Regelungstechnik: grundlegende Prinzipien und Methoden

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Author: Dorothea Siegel
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Skript Regelungstechnik

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Regelungstechnik: grundlegende Prinzipien und Methoden Inhaltsverzeichnis: siehe Beiblatt 2 I.

Einführung und Grundbegriffe der Regelungstechnik

1.1 Aufgabenstellung: gezielte Beeinflussung dynamischer Systeme Aufgabenstellung: Über us(t) soll y(t) trotz einwirkender Störungen z(t) ein gewünschtes Verhalten aufgeprägt werden (=Sollverhalten).

1.2 Lösungsmöglichkeiten: Steuerung und Regelung Fall I:

Störung sei bekannt, d.h. entweder vernachlässigbar (z~0) oder mit vertretbarem Aufwand messbar.

Prinzipbeispiel:

Messeinrichtung 1

z

k2/k1

ysoll Sollwert

1/ k1

Steuereinrichtung

Forderung: k1us+k2z = ysoll us = 1/k1ysoll – k2/k1z z

y=k1us+k2z

+

Strecke

y

= ysoll

= Steuerung

=>Falls Störung (und Strecke) vollständig bekannt, gezielte Beeinflussung von y(t) durch Reihenschaltung der Strecke mit davor angebrachter Steuereinrichtung möglich: Steuerung. Kennzeichen der Steuerung: offene Wirkungskette. =>Steuerung ist stabil, wenn alle Blöcke stabil sind.

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Beispiel: Raumheizung mit Außentemperaturmessung • •

Geräteschema: siehe Beiblatt 6 oben Zugehöriges Blockbild: Temperaturfühler

Außentemperatur

Soll-

Motor Elektrische Raumtemperatur Schaltung Spannung

Ventil mit Antrieb (z.B. E-Motor)

Warmwasserzulaufmenge

Raum mit Heizkörper

RaumTemperatur

Strecke Steuereinrichtung

Stelleinrichtung Steuerstrecke

Stellgröße u offene Wirkungsketten

Fall II:

=> Steuerung

Störeinfluss (und/oder Strecke) nur unvollständig bekannt.

Dann ist es naheliegend: Ausgangsgröße y der Strecke messen, fortlaufend mit Sollwert ysoll vergleichen und bei Abweichen (z.B. aufgrund von Störeinwirkungen) Stellgröße u in Abhängigkeit von Betrag und Vorzeichen der Abweichung so erzeugen, dass y wieder an ysoll angeglichen wird. z Prinzipbeispiel: ysoll

ysoll-y

kR

us

y = k1us + k2z

Regler y Regelung oder Regelkreis

Strecke 1

Messeinrichtung

y

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Hierfür gilt: y = k1us + k2z

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mit us = kR(ysoll-y)

y = kRk1/(1+kRk1) * ysoll + k2/(1+kRk1) * z k2 so, dass kRk1 >>1

y =

1 * ysoll

+

0*z

=> Trotz unvollständig bekannter Störung (und/oder Strecke) gezielte Beeinflussung von y(t) mit dieser Anordnung möglich: Regelung oder Regelkreis Kennzeichen der Regelung: geschlossene Wirkungskette (Wirkungskreislauf). =>kann instabil werden, auch wenn alle Blöcke selbst stabil wird (und umgekehrt). Beispiel: Raumheizung mit Innentemperaturmessung • •

SollRaumtemperatur

Geräteschema: siehe Beiblatt 6 unten Zugehöriges Blockbild:

-

Temp.Motordifferenz Elektr. spannung Schaltung -

Außentemperatur, Sonneneinstrahlung

Ventil mit Antrieb (z.B. E-Motor)

Warmwasserzulaufmenge Raum mit Heizkörper

Regler

Strecke

Stellgröße u IstRaumtemperatur

Regelstrecke Temperaturfühler Messeinrichtung

Geschlossener Wirkungskreislauf => Regelung

Allgemeines Blockbild einer Regelung: siehe Beiblatt 8 unten. Dabei hier verwendete Darstellungs- und Beziehungsweise nicht vollständig DIN-konform (siehe Beiblatt 8).

Raumtemperatur

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Elementaraufgaben der Regelung: Störungen z(t) ausregeln und Führungsgröße w bzw. Sollwert ysoll einregeln (d.h. r(t)  w(t) bzw. y(t)  ysoll(t) trotz z(t) ungleich null). Notwendige Vorraussetzung hierfür: Umkehr der Wirkrichtung im Soll-Istwert-Vergleich (y fällt => e steigt und umgekehrt). • •

Falls w = konst. :Festwertregelung (z.B. Rolltreppenantrieb mit wsoll=konst.) Falls w nicht konstant: Folge- oder Nachlaufregelung (z.B. Aufzugantrieb mit wsoll = wsoll(t)

Gegenüberstellung von Regelung und Steuerung: siehe Beiblatt 7 Häufige Kombination von Steuerung und Regelung (wobei nur geregelt werden soll, was nicht gesteuert werden kann); siehe dazu Abschnitt 4.6 Zunächst: Betrachtung von Regelungen!

1.3 Grundforderung an eine Regelung Siehe Beiblatt 9

1.4 Bearbeitungsschritte einer Regelungsaufgabe Siehe Beiblatt 10/1 und 10/2

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II.

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Beschreibung dynamischer Systeme durch das Strukturbild

2.1 Einführung des Strukturbildes und Vorgehensweise zu seiner Aufstellung Beispiel: Raumtemperatur über die Vorlauftemperatur •

Geräteschema siehe Beiblatt 11 1.Schritt: Ermittlung der beschreibenden Gleichnungen aus den physikalischen Gesetzen.

• Wärmebilanz: Für den beheizten Raum: enthaltene Wärmemenge Q(t) = cR*ϑ(t) Q (t ) = c R ∗ ϑ (t ) = Q zu (t ) − Q ab(t ) mit Q zu (t ) = c [ϑH (t ) − ϑ (t )] H

Q ab(t ) = c F [ϑ (t ) − ϑaußen(t )]

• Heizungsanlage: ϑH (t ) = ϑK (t − Tt ) (3) ϑK (t ) = cB ∗ u (t ) (4)

~ ϑ (t ) + T ∗ ϑ (t ) = K ∗ ϑ (t ) (1) mit T = cR /(cH + cF , K = c F /(c H + c F ) ~ ϑ (t ) = (c H / c F ) ∗ ϑH (t ) + ϑaußen(t ) (2)

mit Tt= Fließdauer von Kessel bis Heizkörper falls Brenner mit Kesseltemperaturregelung

• Regler: u (t ) = fR ∗ (ϑsoll (t ) − ϑ (t )) , z.B. u (t ) = kR[ϑsoll (t ) − ϑ (t )] 2.Schritt: Ordnung und Auflösung der Gleichungen (ggf. mittels LaplaceTransformation) beginnend mir der Ausgangsgröße. Dabei meist: Anfangswerte=0! (weil primär Ein- und Ausgangsverhalten von Interesse) ~ (1) ο•L {ϑ (t ) }+Ts L{ ϑ (t ) }=K L{ ϑ (t ) } K ~ =>L{ ϑ }= L{ ϑ (t ) } (6) 1 + Ts cH ~ (2)ο•L{ ϑ (t ) }= L{ ϑH (t ) }+L{ ϑaußen(t ) } (7) cF

(3)ο•L{ ϑH (t ) }= e −Ts L{ ϑK (t ) } (8) (4)ο•L{ ϑK (t ) }= c B L{ u (t ) } (9) (5)ο•L{ u (t ) }= k R [L { ϑsoll (t ) }-L{ ϑ (t ) }] (10)

3.Schritt: Übersetzung der Gleichungen ins Strukturbild, d.h. die Operationen werden durch Rechtecke bzw. Kreise und die Größen durch gerichtete Linien dargestellt sowie als Operationssymbole z.B. die Übertragungsfunktion eingetragen.

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ϑaußen ϑsoll

KR

-

u

cB

ϑK

ϑH

~ ϑ

cH cF

-Tts

e

K 1 + Ts

Raum mit Heizkörper

Regler

Heizungsanlage

2.2 Weiteres Beispiel zur Strukturbilddarstellung Geschwindigkeitsregelung eines PKW (siehe Beiblatt 12) Schritt 1+2



Gleichungsermittlung und -auflösung

Fahrzeug (Beiblatt 12/1): m ∗ vD(t ) = FA (t ) − FH (t ) − FR (t ) − FL (t )

L-Trafo.

1

L{v}= m L{FA-FH-FR-FL} (1) s FA = 1 ∗ M A (2) , FH = m ∗ g ∗ sin α St (3), FR = m ∗ g ∗ f R (4) r FL = cW ∗ A ∗ ρ ∗ v 2 (5), ω A = 1 ∗ v (6) 2 r



Motor und Getriebe (Beiblatt 12/2, 12/3) M A = η ∗ i ∗ (M M − M N ) (7),

n M = i ∗ n A mit n A = •

(

M M = f M α~DK , n M

) (8)-Motorkennfeld

60 60i ω A => n M = ω A (9) 2π 2π

Sauganlage Durch DK-Verstellung, Veränderung des Luftmassenstroms (d.h. Beschleunigung oder Verzögerung) => zeitlicher Übergangsvorgang gemäß 1 α~DK + Tsα~ DK = α DK ο• L{ α~DK }= L{ α DK } (10) α~DK ( 0 ) = 0 1 + Ts s Am Motoreingang wirksamer DK-Wert

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Tempomat 200 ∗ K St 100 α DK = ∗ ω DK wobei ω DK = K St ∗ u St => α DK = u St π π 2

wegen αDK in % (100%=π/2)

200 ∗ K St L{ α DK }=

s

π L{ u } (11) St

u St = f R (v soll − v) , Annahme : u St = K R (v soll − v) (12)

Schritt 3 Übersetzung ins Strukturbild (siehe Beiblatt 13)

Anmerkung:

Lineare Beziehung

Nichtlineare Beziehung

2.3 Die Blöcke des Strukturbildes (siehe Beiblätter 14/1-14/3) Im Strukturbild treten stets die gleichen einfachen Blocktypen auf; ganz gleich, welche physikalische Beschaffenheit und technische Zielsetzung das System hat. Ein Block des Strukturbildes erzeugt aus jedem Zeitverlauf der Eingangsgröße eindeutig einen Zeitverlauf der Aufgangsgröße und wirkt so als Übertragungsglied (ÜG). 2.3.1 Das Integrierglied

(I-Glied)

Def.-Gleichung: t

y (t ) = K ∫ u (τ )dτ ,

K>0,konst.: Übertragungs- oder Verstärkungsfaktor

0

L-Trafo

1 Y ( s) K :Übertragungsfunktion des I-Gliedes (ÜF) Y ( s ) = K ⋅ ⋅ U ( s ) bzw. = s U ( s) s

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Zur Veranschaulichung des Zeitverhaltens eines ÜGs: Aufschaltung einer Testfunktion, z.B. Einheitssprung u(t)=δ(t) => yδ(t)=Sprungantwort (Übertragungsfunktion), wobei stets yδ(t)=0 für tmöglichst vermeiden; I-Glied glättet Totzeitglied/Laufzeitglied :Tritt auf bei Transport von Masse (z.B. mit Förderband), Energie (z.B. Temperaturregelung) oder Information (z.B. über Bussysteme oder Funkkanäle). Summierglied :Vereinbarung: negative Vorzeichen so, dass eindeutige Zuordnung zu den Eingangspfeilen möglich. Kennlinienglied :nichtlinear => Charakterisierung durch Funktionalbeziehung oder Kurvenverlauf. Multiplizierglied :ebenfalls nichtlinear!

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Die ÜGer im Beiblatt 14(1 können nicht in noch einfachere ÜGer zerlegt werden. Sie heißen deshalb elementare ÜGer. Mit diesen wenigen Bausteinen sind fast alle dynamischen Systeme beschreibbar! Immer wieder auftretende Kombinationen: zusammengesetzte ÜGer. Davon besonders häufig: P-T1- und P-T2-Glied (siehe Beiblatt 14/2).

2.3.3 P-T1-Glied (Verzögerungsglied 1. Ordnung, VZ1-Glied)

Def.-Gleichung: T ⋅ y (t ) + y (t ) − K ⋅ u (t ) , T,K>0 T : Zeitkonstante; K : Übertragungskonstante oder Verstärkungsfaktor

L-Trafo

Übertragungsfunktion:

Y (s) K 1 = =K⋅ U ( s ) 1 + Ts 1 + Ts

Reihenschaltung

Sprungantwort: Yδ ( s ) =

P

– T1

- Glied

−t K 1 ⋅ •ο yδ (t ) = K (1 − e T ) 1 + Ts s

u, yδ

0,95 K

K

yδ(t) 0,63 K

1

u=δ(t)

T

3T

t

physikalische Bedeutung: Speicher mit Abfluss (Wasserbehälter mit Loch, oder Kondensator mit Parallelwiderstand).

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Aufbau aus elementaren ÜGern: Ts ⋅ Y ( s ) + Y ( s ) = K ⋅ U ( s ) Y ( s ) = 1 [K ⋅ U ( s ) − Y ( s )] Ts

L-Trafo

K u

[...]

y

-

2.3.4 P-T2-Glied (Verzögerungsglied 2. Ordnung, VZ2-Glied)

Def.-Gleichung:

T 2 ⋅ y(t) + 2 ⋅ D ⋅ T ⋅ y(t) + y(t) = K ⋅ u(t)

, T,D,K>0 D : Dämpfung(-skonstante, -sgrad)

L-Trafo

Übertragungsfunktion:

Y ( s) K 1 = =K⋅ 2 2 U ( s ) 1 + 2 ⋅ DTs + T s 1 + 2 ⋅ DTs + T 2 s 2 Reihenschaltung:

P

- T2 -

P-T2-Glied = 2-Speicher-Glied => Oszillationen möglich (für D>1) Normierte Sprungantworten für D ≤ 1 (siehe Beiblatt 14/3). Es gilt: • 1 Überschwinger um 5% und yδ(t=3T)=0,95K für D = 1 •

2 gerade kein Überschwinger und yδ(t=5T)=0.95K für D = 1

2 ≈ 0,7

Glied

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2.3.5 Strukturbild der Temperaturregelung: zweite Darstellungsmöglichkeit

ϑaußen KR

1

cB u

ϑsoll

cH

ϑK

cF

K ~ ϑ

ϑH

-

T ϑ

2.4

Linearisierung um den Betriebspunkt

2.4.1

Betriebspunkt (oder Arbeitspunkt) eines Systems = stationäre Systemzustand, bei dem die Ausgangsgröße ihren Sollwert annimmt.

Ein stationärer Zustand (eingeschwungener Zustand, Ruhezustand, -lage) eines dynamischen Systems ist dabei ein Zustand, in dem alle zeitveränderlichen Systemgrößen konstant und damit ihre Ableitungen null sind. =>Zur Bestimmung des stationären Zustandes in den Üfen s=0 setzen, mit einer Ausnahme: beim I-Glied (mit ÜF K ) muss die Eingangsgröße null s sein, damit ein stationärer Zustand angenommen wird. Zur Betriebspunktbestimmung muss man dann noch die Ausgangsgröße gleich ihrem Sollwert setzen. Im Weiteren: Kennzeichnung der Betriebspunktwerte durch den Index B. Beispiel:

Geschwindigkeitsregelung (siehe Beiblatt13)



Gewünschter Betriebspunkt: Konstantfahrt auf ebener Strecke ( α StB = 0 o ) mit v soll = v B = 120 km = 33,3 m bei M NB = 4 Nm s h



Gesucht: Erforderliches Motormoment M MB und zugehörige Drosselklappenstellung α DKB

Im Betriebspunkt muss gelten: u StB = 0

(1) sowie FAB − FHB − FRB − FLB = 0 da Eingangsgrößen von I-Gliedern.

Dabei gilt:

FAB =

1 ⋅ i ⋅ η ⋅ ( M MB − M NB ) , r

FRB = f R ⋅ m ⋅ g ,

(2),

FHB = 0 wegen α StB = 0 o , FLB = c w ⋅ A ⋅

ρ 2 ⋅ vB 2

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Damit aus (2): M MB =

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ρ r 2 ⋅ ( f R ⋅ m ⋅ g + c w ⋅ A ⋅ ⋅ v B ) + M NB = 63Nm iη 2 Parameter auf Beiblatt 12/1 + 12/2

Weiterhin muss gelten: wobei n MB =

60 ⋅ i 1 ⋅ ⋅ v B = 4240 U und α~DKB = α DKB (wegen s=0 in den ÜFen). min 2π r

(

=> f M α DKB ,4240U

2.4.2

!

M MB = f M ⋅ (α~DKB , nMB ) = 63Nm ,

) = 63Nm min

(3)

Motorkennfeld (Beiblatt 12/3)

α DKB = 20%

Durchführung der Linearisierung um den Betriebspunkt

1. Schritt:

Übergang von den absoluten Werten x(t) zu den Abweichungen ∆ x(t) vom Betriebspunkt x B : x(t ) = x B + ∆x(t )

Was hat das zur Folge?



Beispiel für lineare Üger:

P-T1-Glied mit y (t ) = T ⋅ y (t ) = K ⋅ u (t ) ο• Y ( s ) =

Übergang zu

y (t ) = y B + ∆y (t )

den Abweichungen

=> y (t ) = ∆y (t )

u (t ) = u B + ∆u (t )

K ⋅ U (s) 1 + Ts

wobei yB = K ⋅ uB

y B + ∆y (t ) + T ⋅ ∆y (t ) = K ⋅ u B + K ⋅ ∆u (t ) ο• Y ( s ) =

K ⋅ ∆U ( s ) 1 + Ts

Also: Lineare Üger bleiben unverändert! Weiterhin:

Anfangswerte und sonstige feste Größen fallen weg, da Abweichungen hiervon =0.

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Beispiel für nichtlineare Üger: Kennlinienglied mit y (t ) = f {u (t )}

Übergang zu wobei

y (t ) = y B + ∆y (t ) u (t ) = u B + ∆u (t )

den Abweichungen

y B = f (u B )

y B = ∆y (t ) = f {u B + ∆u (t )}=> ∆y (t ) = f {u B + ∆u (t )} − f {u B } = f B {∆u (t )} y ∆y

y = f (u )

∆y = f B (∆u ) K

Koordinatenverschiebung

yB

Kennlinie wird durch Tangente im ∆u Betriebspunkt ersetzt.

uB

u

Annahme kleiner Abweichungen und lineare Approximation der nichtlinearen Beziehungen durch Taylorreihenentwicklung mit Abbruch nach dem linearen Glied: Linearisierung df 2 ∆y (t ) = f B (0) + f ' B (0) ⋅ ∆u (t ) + R(∆u ) ∆y (t ) = K ⋅ ∆u (t ) mit K = f ' B (0) = | uB du

2. Schritt:

Also: Nichtlineare Üger gehen (für kleine Abweichungen) in P-Glieder über.

Diese Linearisierung gilt nur in einer nicht zu großen Umgebung des Betriebspunktes.

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Linearisierung der Geschwindigkeitsregelung

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(siehe Beiblatt 13)

1. Übergang zu den Betriebspunktabweichungen  lineare Blöcke unverändert und FR = f R ⋅ m ⋅ g fällt weg, da konstante Größe. 2. Linearisierung der nichtlinearen Blöcke: • FH = m ⋅ g ⋅ sin α St ∆FH = m ⋅ g ⋅ cos α StB ⋅ ∆α St = m ⋅ g ⋅ ∆α St ρ • FL = c w ⋅ A ⋅ ⋅ v 2 2 ρ ∆FL = c w ⋅ A ⋅ ⋅ 2 ⋅ v B ⋅ ∆v = c w ⋅ A ⋅ ρ ⋅ v B ⋅ ∆v 2 ~ • M M = f M (α DK , nM ) ∆M M = K α ⋅ ∆α~DK + K n ⋅ ∆n M wobei f (30%, nMB ) − f M (10%, n MB ) 13Nm − (−10 Nm) ∂f K α = ~M | B ≈ M = = 7,3 Nm % ∂α DK 20% 20% ∂f − 50 Nm + Nm = −9,1 ⋅ 10 −3 K n =- M =(damit Kn>0) U U ∂nM 5500 min min

2.5

Umformung des Strukturbildes

(siehe Beiblatt 15/1 + 15/2)

Zusammenfassungsregeln: Beruhen auf der Übertragungsgleichung Y ( s ) = F ( s ) ⋅ U ( s ) und gelten daher nur für LZI-Glieder.

Beispiel 1: Parallelschaltung

F1(s

Y1

u

Y F2(s

Y2

u

F1(s) + F2(s)

Y ( s ) = Y1 ( s ) + Y2 ( s ) = F1 ( s ) ⋅ U ( s ) + F2 ( s ) ⋅ U ( s ) => Y ( s ) = [F1 ( s ) + F2 ( s )] ⋅ U ( s )

Beispiel 2: Gegenkopplung Y = F1 (U − F2 ⋅ Y ) = F1 ⋅ U − F1 ⋅ F2 ⋅ Y Y + F1 ⋅ F2 ⋅ Y = F1 ⋅ U oder (1 + F1 ⋅ F2 ) ⋅ Y = F1 ⋅ U F1 Y= ⋅U 1 + F1 F2

Y

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Seite 15

Beispiel 3: Vertauschung von Summationsstellen w

w y

u

y

u

v

v

Y = W + (U + V ) = V + (W + U )

Geltungsbereich der Vertauschungsregeln siehe Beiblatt 15/2.

Nichtlineare ÜGer sind im Allgemeinen nicht miteinander vertauschbar, ebenso wenig nichtlineare und lineare ÜGer.

Beachte:

Beispiel: u

1

s

v

v2

y

u

v2

1

s

Anwendung auf linearisierte Geschwindigkeitsregelung:

Resultat 1. Umformung:

Vorlage B

Resultat 2. Umformung:

Vorlage C

• •

Zusammenfassen der Störgrößen: x = u − (∆M N +

mg ∆α St ) = u − ∆z k 2′ = ∆z

Gegenkopplung: k 2′ k 4 k4 k 2′ k 2′ k 4 1 + T4 s 1 + k 2′ k 3 k 4 k2 F2 ( s ) = = = = k4 T4 1 + k 2′ k 3 k 4 + T4 s 1 + T2 s k3 1 + k 2′ 1+ s 1 + T4 s 1 + k 2′ k 3 k 4

y

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Seite 16

Resultat 3. Umformung: ∆z

∆v soll -

kR

k1 s (1 + T1 s )

u

-

x

k2 1+ T2 s

∆v

Vereinfachtes Strukturbild Der linearisierten Geschwindigkeitsregelung

Anmerkung: Linearisierung und Vereinfachung auch direkt an den beschreibenden Gleichungen durchführbar und dann erst am Ende Übergang ins Strukturbild.

III. 3.1

Analyse des Regelkreises (RK) Allgemeines Strukturbild und Gleichung des RK

Aus Beispielen (vgl. Beiblatt 16): allgemeines Strukturbild des RK gemäß Beiblatt 17, oben. Dabei nimmt man an, dass die Blöcke des RK LZI-Glieder sind. Y = F2 / Z + F1 E ) mit E = W − F3Y => => Y = F2 Z + F1 F2 (W − F3Y ) = F2 Z + F1 F2W − F1 F2 F3Y (1 + F1 F2 F3 )Y = F2 Z + F1 F2W => Y ( s ) =

F2 ( s ) F1 ( s ) F2 ( s ) Z (s) W (s) + 1 + F1 ( s ) F2 ( s ) F3 ( s ) 1 + F1 ( s ) F2 ( s ) F3 ( s ) =Fw(s) Führungs-ÜF

=Fz(s) Stör-ÜF

Gleichung des RK Dabei ist F1 ( s ) ⋅ F2 ( s ) ⋅ F3 ( s ) = F0 ( s ) die ÜF des offenen Kreises bzw. bei Standardformen F0 ( s ) 1 (Beiblatt 17, oben): Y ( s ) = W ( s) + Z (s) 1 + F0 ( s ) 1 + F0 ( s )

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Beispiel:

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Temperaturregelung (siehe Beiblatt16, oben) cH ; cF

k ; F3 = 1 1 + Ts c k V = e −Tt s F0 ( s ) = F1 ( s ) ⋅ F2 ( s ) ⋅ F3 ( s ) = k R c B e −Tt s ⋅ H ⋅ c F 1 + Ts 1 + Ts c mit V = k R c B H k :Keisverstärkung cF V e −Tt s F0 ( s ) F1 ( s ) F2 ( s ) Ve −Tt s = = 1 + Ts = Damit: Fw ( s ) = −Tt s V 1 + F0 ( s ) 1 + F0 ( s ) 1+ e −Tt s 1 + Ts + Ve 1 + Ts K F2 ( s ) K 1 + Ts = = Fz ( s ) = −Tt s V 1 + F0 ( s ) 1+ e −Tt s 1 + Ts + Ve 1 + Ts Beispiel: Geschwindigkeitsregelung (siehe Beiblatt 16, unten)

F1 ( s ) = k R c B e −Tt s ⋅

F1 ( s ) =

K R K1 ; s (1 + T1 s )

F0 ( s ) = F1 ( s ) F2 ( s ) =

F2 ( s ) =

F2 ( s ) =

K2 ; 1 + T2 s

V ; s (1 + T1 s )(1 + T2 s )

F3 ( s ) = 1 ;

mit V = K R K 1 K 2 ;

bzw. bei Vernachlässigung von T1 wegen T1 y ∞ = y soll∞ , falls w = K 3 ⋅ y soll

Fall 1: F1(s) enthält I-Glied => im stationären Fall muss gelten: e∞ = 0 ,d.h. keine bleibende Regeldifferenz. Fall 2: F2(s) enthält I-Glied, nicht aber F1(s) => im stationären Zustand muss gelten: 1 x∞ + z ∞ = 0 ; mit x∞ = F1 (0) ⋅ e∞ = K 1e∞ : e∞ = − z ∞ , d.h. bleibende K1 Regeldifferenz im Störverhalten, kann aber klein gemacht werden, durch genügend großes K1. Fall 3: Werde F1(s) noch F2(s) noch F3(s) enthalten I-Glieder, d.h. F0(s) enthält kein I-Glied => e∞ = w∞ − K 3 K 2 ( z ∞ + K 1e∞ ) = w∞ − K 2 K 3 z ∞ − K 1 K 2 K 3 e∞ V K K 1 w∞ − 2 3 z ∞ , d.h. bleibende Regeldifferenz im Führungs- und 1+V 1+V Störverhalten, die aber durch genügend großes K1 klein gemacht werden können. e∞ =

Fazit für den Reglerentwurf: Für stationäre Genauigkeit muss entweder die Regelerstärkung (und damit V) ausreichend groß gemacht werden, oder ein I-Glied in F1(s) untergebracht werden (z.B. über Regler mit I-Verhalten). Voraussetzung für das Vorhergehende: Stationärer Zustand wird angenommen, d.h. RK ist stabil.

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3.4

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Seite 19

Stabilitätsdefinition und grundlegendes Stabilitätskriterium für Rke

Stabilitätsdefinition: Ein LZI-Glied heißt stabil, wenn seine Sprungantwort mit wachsender Zeit einen festen Wert annimmt, andernfalls heißt es instabil. (SprungantwortStabilität).

Stabil

Instabil

1. Berechnung von yσ (t ) aus Yσ ( s ) = F ( s ) ⋅

1 mittels Partialbruchzerlegung und s

elementeweise Rücktransformation. 2. Untersuchung wann lim yσ (t ) = konstant gilt: t →∞

Ein rationales ÜG ist genau dann stabil, wenn alle Pole seiner ÜF F(s) links der j-Achse liegen.

Gestalt der Ortskurve bei Totzeit in Fo (s) ? Beispiel:

Temperaturregelung mit F0 ( s ) =

s = jω F0 ( jω ) =





F0 ( jω ) =

V

V e −Tt s 1 + Ts

V e −Tt jω => 1 + Tjω = V für ω=0

1 + T 2ω 2

⋅1 → 0 für ω → +∞

arg F0 ( jω ) = 0 − arctan Tω − Tt ω

= 00

für ω=0

0

→ −∞

für ω → +∞

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Seite 20

Im γ

Re γ

V

ω =0

γ = F0 ( jω )

3.6

Das Nyquist-Kriterium (NK)

Gelten für die ÜF F0 ( s ) des offenen Kreises die Vorraussetzungen von Beiblatt 18, so ist der RK genau dann stabil, wenn die Ortskurve des offenen Kreises den Punkt –1 der Ortskurvenebene weder umschließt, noch durchdringt (oder einfacher ausgedrückt: wenn sie den Punkt –1 links liegen lässt). Nyquist-Kriterium (spezielle Form)

Falls Vorraussetzung für F0 ( s ) nicht erfüllt, allgemeine Form des NK verwenden (siehe Literatur).

Beispiele:

-1

RK stabil

RK instabil

-1

-1

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Plausibilitätserklärung zur Herleitung des NK aus dem grundlegenden Stabilitätskriterium:

γ-Ebene

s-Ebene α2

Abbildung •

α1

• α3

γ = F0 ( s)

γ = F0 ( jω ) Pole α i des RK s = α i γ = F0 (α i ) 1 + F0 (α i ) = 0 = −1 j-Achse

s=jω

OK

-1

Punkt -1

RK stabil, wenn seine Pole links der j-Achse liegen.

RK stabil, wenn der Pkt. –1 (Bild der Pole) links der OK (=Bild der j-Achse) liegt.

1. Beispiel zum NK: Geschwindigkeitsregelung (siehe Beiblatt 16) F0 ( s ) =

V : Verzögerungssystem der Ordnung n=3 mit I-Verhalten. s (1 + T1 s )(1 + T2 s )

Dabei gilt (allgemein): ~ r = F0 ( jω ) = V ⋅ F0 ( jω )

ω2 ω1 -1

ω1 V=Vkrit

~ ~ ϕ = arg F0 ( jω ) = arg V + arg F0 ( jω ) = arg F0 ( jω ) für V>0  Variation von V bläht die OK auf bzw. zieht sie zusammen.  Falls OK Schnittpunkt mit negativ reeller Achse besitzt, gibt es ein V=Vkrit ,bei der die OK durch den Pkt. –1 geht: !

V=2V1

Stabilitätsgrenze. Dort gilt: F0 ( jω ) = −1

ω2 V

γ = F0 ( jω )

Hier gilt: F0 ( jω ) =

! V =− 1 ; jω (1 + T1 jω )(1 + T2 jω )

V = (T1 + T2 )ω 2 − jω (1 − T1T2ω 2 )

=>



ω (1 − T1T2ω 2 ) = 0 => ω=0 (keine Lösung, da Vkrit>0 sein muss) oder ω 2 =



V = (T1 + T2 )ω 2 =

T1 + T2 1 1 = + = Vkrit T1T2 T1 T2

1 2 = ω krit T1T2

Skript Regelungstechnik

WS 02/03

Seite 22

Annahme (wegen T1 RK wäre für alle V>0 stabil. 1 < ∞ =>kleine Zeitkonstante begrenzt V nach oben T1 und führt bei zu großem V zu Instabilität (ist aber bei großem V nicht mehr vernachlässigbar!)

In Realität:

0 1  arctan Tω ≈ π

2

(*) ω =

π = ω krit (sofern Tω krit >> 1 ) 2Tt π Tt An

Also: D-Glied bewirkt starke Vergrößerung der Störwelligkeit!!

Abschwächung der Differentation durch kleine Nennerzeitkonstante τ >

An sin ω n

jω 1 + τjω F(jω)

F ( jω n ) An sin(ω n t + arg F ( jω n )) A

1 ωn

Skript Regelungstechnik

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A = F ( jω n ) ⋅ An =

Es gilt:

ω n An 1 + τ 2ω n

=

2

Seite 26

An 1 +τ 2 2 ωn



An τ

≈0 ==> Störwelligkeitsverstärkung über τ einstellbar mit τ möglichst klein, damit weiterhin D-Verhalten.

D2-Glied, etc.: extreme Verstärkung der Störwelligkeit (mit ω 2 , ω 3 ..... ); so starke Abschwächung wäre erforderlich, dass letztlich nur D-Verhalten übrig bliebe. Neben P-Glied und I-Glied nur (verzögertes) D-Glied praktisch realisierbar! 

realisierbare Reglerstrukturen:

A) Regler ohne D-Anteil: P-Regler:

FR ( s ) = k R

PI-Regler:

FR ( s ) =

;

I-Regler:

FR ( s ) =

kR s

kR k ⋅ (1 + TR s ) = k R TR + R s s

B) bei höheren Anforderungen an die Regelungstechnik:

PID-T1-Regler oder (realer) PID-Regler FR ( s ) =

, wobei τ < TR1 , TR 2

k R (1 + TR1 s )(1 + TR 2 s ) k s ⋅ = k R (TR1 + TR 2 − τ ) + R + k R (TR1 − τ )(TR 2 − τ ) ⋅ s 1 + τs s 1 + τs

(für τ=0 : idealer PID-Regler)

P-Glied

I-Glied

γ-Ebene Mit zusätzlichem I-Glied im Regler

γ = Fs ( jω ) Strecke mit I-Verhalten

DT1-Glied

Skript Regelungstechnik

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Seite 27

PD-T1-Regler oder (realer) PD-Regler

,wobei τ 

Wahl der Regler-Zählerzeitkonstanten

Um die größten (langsamsten) Streckenzeitkonstanten im RK unwirksam zu machen, ist deren Kompensation naheliegend, d.h. die Wahl: o TR=T1 = größte Streckenzeitkonstante beim PI- und PD-Regler o TR1=T1 = größte Streckenzeitkonstante beim PID-Regler o TR2=T2 = zweitgrößte Streckenzeitkonstante

Insbesondere zweckmäßig, wenn T1>>T2... bzw. T1,T2>>T3... Falls T1 ≈ T2 , ... bzw. T2 ≈ T3 , dann ist folgendes meist günstiger: •

n

TR = ∑ Ti = Summenzeitkonstante der Strecke beim PI- und PDi =1

Regler •

n

TR1 = T1 ; TR 2 = ∑ Ti = Summenzeitkonstante der Reststrecke beim i =2

PID-Regler Hinweis: Kompensation nur wirksam, wenn der Störeingriff hinter den großen Streckenzeitkonstanten erfolgt. Falls nicht, dann ist Störverhalten mit nichtkompensierenden Reglerzeitkonstanten erzielbar (siehe dazu Vorlesung „Synthese linearer Regelungen“). b)

Wahl der Regler-Nennerzeitkonstanten τ

(beim realen PD / PID-Regler)

Damit ausgeprägtes D-Verhalten, τ möglichst klein gegen TR bzw. TR2, nach Maßgabe der Störwelligkeit;

Skript Regelungstechnik

WS 02/03

Normalerweise:

τ 1 1 ≤ ≤ 50 TR bzw.TR 2 10

bei schwächeren Störungen

c)

Seite 28

bei stärkeren Störungen

Wahl der Reglerverstärkung kR

so zu wählen, dass V = k R k S < Vkrit . mit genügendem Sicherheitsabstand gilt (zur Sicherung von Stabilität und ausreichender RK-Dämpfung). •





Falls F0(s) ein Verzögerungssystem 2. Ordnung (oder als solches approximierbar) ist, dann ist der Regelkreis für alle V>0 stabil mit P-T2-Verhalten. Bestimmung von V bzw., k R =

V durch direkte Vorgabe der Dämpfung möglich. kS

Ansonsten: Vorgabe der Phasenreserve ϕ R als Maß für den Abstand von der Stabilitätsgrenze 1 ab. (Vorraussetzung: F0 ( jω ) nimmt in der Umgebung von ωD mindestens mit ω

Phasenreserve ϕR

ϕR

-1

Einheitskreis ωD

γ = F0 ( jω ) Es gilt: ϕ R = arg F0 ( jω D ) + π Richtwerte (Erfahrungswerte) für ϕR:

ϕR=

70 0 − 80 0 50 0 − 70 0 30 0 − 50 0

für aperiodisches Verhalten für mäßiges Überschwingen für kräftiges Überschwingen (z.B. für Störungsausregelung)

Skript Regelungstechnik

WS 02/03

Seite 29

Plausibilität: • ϕ R = 90 0 ==> F0 hat in ωD-Umgebung I-Verhalten, d.h. der RK hat PT1-Verhalten => kein Überschwingen! • ϕ R = 0 0 => F0 hat in ωD-Umgebung Doppel-I-Verhalten, d.h. der RK hat PT2Verhalten mit D=0 => Dauerschwingung! => Für 0 0 < ϕ R < 90 0 gedämpftes Einschwingverhalten, wobei Dämpfung umso größer, je größer ϕR.

resultierende Vorgehensweise: Wahl der Phasenreserve ϕR (gemäß Richtwerten und RKAnforderungen)

1.

!

2.

Bestimmung von ωD aus arg F0 ( jω ) + π = ϕ R

3.

Bestimmung von V aus F0 ( jω D ) = 1 => k R =

!

4.5

Reglerentwurf für die Vorlesungsbeispiele

4.5.1

Fahrzeug-Geschwindigkeitsregelung

Fs ( s ) =

k1 k 2 s (1 + T1 s )(1 + T2 s )

V kS

mit T1 = 0,3 sec >T1 = 0,3sec

τ 1 und D = V 2 Vτ 1 1 Wahl gleicher Dämpfung bei P-Regelung, d.h. D = 2 V= . 2 2τ Damit ist wie bei der P-Regelung die Stabilität gesichert und es gilt:

 Auch hier Fw(s) mit P-T2-Verhalten, wobei T =

1 TP −Re gelung ! 10 Also: Bei gleicher Dämpfung hier PD-Regelung im Führungsverhalten 10x schneller als die P-Regelung (siehe Beiblatt 21/1). T = 2τ = 0,1 2T2 =

Störverhalten bei P- und PD-Regelung −

k2 V



k2 V

s T 1 1+ s + 2 s2 V V

bei P-Regelung

k2 1 + T2 s = Fz ( s ) = − 1 + F0 ( s )

s T 1 1+ s + 2 s2 V V

1 + τs 1 + T2 s

bei PD-Regelung

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WS 02/03

Seite 31

Die langsame Zeitkonstante T2 bleibt trotz Wahl TR=T2 im Störverhalten der PD-Regelung wirksam Im Störverhalten geringere Verbesserung der Ausregelzeit als im Führungsverhalten (nur Faktor 4). (vgl. Beiblatt 21/1) Stellgrößenverläufe der Regelungen und Simulationen mit nichtlinearen System: siehe Beiblatt 21/2-21/4. 4.5.2

Raumtemperaturregelung

Mit P-Regler ist die Forderung nach max. 5% bleibende Regeldifferenz nicht erfüllbar (siehe Abschnitt 4.1). Zur Sicherung von stationärer Genauigkeit: Übergang zum mit FR ( s ) = k R

PI-Regler:



F0 ( s ) = FR ( s ) Fs ( s ) = k R

1 + TR s s

TR =T 1 + TR s k s V e −Tt s → F0 ( s ) = e −Tt s mit V = k R k s s 1 + Ts s

kR-Festlegung über Vorgabe der Phasenreserve ϕR, z.B. ϕR=45o (da hier primär Störungsausregelung von Interesse). γ-Ebene

-1

ϕR argF0

γ = F0 ( jω )



!



ϕ R = arg F0 ( jω D ) + π =



F0 ( jω D ) = 1

π 4

!

ωD =

Damit gilt:

π 4Tt V=

; V = ωD =

π 4Tt

; kR =

π 4k s Tt

π π < Vkrit = (siehe Übungsaufgabe 6.2) 4Tt 2Tt

 RK-Stabilität ist gesichert!

Skript Regelungstechnik

4.6

WS 02/03

Seite 32

Strukturelle Zusatzmaßnahmen zur weiteren Verbesserung des Systemverhaltens

Bisherige Systemstruktur: w

e -

z

FR (s )

u

FS1 ( s )

Regler

FS 2 ( s )

y

Regelstrecke

Falls damit die Anforderungen an Führungs- und Störverhalten nicht gleichzeitig erfüllbar sind, ergänzt man das System um weitere Korrekturglieder (zusätzlich zum Regler).

4.6.1

a.)

Steuerungstechnische Maßnahmen

Führungsgrößenaufschaltung (Vorsteuerung)

z

FAW (s ) w

e -

FR (s )

FS1 ( s )

FS 2 ( s ) FS ( s ) = FS1 ( s ) FS 2 ( s )

Ziel:

Regler von w-Einregelung entlasten, so dass er hauptsächlich für z-Ausregelung zuständig ist und gezielt hierfür entworfen werden kann.

!

E ( s ) = W ( s ) − Y ( s ) = {1 − Fw ( s )}W ( s ) − Fz ( s ) Z ( s ) = − Fz ( s ) Z ( s ) , d.h. nur z Idealfall: wird über FR (s ) geregelt und w ausschließlich über FAW (s ) gesteuert.



Fw ( s ) =

F0 ( s ) + FAW ( s ) FS ( s ) ! 1 = 1  FAW ( s ) = FS ( s ) 1 + F0 ( s )

y

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Seite 33

Jedoch ist FAW (s ) meist so nicht realisierbar, weil durch Streckeninversion D-Anteile entstehen. Daher näherungsweise Realisierung, z.B. ks 1 1 + Ts s FAW ( s ) = mit τ < Ts , falls FS (s ) durch P-T1-Glied approximierbar. k s 1 + τs 1 + Ts s b.) Störgrößenaufschaltung

FAZ (s ) w

e -

Ziel:

FR (s )

u

z

FS1 ( s )

FS 2 ( s )

y

Regler von z-Ausregelung entlasten, so dass er hauptsächlich für w-Einregelung (bzw. Ausregelung der weiteren Störgrößen) zuständig ist und gezielt hierfür entworfen werden kann. !

E ( s ) = {1 − Fw ( s )}W ( s ) − Fz ( s ) Z ( s ) ={1 − Fw ( s )}W ( s ) , d.h. nur w wird über Idealfall: FR (s ) geregelt und z ausschließlich über FAZ (s ) gesteuert.



Fz ( s ) =

FS 2 ( s ) − FAZ ( s ) FS1 ( s ) FS 2 ( s ) ! 1 = 0  FAZ ( s ) = FS1 ( s ) 1 + F0 ( s )

Wegen erforderlicher Streckeninversion ist eine vollständige Störungskompensation über 1 meist nicht realisierbar. FAZ ( s ) = FS1 ( s ) 1 , d.h. Daher näherungsweise Realisierung, z.B. oft statische Approximation von FS1 1 mit k S 1 = FS1 ( s = 0) = Verstärkung von Teilstrecke 1 FAZ ( s ) = k S1 Vorraussetzung: Störgröße z muss mit vertretbarem Aufwand messbar sein! Beispiel: Außentemperatur bei Gebäudeheizungen, wird dort zur Störungskompensation durch entsprechende Veränderung der Vorlauftemperatur verwendet.

4.6.2 Regelungstechnische Maßnahmen: Einführung unterlagerter Regelkreise (Kaskadenregelung)

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WS 02/03

Seite 34

Prinzip: Neben der Regelgröße y werden weitere Systemgrößen messtechnisch erfasst und dann als Hilfsregelgrößen in unterlagerten Regelkreisen (inneren Schleifen) zurückgeführt. Resultierende RK-Struktur (bei einer Hilfsregelgröße): z

w

e -

wH

FR (s )

Innerer Regler eH u FRi (s ) -

FSi (s )

FSa (s )

y

yH: Hilfsregelgröße

unterlagerter RK für yH

Wirkungsweise und Entwurf einer Kaskadenregelung: siehe Beiblatt 22 Typisches Einsatzfeld:

elektrische Stellantriebe für schnelle und hochgenaue Positionieraufgaben.

Zugehörige RK-Struktur siehe Beiblatt 23. 4.6.3 Anwendungsbeispiel: Fahrzeug-Geschwindigkeitsregelung

Aus Strukturbild auf Beiblatt 16 mit ∆z = ∆M N +

mg ∆α St (vgl. Abschnitt 2.5). k 2' ∆α St

FAZ (s ) MN ∆v soll -

k Ra

1 + TRa s s

-

k1 s (1 + T1 s )

k Ri

mg k 2'

-

yH

k2 1+ T2 s

Fwi ≈ 1

1. Einführung eines unterlagerten Drehmomentregelkreises zur Ausregelung der ∆M N Störungen, sofern Antriebsmoment als Hilfsregelgröße y H durch Messung verfügbar. Dabei wegen I-Verhalten der inneren Teilstrecke P-Regler ausreichend.

∆v

Skript Regelungstechnik

WS 02/03

Seite 35

k Ri k1 s (1 + T1 s ) 1 Fwi ( s ) = = k Ri k1 1 + 2 Di Ti s + Ti 2 s 2 +1 s (1 + T1 s )

mit Ti = !

Di =

T1 und k Ri k1

Di =

1 1 2  k Ri = 2 2k1T1

1 2 k Ri k1T1

und

Ti = 2T1 > 1 , z.B. durch V>>1 Beispiele für pneumatische und elektronische PI-Regler: siehe Beiblatt 24/3 Elektronische Regler: •

Operationsverstärker: u A = Vu D mit V>>1

(1) t

1 idτ + u D c ∫0 .... Laplace-Transformation und Elimination von I(s) •

Beschaltung: u E = R1i + u D ; u A = − R2 i −

U D (s) =

  1 + R2 Cs R1Cs U A ( s) U E ( s ) + 1 + (R1 + R2 )Cs  1 + R2 Cs  1 + R2 Cs 1 + ( R1 + R2 )Cs

uE -

b.w. uD

+V

F1 ( s ) R1Cs 1+ R2 Cs F2 ( s ) TR 1 1 1 + R2 Cs = V>>1  FR ( s ) ≈ F2 ( s ) R1C s kR

PI-Regler

-uA

Skript Regelungstechnik

5.2

WS 02/03

Seite 37

Digitale Realisierung

Jede digitale Regelung setzt einen Abtastvorgang voraus, d.h. die Entnahme diskreter Funktionswerte aus einem kontinuierlichen Zeitverlauf  grundsätzlicher Aufbau einer digitalen Regelungen gemäß Beiblatt 15. Regelalgorithmen: a.) quasikontinuierlicher Fall, d.h. der digitale Regler arbeitet wie ein zeitkontinuierlicher Regler  Entwurf im Kontinuierlichen (wie bisher) und anschließend Zeitdiskretisierung des Reglers. Vorraussetzung: Abtastzeit genügend klein gegenüber Zeitkonstante der Regelung (Faktor 5-10 kleiner). b.) zeitdiskreter Fall, d.h. digitaler Regler arbeitet als zeitdiskreter Regler (Abtastregler)  Entwurf im zeitdiskreten auf Basis einer zeitdiskreten Regelsystembeschreibung (z.B. z-Übertragungsfunktion). Siehe dazu Vorlesung „Digitale Regelung“. Hier: quasikontinuierliche Betrachtung 1.Schritt: Reglerentwurf im Kontinuierlichen (wie bisher). 2. Schritt: Diskretisierung des Reglers. Beispiel: Idealer PID-Regler mit U ( s ) = FR ( s ) ⋅ E ( s ) , wobei (1 + TR1 s )(1 + TR 2 s ) 1  FR ( s ) = k R = k R  + (TR1 + TR 2 ) + TR1TR 2 s  s s 

 T T 1 FR ( s ) = k R (TR1 + TR 2 ) 1 + + R1 R 2  (TR1 + TR 2 ) s TR1 + TR 2 kp TN Tv



 s 

kp: Proportionalbeiwert TN: Nachstellzeit Tv: Vorhaltzeit Hinweis: • Beim PID-Regler gilt für TR1>>TR2 : k p = k R TR1 ; TN = TR1 ; Tv = TR 2 •



1 + TR s 1 = k R TR (1 + ): s TR s 1 + TN s 1 ) = kp k p = k R TR ; TN = TR  FR ( s ) = k p (1 + TN s TN s Beim PD-Regler gilt FR ( s ) = k R (1 + TR s ) : k p = k R ; Tv = TR Beim PI-Regler gilt mit FR ( s ) = k R

 FR ( s ) = k p (1 + Tv s )

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Seite 38

  1 1 E ( s) + Tv s ) ⋅ E ( s ) = k p  E ( s ) + + Tv s ⋅ E ( s ) TN s TN s  

Damit gilt:

U ( s ) = k p (1 +



t   1 u (t ) = k p e(t ) + ⋅ ∫ e(τ )dτ + Tv e(t ) TN 0  

(1)

Übergang zum zeitdiskreten Algorithmus , d.h. Betrachtung von Gleichung (1) nur zu den Abtastzeitpunkten t=kT, k=0,1,2.... •

u(t) und e(t) gehen über in u k = u (kT ) und ek = e(kT ) ; k=0,1,2......



Integral

t = kT

k −1

Rechteckregel: T ∑ eυ

∫ e(τ )dτ

υ =0

0

Trapezregel: •

k −1

T ∑ (eυ + eυ +1 ) 2 υ =0

.

Differentialquotient e(t = kT ) wird ersetzt durch den Differentialquotienten

ek − ek −1 T

Damit wird aus (1), falls die Rechteckregel verwendet wird:   T T k −1 u k = k p e k + eυ + v (ek − ek −1 ) : PID-Stellungsalgorithmus ∑ TN υ = 0 T   rekursive Form durch Differenzbildung: u k − u k −1 = k p [ek + ...] − k p [ek −1 + ....]

  T T T T u k = u k −1 + k p (1 + v )ek − (1 − + 2 v )ek −1 + v ek −2  : T TN T T   ∆u k PID-Geschwindigkeitsalgorithmus Hinweise: • Manche Stelleinrichtungen, z.B. Schrittmotoren, dürfen nicht durch Absolutwerte uk, sondern nur durch Inkremente ∆u k = u k − u k −1 angesteuert werden. • Algorithmen mit Trapezregel bzw. für reale ÜF-en in entsprechender Weise ableitbar. • Aus PID-Algorithmus PI-Algorithmen für Tv=0 bzw. PD-Algorithmen für TN → ∞ erhältlich. 3. Schritt: Überprüfung des Entwurfs (insbesondere hinsichtlich der gewählten Abtastzeit T) durch Simulation.