PROF. DR. GERHARD ROTH, NEUROBIOLOGE & VERHALTENSPHYSIOLOGE UNI BREMEN: "Der Mensch kann nicht rein rational entscheiden"

Schweizerische Graphologische Gesellschaft SGG Société Suisse de Graphologie BULLETIN SGG SSG NR. 111 - JULI 2016 LIEBE LESERINNEN UND LESER Spä...
Author: Sven Schuster
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Schweizerische Graphologische Gesellschaft

SGG

Société Suisse de Graphologie

BULLETIN SGG

SSG

NR. 111 - JULI 2016

LIEBE LESERINNEN UND LESER Spätestens seit den 1940er Jahren, als Rudolf Pophal seine Werke zur "Handschrift als Gehirnschrift" herausgegeben hat, befasst sich die Schriftpsychologie mit den neurowissenschaftlichen Grundlagen des Schreibens, dabei insbesondere mit den Hintergründen zu dem, was den "Spiegel der Persönlichkeit in der Handschrift" ausmacht und wie dieser zustande kommt. Die Neurowissenschaften haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten ungeahnt viele Erkenntnisse geliefert, mit denen wir uns mehr und mehr auseinanderzusetzen haben. So wird einerseits die Forschung, aber auch die Ausbildung immer anspruchsvoller und hat vielen Anforderungen gerecht zu werden: Mit unserem neuen Ausbildungsmodell versuchen wir, uns diesem Anspruch zu stellen. Marie Anne Nauer

PERSÖNLICHKEITEN MIT UNTERSCHRIFT*... PROF. DR. GERHARD ROTH, NEUROBIOLOGE & VERHALTENSPHYSIOLOGE UNI BREMEN: "Der Mensch kann nicht rein rational entscheiden" UND

PROF. DR. JOACHIM BAUER, NEUROBIOLOGE & PSYCHOTHERAPEUT UNI FREIBURG/D: "Die Wiederentdeckung des freien Willens"

...IM RAMPENLICHT *Quelle: www.bllv.de; www.spiegelneurone.de; privat

INHALT: • INTERVIEW MIT ARIANE GREGOR UND JULIA HUG, Studentinnen der Graphologie am IAP Basel (Christian Katz) • DAS NEUE AUSBILDUNGSPROGRAMM DER SGG IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM IAP BASEL • BERICHT ZUM INTERNATIONAL GRAPHOLOGICAL COLLOQUIUM CAMBRIDGE (Marie Anne Nauer) • CAMILLO BALDO: Theoretiker der Graphologie • AGENDA: FORTBILDUNG CH & INTERNATIONAL: FREIBURG/D; INTERVISION SGG/SBAP

SGG & IAP BASEL: AUSBILDUNG IN GRAPHOLOGIE VERTIEFUNGSSTUDIUM: BEGINN AM 20. AUGUST 2016 für Fachleute in beratungsnahen Berufen IAP BASEL [email protected]

AGENDA SCHRIFTPSYCHOLOGISCHE & PSYCHOLOGISCHE WEITERBILDUNG 2016/17: 29. Oktober 2016 (10:15 - 17:15) WORKSHOP: Computerunterstützte Graphologie - GraphoPro® im Praxistest Referenten: DR. CHRISTIAN P. KATZ, SGG, UND BRUNO KEEL Ort: Berufsschule für Gestaltung, Ausstellungsstrasse 104, 8005 Zürich Veranstaltung: SGG Schweizerische Graphologische Gesellschaft Info & Anmeldung demnächst auf: www.sgg-graphologie.ch

14. Januar 2017 (10:15 - 17:15) WORKSHOP: Scham und Angst - ihre innere Verbindung und ihre Manifestation im Schriftbild Referenten: JÜRG SCHLÄPFER Ort: Karl der Grosse, Kirchgasse 14, 8001 Zürich Veranstaltung: SGG Schweizerische Graphologische Gesellschaft Info & Anmeldung demnächst auf: www.sgg-graphologie.ch

INTERVISION GRAPHOLOGEN SGG / SCHRIFTPSYCHOLOGEN SBAP: 29. August 2016 (17:00 - 19:00) INTERVISION: Besprechung von mitgebrachten Handschriften Teilnehmerzahl: begrenzt auf 6 - bitte frühzeitig anmelden! Ort: Praxis Jürg Schläpfer, Bäulistrasse 22, 8049 Zürich Veranstaltung: SGG Schweizerische Graphologische Gesellschaft Anmeldung an: [email protected]

AUSBILDUNG IN GRAPHOLOGIE - SGG & IAP BASEL Einführung in die Handschriftanalyse für Fachleute in beratenden Berufen:

Beginn des VERTIEFUNGS-STUDIUMS am 20. August 2016 Beginn des nächsten GRUNDKURSES am 1. April 2017 http://www.sgg-graphologie.ch/ausbildung.html - Info & Anmeldung: [email protected]

DGV-TAGUNG: GRAPHOLOGIE, KUNST UND LITERATUR - FREIBURG/D 2./3. SEPTEMBER 2016 WALDHOF FREIBURG www.dgv-graphologie.de Referenten: Rosmarie Bolliger - Dr. Angelika Burns - Dr. Christa Hagenmeyer - Stefanie Hubert - Dipl. Psych. Renate Joos Marianne Macheroux - Ilona Matissek - Hartmut Mutschler - Annette Pehnt - Dr. Antje Telgenbüscher

www.sgg-graphologie.ch Redaktion und Layout: Dr. Marie Anne Nauer, CH-8006 Zürich +41 44 362 96 03 [email protected]

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Beiräte: Dr. Urs Imoberdorf, 8032 Zürich [email protected]

Annemarie Pierpaoli 8123 Ebmatingen [email protected]

SGG-Sekretariat: Ursula Sebben Weinbergstrasse 102, CH-8006 Zürich +41 44 364 50 51 [email protected]

Druck: STEINEMANN PRINT AG Digital + Analog Uitikonerstrasse 27, CH-8952 Schlieren T +41 44 730 93 94 www.steinemann-print.ch

GRAPHOLOGIE-STUDIUM SGG - IAP BASEL NEUE DREITEILIGE STRUKTUR: BASISSTUDIUM - VERTIEFUNGSSTUDIUM - FACHSTUDIUM Moderne Graphologie wendet als Technik die Modelle der erfahrungswissenschaftlichen Schriftpsychologie an. Diese schliesst aus der Handschrift auf wesentliche Züge der Persönlichkeit. Deshalb verlangt sie als Voraussetzung auch psychologisches Denken. Ihre Anfänge sind in der gleichen Zeit auszumachen wie die Anfänge der modernen Psychologie, also im 16. Jahrhundert; man erkannte schon damals Zusammenhänge zwischen individueller Handschrift und Persönlichkeit. Diese sind im Laufe der Jahrhunderte auf verschiedene Weise erforscht worden. Heute geschieht dies mit modernen wissenschaftlichen Methoden. Die Handschrift wird hinsichtlich ihrer Bewegungsabläufe, ihrer Formen und ihres Umgangs mit dem zur Verfügung stehenden Raum - dem Papier - untersucht. Dabei spielen weniger die einzelnen Schriftmerkmale als die so genannten Ganzheitsmerkmale und Eindruckscharaktere die Hauptrolle. Diese sind mehrdeutig und müssen aus dem Gesamtzusammenhang heraus interpretiert werden. Handschrift ist, als graphisch fixierte Bewegungsspur, individueller Ausdruck der schreibenden Person und lässt genau deshalb Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu. Sie erlaubt eine komplexe und differenzierte Beschreibung ihrer Struktur und Funktionen. Sie hat sowohl in Studien als auch in der Praxis ihre Tauglichkeit bewiesen. Viele Personalverantwortliche verwenden graphologische Analysen als Entscheidungshilfe und wertvolle Ergänzung zu den für die Personalauswahl üblichen Grundlagen.

Das neue Ausbildungsmodell zum Graphologiestudium SGG - IAP Basel 3

Zulassung Angesprochen sind Personen in beratender oder therapeutischer Funktion, die einen der folgenden Abschlüsse mitbringen: UNI, FH, HF, HFP in den Fachgebieten Psychologie, Psychotherapie, Pädagogik, Medizin, Jurisprudenz, Theologie, Sozialpädagogik und Sozialarbeit, Personalmanagement, Human Resources sowie Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung.

Das Basisstudium Das Basisstudium mit Zertifikatsabschluss vermittelt die Grundlagen der Schriftpsychologie und soll dazu befähigen, das Wesentliche der graphologischen Methode zu verstehen, sie in Beratungssituationen anzuwenden und damit eine fruchtbare Zusammenarbeit von Vertretern beratender Berufe mit Schrift-psychologinnen und Psychodiagnostikern zu ermöglichen. Das Ziel ist der Erwerb der Fähigkeit, aufgrund einer Handschrift Wesentliches über das Denken, Fühlen und Verhalten eines Menschen zu erfassen und entsprechende Hypothesen zu bilden, die für eine Beratung hilfreich sind. Kenntnisse der Interpretationsmöglichkeiten und deren Deutung im Gesamtkontext.

Nächster Kursbeginn: 1. April 2017 Das Vertiefungsstudium Im Zentrum des Vertiefungsstudiums steht methodisch die Kasuistik. Es wird mit Fällen aus der schriftpsychologischen Praxis gearbeitet. Die Dozenten und die Teilnehmenden bringen Schriften und biographische Daten von ihnen bekannten Personen mit. Dieser Ausbildungsteil soll das im Basisstudium Erlernte vertiefen und in konkrete Beispiele fassen. Die Teilnehmer lernen Schriften zu protokollieren, differenziert zu analysieren und zu interpretieren. Sie sind in der Lage, Wesentliches über eine Persönlichkeit zu erfassen, um hinsichtlich konkreter Fragestellungen wie Studienberatung, Eignung für eine bestimmte Tätigkeit, Entwicklungsförderung, u.a.m. ressourcen- und potenzialorientierte Aussagen zu machen. Angesprochen sind Absolventen des Basisstudiums der SGG, des Graphologie-Einführungssemester der ZHAW resp. ZHAW-Studierende oder Psychologinnen, Psychologen mit Grundausbildung in Schriftpsychologie. Ebenfalls angesprochen sind Absolventen von Ausbildungen von vergleichbarem Niveau anderer nationaler oder internationaler Verbände (bspw. DGS, VDG, EGS, o.a.).

Nächster Kursbeginn: 20. August 2016 4

Das Fachstudium Das Fachstudium baut auf dem Vertiefungsstudium auf und entspricht dem CAS in Schriftpsychologie, welches bisher durch SGG und ZHAW gemeinsam angeboten und durchgeführt wurde. Der Abschluss mit Diplom setzt fundierte psychologische Kenntnisse voraus; er befähigt zur Anfertigung von schriftpsychologischen Gutachten, berechtigt zur Mitgliedschaft SGG sowie Psychologinnen und Psychologen zum Erwerb des „Fachtitels in Schriftpsychologie SBAP“.

Nächster Kursbeginn: 2018

IGC INTERNATIONAL GRAPHOLOGICAL COLLOQUIUM CAMBRIDGE Vom 8.-10. 2016 April hat in Cambridge wiederum das im Jahr 1997 ins Leben gerufene und seither sporadisch abgehaltene INTERNATIONAL GRAPHOLOGICAL COLLOQUIUM stattgefunden. Die Ziele, die damals formuliert wurden und unverändert gelten, sind: • Länderübergreifende persönliche Kontakte schaffen • Vergleichende Handschriftanalysen vornehmen und einen vermehrt einheitlichen Deutungsansatz entwickeln • Soweit als möglich gemeinsam die heutigen Herausforderungen und Anforderungen an die Graphologie ausmachen und einige von Ihnen angehen, wie - Standardisierung von Ausbildung und Praxis um eine bessere Qualifizierung zu erreichen - Förderung der Zusammenarbeit mit Vertretern beratender Berufe wie Psychiatern, Psychologen, Erziehungswissenschaftlern, Berufs- und Laufbahnberatern, Juristen, HR-Spezialisten • Erarbeiten einer Grundlage für alle beruflich tätigen Graphologen, um den Vorteil der Methode bekanntzumachen und zum Nutzen der Gesellschaft anzuwenden Im Fitzwilliam College versammelten sich um die 70 Teilnehmer aus 19 Ländern, um 6 Vorträge zu hören und an zwei Sitzungen zur vergleichenden Handschriftanalyse beizuwohnen. Die Umgangssprache war natürlich Englisch, doch waren in den Pausen sehr viele andere Sprachen zu hören wie Deutsch, Französisch, Holländisch, Italienisch, Spanisch, Griechisch, Brasilianisch, Russisch, Polnisch, Ungarisch, Chinesisch... Anlässlich der abschliessenden gemeinsamen Diskussion zur Zukunft der Graphologie zeigte sich, dass die Ziele erweitert werden müssen um die Punkte • Schreibbewegungs-Therapie resp. Training scheint eine grosse und wichtige Zukunft zu haben angesichts der aktuellen Situation: Es zeigen sich bei Schülern und auch bei Erwachsenen mehr und mehr massive Schwierigkeiten mit dem handschriftlichen Schreiben – in den USA ist die Lage im höchsten Grad alarmierend • Nur gute wissenschaftliche Untersuchungen können und müssen uns Legitimierung und wenn möglich Akademisierung verschaffen • Die Einträge in Wikipedia müssen dringend geändert werden – die deutsche Version (die von der SGG-Gruppe vorangetrieben worden ist) ist hier Vorreiter, es braucht jedoch sehr viel mühsame Detailarbeit und viel Geduld, um dies zu erreichen und auch, um den erreichten Status aufrechtzuerhalten • Eine Idee ist, die Handschrift als Kulturgut von der UNESCO unter Schutz stellen zu lassen. Manche Wege werden schon beschritten, und es ist nach wie vor sehr wichtig, international zusammenzuarbeiten, um sich allgemein zu unterstützen, um sich wissenschaftlich auszutauschen und um Synergien auszuloten. Dieses Colloquium ist zum ersten Mal von Bernadette Keefe von der British Academy of Graphology BAoG, die ihrerseits das London College of Graphology betreibt, in Zusammenarbeit mit dem British Institute for Graphologists BIG durchgeführt worden. Sie hat diese Aufgabe sehr konzentriert wahrgenommen und erfolgreich abgeschlossen – es sei ihr an dieser Stelle ein grosses Kompliment ausgesprochen. Marie Anne Nauer

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INTERVIEW MIT ARIANE GREGOR, Fachlehrerin für Textiles Werken und Hauswirtschaft, UND JULIA HUG, Psychologiestudentin Ihr habt beide kürzlich das von der SGG angebotene 12-tägige Basisstudium in Graphologie erfolgreich absolviert. Was hat euch zu dieser Ausbildung motiviert? Ariane Gregor: Durch meinen Mann wurde ich auf die Ausschreibung des Basisstudiums 2015 aufmerksam gemacht. Graphologie stand nicht zuoberst auf meiner Wunschliste, aber die Ausschreibung liess mich gedanklich nicht mehr los. Die unzähligen verschiedenen Schriften meiner Schülerinnen und Schüler und auch meiner Kinder sowie aus meinem Umfeld haben mich immer schon fasziniert. Nach langem Abwägen, ob ich auch genügend Zeit würde investieren können, meldete ich mich an. Ich habe es nicht bereut. Julia Hug: Mein Interesse an der Graphologie wurde durch meine Mutter, Eva Hug, geweckt. Ich war zwar nicht so engagiert wie sie und habe die zahlreichen Bücher über die Graphologie, die bei uns zu Hause stehen, nicht durchgeackert. Als sie zusammen mit Barbara Erni das Vorlesungs-Kompendium verfasste und ich dieses formatierte, wurde mein diesbezügliches Interesse wieder stärker. Als ich dann erfahren habe, dass es genügend Teilnehmende für das Grundstudium im 2015 gab und der Kurs durchgeführt wurde, nutzte ich diese Chance.

Ariane Gregor

Hat der Kurs eure Erwartungen erfüllt? Julia Hug: Ich ging ohne Erwartungen an das Basisstudium heran. Es hat mir gut gefallen, dass wir verschiedene Dozierende hatten und so unterschiedliche Persönlichkeiten aus der Graphologie kennenlernen durften. Leider musste ich während dem Basisstudium erkennen, dass für mich der Zeitpunkt nicht optimal war. Das Erlernen der Graphologie braucht sehr viel Zeit und diese hat mir im letzten Jahr leider gefehlt – da ich mich im Vollzeitstudium an der Hochschule für Angewandte Psychologie an der FHNW in Olten befinde und nebenbei berufstätig bin.

Julia Hug

Ariane Gregor: Im Vorfeld habe ich mich ein wenig mit dem Thema auseinander gesetzt, aber ich hatte keine Erwartungen, war also völlig offen ins Basisstudium gestartet. Die 12 Tage waren vollgepackt mit Informationen, mit Übungen, mit allerlei Neuem – Interessantem. Gerne hätte ich mehr Zeit investiert, um all das Erlernte zu festigen und etwas Übung zu erlangen. Aber das Basisstudium ist ja erst ein kleiner Anfang in einem grossen Thema.

Graphologie hat ja in der Öffentlichkeit ein sehr heterogenes Image. Die Meinungen reichen von 'geheimnisvoll' über 'verstaubt' bis zu 'unwissenschaftlich', um nur einige Stichworte zu nennen. Mit welchen Vor-Urteilen seid Ihr in den Kurs eingestiegen und wie beurteilt Ihr die Graphologie heute? Ariane Gregor: Irgendwie schaffe ich es immer wieder, meinen Focus auf ‚verstaubte‘ Themen zu setzen, denn mein Beruf wird in der Bildungslandschaft ebenfalls stiefmütterlich behandelt. Vermutlich reizt mich das und gibt mir die Entschlossenheit, mich dafür zu interessieren und einzusetzen. Speziell fand ich aber, dass in meinem Umfeld die Graphologie manchmal mit Kalligraphie verwechselt wurde. So gab es dann durch meine Erklärungen spannende Diskussionen. Ich bin überzeugt von der Möglichkeit, aus der Handschrift auf die Persönlichkeit zu schliessen. Und darüber möchte ich viel mehr wissen. 6

Julia Hug: Ich war immer wieder fasziniert, wie meine Mutter zutreffende Persönlichkeitsbeschreibungen allein aufgrund der Handschrift von Personen machen konnte. Die Graphologie hat mich also schon früh überzeugt. So bin ich auch ohne Vorurteile in den Kurs eingestiegen. Dass der Nutzen der Graphologie mit statistischen Verfahren schwer zu überprüfen ist, ist eine Tatsache. Das macht es ihr natürlich nicht einfach auf dem 'Markt' der Personalauswahlverfahren.

Handschrift von Julia Hug

Wie hat euer persönliches Umfeld auf eure Kursteilnahme reagiert? Julia Hug: Meine Mutter hat sich natürlich sehr darüber gefreut! Ariane Gregor: Mein familiäres, berufliches und politisches Engagement überstieg manchmal meine Grenzen, daher hat mein Umfeld schon mit Erstaunen reagiert. Welche Aspekte der Graphologie empfindet Ihr als einfacher, welche als schwieriger als Ihr ursprünglich dachtet? Ariane Gregor: Es gibt so viele Finessen in der Handschrift. Das genaue Beobachten, das pedantische Betrachten der individuellen Schrift nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Es braucht viel Erfahrung, um effizient eine graphologische Beurteilung zu erstellen. Viele in meinem Umfeld wollten mir gleich eine Schriftprobe geben zum Analysieren. Die Probe nahm ich gerne an, aber das Analysieren lies ich dann mangels Erfahrung vorläufig doch bleiben... Julia Hug: Ich finde die Graphologie insgesamt sehr anspruchsvoll und wie bereits gesagt, braucht das Erlernen viel Zeit. Ich denke, dass ist sicher auch ein Grund, weshalb die Graphologie vom 'Aussterben' bedroht ist. Man muss viel Zeit und Ausdauer investieren, damit man diese Methode seriös anwenden kann. Könnt Ihr von dieser Basisausbildung in eurem (Berufs-)Alltag bereits profitieren? Julia Hug: Nein, bisher leider noch nicht. Aber ich schaue die Handschrift meiner Mitmenschen schon anders an. Ariane Gregor: Da erlaube ich mir noch gar nichts, aber im stillen Kämmerlein schaue ich mir die Schriften schon anders an. Habt Ihr graphologische Zukunftspläne? Ariane Gregor: Gerne will ich noch viel mehr wissen über die Analysen von Handschriften, so habe ich mich für das Vertiefungsstudium angemeldet. Julia Hug: Ich möchte auf jeden Fall dranbleiben. Das weiterführende Studium werde ich aber vorerst nicht besuchen, da ich momentan einfach zu wenig Zeit habe, um dieses seriös absolvieren zu können. Was kann die SGG unternehmen, um die Graphologie innerhalb der psychologischen Diagnostik wieder zu einer respektierten Methode werden zu lassen? 7

Julia Hug: Ich könnte mir vorstellen, dass die computergestützten graphologischen Hilfsmittel hilfreich sind. Die SGG sollte das Entwickeln solcher Software weiterhin fördern. Ariane Gregor: „Tue Gutes und sprich darüber“, damit erreicht die SGG viel. Aus meinem Blickwinkel hat Graphologie einen kleinen Bekanntheitsgrad. Das Wissen über Graphologie ist in meinem Umfeld nur mässig. Wenn ich aber die Aspekte erläutere, sind die Diskussionen immer sehr spannend. Ich danke euch für das interessante Gespräch und hoffe, dass euch die Graphologie bereichern und weiterhin begleiten wird. Christian P. Katz

Handschrift von Ariane Gregor

CAMILLO BALDO (1547-1634), DOKTOR DER PHILOSOPHIE UND DER MEDIZIN, PROFESSOR FÜR LOGIK UND PHILOSOPHIE

Handschrift von Camillo Baldo, einem der ersten Theoretiker der Graphologie. 1622 erschien sein Werk “Trattato come da una lettera missiva si conoscano la natura e qualità dello scrittore”. Er unterschied darin bereits zwischen Ausdruck und Darstellung, arbeitete mit dem Analogieprinzip und forderte eine sorgfältige Materialkritik - alles Merkmale ernsthafter wissenschaftlicher Fundierung. Zuvor schon waren erschienen von Juan Huarte de San Juan (1575) "Examen de ingenios para las sciencias", eine Art Assessment für die Studienwahl, und von Prospero Aldorisio (1611) "Idengraphicus Nuntius", eine Begründung der “Idiographie”, einem graphologischen System mit 72 axiomatischen Paragraphen. 8

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