Planung von gutem Unterricht

Peter Liebetrau Wintersemester 2004/05 Ringvorlesung „Unterricht, der Schülerinnen und Schüler herausfordert“ Planung von gutem Unterricht Inhalt 1. ...
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Peter Liebetrau Wintersemester 2004/05 Ringvorlesung „Unterricht, der Schülerinnen und Schüler herausfordert“

Planung von gutem Unterricht Inhalt 1.

Einleitung

2.

Didaktische Grundkonzeptionen

2.1.

Bildungstheoretische Didaktik

2.2.

Die Lerntheoretische Didaktik nach Heimann/ Otto/ Schulz

2.3.

Lernzielorientierte Didaktik

3.

Schriftliche Unterrichtsplanung

3.1.

Vorüberlegungen

3.2.

Kurzvorbereitung

3.3.

Ausführliche Vorbereitung

3.3.1.

Einordnung der Stunde in den curricularen Zusammenhang der Unterrichtseinheit/ des Kurses/ des Halbjahres

3.3.2.

Bedingungsanalyse

3.3.3.

Didaktische Strukturierung: Entscheidungsfelder des Unterrichts

3.3.4.

Methoden- und Verlaufsplanung

3.3.5.

Anhang (z.B. Sitzplan, Arbeitsblatt, Literatur)

4.

Literatur

Das vorliegende Manuskript liegt als PDF-Datei unter der Adresse www.liebetrau-kassel.de/download zum Herunterladen bereit. Anfragen, Anmerkungen an [email protected]

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Peter Liebetrau - Planung von gutem Unterricht

1.

Einleitung

In vielen Bereichen wird Berufsanfängern die Möglichkeit eingeräumt, Fehler zu machen, im Lehrberuf gilt dies aber nur eingeschränkt. Die Leidtragenden sind Schülerinnen und Schüler. Fehler wirken sich auch für Unterrichtende negativ aus, wenn ihnen diese unter den Bedingungen der zweiten Ausbildungsphase unterlaufen. Möglichst früh, in Verzahnung zwischen Hochschule und Schule, ist das Erlernen schulpraktischer Tätigkeiten daher unerlässlich. Dazu gehört die Planung von Unterricht. Die einschlägige Literatur füllt viele Regale und ein 60-Minuten-Vortrag ersetzt nicht deren Studium. In diesem Rahmen geht es um einen Überblick, der durch die Praxis geprägt ist. Eine Unterrichtsstunde bedeutet in der Regel 45 Minuten konzentrierter Aufmerksamkeit und höchster Anspannung. Sie erfordert Beweglichkeit, flexibles Reagieren, rasches Einstellen auf neue Situationen. Wie kaum in einem anderen Beruf muss man 45 Minuten „voll da sein“. Lehrerinnen und Lehrer haben in einer Unterrichtsstunde bis zu 200 Entscheidungen zu treffen und dabei im Durchschnitt 15 "erzieherische Konfliktsituationen" zu meistern (http://www.kretschmannonline.de/stress.html). Diese Beanspruchung ist mit der von Fluglotsen vergleichbar. Im Laufe des Berufslebens erteilt eine Lehrkraft weit über 25.000 Unterrichtstunden. Sie sollen Schülerinnen und Schüler in ihrer Entwicklung voranbringen. Ohne Planung des Unterrichts ist dieses Ziel allerdings nicht erreichbar. Sie gehört daher zu den zentralen Arbeitsbereichen des Berufsfeldes einer Lehrkraft. Wenn man Unterricht als linearen Prozess versteht, in dem eine Lehrkraft in jeder Situation den Input gibt und die Schülerinnen und Schüler diesen nur aufzunehmen haben, dann ist Unterricht nicht bis in den kleinsten Winkel planbar. Eine Lerngruppe ist eben nicht eine Reihe vernetzter Computer, die alle unter gleichen Konditionen arbeiten. Daher bewegt sich Unterrichtsplanung in einem Kreisprozess. Die Wechselseitigkeit ihrer einzelnen Elemente verdeutlicht die folgende Grafik.

Nach didaktischen und pädagogischen Gesichtspunkten auswählen, Inhaltliche und erzieherische Ziele bestimmen

Übergeordnete Grundsätze nach • Bildungsplan • Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule • spez. Fachauftrag der Schule beachten

Medien, Arbeitsmittel, Lehrund Lernmittel begründet auswählen

Inhalte, Thema, Problem, Projekt bestimmen Sachstruktur erschließen

Sich bewusst werden über: • Klasse • Schüler • Fach • Lerneinheit • Unterrichtsstunde

Methodische Wege bestimmen. Nach Erörterung von Alternativen sich für Unterrichts-, Arbeits-, Gesprächs und Sozialformen entscheiden

Verlauf der Unterrichtsstunde planen

An äußere Bedingungen, Organisationsrahmen, Ausstattung der Schule denken

Unterricht durchführen, sich danach besinnen, Konsequenzen ableiten und sich ggf. beraten bzw. rückmelden lassen

(aus: LEITFADEN für den Vorbereitungsdienst des Staatlichen Seminars für schulpraktische Ausbildung [Grund- und Hauptschulen] Albstadt)

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2.

Didaktische Grundkonzeptionen

Es gibt eine Unzahl didaktischer Grundkonzeptionen, von denen drei näher betrachtet werden sollen:

Bildungstheoretische Didaktik (auch: geisteswissenschaftliche Didaktik) (KLAFKI1)

Lerntheoretische Didaktik oder „Hamburger Modell“ (HEIMANN/ OTTO/ SCHULZ2)

Erfahrungswissenschaftlich orientierte Didaktik (z. B. lernzielorientierte, informationstheoretische, systemtheoretische und kybernetische Ansätze) (MAGER 3)

Definition

Didaktik ist die Theorie der Bildungsinhalte, ihrer Struktur, ihrer Auswahl und Rechtfertigung.

Didaktik ist die Theorie des Unterrichts und aller ihn bedingenden Faktoren.

Didaktik ist die Theorie der Analyse und Konstruktion von zweckrational optimierten Lernprozessen.

nach: MEYER (1993), S.124f. 2.1.

Bildungstheoretische Didaktik

Wolfgang Klafkis Modell der Didaktische Analyse als Reflexion über Unterrichtsprozesse war lange Zeit in der Lehrerbildung DAS bestimmende Modell der Unterrichtsplanung. Die folgenden 5 Grundfragen der Didaktischen Analyse sind: 1. Gegenwartsbedeutung 2. Zukunftsbedeutung 3. Sachstruktur 4. Exemplarische Bedeutung 5. Zugänglichkeit Für den Unterrichtsprozess sind dabei solche Inhalte auszuwählen, die bildungswirksam sind und einem selbstbestimmten und vernunftgeleiteten Leben verhelfen. In der Theorie der kategorialen Bildung geht es um eine Dialektik von materialer Bildung (enzyklopädisches Wissen & sittliche Reifung an geschichtlichen Größen) und formaler Bildung (Entfaltung körperlicher, geistiger und seelischer Kräfte & Beherrschung von Methoden). Die doppelseitige Erschließung von materialer und formaler Bildung wird dadurch erreicht, dass solche Inhalte ausgewählt werden, die etwas Allgemeines enthalten, d.h. etwas Elementares. Zu den Formen des Elementaren gehört Fundamentales (Grenzsituationen), Exemplarisches, Typisches, Klassisches, Repräsentatives und einfache Zweckformen und ästhetische Formen. Dabei sind solche Inhalte auszuwählen, die den Bildungsprozess dadurch fördern, dass sie auf Grund ihrer Gegenwartsbedeutung, ihrer Zukunftsbedeutung, ihrer exemplarischen Bedeutung und ihrer Struktur und Zugänglichkeit für das Leben der Schülerinnen und Schüler wichtig sind.

1

KLAFKI, Wolfgang (u.a.). Didaktische Analyse. Hannover 1962

2

SCHULZ, Wolfgang. Unterricht – Analyse und Planung. In: HEIMANN/OTTO/SCHULZ. Unterricht – Analyse und Planung. Hannover 1965 3

MAGER, Robert. Lernziele und programmierter Unterricht. Weinheim 1965

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Ausgehend von der Revisionsbedürftigkeit der Didaktischen Analyse und der Neubestimmung des Bildungsbegriffs entwickelte Wolfgang Klafki die KRITISCH-KONSTRUKTIVE DIDAKTIK. Die KRITISCH-KONSTRUKTIVE DIDAKTIK nimmt Elemente aus anderen Modellen auf: Aus der Lerntheoretischen Didaktik übernimmt Wolfgang Klafki den weiteren Didaktikbegriff, aus der Kommunikativen Didaktik ideologiekritische Elemente wie den Emanzipationsbegriff und die gesellschafts- und politische Bezogenheit von Lehr-Lernprozessen, wobei er sich an die Frankfurter Schule anlehnt. Aus der curricularen Didaktik fließt die Priorität und die Kontrolle der Lernziele ein. An die Stelle der Didaktischen Analyse tritt ein (vorläufiges) Perspektivenschema, das sich nicht auf eine einzelne Unterrichtsstunde, sondern auf eine ganze Unterrichtseinheit bezieht. Des Weiteren gilt nicht mehr wie in der Didaktischen Analyse das Primat der Inhalte, sondern das Primat der Lernziele. Insgesamt ist die Kritisch-konstruktive Didaktik auch mehr gesellschaftspolitisch ausgerichtet und betont eine demokratische Sozialerziehung. Die individuelle Zielbestimmung des kritisch-konstruktiven Ansatzes liegt in der Förderung von Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit. Versucht man den Bildungsbegriff vom Allgemeinbildungsbegriff her zu definieren, bedeutet Allgemein im Sinne von "für alle" oder "allseitig" (siehe Pestalozzi: Kopf, Herz, Hand) und Allgemeinbildung im Sinne von Bildung durch das Allgemeine, d.h. durch Schlüsselprobleme, die anhand von der Friedensfrage, von Umweltfragen, der Frage nach der Interkulturalität, der Frage der Ungleichheit, der Frage nach neuen Medien und der Frage nach der Ich-Du-Beziehung angesprochen werden können. Lehren und Lernen wird dabei als ein Interaktionsprozess verstanden, wo die Schüler an der Planung und gemeinsamen Unterrichtskritik in den Unterricht miteinbezogen werden. (Vorläufiges) Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung (in tabellarischer Form nach Klafki, W. (1991) S.272) Bedingungsanalyse: Analyse der konkreten, soziokulturell vermittelten Ausgangsbedingungen einer Lerngruppe (Klasse), des/der Lehrenden sowie der unterrichtsrelevanten (kurzfristig änderbaren oder nicht änderbaren) institutionellen Bedingungen, einschließlich möglicher oder wahrscheinlicher Schwierigkeiten bzw. Störungen. (Begründungszusammenhang)

(thematische Strukturierung)

(Bestimmung von Zugangs- und Darstellungsmöglichkeiten)

(methodische Strukturierung)

Gegenwartsbedeutung Zukunftsbedeutung

thematische Struktur Zugänglichkeit bzw. (einschließlich Darstellbarkeit (u.a. Teillernziele und sozialer durch bzw. in Medien) Lernziele)

exemplarische Erweisbarkeit und Bedeutung, ausgedrückt Überprüfbarkeit in allgemeinen Zielsetzungen der UEinheit, des Projekts oder der Lehrgangssequenz

Lehr-Lern-ProzessStruktur verstanden als variables Konzept notwendiger oder möglicher Organisations- und Vollzugsformen des Lernens (einschließlich sukzessiver Abfolgen) und entsprechender Lernhilfen zugleich als Interaktionsstruktur und Medium sozialer Lernprozesse

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Die Grenzen dieses Unterrichtsplanungskonzeptes liegen darin, dass es sich nicht um ein normatives System handelt, dass es ein allgemeindidaktisches Konzept ist und von den jeweiligen Fachdidaktiken konkretisiert werden muss. Zudem wird Unterrichtsplanung als offener Entwurf definiert.

Konsequenzen für die Unterrichtsplanung Beispiel für die Struktur eines Unterrichtsentwurfs: (1) Bedingungsanalyse (soziales Milieu, entwicklungspsychologischer Stand, Raumsituation, Arbeitsbedingungen, Interessen und Vorwissen,...) (2) Didaktische Analyse •

gegenwärtige Bedeutung (Bedeutung der Thematik für den gegenwärtigen Zeitpunkt der Schüler)



zukünftige Bedeutung (Bedeutung der Thematik für die Zukunft der Schüler)



exemplarische Bedeutung (allgemeiner Sinnzusammenhang, erkennbares allgemeines Prinzip)



Struktur des Inhalts (Thematische Struktur, zu erwartende Schwierigkeiten, Bedeutungsschichten des Themas,...)

(3) Methodische Analyse •

Sozialformen (Plenum, Gruppenarbeit, Partnerarbeit, Frontalunterricht, Einzelarbeit)



Medien (Tafel, OHP, Computer, Buch,...)



Unterrichtsverfahren (Planspiel, Vortrag,...)

(4) Geplanter Verlauf Zeit

2.2.

Unterrichtsschritte

Bezug zum Inhalt

Die lern- bzw. lehrtheoretische Didaktik nach HEIMANN/ OTTO/ SCHULZ

Die Lerntheoretische Didaktik ging mit dem Berliner Modell von HEIMANN/ OTTO/ SCHULZ im Gegensatz zur Bildungstheoretischen Didaktik nicht vom Bildungsbegriff aus, sondern vom Lernbegriff. 2.2.1.

Lerntheoretische Didaktik („Berliner Modell“) nach HEIMANN/ OTTO/ SCHULZ

Während die Kritisch-konstruktive Didaktik von Wolfgang KLAFKI stärker auf die Planung von Unterricht zielt, beansprucht die Lerntheoretische Didaktik, ein Modell für die Planung UND Analyse von Unterrichtsprozessen zu sein. Dabei ist das Berliner Modell durch ein anderes Wissenschaftsverständnis stärker an konkreten Unterrichtssituationen orientiert als die Kritisch-konstruktive Didaktik. Dennoch ist die Lehrtheoretische Didaktik kein Rezept, sondern ein Skizze. Beim Berliner Modell werden die insgesamt den Unterricht bestimmenden Faktoren erfasst. Zu den Bedingungsfeldern gehören die anthropogenen und soziokulturellen Voraussetzungen, die Lehr- und Lernprozesse mitbestimmen. Die Interdependenz (wechselseitige Abhängigkeit) der Entscheidungsfelder Intentionen, Inhalte, Methoden und Medien wird deutlich.

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2.2.2.

Lehr-lerntheoretische Didaktik („Hamburger Modell“) nach Wolfgang Schulz

Das Berliner Modell von Heimann/Otto/Schulz wurde von Wolfgang Schulz weiterentwickelt zum sog. Hamburger Modell. Dabei öffnete sich Wolfgang Schulz im Zuge der 68er Bewegung mehr zugunsten ideologiekritischer Stimmen, so dass das Hamburger Modell stärker kritisch und humanistisch zu verstehen ist. Deutlich wird das daran, dass Wolfgang Schulz explizit auf die allgemeindidaktischen Ziele Kompetenz, Autonomie und Solidarität verweist. Während das Berliner Modell als Entscheidungsmodell gilt, versteht Schulz das Hamburger Modell als ein Handlungsmodell. Unterricht wird dabei als Handlungszusammenhang verstanden, in dem alle am Unterricht beteiligten die Strukturmomente und Bedingungen hinterfragen dürfen. Schulz unterscheidet 4 Ebenen der Unterrichtsplanung: •

Perspektivplanung (Planung für ein Semester, ein Jahr)



Umrissplanung (Unterrichtseinheit)



Prozessplanung (Ordnung der Planungsentscheidungen)



Planungskorrektur (Unterrichtsprozess)

Dabei ist zu beachten, dass den Schülerinnen und Schülern Raum für eine Mitplanungsmöglichkeit bei der Unterrichtsplanung eingeräumt werden muss, da dadurch der Unterricht demokratisiert wird. Unterrichtsplanung ist damit eine Planung aller am Unterricht beteiligten Personen.

Unterrichtsziele: Intentionen und Themen

Ausgangslage der Lernenden und Lehrenden

Erfolgskontrolle: Selbstkontrolle der Schüler und Lehrer

Vermittlungsvariablen wie Methoden, Medien, schulorganisatorische Hilfen

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Konsequenzen für die Unterrichtsplanung Beispiel für die Struktur eines Unterrichtsentwurfs: (1) Soziokulturelle Voraussetzungen Herkunft der Kinder (geographisch, soziales Milieu, Konzentrationsfähigkeit) (2) Anthropogene Voraussetzungen Entwicklungspsychologische Bedingungen, Lernvoraussetzungen, Vorwissen, Vorkenntnisse (3) Intentionalität des Unterrichts emotionale, pragmatische und kognitive Ziele (4) Thematik der Unterrichtsstunde (5) Methoden und Lehrverfahren Sozialformen, Aktionsformen, Urteilsformen (6) Medienwahl (7) Stundenverlauf Zeit

erwartetes Schülerverhalten

geplantes Lehrerverhalten

didaktischer Kommentar

(vgl. MEYER (1993). S.102ff) 2.3.

Lernzielorientierte Didaktik

Grundlage der Lernzielorientierten Didaktik ist eine empirische Wissenschaftsauffassung, die durch Heinrich Roth in der deutschen Erziehungswissenschaft eingeleitet wurde. Dabei stützt sich die Lernzielorientierte Didaktik auf die behavioristische Theorie, wonach Lernen als Verhaltensänderung aufgefasst wird. Während die Formulierung von Lernzielen ein präskriptives Verfahren ist, ist die Analyse der Lernziele ein deskriptives Verfahren. Bei der Lernzielformulierung ist dabei auf Verhaltensänderungen zu achten, die direkt beobachtbar sind. Es spielen aber auch Verhaltensdispositionen eine Rolle, die sich einer direkten Beobachtung entziehen. •

Priorität der Lernziele: Die Curriculare Bewegung betont im Gegensatz zur Bildungstheoretischen Didaktik (Primat der Inhalte) und zur Lehrtheoretischen Didaktik (Interdependenz zwischen Zielen-InhaltenMethoden-Medien) die Lernzieldimension.



Hierarchie der Lernziele: Analyse von Unterricht: Ordnen der Lernziele nach dem Grad der Komplexität (Taxonomie von Bloom in Bezug auf die kognitiven Aspekte): 6. Beurteilung 5. Synthese 4. Analyse 3. Anwendung 2. Verständnis 1. Kenntnis



Operationalisierung der Lernziele: Die Operationalisierung der Lernziele (Formulierung von Lernzielen in Form beobachtbaren Verhaltens) ist eng verknüpft mit der wissenschaftstheoretischen Position dieses Ansatzes (Behaviorismus). Lernen wird dabei als Veränderung von Verhaltensdispositionen begriffen.

Problematik des lernzielorientierten Unterrichts: Die seit den 70er und 80er Jahren beliebte Einteilung der Lernziele in Richt-, Grob- und Feinziele hat sich in der Praxis als fragwürdig erwiesen. Sie verstellt den Blick für die vielen möglichen Ebenen, die in einem Lernprozess erreichbar sind. Eine Lehrkraft kann unter einem Ziel etwas völlig anderes verstehen als die Schülerinnen und Schüler. Die Reichweite der formulierten Ziele kann je nach Leistungsfähigkeit unterschiedlich sein.

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Schließlich muss darauf eingegangen werden, dass die Lernzielformulierung im Rahmen der Unterrichtsplanung stark umstritten ist. Hier stehen sich zwei Strömungen gegenüber. •

Vertreter eines lernzielorientierten Unterrichts meinen, dass es sinnvoll sei, Lernziele zu definieren, um schließlich am Ende des Unterrichtsprozesses das zu prüfen, was Schülerinnen und Schüler lernen sollten. Dieser Unterricht wird allgemein als technologisch, lehrerzentriert, produktorientiert oder rückständig konservativ apostrophiert.



Vertreter eines offenen, schülerzentrierten Unterrichts befürworten, dass sich die Schülerinnen und Schüler ihre Lernziele selbst suchen und die Lehrkraft ihnen dabei hilft. Eine solche Auffassung wird als humanistisch, schülerzentriert, prozessorientiert oder fortschrittlich progressiv umschrieben.

Praktikanten und Referendare sehen sich in der Schulpraxis oft beiden Positionen gegenüber. Sie müssen lernen, mit ihnen umzugehen, sie ggf. vermittelnd anzuwenden. Nicht zu übersehen sind in diesem Zusammenhang die Schülerinnen und Schüler. Sie streben oft Ziele an, die keineswegs mit den formulierten Lernzielen kongruent sind. Eine Lehrkraft kann also nie sicher sein, ob ihre Lehrziele auch zu Lernzielen werden.

Konsequenzen für die Unterrichtsplanung Beispiel für die Struktur eines Unterrichtsentwurfs: (1) Analyse der unterrichtlichen Bedingungen Schule, Klasse, Fach, Tag, Uhrzeit, Raum (2) Formulierung der Lernziele Richtziele: Rahmenrichtlinien, Bildungsplan Grobziele: Ableitung aus den Rahmenrichtlinien Feinziele: kognitive, affektive und psychomotorische Dimension (3) Inhaltliche und methodische Planung Bezug zu den Lernzielen Erstellung einer Matrix: Ziele - Inhalte Lernschritte (4)

Operationalisierung der Lernziele

Test, mündliche Abfragen (5) Verlauf der Stunde Zeit

3. 3.1.

Lernziele

Lernschritte

Schriftliche Unterrichtsplanung Vorüberlegungen

Gewöhnlich geht man mit einfachen Fragen an die Unterrichtsplanung: (1) Was sind die Ziele der Stunde? (2) Wie kann der Inhalt strukturiert werden? (3) Welche Methoden bieten sich an? (4) Welche Medien müssen vorbereitet werden?

Medien/Sozialformen

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Diese Fragen führen zu relativ lehrerorientierter Planung. Im Sinne eines schülerorientierten Unterrichtsmodells sind folgende sechs Fragen viel hilfreicher (nach MEYER, S. 64f.) (1) Welche offen gebliebenen Fragen, welche unerledigten Aufgaben, welche Schwierigkeiten oder Konflikte aus der letzten Stunde wirken in die neue Stunde hinein? Wie sollen sie aufgearbeitet werden? (2) Welche eigenen Erfahrungen, Interessen oder Widerstände könnten die Schülerinnen und Schüler gegenüber dem Stundenthema haben? (Motivation) (3) Was will ich den Schülerinnen und Schülern in dieser Stunde beibringen? (Lehrziele) (4) Was können die Schülerinnen und Schüler unternehmen, um ihre Erfahrungen und Interessen in den Unterricht einzubringen? (Handlungsziele) (5) In welchen Schritten könnte der Unterricht ablaufen und welche Ergebnisse könnten dabei herauskommen? Wie sollen Einstieg und Schluss gestaltet werden? Welche Materialien müssen vorbereitet werden? (Handlungsschritte, Handlungsergebnisse) (6) Wie sollen der Unterrichtsablauf und die Unterrichtsergebnisse ausgewertet werden? Kann die Auswertung in die Stunde selbst hineingezogen werden, um die Schülerinnen und Schüler daran zu beteiligen? Bei der Erörterung dieser Fragestellungen werden Ziel-, Inhalts-, Methoden und Medienentscheidungen getroffen. Sie münden in einen schriftlichen Unterrichtsentwurf. Die Reihenfolge und die Gewichtung der einzelnen Abschnitte hängen von den Schwerpunkten der jeweiligen Planung, nicht zuletzt aber auch von ihrer jeweiligen Bestimmung ab. Planungen können danach unterschieden werden, ob sie mehr Arrangement oder mehr Improvisation enthalten, ob sie „offen“ oder „geschlossen“ sind, ob sie eine Lehrkraft weniger oder stärker gängeln.

3.2.

Kurzvorbereitung

Sowohl bei Anfängern als auch bei routinierten Lehrkräften reduziert sich der schriftliche Unterrichtsentwurf oft auf einen Spickzettel mit der Beschreibung des Stundenverlaufs. Daraus darf natürlich nicht geschlossen werden, dass dessen Qualität bei beiden Gruppen die gleiche ist! Auf den Spickzettel schreibt man das, was man nicht auswendig behalten kann, aber während der Stunde wissen muss: •

Beschreibung des Einstiegs, der Unterrichtsschritte und des möglichen Unterrichtsergebnisses



grobe Zeiteinteilung



Notizen zu organisatorischen Regelungen



evtl. Vorformulierung von Fragen, Impulsen oder Arbeitsaufträgen



evtl. Notizen zum Einsatz von Materialien, Arbeitsblättern, Tafelbenutzung oder Hausaufgaben

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3.3.

Ausführliche Vorbereitung

Erst nach einigen Unterrichtsstunden hat man genügend Routine erworben und kann an die Ausdifferenzierung des Spickzettels gehen. Je nach Charakter des Entwurfs kommen weitere Elemente der Unterrichtsplanung hinzu: Bedingungsanalyse, Didaktische Strukturierung, Methoden- und Verlaufsplanung sowie Medieneinsatz. Nach MEYER (S.232) kann folgende Planungsstruktur verwendet werden: 3.3.(1.) Einordnung der Stunde in den curricularen Zusammenhang der Unterrichtseinheit/ des Kurses/ des Halbjahres 3.3.(2.) Bedingungsanalyse 3.3.(3.) Didaktische Strukturierung 3.3.(3.1.) Sachanalyse 3.3.(3.2.) Didaktische Analyse 3.3.(3.3.) Lernziele 3.3.(3.4.) Vorüberlegung zur Auswertung 3.3.(4.) Methoden- und Verlaufsplanung 3.3.(5.) Anhang (z.B. Sitzplan, Arbeitsblatt, Literatur) Diese Struktur wollen wir im Folgenden genauer betrachten: 3.3.1.

Einordnung der Stunde in den curricularen Zusammenhang der Unterrichtseinheit/ des Kurses/ des Halbjahres

Eine Unterrichtsstunde kann nicht freischwebend geplant werden, sondern sie muss in den Gesamtzusammenhang eingebunden sein. Zu diesem Gesamtzusammenhang gehören immer die Lehrpläne der Länder. Nach diesen Lehrplänen werden Schulbücher erstellt. Viele Lehrpläne und Schulbücher sind fachwissenschaftlich moderner und didaktisch-methodisch progressiver als allgemein zu beobachtender Unterricht. Andererseits ist die kritische Auseinandersetzung mit ihnen unbedingt geboten. Lehrpläne sind keine fertigen Rezepte, und die alleinige Legitimation aus diesen ist problematisch. Deutschlands Lehrpläne haben einen unterschiedlich hohen Grad an Verbindlichkeit. Vor allem in Bundesländern mit zentralen Abschlussprüfungen, so auch in Hessen, sind die Spielräume durch vorgegebene Abschluss- oder Übergangsprofile relativ gering. Gleichwohl kann eine Lehrkraft für sich das grundsätzliche Recht in Anspruch nehmen, begründet von Vorgaben abweichen zu dürfen. 3.3.2.

Bedingungsanalyse

Die Bedingungsanalyse hat vorwiegend beschreibenden Charakter. Gegenstand der Bedingungsanalyse ist die Bestimmung der Handlungsspielräume in der jeweiligen Unterrichtssituation, für die eine Unterrichtseinheit, ein Kurs oder eine Stunde geplant wird. (MEYER, S.248) Darunter sind zu verstehen: •

Informationen über die Lerngruppe



Bisheriger Unterrichtsablauf



Zeitlicher Rahmen der Arbeit

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eingeführte Arbeitsformen / Methoden



vorhandene Unterrichtsmaterialien/ Medien

Ausführlicher soll hier auf die Beschreibung der Lerngruppe eingegangen werden, weil eine fundierte Kenntnis der Lerngruppe sowohl für das Arrangement als auch für die Improvisation von essentieller Bedeutung ist. Die Beschreibung der Lerngruppe ist häufig Abklatsch einer primitiven Sozialstatistik: Alter, Geschlecht, Herkunft. Darüber hinaus sind jedoch viel mehr Dinge pädagogisch relevant: •

Vorgeschichte und Zusammensetzung der Klasse



geistiges, affektives und soziales Klima



Haltung und Arbeitsweise in der Klasse



Arbeitsbedingungen in der Klasse und in der Schule



häusliche Verhältnisse und Erfahrungsbereich der Schülerinnen und Schüler



atmosphärische, meteorologische und biorhythmische Einflüsse



Eigenheiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler.

Dabei ist wichtig, zu berücksichtigen: •

Zum einen sind die Merkmale einer Klasse durch die Wahrnehmung der Lehrkraft geprägt.



Zum anderen können sie kritische und selbstkritische Bewertung des Zusammenhangs von Beteiligten und Rahmenbedingungen des Zusammenarbeitens beinhalten (Siehe oben).

Die Bewertung des Verhaltens einer Lerngruppe ist in der Regel subjektiv. Eine solche Analyse bedeutet, die vorgenannten Erscheinungen und Ursachen von Schülerverhalten zu beschreiben und zu gewichten. In der Regel kann man zuverlässige Aussagen über die Lerngruppe nur dann machen, wenn man sie hinreichend kennt. Allenfalls sind bei Lehrkräften in der Ausbildung thesenhafte, verkürzte Aussagen möglich. Grundsätzlich kann kaum eine Lehrkraft eine Lerngruppen-Analyse auf den ersten Blick leisten. Ein erfahrener Klassenlehrer braucht ca. einige Monate zu halbwegs sicheren Aussagen. Leitfragen für eine Lerngruppen-Beschreibung können sein: (1)

Was weiß ich über die Schülerinnen und Schüler wirklich? Woher weiß ich es?

(2)

Was ist verallgemeinerbar und warum? Vorgeschichte klassenbiographischer Erscheinungen?

(3)

Auffällige Schülerinnen und Schüler: Was fällt mir auf und warum? Ursachen in disziplinären und/oder fachlichen Bereichen?

(4)

Wie sehen meine Beziehungen zu einzelnen Schülerinnen und Schülern aus, mache ich mir Lieblingsschüler oder Feindbilder?

(5)

Passt die Klasse, passen einzelne Schülerinnen und Schüler in das sozialökonomische Milieu der Schule?

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3.3.3.

Didaktische Strukturierung: Entscheidungsfelder des Unterrichts

In der didaktischen Strukturierung geht es darum, Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen zu treffen und sie so weit wie möglich zu begründen. Dazu gehört auch, dass Improvisationsphasen zumindest für möglich gehalten werden, wenn nicht sogar bewusst eingeplant werden. Da Inhalte nie für sich selbst sprechen, erst durch Arbeit mit ihnen gewinnen, da Vermittlung ohne Inhalte ebenso wenig denkbar ist, spricht sehr viel dafür, die Sach- und didaktische Analyse zu verknüpfen. Trotzdem soll hier die Bedeutung der Einzelbereiche kurz umrissen werden.

3.3.3.1.

Sachanalyse

Die Sachanalyse soll die stoffbezogene Kompetenz der Lehrkraft symbolisieren. Die Lehrkraft soll nachweisen, dass sie fachwissenschaftliche Kompetenz besitzt, dass sie in der Lage ist, ein Thema sachgerecht darzustellen und für den Unterricht operationalisierbar zu analysieren. Zur Sachanalyse gehören: (1) Wissenschaftliche Analyse des Inhalts (2) Absicherung des nötigen Sachwissens durch die Lehrkraft (3) Stellung der Lehrkraft zu Inhalt oder Thema

3.3.3.2.

Didaktische Analyse

In der didaktischen Analyse soll die Lehrkraft erkennbar machen, warum ein ausgewähltes Thema gerade auf ihren geplanten Unterricht passt. Zur didaktischen Analyse gehören: (1) Lehrplanbezug * Thema in den Lehrplänen oder Schul-Curricula * Thema in Bezug zur Unterrichtsreihe * Das Exemplarische des Unterrichtsgegenstandes * Besondere Begründung der Themenwahl (2) Schülerbezug exemplarische Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung des Unterrichtsgegenstandes für die Schülerinnen und Schüler (3) mögliche Zugänge zur Besprechung der Sache, Frage nach dem Einstieg, Verständnis der Schülerinnen und Schüler, mögliche Anknüpfungspunkte (4) erzieherische Bedeutung der Inhalte (5) Globale Ziele der Unterrichtsstunde Für die Auswahl von Inhalten führt Georg BECKER ein breites Begründungsspektrum an:

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3.3.3.3.

Lernziele

In einer ersten Phase der Konzipierung von Unterricht sollte man zunächst sich selbst fragen: •

Was will ich mit meinem Unterricht erreichen?



Mit welchen Fragen gehe ich an ein Thema heran?

Erst in einer zweiten Phase kann man an eine genauere Beschreibung der Ziele herangehen: Lernziele lassen sich auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichem Abstraktionsniveau sehr allgemein oder ganz konkret formulieren. Höchsten Allgemeinheitsgrad haben Länderverfassungen, die in den Lehrplänen definierten Ziele und Abschlussprofile sind relativ konkret. Lernziele werden gern in verschiedenen Bereichen formuliert (z.B. Bloom): kognitive Lernziele: Kenntnisse, Erläuterung, Planung affektive Lernziele: Bereitschaft, Neugier, Phantasie, Einstellungen psychomotorische Lernziele: Handfertigkeiten, Bewegung, Kinestetik (Bewegungswahrnehmung) Eine solche Abgrenzung ist kritikwürdig. Es ist zwar wichtig, sich bewusst zu machen, dass Lernziele überwiegend im kognitiven, affektiven, psychomotorischen, im sozialen, sozio-emotionalen, kooperativ-kommunikativen oder historisch-politischen Bereich angesiedelt sind. Aber Lernbemühungen sind ganzheitlich, Lernleistungen werden vom ganzen Schüler erbracht. Wenn z.B. eine Mathematikarbeit zu schreiben ist, dann kommt es nicht nur darauf an, dass man kognitiv den Stoff beherrscht, sondern auch, dass - affektiv - die Prüfungsangst überwunden und - psychomotorisch - der Körper mitspielt (feuchte Handflächen, Magenprobleme). Für die Lehrkraft ist es wichtig, bei der Planung bestimmte Lernziele unterschiedlichen Lerninhalten zuzuordnen. Lernziele werden gern anspruchslosen und anspruchvollen Lernleistungen zugeordnet. Dabei heißt es nach Bloom4, etwa 2/3 aller Denkleistungen seien „anspruchslos“, nur 1/3 sei „anspruchsvoll“.

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Bloom, B.S. et al.: Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. Weinheim und Basel 1972

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Lernzielebenen nach BLOOM (BECKER, S.66) (Beispiel: Lebenslauf) Lernzielebene und Art der Denkleistungen

Lernziele auf verschiedenen kognitiven Ebenen Die Schülerinnen und Schüler sollen ...

Bewertung Das zu bewertende Ereignis oder den Sachverhalt sichten, nach Bewertungskriterien suchen und diese mit dem Ereignis oder Sachverhalt in Beziehung setzen.

6

Synthese Ereignisse oder Sachverhalte miteinander verknüpfen.

... ihren eigenen Lebenslauf schreiben. 5

Analyse Strukturen durchschauen, die Elemente identifizieren und die Beziehungen zwischen den Elementen erkennen.

4

Anwendung Kenntnisse oder Einsichten auf andere übertragen.

3

2

...erklären, warum bestimmte Angaben im Lebenslauf enthalten sein müssen.

1

... jene Angaben nennen, die ein Lebenslauf enthalten sollte.

Kenntnisse Sich an Ereignisse oder Sachverhalte erinnern, diese erkennen.

... aus einem Lebenslauf überflüssige Angaben heraussuchen.

... jene Angaben zusammenstellen, die für ihren eigenen Lebenslauf wichtig sind.

Verstehen Ereignisse oder Sachverhalte durchschauen, Erklärungen nachvollziehen.

... überprüfen, ob ein ihnen vorgelegter Lebenslauf inhaltlich und formal korrekt abgefasst ist.

Dieser Ansatz ist rein deskriptiv. Grundsätzlich birgt die Abgrenzung Risiken. Die einzelnen Ebenen lassen sich nicht scharf voneinander trennen. Denkleistungen sind nicht völlig in der beschriebenen Form zu erfassen. Trotzdem lassen sich anhand dieser Taxonomie Überlegungen anstellen, die für die Planung von Unterricht relevant sind. (1) Es ist unstrittig, dass Schule die Ausbildung von anspruchsvolleren Denkstrukturen zum Ziel hat. (2) Der Ansatz ist praktikabel, wenn außer einer Differenzierung zwischen anspruchslosen und anspruchsvollen Denkleistungen auf weitere Differenzierungen verzichtet wird. (3) Unterricht ist wenig qualifiziert, wenn er sich lediglich auf der ersten Ebene abspielt. Faktenfragen sind demotivierend. (4) Fakten-Kenntnisse sind jedoch die Voraussetzung für anspruchsvolle Denkleistungen, somit ist Kenntnisvermittlung in der Unterrichtsplanung unverzichtbar. (5) Zur Planung eines interessanten Unterrichts ist zu klären, welche Problemstellungen einfaches und welche anspruchsvolles kognitives Niveau haben. Einige Lernziele lassen sich operationalisieren, andere entziehen sich einer genauen Beschreibung. Unter Operationalisierung ist die genaue Angabe des Endverhaltens zu verstehen, das Schülerinnen und Schüler am Ende des Lernprozesses zeigen sollen. Nichtssagende Lernzielformulierungen in traditionellen Lehrplänen oder Unterrichtsentwürfen stehen dieser Forderung entgegen.

Peter Liebetrau - Planung von gutem Unterricht

Zur genauen Beschreibung des Endverhaltens bedarf es daher eindeutiger Verben, die keinen oder nur einen geringen Interpretationsspielraum zulassen. Beispiele operationalisierbarer kognitiver Ziele (auf Basis der o.g. Taxonomie) (1)

Wissen:

wiedergeben, reproduzieren, aufzählen, nennen

(2)

Verständnis:

beschreiben, erläutern, erklären, interpretieren, übersetzen, erörtern, verdeutlichen

(3)

Anwenden:

lösen, durchführen, gebrauchen, berechnen, anwenden

(4)

Analyse:

analysieren, ableiten, unterscheiden, ermitteln, aufdecken, gliedern, bestimmen, identifizieren, vergleichen, zuordnen

(5)

Synthese:

entwerfen, entwickeln, erfassen, kombinieren, konstruieren, vorschlagen, planen, erarbeiten

(6)

Bewertung:

bewerten, beurteilen, bemessen, entscheiden, auswählen

Unterricht, der ausschließlich auf operationalisierbare Lernziele aufbaut, ist produkt- nicht prozessorientiert. Es kommt auf das Erreichen der Ziele an, weniger auf die Beiträge und Interessen der Schülerinnen und Schüler. Während sie im kognitiven Bereich realistisch ist, Operationalisierung erscheint in vielen Bereichen sinnlos, z.B. im affektiven, psychomotorischen, im sozialen, sozioemotionalen, kooperativ-kommunikativen oder historisch-politischen Bereich. Eine Lehrkraft wäre auch völlig überfordert, wolle sie alle Lernziele operationalisieren.

3.3.3.4.

Vorüberlegungen zur Auswertung

Die Vorüberlegungen zur Auswertung des Unterrichts haben hypothetischen Charakter. Gegenstand der Auswertung ist der Versuch, die gemeinsamen Unterrichtserfahrungen zu veröffentlichen. In dieser Phase des Unterrichts werden die Ergebnisse des Unterrichts gesichert. Möglichkeiten der Auswertung sind: Plakat, Klassenzeitung, Tagebuch, Ausstellung, Internet-Seite, CD-ROM, Film, Foto-Roman etc. 3.3.4.

Methoden- und Verlaufsplanung

In der Regel werden Methoden und Verlauf einer Unterrichtsstunde getrennt voneinander behandelt. Inhaltskonzentrierte Modelle neigen zu der Tendenz, ein gut aufbereiteter Unterricht finde seine Methode von selbst. Lerntheoretische Modelle legen der methodischen Vorbestimmung wesentliche Bedeutung zu, die sich aus Motivation, Stimulus, im unterrichtspraktischen Modell auch aus gruppendynamischen Aspekten begründen. Diese Trennung kann durchaus als künstlich angesehen und aufgehoben werden. Verlaufsplanungen können deshalb an der entsprechenden Stelle methodische Überlegungen enthalten. Sie stellen so einerseits den konkreten Zusammenhang zwischen Verlaufs- und Methodenplanung her, stellen aber andererseits auch die methodische Kompetenz einer Lehrkraft nachvollziehbarer heraus.

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Zu Methoden- und Verlaufsplanung seien einige Leitfragen vorgeschlagen: (1) Welche Methoden werden der Erfahrung der Schülerinnen und Schüler am besten gerecht? (2) Welche Methoden sollen selbst eingeübt werden und zwar anhand von Inhalten, die ähnliche Ansprüche verwirklichen? (3) Wie flexibel sind Schülerinnen und Schüler/ bin ich mit erfolglosen Methoden? Wie weit kann ich experimentieren, ohne den roten Faden zu verlieren? Wie weit sollen die Methoden den Schülerinnen und Schülern überlassen werden, so dass sie Materialien, Medien etc. selbst als Teil des Lernprozesses produzieren? (4) Wie vermittle ich den kritischen Umgang mit vorgegebenen Medien, z.B. Schulbüchern etc., und zwar konkret an ausgewählten Stoffen? (5) Wie plane ich mit Schülerinnen und Schülern gemeinsam Unterricht?

3.3.4.1.

Methodische Überlegungen

(1) Folgerungen aus der Zielsetzung und didaktische Analyse (2) Gliederung der Unterrichtseinheit oder der Unterrichtsstunde (z.B. Einstieg, Problemsichtung, Formulierung des Problems, Hypothesenbildung, Planung von Arbeitsphasen, Erarbeiten von Ergebnissen, Ergebnissicherung) (3) Möglichkeiten der Motivation (4) Unterrichts-, Arbeits-, Gesprächs- und Sozialformen diskutieren (Aufzeigen von Alternativen) (5) erzieherische Funktion von Unterrichtsmethoden (6) Mögliche Lernschwierigkeiten und entsprechende Hilfestellungen darlegen (7) Art und Umfang der Hausaufgaben (8) Differenzierungsangebote, Medien, Vorbereitungen des Lehrers für die Stunde

3.3.4.2.

Verlaufsplanung

Die Verlaufsplanung, bereits Bestandteil des Spickzettel-Entwurfs, besteht je nach didaktischem Ansatz aus einer mehr oder weniger komplexen Tabelle, dazu entsprechende Kopfzeilen: A. BILDUNGSTHEORETISCHE DIDAKTIK Zeit

Unterrichtsschritte

Bezug zum Inhalt

.....

.....

.....

B. LERNTHEORETISCHE DIDAKTIK Zeit

erwartetes Schülerverhalten

erwartetes Lehrerverhalten

didaktischer Kommentar

.....

.....

.....

.....

C. LERNZIEL-ORIENTIERTE DIDAKTIK Zeit

Lernziele

Lernschritte

Sozialformen / Medien

.....

.....

.....

.....

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Peter Liebetrau - Planung von gutem Unterricht

Alle drei Planungen enthalten das traditionelle Zeitraster, welches den Unterrichtsablauf zumindest partiell einengt. Vor allem die Variante C bietet kaum Möglichkeit, auf unvorhergesehenes zu reagieren. 3.3.4.3.

Wahl der Unterrichtsmedien



Unterrichtsmedien



Geräte und Hilfsmittel



Arbeitsmittel

Ein medienloser Unterricht spricht die Sinneskanäle einseitig an, demotiviert die Schülerinnen und Schüler, führt zu Aggression und geringen Lernerfolgen. Dies ist seit COMENIUS (1592-1670) bekannt. Eine andere Begründung für Medieneinsatz liefern die so genannten Behaltwerte, die Auskunft darüber geben, in welchem Umfang Lerninhalte bei Einsatz verschiedener Medien aufgenommen und gespeichert werden. Es wird behauptet, Schüler behielten von dem, was sie...

lesen,

etwa

10%

hören,

etwa

20%

sehen,

etwa

30%

sehen und hören,

etwa

50%

selbst vortragen,

etwa

70%

selbst ausführen

etwa

90%

Obwohl diese Werte empirisch nicht sicher belegt und mit Rücksicht auf unterschiedliche Lerntypen nicht generalisierbar sind, lassen sich aus ihnen Leitlinien für den Medieneinsatz ableiten: •

Rein verbaler Unterricht ist zumindest fragwürdig.



Lehrkräfte müssen nach Möglichkeiten der Veranschaulichung suchen und von diesen Gebrauch machen



Konkrete Erfahrungen und Einbeziehung aller Sinne sind dort einzuplanen, wo es gerechtfertigt erscheint.

Bei der Planung von Unterricht und den damit verbundenen konkreten Einsatz von Medien sollten (nach BECKER, S.122ff.) folgende Fragestellungen beachtet werden: (1)

Was für Medien gibt es für das betreffende Fach oder die geplante Unterrichtssequenz?

(2)

Welche Möglichkeiten der Schülerbeteiligung sind bei der Planung des Medieneinsatzes möglich?

(3)

Wie stellt das betreffende Medium den Lerninhalt dar?

(4)

Welche Lernziele lassen sich mit dem Medium anstreben?

(5)

Kann man das Medium selbst bzw. gemeinsam mit den Schülerinnen und Schüler erstellen?

(6)

Über welche Lernvoraussetzungen verfügen vermutlich die Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf den geplanten Medieneinsatz?

(7)

Wie hoch ist der motivationale Stellenwert des Mediums einzuschätzen?

(8)

Besteht die Gefahr der Medienmonotonie?

(9)

Welche Sinneskanäle werden über das betreffende Medium angesprochen?

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(10) Lassen sich durch den Einsatz von Medien verschiedenen Sinneskanäle aktivieren? (11) Besteht die Gefahr, dass der Lehr-Lern-Prozess durch den Einsatz von Medien gestört wird? (12) In welcher Form können die Schülerinnen und Schüler durch das Medium aktiviert werden? (13) Welche Möglichkeiten der inneren Differenzierung bieten sich vom Medium her an? (14) Welche Lehrfunktionen sollen ganz oder teilweise durch das Medium übernommen werden? (15) An welcher Stelle soll das Medium im Lehr-Lern-Prozess zum Einsatz kommen? (16) Sind die apparativen und räumlichen Voraussetzungen für den Medieneinsatz gegeben? (17) Verfügt die Lehrkraft über die für den Einsatz erforderliche Handlungskompetenz? (18) Ist das Medium verfügbar? (19) Wie lässt sich das Medium zeit- und Kosten sparend beschaffen? (20) Sind die Kosten und der Aufwand für Beschaffung, Fertigung und Einsatz gerechtfertigt? Eine kritische Beschreibung der Unterrichtsmedien würde den Rahmen dieser Vorlesung sprengen.

4.

Literatur

BECKER, Georg E. Planung von Unterricht. Weinheim 1991. Handlungsorientierte Didaktik. Teil 1 BECKMANN, Hans-Karl/ Karlheinz Biller. Unterrichtsvorbereitung. Probleme und Materialien. Braunschweig (Westermann) 1978 BLOOM, B.S. et al.: Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. Weinheim und Basel 1972 COHN, Ruth C. Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Stuttgart 1975 DAXNER, Michael. Didaktik/ Didaktischer Kommentar. In: Metzler Handbuch für den Geographieunterricht. Hrsg.: Jander, Lothar (u.a.). Stuttgart 1982 DREWS, Ursula – Elisabeth Fuhrmann – Werner Reich – Helmut Weck. Ratschläge für Lehrer: praktische Hilfen für den Unterricht. Köln (Aulis) 1988 HAGMÜLLER, Peter. Einführung in die Unterrichtsvorbereitung. Schwann-Verlag. Düsseldorf 1982 HEIMANN, Paul; Schulz, Wolfgang; Otto, Gunther (1965). Unterricht - Analyse und Planung. Hannover: Schroedel http://schule.zeit.de/ (Unterrichtsmaterial der ZEIT) http://www.lehrproben.de/ (Lehrproben für die Grundschule! Sammlung von Unterrichtsentwürfen, Unterrichtsmaterialien etc. für die Primarstufe.) http://www.sowi-online.de/reader/methodenorientierung (Methodenorientierung in politischer Bildung und Politikdidaktik) http://www.stoffplaner.de/ (Programm zur Erstellung von Stoffverteilungsplänen.) http://www2.uni-jena.de/didaktik/index.htm (Sehr ausführliches Material zur Didaktik) KLAFKI, W. (1991) Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim: Beltz KLIPPERT, Heinz / Frank Müller. Methodenlernen in der Grundschule. Bausteine für den Unterricht. Weinheim, Basel, (2.Aufl.) Berlin 2004 KRETSCHMANN, Rudolf. Stressmanagement für Lehrerinnen und Lehrer. Forum Bildung, Bildungsmesse, Hannover 2001. http://www.kretschmann-online.de/stress.html

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Peter Liebetrau - Planung von gutem Unterricht

LEITFADEN für den Vorbereitungsdienst des Staatlichen Seminars für schulpraktische Ausbildung (Grund- und Hauptschulen) Albstadt. www.seminar-albstadt.de MAGER, Robert. Lernziele und programmierter Unterricht. Weinheim 1965 MESSER, A. (u.a.). Planungsaufgabe Unterricht. Ravensburg 1974. Workshop Schulpädagogik. Materialien 10 METHODENKISTE. Bundeszentrale für Politische Bildung. Berliner Freiheit 7. 53111 Bonn. www.bpb.de MEYER, Hilbert. Leitfaden zur Unterrichtsvorbereitung. Frankfurt M. (Cornelsen Scriptor) 1993. Scriptor Ratgeber Band 6. Hrsg. Dietrich Albrecht (u.a.) PAUL, Herbert. Methodenkompetenz als Unterrichtsziel. Praxis Geographie 1/1998 S.4ff SCHULZ, Wolfgang (1980). Unterrichtsplanung. 2. Aufl., München: Urban & Schwarzenberg VIRTUALISIERUNG im Bildungsbereich (VIB). Verbundprojekt der Pädagogischen Hochschulen des Landes Baden-Württemberg. http://www.vib-bw.de/tp4/Start/regal/ordner/markus/ VOHLAND, Ulrich. Praxis der Unterrichtsplanung. Düsseldorf (Schwann) 1982

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