Labor Mess- und Regelungstechnik Teil Regelungstechnik Prof. Niklaus Degunda Windisch, HS 2012
FHNW Hochschule für Technik Studiengang WING
Dieses Script ist eine Arbeitsunterlage zum Modul Labor Mess- und Regelungstechnik im Studiengang WING und enthält den Inhalt der Vorlesung, die auf die Laborübungen vorbereitet. Die Theorie beschränkt sich aufs Nötigste. Fürs Labor stehen separate Anleitungen zur Verfügung. Nach einer Einführung, welche die Sprache der Regelungstechnik und die üblichen graschen Darstellungen von dynamischen Systemen vorstellt, wird das Übertragungsverhalten von dynamischen Systemen behandelt, vor allem die Antwortfunktionen als einfachste Beschreibungsform. Für die Elementar-Übertragungsglieder werden auch die Dierenzialgleichungen angegeben. Bei den Regeleinrichtungen werden konventionelle Regler (2-, 3-Pkt, PID) behandelt. Die Dynamik des Regelkreises wird qualitativ und mit Hilfe von Simulationen untersucht. Für den Reglerentwurf werden Einstellregeln verwendet. Als begleitendes Simulationstool wird Vensim eingesetzt.
1
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung
3
2 Regelungstechnik Grundbegrie
4
2.1
Anwendungen der Regelungstechnik
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.2
Fundamentalaufgaben der Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.3
Das Blockdiagramm
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Elemente des Blockdiagramms
2.3.2
Blockdiagramm Anwendung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.3.3
Blockdiagramm und Ursache-Wirkungsdiagramm in Vensim . . . . . . . . .
9
2.3.4
Von der Realität zum Modell
2.4
Steuerungen
2.5
Regelungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.3.1
7
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
3 Das Übertragungsverhalten
12
3.1
Systeme und Systemgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2
Mathematisches Modell
3.3
Beschreibungsformen dynamischer Systeme
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 14 14
3.3.1
Dierenzialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
3.3.2
Antwortfunktionen
15
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4
Elementarübertragungsglieder
3.5
Vensim-Modelle
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
4 Regelstrecken
23
4.1
Regelstrecken mit Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
4.2
Regelstrecken ohne Ausgleich
23
4.3
Kennwerte und ihre Bestimmung aus der Sprungantwort
. . . . . . . . . . . . . .
24
4.4
Regelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 Regeleinrichtungen
26
5.1
Regeleinrichtung: Messorgan, Regler und Stellorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2
Unstetige Regeleinrichtungen 5.2.1
5.3
Schaltende Regler
26
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
Stetige Regeleinrichtungen: Der PID-Regler
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
5.3.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
5.3.2
Qualitative Beschreibung der PID-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
5.3.3
P-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
5.3.4
I-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
5.3.5
PI-Regler
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
5.3.6
PD-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
5.3.7
PID-Regler
34
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 Dynamik des Regelkreises, Stabilität
35
6.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2
Stabilität
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
6.3
Regelgüte
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
7 Einstellverfahren
36
37
7.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
7.2
Reglerwahl
38
7.3
Einstellregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
7.3.1
Einstellregeln nach Ziegler und Nichols (Schwingversuch)
. . . . . . . . . .
39
7.3.2
Einstellregeln nach Sprungantwortparametern . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1 Einleitung Die zukünftigen Wirtschaftsingenieure werden in ihrem Leben immer wieder in wichtigen und komplexen Entscheidungssituationen stehen. Mit diesen Entscheidungen werden sie in vielfach vernetzte, ökonomische, technische und soziale Systeme eingreifen. Diese Systeme sind gekennzeichnet durch eine Vielzahl von zusammenwirkenden Rückkopplungsmechanismen und können in aller Regel mit gesundem Menschenverstand oder einfachen Ursache-Wirkungs-Denkschemata nicht mehr verstanden werden. Im Gegenteil, solche Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass einfache, oensichtliche und im guten Glauben getroene Massnahmen häug einen gegenteiligen als den gewünschten Eekt bewirken (J.W. Forrester "Counterintuitive Behaviour of Social Systems", Technology Review, 1971, pp52-68). Ein Instrument zum besseren Verständnis solcher Systeme bietet die Systemtheorie. In den Ingenieurwissenschaften wird eine Systemtheorie verwendet, der mathematische Beschreibungen von Systemen zu Grunde liegen. Sie ist als mathematische Systemtheorie der Kybernetik entwickelt worden. Sie ist ein wichtiges Werkzeug in der Elektrotechnik und im Maschinenbau, kommt zunehmend auch in anderen Disziplinen wie Ökonomie, Biologie, Soziologie, etc. zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe kann untersucht werden, wie Systeme so beeinusst werden können, dass sie gewünschte Eigenschaften zeigen. Die Beschreibung von Systemen beruht im Wesentlichen auf Dierenzialgleichungen, die erlauben, die zeitliche Entwicklung der Zustände des betrachteten Systems mathematisch zu modellieren. Die Systemtheorie liegt heute als eine ausgereifte Theorie vor allem in der Regelungstechnik und in der Nachrichtentechnik vor. Im Zentrum der Regelungstechnik stehen Regelkreise, die besonders leistungsfähige Strukturen zur Systembeeinussung sind. Mit Hilfe der Systemtheorie kann man die geschlossenen Wirkkreise, die dabei auftreten, besonders einfach mathematisch behandeln. Die Regelungstechnik ist ein Gebiet der Ingenieurwissenschaft und Teilgebiet der Automatisierungstechnik. Sie befasst sich mit der Beeinussung dynamischer Systeme mittels des Prinzips der Rückkopplung, so dass deren Ausgangsgrösse einem gewünschten Verhalten möglichst nahe kommt. Damit geregelt werden kann, muss gemessen werden. Die Messtechnik ist deshalb in Verbindung mit Steuerungs- und Regelungstechnik eine wichtige Grundlage der modernen Automatisierungstechnik. Aber auch ausserhalb der Automatisierungstechnik wird oft gemessen, z. B. um die Qualität der Produktion zu überprüfen. Der Wirtschaftsingenieur wird mit grosser Wahrscheinlichkeit Automatisierungsprojekte initiieren, bearbeiten oder gar konzipieren. Im vorliegenden Modul erhalten die Studierenden eine Einführung in die Denkweise der Regelungstechnik. Sie lernen zum einen, einfache Modelle aufzustellen und mit diesen Modellen das Systemverhalten zu untersuchen, zum anderen lernen sie im Labor, für einfache technische Prozesse geeignete Regler auszuwählen und einzustellen. Die Studierenden erfahren so Möglichkeiten und Grenzen der Mess- und Regelungstechnik und werden zu seriösen Diskussionspartnern für Ingenieure, die Automatisierungsprojekte realisieren.
3
2 Regelungstechnik Grundbegrie Lernziele:
Sie kennen die Grundstruktur eines Regelkreises.
Sie können Wirkungspläne und Blockdiagramme einfacher Systeme erstellen.
Sie können einfache geregelte Systeme mit Vensim simulieren.
Inhalte:
Dynamische Systeme
Steuerung Regelung
Wirkungsplan und Blockdiagramm
Transfer:
Blockdiagramme für diverse Prozesse, technische und nichttechnische
Simulation mit Vensim
2.1
Anwendungen der Regelungstechnik
Dynamische Prozesse zu beherrschen ist ein altes, faszinierendes Spiel. Lange bevor das invertierte Pendel die Hochschulen beschäftigte, begeisterten Balancevorführungen die Leute im Zirkus. Wie für den Artisten das Kunststück, ist es für den Techniker eine Herausforderung, eine Maschine zu bauen, die automatisch schwierige Aufgaben beherrschen soll. Eine der dazu benötigten Techniken ist die Regelungstechnik. Die Regelungstechnik ist ein Teilgebiet der Automatisierungstechnik. Mit ihrer Hilfe werden die in vielen Fällen schwierigsten Probleme der Automatisierung eines Prozesses gelöst, nämlich die
andauernde Beeinussung der Dynamik eines Systems. Das angewandte Prinzip
wird als eine Regelung und die dazu verwendete Einrichtung als Regler bezeichnet. Typisch für eine Regelung sind also die zeitlich andauernde Beeinussung eines Prozesses und die dazu benötigten Messungen, welche Informationen über den Prozess liefern können. Die Regelungstechnik kümmert sich also nicht nur um eine statische Betrachtung eines Systems. Die Automatisierungstechnik beschäftigt sich viel allgemeiner mit dem Problem, wie ein Prozess für den Menschen möglichst einfach geführt werden kann. Die Automation soll dem Menschen ermöglichen, zum Beispiel komplizierte, schnelle oder gefährliche Aufgaben überhaupt durchführen zu können. Bei einer vollständigen Automatisierung kann sich die Führung dann lediglich auf das Ein- und Ausschalten der Maschine beschränken. Das zur Automatisierung verwendete System wird als Automat bezeichnet. Zur Automatisierungstechnik gehören die Techniken der Realisierung der Automaten, also die zur Automatisierung benötigten Geräte und Programme. Wenn nun für die Automatisierung die Dynamik eines Prozesses zeitlich andauernd beeinusst werden muss, so ndet hier die Regelungstechnik ihren Platz in der Automatisierung von Prozessen. Der Ersatz des Menschen als Regler war und ist mit wenigen Ausnahmen immer noch der erste Schritt in der Automatisierung eines Prozesses. Warum wohl? ............................................................................................................... Nennen Sie 3 Regelaufgaben, die Sie öfters in ihrem Leben ausführen. Man achte darauf, dass es sich um eine zeitlich andauernde Beeinussung eines dynamischen Systems handelt: 1. ................................................................................................................ 2. ................................................................................................................ 3. ................................................................................................................
4
Es gibt nicht eine Regelungstechnik der Mechanik, der Elektrotechnik, der Prozesstechnik oder der Natur. Die Gesetze einer Regelung sind sehr allgemein und können auf beliebige Systeme angewendet werden. Sie bilden einen Teil der
Kybernetik 1 , d.h. der Lehre der informationsverarbeitenden
Systeme. Um diese Übertragbarkeit der Regelungstechnik zu erleben und auch das Interdisziplinäre an der Arbeit eines Regelungstechnikers zu fördern, werden wir mit Beispielen aus verschiedenen Anwendungsgebieten arbeiten. Nennen Sie drei Beispiele aus jedem Anwendungsgebiet. Wie bei den obigen Beispielen achte man darauf, dass es sich um eine zeitkontinuierliche Beeinussung eines dynamischen Systems handelt. Zu jedem Anwendungsgebiet soll ein Alltags-, ein Industrie- und ein `High-Tech-Beispiel angegeben werden. Aus der Mechanik: 1. Alltag: .................................................................................................. 2. Industrie ............................................................................................... 3. High-Tech ............................................................................................ Aus der Elektrotechnik: 1. Alltag: .................................................................................................. 2. Industrie ............................................................................................... 3. High-Tech ............................................................................................ Aus der Prozesstechnik: 1. Alltag: ................................................................................................. 2. Industrie .............................................................................................. 3. High-Tech ...........................................................................................
2.2
Fundamentalaufgaben der Regelungstechnik
Anhand des Beispiels Raumheizung soll gezeigt werden, welche grundsätzlichen Aufgaben bei der Beeinussung eines dynamischen Systems gelöst werden müssen.
Abbildung 1: Raumheizung
1 kybernetes
ist altgriechisch und bedeutet Steuermann 5
Die Aufgabe der Heizungssteuerung ist es, die Heizung so zu steuern, dass die sich Raumtemperatur im Tagesverlauf gemäss dem vorgegebenen Temperaturprogramm einstellt. Das Temperaturprogramm kann z.B. vorsehen, dass in der Nacht eine Temperatur von 15 Grad und am Tag eine von 20 Grad gehalten wird. Dieses Beispiel zeigt die Lösung der
ersten Fundamentalaufgabe :
Die Innentemperatur entlang einem vorgegebenen zeitlichen Temperaturverlauf zu führen. Nun stellt sich die Frage, ob diese Heizung auch zu unserer Zufriedenheit funktioniert. Der intelligente Heizrechner kann wohl eine genaue Vorstellung über die Wärmeverluste und die Raumgrössen haben, aber er kann nicht herausnden, ob ich gerade noch das Fenster oen gelassen habe. Folgende Störeinüsse können zu einer nicht befriedigenden Raumheizung führen: 1. .................................................................................................................................. 2. .................................................................................................................................. 3. .................................................................................................................................. Daraus leitet sich die
zweite Fundamentalaufgabe
ab: Die Raumtemperatur soll trotz Störeinüs-
sen auf dem gewünschten Temperaturverlauf gehalten werden. In der Regel können Störeinüsse nie ganz eliminiert werden. Man ist in der Regel zufrieden, wenn man Störeinüsse innerhalb bestimmter Grenzen abfangen kann. Da die Raumheizung in Abbildung 1 keine Möglichkeit hat, irgendwelche Störungen zu entdecken, kann sie die zweite Aufgabe sicher nicht erfüllen. Verbessern Sie in Abbildung 2 die Raumheizung, so dass auch die zweite Fundamentalaufgabe erfüllt werden kann:
Abbildung 2: zu verbessernde Raumheizung
Diskussion der Fundamentalaufgaben
Wie das vorangehende Beispiel gezeigt hat, stellen
sich bei der Beeinussung von Prozessen folgende Fundamentalaufgaben: 1. ausgewählte Zielgrössen eines Prozesses auf zeitlich vorgegebene Werte bringen. 2. den erwünschten Verlauf auch bei Störeinüssen möglichst gut einhalten. Das Verhalten des Prozesses bezüglich der Anforderungen der 1. Aufgabe wird in der Fachsprache als das
Führungsverhalten bezeichnet. Entsprechend heisst das Verhalten bezüglich der 2. Aufgabe 6
Störverhalten oder Sensitivität. Meistens stellt sich in der Regelungstechnik das Problem, erfüllbare Fundamentalaufgaben zu formulieren. So kann man wohl fordern, dass das Haus von der Nachttemperatur von 15
°C
in 1 Minute auf 20
°C
aufgeheizt werden muss, die daraus resultierenden
technischen Konsequenzen sind aber auch leicht abschätzbar. Was sind nun typische Aufgaben? Es sollen hier ein paar einfache Beispiele von Elementaraufgaben vorgestellt werden, eine ausführliche Behandlung ndet beim Thema Reglerentwurf statt. 1. Aufgabe: Aufgabe
Beispiel
Erreichen eines gewünschten Werts
Niveauregelung
Erreichen eines gewünschten Werts
Temperaturregelung in einem
innerhalb einer bestimmten Zeit
Reaktor
Fahren eines Stifts entlang einer
Plotter
vorgegebenen Kurve 2. Aufgabe: Aufgabe Störungen dürfen zu keinen Abweichungen ausserhalb des
Beispiel Temperaturregelung in einem Reaktor
Toleranzbereichs führen Amplitude von Störungen müssen um einen Faktor 100 reduziert werden
2.3
Einuss von Wind auf Radioteleskop, Aktive Federung an einem Fahrzeug
Das Blockdiagramm
Ziele: Im Folgenden sollen Sie die Sprache der Regelungstechnik erlernen, d.h.
Sie können alle Elemente eines Blockdiagramms einer Regelstrecke benennen.
Sie können eine Regelung in einem Blockdiagramm darstellen.
Sie können sicher zwischen Steuerung und Regelung unterscheiden
Begründung: Wörter und Satzbau sind wichtige Elemente einer Sprache. Auch jeder technische Bereich hat seine Sprache. Das Denken in einem Fachbereich ist stark an die verwendeten Begrie und Strukturen gebunden. In der Regel ist Erkenntnis mit der Denition neuer Begrie und Formalismen verbunden. Will man sich in der Welt der Regelungstechnik zu Recht nden, so führt kein Weg am Erlernen der grundlegenden Begrie und Strukturen vorbei. Die Sprache der Regelungstechnik umfasst Begrie, Abkürzungen und graphische Darstellungen. Im Folgenden sollen zuerst die graphischen Darstellungen erklärt werden. Mit ihrer Hilfe können dann die spezisch regelungstechnischen Begrie und Abkürzungen festgelegt werden. Regelungstechnische Systeme können anhand einer graphischen Darstellung im Blockdiagramm eindeutig und übersichtlich beschrieben werden. Das Zeichnen eines Blockdiagramms (nach DIN 19226 'Wirkungsplan') ist der erste Schritt zur Analyse eines Systems. Es wird davon ausgegangen, dass zwischen Eingang und Ausgang eine
Ursache-Wirkungs-Beziehung besteht. Aus der Sicht des Regelungstechnikers besteht ein Regelsystem aus Elementen, die Information verarbeiten. Eine graphische Darstellung eines Regelsystems ist darum eine Darstellung der Pfade der Informationsverarbeitung. Informationen werden mittels Signalen übertragen.
Signal : Bezeichnung für eine sich zeitlich verändernde Grösse, die durch ihren Wert oder zeit-
lichen Verlauf Informationen übertragen kann.
2.3.1 Elemente des Blockdiagramms Der Signalpfad In einer graphischen Darstellung eines Regelsystems müssen die Wege der Informationsübertragung und die Informationsverarbeitung symbolisch dargestellt werden. Die Darstellung des Wegs der Informationsübertragung erfolgt mit Hilfe von Linien. Diese Linien heiÿen
7
Signalpfade. Die Informationsussrichtung ist wesentlich und geschieht nur in einer Richtung. Sie wird, falls nicht eindeutig, durch Pfeilspitzen angegeben. Längs eines Signalpfads hat das Signal zu einer gegebenen Zeit überall den gleichen Wert. Signale werden in der Regel mit einem Kleinbuchstaben bezeichnet. Ein Analogiebeispiel für Signalpfade sind z.B. elektrische Leitungen mit einer Diode. Signalpfade sagen nichts über die Struktur der Information aus. So kann ein Signalpfad z.B. ein EIN/AUS-Signal oder mehrere Analogwerte übertragen.
Der Block
Die Informationsverarbeitung wird symbolisch mit einem Rechteck dargestellt. Ein
solches Rechteck wird im Blockdiagramm als ein Block bezeichnet. Da eine Informationsverarbeitung in der Regel mit einer Ein- und Ausgabe von Information verbunden ist, sind an einem Block dementsprechend auch Eingangssignalpfade und Ausgangssignalpfade angehängt. Ein Block versinnbildlicht also die Abhängigkeit der Ausgangssignale von den Eingangssignalen. Die Abhängigkeit wird oft als Übertragungsfunktion oder allgemeiner als
Übertragungsverhalten
bezeichnet.
Entsprechend wird ein Block auch als Übertragungsglied bezeichnet. Die Informationsverarbeitung in einem Block geschieht in der Regel von links nach rechts, d.h. Eingangssignalpfade sind links, Ausgangssignalpfade rechts an einem Block angeordnet. Blöcke werden in der Regel mit Grossbuchstaben bezeichnet. Es gibt ein paar ganz einfache Signalverarbeitungen, die oft nicht in Blöcken dargestellt werden. Dies sind die Verzweigung eines Signals und die positive (+) oder negative (-) Überlagerung von Signalen (Addition oder Subtraktion). Folgende Darstellungen werden dafür verwendet: Verzweigung
Überlagerung +
Überlagerung -
u1=u2=u
y=x+d
e=r-y
Tabelle 1: Signalpfadverknüpfungen
2.3.2 Blockdiagramm Anwendung In einem Blockdiagramm kann ein System sehr allgemein, aber auch sehr detailliert dargestellt werden. Die folgende Serie von Abbildungen zeigt verschiedene Detaillierungsgrade mit ihren Anwendungsmöglichkeiten
8
Blockdiagramm
Anwendung
Das einfache Blockdiagramm zeigt einen Überblick über das System S. Der Ausgang y wird aus den Eingängen r und d erzeugt.
Eine etwas detailliertere Darstellung des Systems S zeigt nun, dass es die Blöcke C und P enthält, die entsprechend den Signalpfaden miteinander verbunden sind. Das Diagramm gibt also schon eine Information über die grobe Struktur von S.
Wiederum kann z.B. der Block P detaillierter dargestellt werden. Man kann nun die einzelnen Elemente von P erkennen. Diese können natürlich fast beliebig fein wieder präzisiert werden. Tabelle 2: Detaillierungsgrad von Blockdiagrammen
Es gehört zur Kunst der Blockdiagramme, diese gerade so detailliert zu zeichnen, dass nur die nötige Information darauf enthalten ist. Zu detaillierte Diagramme verlieren ihre Übersichtlichkeit.
Spezielle Blöcke
Irgendetwas produziert Signale und irgendwo werden sie ausgewertet. Diese
Funktionen werden in Blockdiagrammen oft nicht dargestellt. Bei der Simulationstechnik ist es aber nötig, diese Signalquellen und Auswerteeinheiten zu denieren. Die dazu verwendeten Blöcke sind so genannte
Signalquellen
und
Signalsenken.
Die dazugehörenden Blöcke haben für Quel-
len nur Ausgangssignalpfade, für Senken nur Eingangssignalpfade. Typische Beispiele für Quellen sind Funktionsgeneratoren, die Impulse, Schritte, Rampen oder Sinusschwingungen produzieren. Beispiele für Senken sind graphische Anzeiger, Schreiberfunktionen oder eine File-Aufzeichnung.
2.3.3 Blockdiagramm und Ursache-Wirkungsdiagramm in Vensim Arbeitet man mit Vensim, erstellt man oft sogenannte Ursache-Wirkungsdiagramme. Sie stellen die Wirkungsabläufe zuerst in qualitativer Art dar. Aus ihnen lassen sich leicht Blockdiagramme gewinnen. Übung:Versuchen Sie am Beispiel WC-Spülung zuerst ein Ursache-Wirkungsdiagramm und daraus ein Blockdiagramm zu entwickeln.
2.3.4 Von der Realität zum Modell Wie kommt man zu einem Modell eines dynamischen Systems?
9
Zuerst deniert man das System mit seinen Grenzen. Man zeichnet ein
Prinzipschema, das alle
wesentlichen Systemteile und deren Kopplungen enthält. Dann verschat man sich Klarheit über die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Was ist Ursache, was Wirkung? Man geht am besten von der interessierenden Grösse aus, z.B. bei einer Heizungsregelung von der Raumtemperatur, beim Autofahren von der Geschwindigkeit und der Richtung, usw. Dann sucht man die Grössen, die diese bewirken und weiter wiederum die Ursache für diese Grössen, usw. Bei der Heizungsregelung wirkt der Wärmestrom, der über die Heizungsanlage in den Raum geführt wird, auf die Raumtemperatur ein. Ebenso wirken auch Wärmeverluste durch die Wände und Fenster, die wiederum von der Aussentemperatur und der Raumtemperatur abhängen, auf die Raumtemperatur. Weiter sind Wärmegewinne durch Menschen, Maschinen
Ursache-WirkungsDiagramm (causal loop diagram) darstellen. In Vensim kann man solche Diagramme zeichnen, ohne und Sonneneinstrahlung zu berücksichtigen. Das kann man sehr gut in einem
dass man die mathematischen Zusammenhänge kennen muss. Will man allerdings ein lauähiges Modell, müssen die mathematischen Zusammenhänge bekannt sein. Vom Ursache-Wirkungs-Diagramm zum Blockdiagramm (oder Wirkungsplan nach DIN 19226) ist es nur noch ein kurzer Schritt. Dies lässt sich am Beispiel des Spülkastens gut erkennen. Signale sind Träger der Information; sie sind physikalische Grössen mit einer Einheit. Blöcke sind Systeme, die Informationen verarbeiten: die Ausgangsgrössen ändern sich in Abhängigkeit der Eingangsgrössen; die Eingangsgrössen sind die Ursachen, die Ausgangsgrössen die Wirkungen.
Abbildung 3: Von der Realität zum Modell am Beispiel des Spülkastens
2.4
Steuerungen
Eine Steuerung verwendet ein Stellglied zur direkten Beeinussung des Prozesses, ohne dass eine Rückkopplung stattndet. Kennzeichen für das Steuern ist die
oene Wirkungskette
der einzelnen
Übertragungsglieder. Im vorangehenden Abschnitt wurde die Steuerung einer Raumtemperatur aufgezeichnet. Die
10
Denition auf die Raumheizung übertragen lautet: Mit einer Steuerung wird versucht, die Raumtemperatur auf einen bestimmten Wert zu bringen. Die dazu zur Verfügung stehenden Informationen sind die Leistung des Heizkessels und ein Modell des Zimmers. Man beachte, dass die Zimmertemperatur nicht gebraucht wird. Die Steuerung der Raumtemperatur kann durch folgendes Blockdiagramm dargestellt werden:
Abbildung 4: Steuerung der Zimmertemperatur
Das Blockdiagramm zeigt die wirkungsmässige Abhängigkeit der Zimmertemperatur `T innen' vom Temperaturprogramm. Die Aussentemperatur `T aussen' steht der Steuerung als zusätzliche Information zur Verfügung. Aufgrund des wirkungsmässigen Zusammenhangs ist klar, dass die erste Fundamentalaufgabe, nämliche die Führung der Zimmertemperatur gemäss einem Temperaturprogramm durch die Heizung, möglich ist. Gedanken über die Qualität der Einrichtung wurden bereits im vorangehenden Kapitel gemacht. Das Prinzip einer Steuerung ist im folgenden Blockdiagramm dargestellt. Die einzelnen Elemente werden später detailliert behandelt.
Abbildung 5: prinzipielles Blockdiagramm einer Steuerung. F steht für Feedforward Control, P für Plant. (deutsch: Steuereinrichtung und Steuerstrecke oder Prozess)
2.5
Regelungen
Bei einer Regelung wird die zu regelnde Grösse fortlaufend mit dem gewünschten Wert verglichen. Entsprechend der Abweichung wird versucht, das System korrigierend zu beeinussen. Kennzeichen für eine Regelung ist ein
geschlossener Wirkungskreis
der einzelnen Übertragungsglieder.
Für die Regelung der Zimmertemperatur heisst dies, dass die Zimmertemperatur `T innen' fortlaufend mit dem durch das Temperaturprogramm vorgegebenen Wert verglichen wird und je nach Resultat mehr oder weniger geheizt wird. Das Blockdiagramm der Heizungsregelung sieht folgendermassen aus:
Abbildung 6: Blockdiagramm der Heizungsregelung
11
Das Blockdiagramm zeigt den wirkungsmässigen Zusammenhang zwischen dem Raumtemperaturprogramm und der Zimmertemperatur `T innen'. Man sieht, dass die Störungen `d', z.B. die Sonneneinstrahlung oder ein oenes Fenster über die Temperaturmessung `T innen' auf die Regelung zurückwirken. Diese Regelung kann also beide Fundamentalaufgaben lösen, d.h. einem Sollverlauf der Temperatur folgen und Störungen ausgleichen.
Abbildung 7: allgemeines Blockdiagramm des Regelkreises. C steht für Controller, P für Plant (deutsch: Regler und Regelstrecke)
Leider gibt es bezüglich der verwendeten Abkürzungen keine internationale Norm. Grosse Unterschiede bestehen vor allem zwischen den die Literatur beherrschenden amerikanischen und den DIN-Abkürzungen im deutschen Sprachraum. Aufgrund der grossen Verbreitung der amerikanischen Abkürzungen in der Literatur werden im Script vorwiegend diese verwendet. Das Leben fordert aber, dass man beide kennt. Deutsche Bezeichnung
Bedeutung
Englische
verwendete
DIN
Namen
Abk.
Abkür-
output
y
x
r
w
zungen Istwert, Regelgrösse,
Grösse, die durch eine
Messgrösse
Regelung beeinusst werden soll.
Sollwert,
Wert, auf den der
reference,
Führungsgrösse
Istwert geregelt
setpoint
Regelabweichung,
Abweichung zwischen
Regeldierenz
Ist- und Sollwert
Störgrösse
zufällige oder nicht
werden soll. error
e (=r-y)
xw (=w-x)
disturbance
d
z
berücksichtigte Störung des Systems Stellgrösse
Reglerausgang
control
u
y
Regler
Einrichtung zur
controller
C
R
plant
P
S
Korrektur von Abweichungen zwischen Soll- und Istwert Regelstrecke
Anlage, der zu regelnde Teil einer Anlage
Tabelle 3: Bezeichnungen und Abkürzungen deutsch und englisch.
3 Das Übertragungsverhalten Lernziele:
Sie kennen die Antwortfunktionen als Beschreibungsform des Übertragungsverhaltens.
12
Sie kennen die Elementar-Übertragungsglieder mit ihren Sprungantworten und Dierenzialgleichungen
Inhalte:
Denition des dynamischen Systems
Beschreibungsformen (Dierenzialgleichungen, Antwortfunktionen)
LZI-Glieder, Elementar-Übertragungsglieder
Transfer:
3.1
Anwendung auf Systeme des Alltags und einfache technische Systeme
Systeme und Systemgrenzen
Abbildung 8: System und Umwelt
Die Systemumwelt umfasst alles, was ausserhalb eines bestimmten Systems liegt. Sie enthält nur Elemente, die für die Betrachtung des Systems von Interesse sind. Die Nahtstelle zwischen Umwelt und System wird als Systemgrenze bezeichnet. Sie entspricht keiner real existierenden Grenze und wird willkürlich entsprechend des Untersuchungszwecks gezogen. Geben Sie eigene Beispiele für
ein technisches System
ein biologisches System
ein ökologisches System
ein soziales System
ein ökonomisches System
Nennen Sie die Elemente, die Beziehungen zwischen den Elementen, die Grenze und die Wechselwirkungen zur Umwelt. Skizzieren Sie Ihr System mit den Elementen und Beziehungen.
Beispiel : polizeiliche Repression im Drogenmarkt
Man weiss schon seit langem aus
empirischen Studien (z.B. Brown et al 1973, Silverman et al 1977, White et al 1983), dass der Heroinpreis äusserst elastisch auf Angebotsänderungen reagiert. Das heisst, dass eine Verringerung des Angebotes um vielleicht 10% den Preis pro Gramm Heroin möglicherweise bereits verdoppelt, weil kein Süchtiger auf seine Ration verzichten will und kann! Auf diese Weise können unvorstellbare Preise für eine Tagesration von ÖS 2000,- ÖS 4000,- und mehr zustande kommen. Diese enormen Geldbeträge können die Süchtigen in der Regel nicht mehr mit legalen Mitteln aufbringen. Daher hat ein höherer Heroinpreis zwei Hauptauswirkungen: Süchtige versuchen, durch kleinere kriminelle Delikte ("Beschaungskriminalität") oder dadurch, dass sie selbst zu Kleindealern werden, ihre Sucht zu nanzieren. Ein neuer Kleindealer muss sich i.a. seinen "Markt" erst schaen und das heisst in der Praxis, dass er versucht, Freunde, Bekannte usw. zur Sucht anzustiften, um sie dann beliefern zu können. Damit erhöht eine steigende Zahl der Süchtigen, die als Kleindealer auftreten, tendenziell auch die Anzahl der Süchtigen insgesamt. Schliesslich wird der Drogenmarkt für die
13
organisierte Kriminalität umso attraktiver, je höher der Heroinpreis ist. Folglich bewirkt ein Steigen des Heroinpreises tendenziell auch ein Steigen des Umsatzes der Drogenmaa. (Quelle : G. Ossimitz: Systemisches Denken und Systemisches Management) Diese Zusammenhänge können in einem Ursache-Wirkungs-Diagramm dargestellt werden:
Abbildung 9: Heroinmarkt ein sozioökonomisches System
3.2
Mathematisches Modell
Ein mathematisches Modell ist eine mathematische Beschreibung eines Systems, welche es erlaubt, aufgrund bekannter Eingänge das zukünftige Verhalten des Systems vorherzusagen. Beim
boxmodell
White-
entsprechen die Gleichungen und Parameter des Modells physikalischen Gesetzen und
Konstanten oder wurden aus solchen hergeleitet. Beim
Blackboxmodell
sind die Gleichungen des
Modells ein allgemeiner Ansatz. Die Parameter werden so angepasst, dass das Modell ein bekanntes System möglichst gut beschreibt. Den Prozess der Bestimmung dieser Parameter nennt man Identikation.
Merke: Es gibt kein Modell, welches die Wirklichkeit exakt beschreibt! Ein Modell ist immer ein Kompromiss zwischen Einfachheit und Genauigkeit. 3.3
Beschreibungsformen dynamischer Systeme
Was ist ein dynamisches und was ist ein statisches System? Bei einem dynamischen System hängt der zeitliche Verlauf der Ausgangsgrössen von den aktuellen
sen
und den vergangenen Eingangsgrös-
ab. Beim statischen System hängt der zeitliche Verlauf der Ausgänge nur von den aktuellen
Eingangsgrössen ab. Charakteristisch für die Regelungstechnik ist die dynamische Betrachtung von Systemen. Zur Analyse der meisten Regelprobleme der Praxis genügt in der Regel eine qualitative Beurteilung der Regelstrecke. Dazu nötig ist die Kenntnis der Antwortfunktionen verschiedener elementarer Übertragungsglieder. Es braucht aber auch ein minimales Wissen über die mathematische Beschreibung dieser Blöcke, wenn man die heutzutage komfortablen Hilfsmittel der Simulation einsetzen will.
Die theoretische Analyse dynamischer Systeme führt auf
Dierenzialgleichungen, deren Lö-
sung im allgemeinen aufwändig ist.
Antwortfunktionen ).
Testsignalantworten sind eine einfache Beschreibungsform (
Die Antwort auf harmonische Schwingungen mit verschiedenen Frequenzen führt zum
quenzgang.
Fre-
Ein dynamisches System kann als Übertragungsglied aufgefasst werden. Das Blockdiagramm ist die Darstellung von dynamischen Systemen als Anordnung von Übertragungsgliedern.
14
LZI-Glieder )
Im Folgenden werden wir uns auf lineare, zeitinvariante Übertragungsglieder (
beschränken. Regelsysteme sollen ja die Regelgrösse möglichst nahe beim Sollwert halten. Man begeht keine grossen Fehler, wenn man das System um den Arbeitspunkt linearisiert, weil man in der Regel nur kleine Abweichungen vom Sollwert hat. Im Kleinen kann jedes System als ein lineares betrachtet werden. Wir nehmen also an, dass wir ein lineares System zu regeln haben. Zeitinvariant heisst, dass sich die Parameter des linearen Modells in der Zeit nicht ändern.
Abbildung 10: LZI-Glied
Wenn der Arbeitspunkt zu null gesetzt wird (d.h. es werden nur Abweichungen vom Arbeitspunkt betrachtet> Ausgangslage: u(t) = v(t) = 0 ), gelten für LZI-Glieder folgende Gesetze: Verstärkungsprinzip : cu(t) > cv(t) für beliebige u(t) Überlagerungsprinzip : u(t)=u1(t)+u2(t) > v(t)=v1(t)+v2(t) Verschiebungsprinzip : u2(t)=u1(t-tV) > v2(t)=v1(t-tV) Aufgabe: Veranschaulichen Sie diese Prinzipien zeichnerisch.
3.3.1 Dierenzialgleichung Beschränkt man sich auf LZI-Systeme, können diese durch
stanten Koezienten
lineare Dierenzialgleichungen mit kon-
beschrieben werden. Bei der Behandlung der Elementarübertragungsglieder
werden wir sehen, wie man auf die Dierenzialgleichung kommt.
3.3.2 Antwortfunktionen Eine Antwortfunktion ist der zeitliche Verlauf des Ausgangssignals gung mit einem Testsignal
Impuls,
Sprung (Schritt),
Rampe
xe (t).
xa (t)
eines Systems bei Anre-
Als Testsignal werden üblicherweise verwendet:
Die Antwortfunktionen werden nach der Eingangsfunktion bezeichnet, d.h. ein Impulseingang bewirkt eine Impulsantwort, ein Sprung eine Sprungantwort und die Rampe eine Rampenantwort. Die grösste Bedeutung hat die Sprungantwort, weil sie einfach und genügend genau erzeugt werden kann und weil sich Kennwerte des Übertragungsverhaltens einfach ermitteln lassen. So wird die Sprungantwort im Blockdiagramm oft als kleines Bild im Block dargestellt. Dies kann zum Beispiel so aussehen:
Abbildung 11: Beispiel für eine Sprungantwortdarstellung im Blockdiagramm
Spezielle Bezeichnungen Die Antwort auf einen Einheitsimpuls (Dirac-Stoss) wird Gewichtsfunktion g(t), diejenige auf einen Einheitssprung (Heaviside-Funktion) wird Übergangsfunktion h(t) genannt. Die einzelnen Testsignale wie auch die entsprechenden Antwortfunktionen lassen sich durch Integration bzw. Dierentiation auseinander herleiten.
15
Aufnahme einer Antwortfunktionen 1. Arbeitspunkt anfahren, Beharrungszustand abwarten 2. Testsignal 3. Ausgang
xe (t)
xa (t)
auf Eingang geben
messen
4. Kennfunktion ermitteln (Normierung, z.B. Sprungantwort auf Sprunghöhe des Eingangs xa (t)−xa0 beziehen (Abweichung vom Arbeitspunkt!) =⇒ Übergangsfunktion h(t) = mit x (t)−x e
(xe0 , xa0 )= 3.4
e0
Arbeitspunkt)
Elementarübertragungsglieder
Sprungantworten verschiedenster Übertragungsglieder können in Tabellen nachgeschaut werden. Mit 6 charakteristischen Übertragungsgliedern, im folgenden Elementarübertragungsglieder genannt, löst man schon viele Aufgaben in der Welt der Regelungstechnik. Die sechs Übertragungsglieder sind:
Proportionalglied
Verzögerungsglied 1. Ordnung
Verzögerungsglied 2. Ordnung
Totzeit
Integrator
Dierentiator
Die Eigenschaften der Elementarübertragungsglieder sollen anhand von praktischen Beispielen selber erarbeitet werden. Für verschiedenste Anwendungsgebiete werden Beispiele vorgeschlagen, für die zuerst eine Antwortfunktion skizziert werden soll. In einem zweiten Schritt werden die mathematischen Gleichungen für diese Systeme hergeleitet. Dies ergibt für zeitkontinuierliche Systeme eine Dierenzialgleichung. Das Elementarübertragungsglied 2. Ordnung ist das schwierigste, die anderen sind vergleichsweise einfach. Das Vorgehen soll darum für Systeme 2. Ordnung gezeigt werden. Die Blätter für die anderen Übertragungsglieder sollen dann nach dem gleichen Vorgehen ausgefüllt werden. Bei der Behandlung der Systeme 2. Ordnung soll auch der Begri der Ordnung eingeführt werden. Beispiel: gedämpft schwingende Masse
Abbildung 12: gedämpft schwingende Masse
16
Auf die Masse m wirkt eine Kraft Fe, die auf irgend eine Art erzeugt wird. (z.B. elektrisch oder magnetisch). Gesucht ist das zeitliche Verhalten der Position x bei Änderungen von Fe. Die zu erwartenden Antwortfunktionen sind in der folgenden Tabelle skizziert.
Abbildung 13: Antwortfunktionen der gedämpft schwingenden Masse
Die Herleitung der Dierenzialgleichung in der dritten Spalte erfolgt aufgrund der physikalischen Gesetze. Es resultiert eine Dierenzialgleichung bei der die höchste Ableitung die zweite Ableitung von x ist. Aus diesem Grunde wird das System als ein System 2. Ordnung bezeichnet. Die Ordnung eines Systems ergibt sich also aus der höchsten Ableitung der Ausgangsvariable. Übung: Komplettieren Sie die folgenden Abbildungen wie oben beschrieben.
17
Abbildung 14: Antwortfunktionen von Proportionalgliedern (P)
Abbildung 15: Antwortfunktionen von Verzögerungsgliedern erster Ordnung (PT1)
18
Abbildung 16: Antwortfunktionen von Totzeitgliedern (Tt)
Abbildung 17: Antwortfunktionen von Integralgliedern (I)
19
Abbildung 18: Antwortfunktionen von Dierenzialgliedern (D)
3.5
Vensim-Modelle
Im Folgenden werden die Elementarübertragungsglieder in einer Tabelle zusammengestellt, zusammen mit einem Vensim-Modell.
20
Abbildung 19: Dierenzialgleichung, Sprungantwort und Vensim-Modell der Elementarübertragungsglieder, u(t)=Eingang, v(t)=Ausgang 21
Abbildung 20: Dierenzialgleichung, Sprungantwort und Vensim-Modell der Elementarübertragungsglieder, u(t)=Eingang, v(t)=Ausgang 22
4 Regelstrecken Lernziele
Sie kennen die Kurzbezeichnungen der häugsten Regelstrecken.
Sie können die Kennwerte der Regelstrecke aus der Sprungantwort bestimmen.
Sie können Modelle für die besprochenen Regelstrecken erstellen.
Regelstrecken können mit den oben behandelten Methoden beschrieben werden. Eingang einer Regelstrecke ist die Stellgrösse, Ausgang ist die Regelgrösse. Beim Beispiel der Heizungsregelung ist die Stellgrösse die Stellung des Mischventils, die Regelgrösse die Raumtemperatur.
4.1
Regelstrecken mit Ausgleich
Regelstrecken, deren Regelgrösse nach einer Änderung der Stellgrösse wieder einen konstanten Wert annimmt, nennt man Regelstrecken mit Ausgleich. Solche Strecken weisen im Allgemeinen P, PT1 oder PTn-Verhalten auf, evtl. kombiniert mit einer Totzeit. Sie werden beschrieben durch eine Verstärkung Ks und durch eine oder mehrere Zeitkonstanten. Bei PT2-Gliedern werden bei schwingungsfähigen Systemen anstelle der Zeitkonstanten die natürliche Frequenz
ω0
und die Dämpfung
D angegeben. Beispiel: Die Drehzahl eines Gleichstrommotors wird durch Verstellen der Ankerspannung beeinusst. Bei einer Änderung der Ankerspannung wird die Drehzahl einen neuen stabilen Wert annehmen. Trägt man die Beharrungswerte der Regelgrösse in Funktion der Stellgrösse auf, erhält man die
statische Kennlinie. Die Verstärkung
Ks (oder der Übertragungsbeiwert) der Regelstrecke entspricht der Steigung
der statischen Kennlinie. Das heisst, die Verstärkung ist die Änderung der Regelgrösse bezogen auf die Änderung der Stellgrösse im betrachteten Arbeitspunkt.
Abbildung 21: Statische Kennlinie einer Luftheizung.
Bestimmen Sie die Verstärkung dieser Regelstrecke mit der abgebildeten statischen Kennlinie.
4.2
Regelstrecken ohne Ausgleich
Nimmt die Regelgrösse nach einer Veränderung der Stellgrösse keinen konstanten Wert mehr an, spricht man von Regelstrecken ohne Ausgleich. Ein Beispiel ist ein Behälter, dessen Füllstand geregelt wird. Ist die Dierenz zwischen Zuuss und Abuss nicht null, ändert sich der Füllstand kontinuierlich. Diese Regelstrecken haben Integralverhalten. Sie werden beschrieben durch die Steilheit der Übergangsfunktion. TI gibt an, wie lange es dauert, bis der Wert 1 erreicht wird (bei einem 1 Einheitssprung am Eingang). KI = TI wird als Integrierbeiwert bezeichnet. Er gibt an, welchen Wert die Übergangsfunktion zur Zeit 1 erreicht.
23
4.3
Kennwerte und ihre Bestimmung aus der Sprungantwort
In den folgenden Abbildungen sind die wichtigsten Daten zu den Elementarübertragungsgliedern zusammengestellt. Insbesondere ist ersichtlich, wie ihre Kennwerte aus den Sprungantworten bestimmt werden können. Die Eingangsgrösse ist hier xe (t), die Ausgangsgrösse xa (t).
Abbildung 22: Übertragungsverhalten der Proportional-Glieder
Abbildung 23: Übertragungsverhalten der Integral-Glieder
24
Abbildung 24: Übertragungsverhalten der Dierenzial-Glieder
4.4
Regelbarkeit
Bei P-Gliedern mit mehreren Verzögerungen hat die Sprungantwort einen S-förmigen Verlauf, wie in folgender Abbildung.
Abbildung 25: Sprungantwort einer PTn-Regelstrecke
Durch Anlegen der Wendetangente lassen sich die Zeitkennwerte Tu (Verzugszeit) und Tg (Ausgleichszeit) bestimmen. Das Verhältnis Tu/Tg ist ein Mass für die Regelbarkeit der Regelstrecke. Ist Tu/Tg0.3, ist sie schlecht regelbar. Je grösser dieses Verhältnis ist, umso schwieriger ist die Strecke zu regeln und umso mehr nähert sie sich einer Totzeitstrecke. Auch eine Strecke mit zahlreichen Verzögerungen, das heisst eine Strecke hoher Ordnung gleicht einer Regelstrecke mit Totzeit.
25
Für die Simulation lassen sich solche Regelstrecken gut durch eine Serieschaltung von Totzeit Tu und PT1 mit Zeitkonstante Tg annähern.
Übung 1. Erstellen Sie ein Vensim-Modell für eine PT1-Regelstrecke mit den Parametern Ks (Verstärkung) und T (Zeitkonstante). Dokumentieren Sie die Sprungantwort für Ks=2 und T=10s. 2. Erstellen Sie ein Vensim-Modell für eine Serieschaltung von einer Totzeit und einem PT1Glied mit den Parametern Tt (Totzeit), Ks (Verstärkung) und T (Zeitkonstante). Dokumentieren Sie die Sprungantwort für Tt=3, Ks=2 und T=10s. 3. Ein Servomotor wird mit einer Gleichspannung von -5 bis +5V angesteuert. Die statische Kennlinie sehen Sie in untenstehendem Bild. Aufgrund der Sprungantwort identizieren Sie ihn als PT1-Glied mit einer Zeitkonstante von 0.4s. Erstellen Sie ein Vensim-Modell für kleine Änderungen um den Arbeitspunkt bei 3000 U/min.
5 Regeleinrichtungen Lernziele:
Sie kennen die konventionellen Regler (2-, 3-Pkt, PID).
Sie kennen die Wirkung des P-, I- und D-Teils des PID-Reglers
Inhalte:
Regeleinrichtung: Messorgan, Regler und Stellorgan
unstetige Regler (2-, 3-Pkt)
PID-Regler
Transfer:
5.1
Kennenlernen der Eigenschaften mittels Simulation
Regeleinrichtung: Messorgan, Regler und Stellorgan
Damit geregelt werden kann, muss die Regelgrösse gemessen werden. Die dazu nötige Einrichtung wird als
Messorgan bezeichnet. Ein Fühler oder Sensor misst die Regelgrösse, das heisst, er wandelt
sie in ein Signal, das im Regler verarbeitet werden kann. Für elektronische Regler sind das elektrische, für pneumatische Regler Luftdruck- und für hydraulische Regler Flüssigkeitsdruck-Signale. Oft muss das Signal verstärkt und über eine gewisse Distanz übertragen werden.
26
Der Regler muss auf den Prozess, die Anlage, d.h. auf die Regelstrecke einwirken können. Dazu braucht es meist mehr Leistung als der Regler liefern kann. Diese Aufgabe übernimmt dann ein
Stellorgan. Es ist meist ein Verstärker.
Beispiel: mechanisch-hydraulischer Steller Durch das kleine Schieberventil Sch wird als Hilfsenergie ein Druckwasser- oder Druckölstrom H auf die eine oder andere Seite des Kolbens K geleitet. Dieser wird dadurch verstellt.
Abbildung 26: mechanisch-hydraulischer Steller Die Regeleinrichtung besteht also aus Messorgan, Regler und Stellorgan, wie im folgenden Bild dargestellt.
Abbildung 27: Die Regeleinrichtung im Regelkreis Für den Reglerentwurf werden Mess- und Stelleinrichtung aber der Regelstrecke zugeschlagen, da die Dynamik dieser Übertragungsglieder berücksichtigt werden muss.
Abbildung 28: Die Regelstrecke mit Mess- und Stelleinrichtung
5.2
Unstetige Regeleinrichtungen
Schaltende Regler kennen nur wenige Werte für die Stellgrösse. Diese sind z.B. AUS oder EIN, oder BREMSEN, NICHTS und BESCHLEUNIGEN. Dies führt natürlich zu einer relativ groben
27
Regelung. Eine feinere Regelung ergibt sich, wenn man fast beliebige Werte der Stellgrösse in einem gegebenen Stellbereich zulässt. Diese als stetig bezeichneten Regler werden im nächsten Kapitel behandelt. Wieso werden trotz des technischen Fortschritts immer noch schaltende Regler eingesetzt? Die Kosten sind das entscheidende Argument. Beispiel: Belüftung eines Tanks (Ex-Zone): schaltender Regler
stetiger Regler
Element
Realisierung
Preis (Fr.)
Realisierung
Preis (Fr.)
Sensor
2 Druckschalter
400
Drucktransmitter
2000
Wandler
2 Exi-Relais
225
Speisetrenner
500
Regler
Relais
50
Kompaktregler
1500
Stellglied
2 Auf-Zu-Ventile
2000
2 Regelventile
Total
2675
7000 11000
Tabelle 4: Kostenvergleich Regeleinrichtung schaltend/stetig
Es gibt aber auch Fälle, wo schaltende Regler technische Vorteile haben. So z.B. dann, wenn schaltende Aktoren Vorteile gegenüber kontinuierlich verstellbaren Aktoren haben. Auf-Zu-Ventile können im Allgemeinen besser dicht schliessen als steige Regelventile. Wird nun eine Begasung mit einem teuren Inertgas durchgeführt, so kann es sich lohnen, dichte Auf-Zu-Ventile zusammen mit schaltenden Reglern einzusetzen.
5.2.1 Schaltende Regler Die Benennung schaltender Regler erfolgt aufgrund der Anzahl Schaltzustände für die Stellgrösse. Ein Regler, dessen Stellgrösse nur 2 Werte annehmen kann, heisst ist der
Dreipunktregler
Zweipunktregler. Entsprechend
deniert: In Abhängigkeit vom Istwert und von Schaltgrenzen schaltet der
Dreipunktregler die Stellgrösse auf drei mögliche Werte. Gelingt es einem schaltenden Regler, den Istwert bei einer Schaltgrenze zu halten, so wird der Regler sehr oft schalten müssen. Ist der Istwert zudem mit Rauschen gestört, so ergibt sich ein wildes Hin- und Herschalten. Da Schaltvorgänge oft mit unerwünschtem Verschleiss gekoppelt sind, werden die Schaltpunkte für steigenden Istwert höher gelegt als die Schaltpunkte bei fallendem Istwert. Für die Kennlinie des Reglers ergibt sich daraus eine sogenannte
Schalthysterese.
Abbildung 29: Kennlinie eines Zweipunktreglers mit Hysterese
28
Abbildung 30: Kennlinie eines Dreipunktreglers mit Hysterese
Dynamik von Regelkreisen mit schaltenden Reglern
Regelkreise mit schaltenden Reglern
können nur dann einen stationären Istwert erzeugen, wenn es einen Wert der Stellgrösse gibt, bei dem sich der Istwert nicht mehr verändert. So verändert sich das Niveau eines Tanks mit einer Dreipunktregelung nicht, wenn Zu- und Ablaufventil geschlossen sind. Das Niveau kann sich in diesem Beispiel nur ändern, wenn Störgrössen eine Veränderung des Niveaus bewirken. Bei Zweipunktreglern verändert sich aber der Istwert für jeden Wert der Stellgrösse (ausser an den Grenzen des Arbeitsbereichs). Wenn bei einem Bügeleisen die Heizung abgeschaltet wird, kühlt sich das Bügeleisen ab, bis die Heizung von neuem eingeschaltet wird. Es entsteht somit ein Auf und Ab des Istwerts. Das Auf und Ab kann durch folgende Grössen charakterisiert werden:
Schwingspanne : Bereich zwischen dem untersten und dem obersten Wert der Schwingung nach
dem Einschwingen
Schwingungsdauer : Zeit zwischen zwei Maximalwerten Schaltfrequenz : Anzahl Schaltvorgänge pro Zeiteinheit
Aufgaben Aufgabe 1: Laderegelung eines Speichers
Ein Wasserturm soll mit einer Zweipunktre-
gelung ausgerüstet werden. Die Zweipunktregelung mit Hysterese schaltet die Förderpumpe ein und aus. Wegen der Lebensdauer der Pumpe soll die Einschaltfrequenz bei maximalem Wasserverbrauch kleiner als 2 pro Stunde sein. Der Spitzenverbrauch der Gemeinde betrage ca. 100m3 pro Stunde. Die Förderleistung der Pumpe beträgt 200m3/h. Wie gross muss das Reservoir im Wasserturm sein? Skizzieren Sie den zeitlichen Verlauf des Wasserstands.
Aufgabe 2: Verhalten einer Regelstrecke, die mit Schaltstellung EIN als Integrator, mit Schaltstellung AUS als PT1 reagiert. Ein Bügeleisen werde über ein Bimetallthermometer geregelt. Das Bimetallthermometer schaltet den Heizstromkreis und habe eine Schalthysterese von 5°C. Für das Bügeleisen gelten folgende Gleichungen: dT ◦ Aufheizen: dt = 40 C/min; wobei T die Bügeleisentemperatur ist. dT ◦ Abkühlen: dt = (20 − T ) ∗ 0.1 C/min Simulieren Sie die Zweipunktregelung des Bügeleisens und bestimmen Sie damit die Schwingspanne, die Schwingungsdauer und die Schaltfrequenz. Dokumentieren und kommentieren Sie Ihre Simulationsresultate!
5.3
Stetige Regeleinrichtungen: Der PID-Regler
5.3.1 Einleitung Die PID-Regler mit den Varianten P, PI, PD, I-Regler sind die am meisten angewendeten Regler. Ziele des folgenden Kapitels:
Sie können das Blockschema eines PID-Reglers zeichnen und die Elemente benennen
29
Sie können die Veränderung des Zeitverhaltens bei Änderung der Reglerparameter angeben.
In diesem Kapitel werden die Regler eingeführt. Im folgenden Kapitel werden die verschiedenen Aspekte des geschlossenen Regelkreises behandelt. Den Regelungen liegt generell folgendes Blockdiagramm zu Grunde:
Abbildung 31: allgemeines Blockdiagramm des Regelkreises
Die Bezeichnungen der deutschen Bücher sind auf diese Bezeichnungen zu übersetzen (w = r,
xw
= e, y = u, z = d, x = y).
5.3.2 Qualitative Beschreibung der PID-Regelung Das Verhalten von Regelungen soll im folgenden am Beispiel einer Niveauregelung grob charakterisiert werden. Der Zuuss kann durch eine Pumpe mit variabler Drehzahl beeinusst werden.
aktuell:
Je mehr das Istniveau unter dem Sollniveau liegt (je grösser die Regelabweichung ist),
desto mehr muss gepumpt werden. d.h.
e ↑⇒ y ↑
Die momentane Abweichung des Istwerts vom Sollwert (Regelabweichung) bestimmt die Stellgrösse bei t1.
nachtragend:
Je mehr in letzter Zeit das Istniveau unter Sollniveau war, desto mehr pumpen
' Je mehr in letzter Zeit'
↔
´
edτ
Das Integral der Regelabweichung bestimmt die Stellgrösse bei t1.
voraushaltend:
Je schneller das Niveau fällt, desto mehr pumpen de dt Die Ableitung der Regelabweichung bestimmt die Stellgrösse bei t1. 'Je schneller fällt'↔
5.3.3 P-Regler Gleichung:
u(t) = Kp e(t) Eigenschaften:
Abbildung 32: statische Kennlinie des P-Reglers mit beschränkter Stellgrösse
30
Regelsinn = Vorzeichen der Verstärkung
uh : Stellbereich Xp : Proportionalband, Xp =
Kp
uh Kp
t Abbildung 33: Sprungantwort des P-Reglers
Eigenschaften der Regelung:
sofort wirkend
bleibende Regelabweichung bei andauernder Störung
Stellgrösse immer korrigierend, d.h. der Regler beehlt nie heizen, wenn zu heiss
Realisierung:
mechanisch: Hebel
elektrisch: Operationsverstärker
pneumatisch: Luftbalg über mech. Balken
Digitalrechner:up (kT )
= Kp .e(kT )
, mit T = Abtastzeit
Anwendung:
einfache Regelkreise ohne spezielle Güteanforderungen (stationäre Regelfehler spielen keine Rolle)
Systeme mit vernachlässigbarer Eigendynamik
Regelkreise mit Integratoren in Regelstrecke
5.3.4 I-Regler Gleichung:
ˆt ui (t) = Ki
e(τ )dτ 0
Eigenschaften:
dynamisch
u(t) nur konstant, falls e(t)=0, t>tx
Nachstellzeit
Tn
=
1 Ki
31
Sprungantwort:
Abbildung 34: Sprungantwort des I-Reglers,
KIR = Ki
Eigenschaften der Regelung:
verzögert wirkend
keine bleibende Regelabweichung für normale Störungen (nicht quadratisch oder steiler ansteigende)
Phasenverschiebung -90° für alle Frequenzen, darum verzögerte Wirkung .
Realisierung:
elektrisch: Operationsverstärker mit Kapazität in der Rückführung
pneumatisch: Düse/Prallplatte mit Balg (veraltet)
rechnerisch: Summe in Digitalrechnern:
ui (kT ) = Ki T
∑k i=0
Anwendung:
einfache Regelungen, selten
5.3.5 PI-Regler Gleichung:
1 u(t) = Kp (e(t) + Tn
ˆt e(τ )dτ ) 0
Eigenschaften:
dynamisch
u(t) nur konstant, falls e(t)=0
bessere Phasenlage bei Frequenzen > 1/Tn als bei I-Regler
32
e(iT )
mit T = Abtastzeit
Abbildung 35: Sprungantwort des PI-Reglers
Eigenschaften der Regelung:
sofort wirkend (P-Teil)
keine bleibende Regelabweichung (I-Teil)
Realisierung:
elektrisch:
Digitalrechner
u(kT ) = uk = Kp ek + Ki T
k ∑
ei
i=0
Anwendung:
am meisten gebrauchter Regler
einfache Regelungen ohne spezielle Güteanforderungen
kann auch bei Signalen mit grossem Rauschen gut eingesetzt werden
5.3.6 PD-Regler Gleichung:
u(t) = Kp (e(t) + Tv
de(t) ) dt
real mit Filter (PT1)
ef (t) + Tf
def (t) = e(t) dt
u(t) = Kp (e(t) + Tv
33
def (t) ) dt
Eigenschaften:
dynamisch, sofort wirkend
u konstant falls Ableitung null, d.h. keine Änderung
bei Verstärkung 'nervös'
Eigenschaften der Regelung:
empndliche Regelung, gute Signalqualität nötig, Filter richtig einsetzen
bleibende Regelabweichung möglich
wirkt stabilisierend
Realisierung:
elektrisch:
oder Digitalrechner
u(kT ) = uk = Kp ek + KD
ek − ek−1 T
Anwendung:
für Regelstrecken, die bereits Integratoren enthalten
für Regelstrecken, die beschleunigt werden müssen, d.h. träge Regelstrecken
für Regelstrecken mit 'Schwungmasse'
wird selten eingesetzt
5.3.7 PID-Regler Gleichung:
1 y(t) = Kp [e(t) + Tn
ˆ
beachte Filter bei D-Teil Eigenschaften:
P + I + D
34
e(τ )dτ + Tv
def ] dt
Abbildung 36: Sprungantwort des PID-Reglers
Realisierung:
elektrisch:
oder Digitalrechner
u(kT ) = uk = Kp ek + Ki T
k ∑ i=0
ei + KD
ek − ek−1 T
Anwendung:
überall wo die anderen nicht genügen;
aber Achtung: ein schlecht eingestellter PID-Regler ist schlechter als ein schlecht eingestellter Poder PI-Regler !
Übung Erstellen Sie ein Vensim-Modell für einen PID-Regler mit den Parametern Krp (Verstärkung), Tn (Nachstellzeit) und Tv (Vorhaltezeit). Dokumentieren Sie die Sprungantwort für Krp=2, Tn=10s und Tv=1s. Kopieren Sie die Regelstrecke TtPT1 aus der letzten Übung und schliessen Sie den Regelkreis. Sollwert w=1. Wie reagiert der Regelkreis, wenn Sie Krp ändern? Wie auf Änderung von Tn?
6 Dynamik des Regelkreises, Stabilität Lernziele:
Sie kennen eine Stabilitätsdenition
Sie kennen ein Gütekriterium
35
6.1
Einleitung
Es ist das Ziel einer Regelung, das statische und dynamische Verhalten der Ausgänge einer Regelstrecke so zu verändern, dass sie den Anforderungen des Prozesses genügen. Zur Charakterisierung des Verhaltens gibt es verschiedene Eigenschaften, die in diesem Kapitel behandelt werden sollen. Von vorrangiger Bedeutung ist die Stabilität. Sie soll im ersten Abschnitt behandelt werden. Die Stabilität ist eine grundlegende Voraussetzung, bevor überhaupt über die Einstellung und Optimierung von Regelkreisen diskutiert werden kann. Denn ein instabiler Regelvorgang ist oensichtlich unbrauchbar. Das Ziel dieses Abschnitts ist es, dass Sie den Stabilitätsbegri kennen und an einem Beispiel erklären können
6.2
Stabilität
Betrachten Sie folgende Antwortfunktionen eines geschlossenen Regelkreises:
stabil : abklingende Schwingung
oszillatorisch instabil ("aufklingende" Schwingung)
Dauerschwingung, Stabilitätsgrenze
monoton instabil: Signal geht sofort nach unendlich, bzw. in die Sättigung (Stellglied am Anschlag). Ursache meist verkehrter Regelsinn
Tabelle 5: Antwortfunktionen eines Regelkreises
Die Stabilitätsdenition eines Übertragungsgliedes mit dem Eingang u(t) und dem Ausgang y(t) bezieht sich auf einen Arbeitspunkt (u0, y0) eines Systems. Ein System oder Übertragungsglied wird stabil genannt, wenn zu jeder beschränkten Eingangsgrössenabweichung
∆u(t)=u(t)
- u0 die zugehörige Ausgangsgrössenabweichung
∆y(t)=y(t)
- y0
ebenfalls beschränkt ist. 'Beschränkt' bedeutet, dass die Grösse nicht gegen unendlich geht. Betrachtet man nur noch Abweichungen vom Arbeitspunkt, lässt sich das vereinfacht so sagen:
Ein System ist stabil, wenn bei beschränktem Eingang auch der Ausgang beschränkt bleibt. Diese Denition wird BIBO-Stabilität genannt (bounded input bounded output).
36
Ein Übertragungsglied heisst (asymptotisch) stabil, wenn seine Sprungantwort h(t) für einem festen Wert M mit M