korrelation von Marktkonzentration und durchschnittlicher EK-Rentabilität der Top 10 lässt sich – insbesondere bei Bereinigung um Nominaleffekte durch unterschiedliche Zinsniveaus in den jeweiligen Ländern – nicht nachweisen !(2). Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man den relevanten geographischen Markt enger fasst und auf regionale Wirtschaftsräume abstellt. So korreliert z. B. für die USA der durchschnittliche Marktanteil in den für das jeweilige Einzelinstitut relevanten Regionalmärkten positiv mit der Rentabilität im Einlagengeschäft !(3).

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Um die Streubreite von Fusionsergebnissen auf Transaktionsebene besser zu verstehen und mögliche Erfolgsmuster zu identifizieren, hat Bain & Company weltweit 50 der wichtigsten Mergers der vergangenen Jahre im Bankenbereich detailliert und quantitativ untersucht. Im ausgewählten Sample sind alle wesentlichen Regionalmärkte und Fusionstypen vertreten. Separat betrachtet wurden etwa 30 “reife” Deals, die vor dem 1. Januar 1998 angekündigt wurden, und jüngere Deals. Ergebnis: Von den “reifen” Deals sind etwa ein Viertel als wahrscheinliche Misserfolge zu klassifizieren und die Hälfte zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen, so daß die empirische Erfolgsquote bei Bankenfusionen nur bei einem Viertel liegt. Kriterien waren hier insbesondere die relative Aktienperformance gegenüber dem jeweiligen nationalen Sektordurchschnitt in mehreren Betrachtungsintervallen, sowie die absolute Entwicklung von Erträgen und Cost Income Ratio. Klassifiziert man die “reifen” Deals nach der Art der Fusion, so stellt man fest, dass knapp zwei Drittel aller Merger nationale Konsolidierung zum Gegenstand hatten. Nur jede fünfte Fusion war grenzüberschreitend, und ein weiteres Fünftel diente der Diversifizierung. Nachdenklich stimmt die Tatsache, dass bei den bis Ende 1997 angekündigten Fusionen kein einziger Fall als wahrscheinlicher Erfolg klassifiziert werden kann, bei dem eine Diversifizierung im Vordergrund stand !(4). Für die “jüngeren” Fusionen, die erst ab 1. Januar 1998 angekündigt wurden, ist offenkundig eine Erfolgsbeurteilung verfrüht. Allerdings läßt sich hier an der relativen Aktienperformance seit Fusionsbekanntgabe (wiederum gegenüber dem jeweiligen nationalen Sektordurchschnitt) die Marktreaktion beurteilen !(5). Offensichtlich ist die Marktskepsis gegenüber Fusionen mittlerweile erheblich gewachsen. Zwei Drittel der “jüngeren” Deals werden bislang neutral oder negativ bewertet. Dies steht in merklichem Kontrast zur weitgehend unkritischen Euphorie, die noch im letzten Jahr zu verzeichnen war.

These 4: Die inhaltliche Due Diligence im Vorfeld von Fusionen wird oft zu lax gehandhabt Eine qualitative Analyse der betrachteten 50 Fusionen zeigt zunächst, dass in der Euphorie der Transaktionsdynamik die “inhaltliche Due Diligence” nicht sorgfältig genug erfolgt. Das Fundament einer erfolgreichen Fusion – das strategische Rational – ist nicht bei jedem Merger überzeugend, die Übersetzung der Transaktion in konkrete Kundennutzen nicht immer einfach. Viele Zusammenschlüsse erklären sich aus unreflektiertem Nachvollzug des offensichtlichen Industriekonsenses “Big is good and merging the superior way to grow” oder basieren zu sehr auf politischem Kalkül. Die Basishebel für ein valides strategisches Rational sind bekannt und werden gerne und häufig zitiert: Fusionen machen – so das betriebswirtschaftliche Einmaleins – dann Sinn, wenn geschäftssystembezogene Vorteile aus Scale-, Scope- oder Skill-Effekten die Nachteile – etwa in Form von Integrationskosten, kulturellen Spannungen, steigender Managementkomplexität oder drohender Innenorientierung in der Übergangsphase - überwiegen. Hinzu kommen gegebenenfalls positive Effekte steigender Marktmacht, die nicht notwendigerweise mit wettbewerbsfeindlichem Verhalten gleichzusetzen sind.

■ Scale-Effekte: Bei zwei Dritteln der Transaktionen stehen Skaleneffekte im Vordergrund wie z.B. die Erzielung von Kostendegressionseffekten, die Bereinigung von Kostenüberlappungen (etwa im Infrastruktur-, insbesondere Zweigstellenbereich), die Gewährleistung kritischer Masse in umkämpften Geschäftsfeldern, die Sicherstellung langfristiger Investitionsfähigkeit, etwa im IT-Bereich, oder auch die Ermöglichung optimierter Kapitalstrukturen. Sie stellen in den meisten Fällen die einzigen “harten” Synergien dar und sind von zentraler Bedeutung, um abzuschätzen, ob die Integrationskosten und Akquisitionsprämien gerechtfertigt sind. Nicht selten jedoch erlebt das Management unangenehme Überraschungen, wenn sich etwa die Quote dualer (von beiden Partnern im Vorfeld betreuter) Kunden, die ein wesentlicher Synergietreiber im Vertrieb ist, sich als ein mehrfaches überschätzt herausstellt. Andererseits wird ein erheblicher Teil der Effizienzpotentiale nur aus politischen Gründen unter “Fusionseffekte” verbucht, obwohl sie auch auf Einzelinstitutsebene realisierbar gewesen wären. ■ 5cope-Effekte werden ebenfalls häufig als Synergiequelle bemüht, sowohl im Bezug auf eine Erweiterung des Produktportfolios als auch der geographischen Abdeckung. Wichtig dabei sind Schlagworte wie One Stop Shopping, Cross Selling und Global Coverage. Teilweise werden auch Risikodiversifikationsaspekte angeführt.

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Scope-Effekte sind vom Charakter her eher “weich”. Allerdings stehen sie im Vordergrund einiger der spektakulärsten Transaktionen, etwa des Travelers/CiticorpDeals. ■ Skill-Effekte im Rahmen einer Fusion können einerseits durch die schlichte Vergrößerung der Know-how-Basis bedingt sein, etwa indem bankweit fallbezogen die jeweilige “best practice” der beteiligten Partner implementiert wird. Andererseits kann der “Paketkauf” eines ganzen Unternehmens die einzige (oder kostengünstigste) Möglichkeit sein, Zugang zu knappen Ressourcen, einem etablierten Kundenstamm oder einer funktionierenden Infrastruktur zu gewinnen.

■ Marktmacht- Effekte: Fusionen haben noch weitere, nicht direkt geschäftssystembezogene Effekte. Marktführerschaft ist im Wesentlichen ein Sekundäreffekt aus den zuvor beschriebenen Effekten. Eine Fusion ermöglicht hier ein Überholen der Konkurrenz bei gleichzeitiger Reduzierung der Wettbewerberzahl. Ein Merger kann aber auch rein defensiv motiviert sein. Sei es, dass es um “Flucht in Größe” geht, um einer Übernahmedrohung zu entgehen, oder dass man dem akquisitionsbasierten Markteintritt eines neuen Wettbewerbers zuvorkommen will.

Diese, eigentlich sauber auseinander zu haltenden Effekte, werden meist in ein summarisches “Synenergiepotential” übersetzt, das typischerweise sehr top-down (grob) abgeschätzt worden ist These 5: Post Merger Managemant wird meist drastisch unterschätzt Ein zweiter häufig anzutreffender Managementfehler ist eine Unterschätzung der Integrationskomplexität. Die vollständige Zusammenführung zweier Banken gehört zu den anspruchsvollsten unternehmerischen Aufgaben überhaupt und entspricht einer “Operation am offenen Herzen”. Jede einzelne Entscheidung zur Gestaltung des Geschäftsystems muss readressiert werden, z.B. Organisationsstrukturen, Kundensegmentierungen, EDV-Plattformen, Bearbeitungs- und Entscheidungsprozesse oder auch Gehaltsysteme. Zudem ist eine Vielzahl kritischer – nur einmal auftretender – Übergangsprozesse zu steuern, etwa Entlassungen/ Hierarchieherabstufungen, Zweigstellenschließungen, Neuzuordnung und Überleitung von Kunden zu Betreuern, technische Datenmigration, Reorganisation oder Training. Schließlich wird der Wettbewerb just in dem Moment attackieren, wenn die Organisation in der größten Gefahr steht, sich nach innen zu fokussieren. Kulturelle Spannungen, Servicedefizite in der Übergangsphase, Manager die mit aufgeblähten Fusionszielen zu kämpfen haben, und schlechte Kommunikation schwächen das Auftreten am Markt. Man spricht nicht umsonst von einer “Fusionsdelle des Geschäfts”. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Begeisterung vom “Getting married” über “The morning after” bis hin zum “Living together” zum Teil dramatisch sinkt.

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These 6: Die Integrationskomplexität ist beherrschbar Professionalität im Fusions- und Integratonsmanagement wird damit zur “kritischen Größe”. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Banken nicht nur mit der operativen Integration im engeren Sinne überfordert sind, sondern zwei ebenso wichtige Integrationsprozesse gar nicht adressieren. Ein professionelles Fusionsund Integrationsmanagement beinhaltet drei parallel anzugehende Stränge: “Get the merger done” (operative Bewältigung der Integration), “Protect the franchise” (Vermeidung Innenorientierung im Verlauf) und “Blueprint the future” (strategische Neuausrichtung – “Aus Kraft Stärke machen”) ! (6) ■ Get the merger done: Ein Erfolgsrezept für eine reibungslose Integration in wenigen Sätzen zu umreißen, ist unmöglich. An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, die wesentlichen Aufgabenfelder zu skizzieren und ein Gefühl für den ”typischen Ablauf” zu vermitteln. Die operative Bewältigung der Fusion lässt sich in vier Phasen untergliedern: Implementierungsplanung und –organisation, Design der neuen Bank, “Gleichrichtung” und Integration der Geschäftsbetriebe. Diese Phasen verlaufen zum Teil überlappend. Implementierungsplanung und – organisation: Der Erfolg der Fusion hängt entscheidend von einem sorgfältig durchgeplanten “Integrationsfahrplan” ab, der wesentliche Meilensteine und den kritischen Pfad definiert, und einer effektiven Projektorganisation. Bei der Ablaufplanung der Integration kommt dem juristischen Fusionszeitpunkt eine Schlüsselfrage zu, auch weil datenschutzrechtliche Gründe die Fusionsvorbereitungen vorher oft einschränken (man denke etwa an das Problem des Kundenabgleichs). Auf der Organisationsseite sind die Funktionen von Gesamtvorstand, Integrationsausschuss, zentralem Projektoffice, Geschäftsfeldteams und Querschnittsteams (z.B. für Personal, IT) festzulegen.

Erfolgreiche Fusionen kombinieren ein starkes zentrales Projektoffice mit maximalem Leverage über eigenverantwortliche Geschäftsfeldteams. Design der neuen Bank: In der Designphase muß die strategische Vision operationalisiert werden. Während zu diesem Zeitpunkt etwa die Geschäftsfelder der neuen Bank im Grundsatz entschieden sein dürften, stellen sich z. B. Fragen nach der genauen Kundengruppenabgrenzung, der Organisationsstruktur (z. B. Vertriebsorganisation), der Mitarbeiterausstattung, dem Abgleich von Produkten und Prozessen sowie den Eckpfeilern der künftigen IT-Plattform. In vielen Bereichen wird die Unterscheidung einer Übergangs- und einer Zielwelt erforderlich sein. Für das Management stellt die Designphase in dreifacher Hinsicht eine Herausforderung dar. Zunächst müssen die auf oberster Ebene festgelegten Synergieziele in konkrete Strukturen und Ressourcenausstattungen übersetzt werden. Zweitens ist ständig die Balance zu halten zwischen der Notwendigkeit, schnell wieder operative Stabilität zu gewinnen, und dem Anspruch, die Redesign-Gelegenheit zu nutzen. Schließlich ist es natürlich entscheidend, die Qualität der Vielzahl erforderlicher Entscheidungen zu sichern.

Gleichrichtung: Es ist regelmäßig sinnvoll, der eigentlichen Integration eine Phase vorzuschalten, in der die “Bewegungsphase” in beiden Partnerinstituten geklärt wird, insbesondere dann, wenn ein langer Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Fusionspläne und juristischem Vollzug liegt. Klassische Beispiele sind etwa eine abweichende Abgrenzung der Geschäftseinheiten oder ein modifizierter regionaler Zuschnitt des Vertriebs in der neuen Bank. Integration der Geschäftsbetriebe: Der Integrationsprozeß im eigentlichen Sinne beinhaltet eine Vielzahl paralleler, gleichermaßen kritischer Prozesse, deren Dauer und Abfolge stark abhängig von der konkret vorliegenden Situation ist. Im Zentrum stehen typischerweise der Personalauswahl- und Personalnominierungsprozeß, die Implemetierung der neuen Organisationsstruktur, die Integration der Infrastruktur mit den Schwerpunkten Zweigstellennetz und IT, die Zuordnung von Kunden auf Betreuer und gegebenenfalls die erforderliche betreuungsmäßige Überleitung, das Training der Mitarbeiter in neuen Abläufen, Produkten und Systemen sowie das Herunterbrechen der Synergieziele auf Organisationseinheiten. Die größte Herausforderung stellt die Beherrschung der Komplexität und vielfachen Abhängigkeiten dar.

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Viele Komplexitätstreiber werden im Zuge der Integration schlicht unterschätzt. Es darf nicht überraschen, dass in der Regel mindestens 30 bis 40 Prozent der Mitarbeiter im Zuge der Fusion eine Arbeitsplatzänderung (Wechsel, Funktionsanpassung etc.) durchlaufen. Verursacher sind hier vor allem Veränderungen des organisatorischen Zuschnitts, das “Ausdünnen” von Führungsebenen sowie die Konsolidierung der Betreuung “dualer” (mit beiden Altinstituten Geschäftsbeziehungen unterhaltender) Kunden. ■ Protect the franchise: Eine der Schlüsselherausforderungen für das Management ist es, die Erodierung des Geschäftes im Fusionsprozess zu vermeiden. Die Konkurrenz wartet nur darauf, vernachlässigte, unzufriedene bzw. verunsicherte (oder gar nicht erst angesprochene) Kunden und Mitarbeiter “einzusammeln”. Marktseitig ist es zentral, eine Innenorientierung der Organisation zu vermeiden, etwa über speziell aufgesetzte Vertriebsinitiativen. Die Auswirkungen der Fusion auf den Kunden, z.B. Kontonummeroder

Betreuerwechsel, müssen minimiert, nicht vermeidbare Eingriffe über Unterstützungsmaßnahmen abgefedert werden. Für den Erhalt der Mitarbeitermotivation und zur Verhinderung von Verunsicherung schließlich ist es von überragender Bedeutung, zeitnah und offen zu kommunizieren, in den unvermeidbaren Personalauswahlprozessen den Eindruck der Fairness zu erhalten und eine Balance zwischen Geschwindigkeit und (wahrgenommener) Sorgfalt des Prozesses zu finden. ■ Blueprint the future: In der operativen Hektik der Integration, die Stabilisierung oft vor Innovation und “Hundertprozentigkeit” stellen muss, darf die mittelfristig entscheidende Frage, wie das im Vorfeld der Transaktion (notwendigerweise) grob skizzierte strategische Rational in konkret umsetzbare Geschäftsfeldstrategien übersetzt wird, nicht vernachlässigt werden. Es gilt, “Kraft in Stärke umzuwandeln”.

Sämtliche Gestaltungshebel des Leistungversprechens der neuen Bank, wie Kundensegmentierung, Produktangebot oder Vetriebsorganisation, müssen hinterfragt werden. So könnte sich im Falle einer - - marktanteilserhöhenden Konsolidierung etwa die Frage stellen, ob der Vertrieb stärker segmentspezifisch ausdifferenziert werden kann, um eine, bei der bisherigen Kundendichte unrentable, Erhöhung der Betreuungsqualität zu erreichen. Zudem sind quantitative Fusionsziele (Eigenkapitalrentabilität, Kostenquoten, Personalabbau) mit Produktivitätstreibern zu verknüpfen (Personalproduktivität, Marktanteil). Ein in vollem Umfang integrierter Geschäftsbetrieb wird typischerweise erst lange nach dem juristischen Abschluss Realität. Das volle Potential der Fusion ist damit aber auch dann in der Regel nicht realisiert. Dies gilt erst, wenn die – typischerweise über Jahre einzufahrenden – Synergien tatsächlich realisiert wurden und operative Überganslösungen den angestrebten Zielprozessen gewichen sind.