Physikalische Eigenschaften von Gasen

2 Physikalische Eigenschaften von Gasen Brown’sche Molekularbewegung Definition von Gasen und Dämpfen Als Gas oder gasförmigen Stoff wird eine Subs...
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Physikalische Eigenschaften von Gasen

Brown’sche Molekularbewegung

Definition von Gasen und Dämpfen Als Gas oder gasförmigen Stoff wird eine Substanz bezeichnet, die bei Raumtemperatur (20 ı C) und einem normalen Luftdruck (1013 hPa) weder ein Feststoff noch eine Flüssigkeit ist. Der gasförmige Zustand ist daher eng mit der Temperatur und dem Druck verknüpft. Die physikalischen Eigenschaften der Gase bilden eine wichtige Basis für Anwendungen in der Gasmesstechnik. Man unterscheidet, je nach Aufbau des gasförmigen Stoffes, zwischen drei verschiedene Formen. Neben den in atomarer Form vorkommenden Edelgasen und den einatomigen Molekülformen (z. B. N2 ) gibt es eine Vielzahl von sogenannten mehratomigen Gasen (z. B. CO2 ). Unter dem oben angegeben Begriff lassen sich maximal 200 Stoffe als Gas bezeichnen. Insgesamt existieren lediglich 12 elementare Gase (6 Edelgase und 6 einatomige Gase), Tab. 2.1. Eine Besonderheit stellen die Dämpfe dar. Hierbei handelt es sich um Stoffe, die bei Raumtemperatur (20 ı C) und Normaldruck © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 G. Wiegleb, Gasmesstechnik in Theorie und Praxis, DOI 10.1007/978-3-658-10687-4_2

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Physikalische Eigenschaften von Gasen

Tab. 2.1 Einteilung der Gase nach ihrem atomaren Aufbau Edelgase Helium, He Neon, Ne Argon, Ar Krypton, Kr Xenon, Xe Radon, Ra

Einatomige Moleküle Fluor, F2 Chlor, Cl2 Sauerstoff, O2 Ozon, O3 Stickstoff, N2 Wasserstoff, H2

Mehratomige Moleküle Kohlenmonoxid, CO Kohlendioxid, CO2 Stickstoffmonoxid, NO Stickstoffdioxid, NO2 Kohlenwasserstoffe, Cn Hm Schwefelhexafluorid, SF6 Lachgas, N2 O

(1013 hPa) zwar in flüssiger Form vorliegen, aber trotzdem zu einem gewissen Anteil ausgasen und dann zu einem Dampf werden. Dämpfe verhalten sich physikalisch wie Gase. Der bekannteste Stoff ist in diesem Zusammenhang der Wasserdampf.

2.1

Aggregatzustände

Der Übergang vom festen oder flüssigen Zustand in den gasförmigen Zustand wird als Phasenübergang bezeichnet. In Abb. 2.1 sind die 3 Phasen (Aggregatzustände), fest, flüssig und gasförmig dargestellt. In der festen Phase befinden sich die Atome an fest vorgegebenen Plätzen innerhalb eines Verbandes von Atomen. Die äußeren Abmessungen (Konturen) eines Festkörpers sind starr und passen sich nicht der Umgebung an. Die Atome werden untereinander durch Anziehungskräfte in dieser Position gehalten und die Atome können sich nicht frei bewegen. Es besteht lediglich die Möglichkeit, um diesen Platz zu schwingen (oszillieren). Mit steigender Temperatur nehmen diese Schwingungen zu. Steigt die Temperatur weiter an, so werden die Bindungskräfte überwunden und der

Abb. 2.1 Teilchenmodell der Aggregatzustände

2.1 Aggregatzustände

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Abb. 2.2 Übergang der Moleküle von der Flüssigphase in die Gasphase an der Phasengrenze durch Verdampfen bzw. Verdunsten

Feststoff geht in die Flüssigphase über. In dieser Phase sind die Bindungskräfte geringer und die Atome können sich dann nahezu frei bewegen. Verdampfen Der Bereich (Volumen), in dem sich die Flüssigkeit befindet, wird durch einen äußeren Behälter vorgegeben. Aufgrund der hohen Teilchendichte, die ähnlich hoch ist wie in einem Festkörper, stoßen die Teilchen schon nach kurzer Zeit auf andere Teilchen, die diese Bewegung dann stören (Impulsübertragung). Wird die Temperatur weiter erhöht, so erhöht sich die mittlere Teilchengeschwindigkeit und die Teilchen gehen dann nach und nach in die Gasphase über. Der Übergang von der flüssigen Phase in die Gasphase wird als Verdampfen oder auch Verdunsten bezeichnet, Abb. 2.2. In dieser Phase ist die Teilchendichte wesentlich geringer. Wird z. B. 1 kg Wasser (ca. 1 L) verdampft, so erhält man bei der Siedetemperatur von 100 ı C und einem Druck von 1013 hPa ca. 1700 L Wasserdampf. Die Dichte in der Gasphase ist somit um den Faktor f  1700 geringer als in der Flüssigphase. Hieraus erkennt man schon, dass die Teilchen in der Gasphase viel beweglicher sind und sich daher auch besser (weniger Zusammenstöße) im Raum frei bewegen können. Der Übergang von der flüssigen Phase in die gasförmige Phase an der Phasengrenze kann nur durch Zuführung von Energie erfolgen. Verdampfungswärme Um den Übergang zu den einzelnen Phasen (fest ! flüssig ! gasförmig) realisieren zu können, wird eine höhere Temperatur T benötigt, die durch Zuführung von Energie erreicht wird. Für den Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand ist dies die sogenannte Verdampfungswärme Qsd , die sich aus dem Produkt der spezifischen Verdampfungswärme r (Tab. 2.2) und der Masse m ergibt: Qsd D r  m

(2.1)

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Tab. 2.2 Siedetemperatur TS und spezifische Verdampfungswärme r für 1013 hPa (Kuchling 2011) Stoff

TS =ı C

kJ r= kg

Stoff

TS =ı C

kJ r= kg

Argon Benzol Brom Butan Chlor Diethylether Ethan Ethanol Ethylen Helium Heptan Kohlendioxid Kohlenmonoxid Krypton Methan Methanol Methylacetat Methylchlorid

186 80,1 58,8 0;65 34;1 34,5 88;6 78,3 104 269 98,4 78;5 192 153 162 64,6 57 23;8

163 394 183 385 290 384 489 840 483 20,6 318 574 216 108 510 1100 406 428

Naphthalen Neon Oktan Ozon Pentan Propan Propanaol-1 Quecksilber Sauerstoff Schwefeldioxid Schwefelkohlenstoff Schwefelwasserstoff Stickstoff Stickstoffmonoxid Stickstoffdioxid Wasser Wasserstoff Xenon

218 246;1 126 113 36,1 42;1 97,2 356,6 183 10 46,3 60;4 195;8 88;5 151;8 100 252;8 108;2

314 105 299 316 360 426 750 285 213 389 352 548 201 376 461 2257 461 96

In Abb. 2.3 ist der Temperaturverlauf T durch Zuführung von thermischer Energie Q dargestellt. Man erkennt einen linearen Anstieg der Temperatur T in der flüssigen Phase, die beim Siedepunkt TS solange konstant bleibt, bis die gesamte Flüssigkeit in die Gasphase überführt wurde. Erst dann steigt die Temperatur T bei weiterer Energiezufuhr wieder an. Wird das Gas dann wieder abgekühlt, so findet der Übergang von der Gasphase in die Flüssigphase statt (Abb. 2.2). Die Energie Qsd , die für den Verdampfungsvorgang benötigt wurde, wird dann wieder freigesetzt. Man bezeichnet diese Energie dann auch als Kondensationswärme. Verdampfungswärme D Kondensationswärme Weiterhin besteht auch die Möglichkeit direkt von der festen Phase in die Gasphase zu gelangen. Diesen Vorgang nennt man sublimieren. Die Energie, die hierfür benötigt wird, ergibt sich aus der Schmelzwärme und der Verdampfungswärme. Qsb D m  .r C s/

(2.2)

Der direkte Übergang, aus der Gasphase in den festen Zustand, wird als Desublimieren bezeichnet. Auch in diesem Fall wird die gesamte Energie wieder freigesetzt. Sublimationswärme D Desublimationswärme

2.1 Aggregatzustände

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Abb. 2.3 Energiezufuhr beim Übergang von der flüssigen Phase in die Gasphase (D Verdampfung) verdampfen (T=100°C) verdunsten (T 10 km nahezu Null. Zusammensetzung der Atmosphäre Die Hauptbestandteile der Atmosphäre sind Stickstoff (N2 ), Sauerstoff (O2 ) und Argon (Ar). Diese drei Stoffe machen bereits 99,96 % der gesamten Atmosphäre aus. Die restlichen 0,04 % verteilen sich auf die Spurengase (Tab. 2.5). Das wichtigste Spurengas ist das Kohlendioxid, mit einem aktuellen Gehalt von 0,039 %. Die exakte Zusammensetzung der Atmosphäre wurde 2005 für gastechnische Anwendungen in der Norm DIN EN ISO 6976 festgelegt (Cerbe 2008). Da vor allem der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre sehr starken Schwankungen unterworfen ist, werden die Konzentrationsanteile der anderen Komponenten immer auf trockene Luft bezogen. Würde die gesamte Atmosphäre bei einem Normaldruck von 1013 hPa und 0 ı C (273,15 K) betrachtet, so wäre die Schichtdicke wesentlich geringer. Man käme dann lediglich auf eine Gesamthöhe von ca. 8 km, also kleiner als die höchsten Berge im Himalaya (Tab. 2.6). Das Spurengas CO2 wäre dann nicht höher als ein Zimmer, nämlich 2,5 m.

2.2 Die Atmosphäre

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Tab. 2.5 Zusammensetzung der wasserdampffreien Atmosphäre (Roedel, Wagner 2011). Die kursiv und fett angeführten Stoffe haben eine variable Konzentration in der Luft Bestandteil Stickstoff N2 Sauerstoff O2 Argon Ar Wasserdampf H2 O Kohlendioxid CO2 Neon Ne Helium He Methan CH4 Krypton Kr Wasserstoff H2 Lachgas N2 O Kohlenmonoxid Xenon Ozon O3 Tab. 2.6 Säulenhöhe verschiedener Gase in einer isobaren Atmosphäre unter Normalbedingungen (0 ı C und 1013 hPa), bei einer Gesamthöhe von ca. 8 km

Molmasse 28,013 32,0 39,95 18,02 44,01 20,18 4,0 16,04 83,80 2,02 56,03 28,01 131,3 48,0

Volumenanteile 78,09 % 20,95 % 0,93 % 0 bis 5 % 0,039 % 18,21 ppm 5,24 ppm 1,88 ppm 1,14 ppm 0,5 ppm 0,3 ppm 0,2 ppm 0,087 ppm 0 bis 0,1 ppm

Stoff Stickstoff Sauerstoff Argon Wasserdampf Kohlendioxid Edelgase (ohne Argon) Ozon

Säulenhöhe (100 %-ige Gase) ca. 6250 m ca. 1670 m ca. 74 m ca. 35 m ca. 2,5 m ca. 20 cm ca. 3,5 cm

Änderung der CO2 - und Methankonzentration Insbesondere die Gaskomponenten der Atmosphäre, die sich vom Konzentrationswert her ändern, spielen in der aktuellen Diskussion zum Treibhauseffekt und dem daraus erwarteten Klimawandel eine wichtige Rolle. Seit 1958 wird der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre auf dem Berg Mauna Loa auf Hawaii (USA) kontinuierlich gemessen, um so die Veränderung dieses Spurengases zu ermitteln. Bereits nach den ersten Jahren stellte man fest, dass der CO2 -Gehalt in der Atmosphäre kontinuierlich ansteigt. Dieser ansteigende Konzentrationsverlauf wurde als die Keeling3 -Kurve weltbekannt und bildet heute die Grundlage für alle Klimamodelle. Der Anstieg der CO2 -Konzentration wird hauptsächlich mit der Verbrennung von fossilen Energieträgern (Kohle, Erdöl und Erdgas) in Verbindung gebracht. Zusätzlich wird ein Anstieg dieser Konzentration durch Ausgasung der Weltmeere vermutet, in denen sehr große CO2 Mengen gespeichert sind. In der Abbildung ist der Anstieg der CO2 -Konzentration seit 1958 dargestellt. 1958 lag dieser Wert 3

Charles David Keeling (1928–2005) US-amerikanischer Klimaforscher.

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bei ca. 314 ppm während er heute (2015) bei 400 ppm liegt. Der CO2 Gehalt stieg in diesem Zeitraum also um 68 ppm an. Die CO2 -Messswerte lassen sich sehr gut durch eine quadratische Gleichung (Trendlinie) beschreiben (x D Jahreszahl). Im Jahre 2100 wäre nach diesem Trend eine CO2 -Konzentration von über 650 ppm zu erwarten. Auffallend bei der Keeling-Kurve ist die Tatsache, dass sich der CO2 -Anstieg pro Jahr von 1 ppm=Jahr auf 2 ppm=Jahr verdoppelt hat. Der Grund für diesen überproportionalen Anstieg liegt in der stark gestiegenen Emission von CO2 in den letzten Jahrzehnten. Insbesondere China und Indien haben diese Entwicklung verursacht, während in den meisten Industrieländern der CO2 Ausstoß stagniert oder sogar rückläufig ist. Seit 1958 hat sich die globale Temperatur um ca. 0,6 ı C erhöht. Aus diesen beiden Werten ergibt sich eine Steigung von 8;8  103 ı C=ppm CO2 . Nach den aktuell vorliegenden Klimamodellen soll diese Temperaturerhöhung ausschließlich durch den CO2 -Anstieg von 314 ppm auf 400 ppm zustande kommen. Wenn dem so ist, sollte ein weiterer Anstieg noch höhere Temperaturen mit sich bringen. Der CO2 Anstieg der letzten 60 Jahre lässt sich empirisch sehr gut durch eine quadratische Gleichung beschreiben, indem man für x die jeweilige Jahreszahl einsetzt: CO2 in ppm D 0;0118  x 2  45;376  x C 43;922

(2.6)

Eine Verdopplung des CO2 -Gehaltes, gegenüber der vorindustriellen Zeit (290 ppm), würde also bei einer Fortschreibung der aktuell laufenden Prozesse (d. h. keine Reduktion der CO2 -Emisionen!) im Jahre 2077 eintreten. Ein weiterer Anstieg um 180 ppm hätte in den nächsten 60 Jahren demnach zu einer Temperaturerhöhung T von max. 1,6 ı C zur Folge. T D 180 ppm  8;8  103 ı C=ppm

(2.7)

Diese einfache Berechnung deckt sich mit einigen Modellen der Klimaforscher. Die Bandbreite der Vorhersagen ist allerdings, aufgrund der großen Unsicherheiten bei den Klimamodellen, auch sehr groß. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) gibt für den Zeitraum von 2014 bis 2077 sogar eine Bandbreite von 0 ı C (keine Änderung!) bis C3 ı C an. Ginge man allerdings davon aus, dass der Temperaturanstieg der letzten 100 Jahre nicht ausschließlich auf das CO2 zurückzuführen ist, so könnte der tatsächliche Temperaturanstieg in Zukunft jedoch deutlich geringer ausfallen als allgemein befürchtet wird. Mittlerweile werden auf dem Mauna Loa 20 weitere Gase kontinuierlich erfasst und ausgewertet. Sämtliche Daten sind per Internet4 verfügbar und lassen sich für eigene Berechnungen nutzen. Die in diesem Kapitel gezeigten Abb. 2.9 und 2.10 basieren auf dieser Datenquelle. Ein weiteres wichtiges Gas, das immer wieder im Zusammenhang mit dem Treibhauseffekt genannt wird, ist das Methan CH4 . Der aktuelle Methangehalt beträgt 1,85 ppm und ist damit deutlich kleiner als der Kohlendioxidanteil. Das Methan entsteht vor allem 4

http://www.esrl.noaa.gov/gmd/obop/mlo/index.html.

2.2 Die Atmosphäre

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Abb. 2.9 Keeling-Kurve der CO2 -Konzentration auf dem Mauna Loa und die jährliche Zunahme in ppm CO2

Abb. 2.10 Messwerte zum Anstieg der Methan Konzentration auf dem Mauna Loa

durch die stark angestiegene Massen-Tierhaltung, Leckagen an Biogasanlagen, Ausgasungen aus Talsperren und durch den Anbau von Reis. Weiterhin wird eine Freisetzung von Methan aus den Permafrost Gebieten gemeldet, was ebenfalls zu einem weiteren Anstieg der weltweiten Methankonzentration führen sollte. Tatsachlich beobachteten die Wissenschaftler auf dem Mauna Loa zwischen 1999 und 2006 aber eine stagnierende Me-

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thankonzentration. Seit 2006 steigt diese zwar wieder an, aber die Anstiegsrate liegt mit 7 ppb nur noch halb so hoch wie in den Jahren 1984–1990, obwohl es offensichtlich immer mehr Emissionsquellen gibt. Dieses Verhalten wurde nicht erwartet und lässt sich aktuell auch noch nicht abschließend erklären. Die chemischen und physikalischen Vorgänge in der Atmosphäre sind messtechnisch nur sehr schwer zu erfassen, da die Werte immer nur für einen Ort gelten. Messtechnisch versucht man daher im zunehmenden Maße Satelliten für eine globale Erfassung der Konzentrationswerte sowie deren Veränderungen zu nutzen. Satellitenmessungen Insbesondere die Beobachtung der Ozon-Konzentration in der Stratosphäre ist ohne Satelliten-Messungen nur schwer möglich. Der Transport von Gasmessgeräten in die Stratosphäre mit einem Wetterballon erlaubt nur eine punktuelle Messung des Höhenprofils (siehe Abb. 2.8). Da das Ozon (O3 ) in der Atmosphäre aber nur eine begrenzte Lebensdauer aufweist und nach kurzer Zeit (Minuten bis Stunden) wieder in molekularen Sauerstoff zerfällt, lässt sich eine kontinuierliche Ozonmessung nur mit einer Fernmessung realisieren. In Abb. 2.11 wird eine solche Messung der NASA gezeigt. Die Ozon-Konzentrationswerte werden in diesem Fall als Dobson-Einheiten dargestellt, die einen integralen Wert durch die gesamte Atmosphäre wiederspiegeln (siehe Abschn. 9.3). Mit einer farblichen Darstellung können dann die unterschiedlichen Konzentrationsverteilungen über den geographischen Orten visualisiert werden.

Abb. 2.11 Messwerte der Ozonkonzentration in der Stratosphäre, die mit einem Satelliten erfasst wurden. Die Ergebnisse sind in Dobson-Einheiten als Falschfarben-Darstellung wiedergegeben (Quelle: NASA Ozone Watch)

2.2 Die Atmosphäre

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In dem gezeigten Bild (Abb. 2.11) ist die Antarktis (Südpol) zu erkennen. Über der Antarktis ist die Ozonkonzentration ausgedünnt (< 200 Dobson-Einheiten) und entspricht nur der Hälfte der normalen Ozonkonzentration von ca. 400 Dobson-Einheiten. Durch diese farbliche Darstellung, die beliebig gewählt werden kann, wird der Eindruck einer Öffnung suggeriert, die man im allgemeinen Sprachgebrauch dann auch vereinfacht als Ozonloch bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich hier aber lediglich um Gebiete, in denen die Ozonkonzentration geringer ist. Die Ausdünnung der Ozonschicht über den Polkappen hat verschiedene Gründe. Da die Ozonbildung in der Atmosphäre nur durch die UV-Strahlung der Sonne möglich wird, spielt die Sonnenstrahlung die größte Rolle für diesen Prozess. An den Polkappen ist die spezifische Einstrahlung (W=m2 ) aufgrund der geometrischen Anordnung der Erde zur Sonne am geringsten. Durch diese Tatsache bildet sich dort dann naturgemäß auch weniger Ozon. Der O3 -Entstehungsprozess wird weiterhin durch Luftschadstoffe, den sogenannte FCKW’s5 , beeinträchtigt. Aus diesen Gründen wurde 1989 von der UNO beschlossen, FCKW weltweit zu verbieten. So gilt für die Industriestaaten seit 1995 ein allgemeines Verbot zur Herstellung und Verwendung von FCKW. Luftdruck Befinden sich Gasmoleküle mit der Masse m im Schwerefeld der Erde, so werden diese aufgrund der Gravitationskraft FG D m  g angezogen. Der daraus resultierende Druck auf ein Stück Erdoberfläche A wäre somit: pD

mg A

(2.8)

Beschreibt man die Masse m durch die Dichte % D m=V bzw. m D %  V und setzt nun für das Volumen V D A  h ein, so erhält man für den Schwerdruck: p D%gh

(2.9)

Da die Gasdichte jedoch vom Druck abhängt, ändert sich die Dichte mit der Höhe h. Diese Kompressibilität wird durch das Boyle6 -Mariotte7 Gesetz beschrieben: p  V D constant

@T D const

(2.10)

In Abb. 2.12 ist die Verteilung der Gasmoleküle im Schwerefeld der Erde dargestellt. Am Boden befinden sich viele Moleküle (! hohe Dichte) während mit zunehmender Höhe h die Dichte abnimmt. Diese Dichteänderung nimmt nach Boyle-Mariotte bei konstanter Temperatur T proportional mit der Höhe h ab (Meschede 2010). Die Gl. 2.9 kann daher nur in einer dünnen Schicht dh zur Anwendung kommen. Ändert sich die Höhe h um dh so ändert sich der 5

Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoff Verbindungen. Sir Robert Boyle (1627–1691) britischer Physiker. 7 Edme Mariotte (1620–1684) französischer Physiker. 6

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Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.12 Verteilung der Moleküle unter dem Einfluss der Schwerkraft und der Dichteänderung

Druck um dp D %  g  dh. Die Dichte % kann dann durch p=% D p=%0 ersetzt werden. Man erhält dann folgende Gleichung: dp %0 p D g  dh p0

(2.11)

Daraus ergibt sich dann die sogenannte barometrische Höhenformel: 

p.h/ D p0 e

%0 gh p0

(2.12)

Mit %0 D 1;293 kg=m3 und p0 D 1013 hPa und g D 9;81 m=s2 erhält man die vereinfachte Form der barometrischen Höhenformel: h

p.h/ D p0 e 7;99 km

(2.13)

Diese Formel ist allerdings nur eine Näherung, da in dieser Berechnung von einer konstanten Temperatur T D 0 ı C ausgegangen wird. Tatsächlich ändert die Temperatur mit der Höhe sehr stark, so dass man entsprechende Korrekturen an dieser Gleichung vornehmen muss. Aus diesen Überlegungen heraus entstand die internationale Höhenformel. Diese Gleichung hat für die gesamte Troposphäre bis zu einer Höhe von h D 11 km Gültigkeit (Abb. 2.13):   6;5  h 5;255 (2.14) p.h/ D 1013 hPa  1  288 km Für die Dichte lässt sich diese Gleichung entsprechend umformen und man erhält folgenden Ausdruck:   6;5  h 4;255 kg (2.15) %.h/ D 1;2255 3  1  m 288 km

2.2 Die Atmosphäre

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Abb. 2.13 Vergleich zwischen der barometrischen Höhenformel (Gl. 2.13) und der internationalen Höhenformel (Gl. 2.14). Größere Abweichungen (p) ergeben sich oberhalb von h D 8 km

Mit der internationalen Höhenformel ist es außerdem möglich, durch Umformung nach h, die Höhe aus dem aktuellen Luftdruck zu berechnen: "   1 # p.h/ 5;255 288 km hD 1 (2.16)  1013 6;5 Für die Berechnung von Höhendifferenzen (h) wird zu Beginn der Messung, anstelle der 1013 hPa, der aktuelle Luftdruck p eingesetzt. In der Regel ist dies der erste Messwert (Referenzhöhe). Insbesondere bei Bergwanderungen wird diese Methode genutzt, um die Höhenunterschiede bei der Wanderung zu erfassen. In der nachfolgenden Messung wurde eine Fahrt von Südtirol zum Sauerland/Westfalen aufgezeichnet. Am Startort (h D 950 m) lag ein Druck von 914 hPa an. Mit dem aktuellen Startdruck wurde die Höhendifferenz ermittelt und zur bekannten Starthöhe (950 m) addiert: "  1 #  p.h/ 5;255 288 km (2.17)  h D 0;95 km C 1  914 6;5 Sowohl die ersten 15 h als auch die letzten 15 h befand sich das Druckmesssystem an den jeweiligen Orten, ohne Bewegung. Der Druck p war während dieser Zeiten weitestgehend konstant. Beobachtet man den Druck p über einen längeren Zeitraum, so ergeben sich z. T. große Änderungen. Diese Druckänderungen p sind wetterbedingt und hängen mit den meteo-

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Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.14 Luftdruckmessung und Umrechnung in die Höhe h mit der internationalen Höhenformel (Gl. 2.17)

rologischen Hoch- und Tiefdruckgebieten zusammen (Abb. 2.15). Gasmessgeräte sind von diesen Luftdruckänderungen abhängig und die Messergebnisse einer Gasanalyse müssen dann für eine genaue Auswertung korrigiert werden. Luftdruckmessung Das erste Verfahren zur Messung des Luftdruckes wurde von Torricelli8 erfunden. Er füllte ein einseitig geschlossenes Glasrohr mit Quecksilber und tauchte es dann mit der Öffnung nach unten in eine Quecksilberwanne. Der Flüssigkeitsspiegel sank daraufhin bis zu einer Höhe von ca. h D 760 mm ab und blieb dann dort stehen (Abb. 2.16). Dieser Pegel änderte sich aber innerhalb von Tagen und Wochen um wenige mm. Torricelli führt das zu Recht auf den sich ändernden Luftdruck zurück. Der Luftdruck drückt nämlich auf die Quecksilbersäule und verhindert somit das Auslaufen. Dieser Höhe h von 760 mm ordnete man später, zu Ehren von Torricelli, die Druck-Einheit Torr zu (1 mm Hg entspricht 1 Torr). Dieser Versuch wurde später von anderen Wissenschaftlern, mit Wasser als Medium, wiederholt (z. B. Otto von Guericke). Da die Dichte von Wasser um den Faktor 13,546 kleiner ist als von Quecksilber, ergibt sich eine Säulenhöhe von 10,3 m. Für praktische Anwendungen war das viel zu groß, so dass fast über 300 Jahre hinweg das TorricelliBarometer das wichtigste und auch genaueste Messgerät für die Bestimmung des Luftdruckes war. 8

Evangelista Torricelli (1608–1647) italienischer Physiker.

2.2 Die Atmosphäre

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Abb. 2.15 Natürliche Luftdruckänderungen an einem Ort (Dortmund) innerhalb eines Monats (Juni 2014)

Heute werden ausschließlich elektronisch arbeitende Sensoren für diesen Zweck eingesetzt. Sie bestehen in der Regel aus einem Silizium-Mikrochip mit einer dünnen Membrane. An den Rändern der Membrane werden Dehnungsmessstreifen (DMS) aufgebracht, die ihren elektrischen Widerstand mit zunehmender Dehnung vergrößern. Der Druckraum unterhalb der Membrane wird verschlossen und mit einem Referenzdruck versehen Abb. 2.16 Torricelli Barometer zur Messung des Luftdruckes

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Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.17 Mikromechanischer Absolut-Drucksensor

Abb. 2.18 Mikromechanischer Differenz-Drucksensor

(Abb. 2.17). Sind die beiden Drücke gleich, also Luftdruck D Referenzdruck, so befindet sich die Membrane in der Ruhelage. Steigt der Luftdruck an, so verbiegt sich die Membrane und der Widerstand der DMS steigt ebenfalls an. Diese Methode heißt Absolutdruckmessung. Für eine Differenzdruckmessung nutzt man einen ähnlichen Aufbau. In der Verschlussplatte wird jetzt aber eine Öffnung geschaffen, die in Verbindung mit dem Druck p2 steht (Abb. 2.18). Bei einen Differenzdruck p D p1  p2 kommt es auch in diesem Fall zu einer Verbiegung der Membrane die dann durch die DMS erfasst und ausgewertet werden kann. Für praktische Anwendungen werden die Drucksensoren dann noch mit Gasanschlüssen versehen, um Gasschläuche anzuschließen. Als Druckeinheit wird heute Pascal9 als international gültige Einheit (SI) genutzt. Die Definition für 1 Pascal (Pa) ist 1 Newton pro Quadratmeter: 1 Pa D

1 kg 1N D m2 m  s2

(2.18)

In der Gasmesstechnik wird zumeist bei atmosphärischem Druck (p  100:000 Pa) gearbeitet. Damit die Umrechnung zum bisher üblichen Millibar (mbar), einfacher fällt, gibt man den Luftdruck in Hektopascal (hPa) an. 1 hPa sind dann genau 1 mbar. In einigen Bereichen der Medizin und Technik werden aber immer noch die alten Einheiten genutzt. Daher ist es wichtig diese Einheiten umrechnen zu können. In Tab. 2.7 sind die bisher noch gebräuchlichen SI-fremden Einheiten und ihre Umrechnung in Pascal dargestellt. 9

Blaise Pascal (1623–1662) französischer Mathematiker und Physiker.

2.3 Kinetische Gastheorie Tab. 2.7 Umrechnungen von Si-fremden Einheiten in Pascal

27 SI-fremde Einheit 1 ata D 735,6 Torr 1 mWs D 0,1 at 1 mmWS 1 mmHg 1 bar D 750 Torr 1 mbar 1 Torr 1 atmb D 760 Torr 1 psic 1 inch water (in H2 O) 1 inch mercury (in Hg) a b c

2.3

Pascal 98,07 kPa 9,807 kPa 9,907 Pa 133,3 Pa 1000 hPa 1 hPa 133,3 Pa 1013 hPa 6,895 kPa 249,1 Pa 3,386 kPa

Technische Atmosphäre. Physikalische Atmosphäre. Psi D pound per square inch.

Kinetische Gastheorie

Teilchenmodell idealer Gase Im Rahmen einer theoretischen Beschreibung der Gase betrachtet man die Gas-Atome bzw. -Moleküle als kleine Kugeln mit der Masse m, die sich vollkommen frei mit der Geschwindigkeit v im Raum bewegen können. Lediglich die Schwerkraft FG wirkt auf diese Teilchen. Stoßen diese Teilchen aufeinander, so erfolgt eine elastische Impulsübertragung nach den Gesetzen der klassischen Mechanik. Der gasförmige Zustand ist dadurch charakterisiert, das die Abstände x zwischen den Molekülen deutlich größer sind als der Durchmesser d der Moleküle (Abb. 2.19). Mit diesem recht einfachen Modell lassen sich die meisten physikalischen Effekte in der Gasphase erklären. Mittlere freie Weglänge Bei einer geradlinigen Bewegung eines Gasmoleküls mit dem Durchmesser d kommt es zwangsläufig zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Molekül. Die Häufigkeit dieser Zusammenstöße pro Sekunde, bei einer Molekülzahldichte n D N=V , lässt sich über die Abb. 2.19 Teilchenmodell der Gase als frei bewegliche Massekugeln im Raum

x d v

d >> x

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Physikalische Eigenschaften von Gasen

mittlere Stoßzahl z berechnen: p z D  2d 2 vn

(2.19)

mit dem Druck p, der Temperatur T und der Boltzmann-Konstante k ergibt sich folgender Ausdruck: p p z D  2d 2 v (2.20) kT Unter Normalbedingungen (0 ı C, 1013 hPa) liegt dieser Zahlenwert für die meisten Gase bei 109 bis 1010 s1 . Befinden sich in einem Gasgemisch verschiedene Atome bzw. Moleküle so werden die Radien r1 und r2 der unterschiedlichen Stoßpartner in die Gl. 2.19 eingeführt und wir erhalten folgenden Ausdruck: p z D  2.r1 C r2 /2 vn (2.21) Wenn durch Gleichung die Anzahl der Zusammenstöße pro Zeit gegeben ist, lässt sich daraus recht einfach die Strecke berechnen, die zwischen zwei Zusammenstößen liegt. Diese Strecke wird auch als mittlere freie Weglänge l bezeichnet: kT lDp 2.r1 C r2 /2 p

(2.22)

Für die oben angeführten Gleichungen wird der Durchmesser d bzw. der Radius r der Atome/Moleküle benötigt. Reale Gasmoleküle verhalten sich nicht wie harte Kugeln. Der effektive Durchmesser d bzw. der Radius r hängt von der Temperatur T ab. Sutherland10 fand 1894 eine empirische Gleichung, mit der dieses Verhalten beschrieben werden konnte: r TV C1 (2.23) r.T / D r1 T TV ist dabei die Sutherland-Konstante oder Verdopplungstemperatur. r1 ist der Molekülradius bei einer unendlichen hoher Temperatur. In Abb. 2.20 ist das Verhalten des Radius von der Temperatur für verschiedene Gase dargestellt. Mit steigender Temperatur laufen die Kurven auf einen Grenzwert r1 zu, der zwischen 1 bis 2  1010 m liegt. Man bestimmt also mit der Sutherland-Gleichung (Gl. 2.23) die Radien r und kann dann die mittlere freie Weglänge l über die Gleichung berechnen. In der Abb. 2.21 ist l für Wasserstoff und Kohlendioxid bei T D 300 K dargestellt. Die beiden Kurven liegen eng beieinander, obwohl sich beide Gase von der Größe deutlich unterscheiden. Bei Atmosphärendruck 1000 hPa liegt die mittlere freie Weglänge bei 107 m. In dem Diagramm sind auch die unterschiedlichen Vakuumbereiche dargestellt. Im Ultrahochvakuum ist die Teilchendichte so gering, das sich die Moleküle kaum noch berühren. Die Stoßfrequenz liegt in diesem Bereich bei 0,0001 s1 , d. h. die Teilchen treffen im Durchschnitt nur alle 2–3 h aufeinander. 10

William Sutherland (1859–1911) australischer Physiker und Chemiker.

2.3 Kinetische Gastheorie

29

Abb. 2.20 Molekülradien unterschiedlicher Stoffe in Abhängigkeit von der Temperatur Tab. 2.8 Molekülradien und Verdopplungstemperaturen (Richter 2010)

Gase Wasserstoff Helium Methan Ammoniak Wasser Stickstoff Sauerstoff Chlorwasserstoff Argon Kohlendioxid

r1 =1010 m 1,21 0,97 1,66 1,23 1,34 1,60 1,48 1,54 1,43 1,73

TV =K 76 79 164 503 600 112 132 360 169 273

Berechnung des Druckes Befinden sich diese frei beweglichen Teilchen in einem abgeschlossenen Raum, so stoßen sie regelmäßig mit der Geschwindigkeit v auf eine der 6 Wände (Abb. 2.22). Jede der 6 Wände hat dabei die gleiche Fläche A. Da die Bewegung der Teilchen in allen Richtungen erfolgt, treffen 1/6 der Teilchen auf jede Wand. Pro Zeitintervall dt treffen aber nur die Teilchen auf die Wand, die sich in einem Abstand: ds D v  dt (2.24)

30

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.21 Einteilung des Vakuums in unterschiedliche Druckbereiche mit den entsprechenden mittleren freien Weglängen nach Gl. 2.22 Abb. 2.22 Frei bewegliche Atome/Moleküle in einer abgeschlossenen Kammer. Durch die Zusammenstöße der Teilchen mit der Kammerwandung entsteht ein Impulsübertrag und damit eine Kraftwirkung F

vor der Wand befinden. Daraus ergibt sich dann das Volumen dV in dem sich diese Teilchen enthalten sind: dV D A  v  dt (2.25) Mit der Teilchendichte n lassen sich nun die Anzahl der Stöße auf die Wand pro Zeit berechnen: Anzahl der Stöße D

1  n  A  v  dt 6

(2.26)

2.3 Kinetische Gastheorie

31 vor dem Stoß: p = m·v

Abb. 2.23 Zusammenstoß eines Teilchens mit der Kammerwand und der daraus resultierendem Impulsübertragung

nach dem Stoß: p = - m·v

Wand

Impulsaufnahme: pi= 2·m·v

Bei jedem Stoß mit der Wand, in Form einer Reflexion, wird von der Wand der Impuls pi aufgenommen. (2.27) pi D 2mv Impulsübertragung pro Zeit dt ist aber eine Kraft F , die dann direkt auf die Wand wirkt (Abb. 2.23). Der Druck p ist per Definition: Druck p D

F Kraft D Fläche A

(2.28)

Setzt man nun Gl. 2.26 und 2.27 in Gl. 2.28 ein, so erhält man folgenden Ausdruck für den Druck p: (

)

(2.29) bzw. pD

1 n  m  v2 3

(2.30)

Die Gl. 2.30 wird auch als Grundgleichung der kinetischen Gastheorie bezeichnet und wurde bereits von Bernoulli11 aufgestellt. Als Geschwindigkeit v 2 wird in diesem Fall der Mittelwert der Geschwindigkeitsquadrate eingesetzt, da die Teilchen nicht alle die gleiche Geschwindigkeit besitzen. Der Vorteil dieser Gleichung besteht darin, das die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen (Atome oder Moleküle) lediglich durch eine makroskopische Druckmessung und die Kenntnis der Gasdichte % D nm bestimmt werden kann: s vD

11

3p %

Daniel Bernoulli (1700–1782) Schweizer Mathematiker und Physiker.

(2.31)

32

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Beispiel

Wir wollen die mittlere Geschwindigkeit v von Stickstoff-Molekülen bei 0 ı C und 1013 hPa berechnen. Die Dichte % von Stickstoff ist unter diesen Bedingungen 1,2505 kg=m3 . Daraus ergibt sich dann die mittlere Geschwindigkeit wie folgt: v u u 3  1;013  105 vDt 1;2505 mkg3

kg ms2

D 493

m s

(2.32)

Diese Geschwindigkeit ist aber nur ein Mittelwert, der sich aus der Vielzahl der individuellen Geschwindigkeiten der Teilchen ergibt. Die nächste Fragestellung beschäftigt sich daher mit der Verteilung der Geschwindigkeiten. Maxwell’sche Geschwindigkeitsverteilung Die Bewegungen und somit auch die Geschwindigkeiten der Moleküle lassen sich mit statistischen Gesetzmäßigkeiten beschreiben. Die individuellen Geschwindigkeiten können daher erheblich von dem Mittelwert abweichen. Maxwell12 leitete auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeitstheorie eine Formel her, mit der die Verteilungsfunktion f .v/ der Geschwindigkeiten in einem Gas berechnet werden kann. Eine genaue Herleitung dieser wichtigen Formel findet sich bei Richter (2010). r f .v/ D

2  m 3 2  mv2  v  e 2kT  kT

(2.33)

mit k D Boltzmann-Konstante (1;381  1023 J=K), T D Temperatur in Kelvin, m D Molekülmasse und v D Molekülgeschwindigkeit. In Abb. 2.24 erkennt man für jede Temperatur T eine Maximalgeschwindigkeit vmax . Die Geschwindigkeit wird auch als die wahrscheinlichste Geschwindigkeit bezeichnet. Man erhält diesen Wert aus der 1. Ableitung der Verteilungsfunktion f .v/. Setzt man die 1. Ableitung gleich null, kann diese Geschwindigkeit dann berechnet werden: r vO D

2k  T m

(2.34)

Die mittlere quadratische Geschwindigkeit hatten wir bereits in Gl. 2.30 zur Berechnung des Druckes genutzt. Setzt man diese Formel mit dem Ausdruck p D nkT gleich, so erhält man: r p 3k  T 2 v D D 1;225vO (2.35) m

12

James Clerk Maxwell (1831–1879) schottischer Physiker.

2.3 Kinetische Gastheorie

33

Abb. 2.24 Geschwindigkeitsverteilung f .v/ von Stickstoff (N2 ) bei unterschiedlichen Gastemperaturen T

Der Mittelwert aller Geschwindigkeiten ergibt sich aus dem arithmetischen Mittel aller Geschwindigkeiten: r 8k  T vD D 1;128vO (2.36) m Diese 3 verschiedenen Geschwindigkeiten unterscheiden sich nur sehr wenig voneinander (Tab. 2.9). In Abb. 2.25 sind die einzelnen Positionen maßstabsgerecht in das Diagramm eingetragen worden. Der Mittelwert der Geschwindigkeiten hängt natürlich sehr stark von der Gasart ab. Sehr leichte Atome, wie z. B. Helium, haben im Vergleich zu sehr schweren Molekülen, wie Schwefelhexafluorid, bei gleicher Temperatur T eine viel größere Geschwindigkeit (Abb. 2.26). Aus der Geschwindigkeit v der Moleküle lässt sich nun auch auf die Energie E schließen. Betrachtet man nur die Bewegung im Raum so kann die mittlere kinetische Energie

Tab. 2.9 Übersicht der unterschiedlichen Geschwindigkeiten nach Kuchling (2011) p Molekülgeschwindigkeit v2 v vO Mittlere quadratische Geschwindigkeit 1 1,085 1,225 Mittelwert der Geschwindigkeiten 0,921 1 1,128 Wahrscheinlichste Geschwindigkeit 0,816 0,886 1

34

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.25 Lage der verschiedenen Geschwindigkeit für Stickstoff für T D 20 ı C

Abb. 2.26 Mittlere Geschwindigkeiten für unterschiedliche Gase in Abhängigkeit von der Temperatur T

wie folgt berechnet werden: Ekin D

m 2 v 2

(2.37)

2.3 Kinetische Gastheorie

mit v 2 D

3kT m

35

erhält man für die mittlere kinetische Energie dann folgenden Ausdruck: Ekin D

3 kT 2

(2.38)

Die mittlere kinetische Energie eines Gases steigt somit linear mit der Temperatur T an. Beim absoluten Nullpunkt der Temperatur (D 0 K) befinden sich die Moleküle also in der Ruhelage (v D 0) und die Energie ist somit ebenfalls null. Da sich die Teilchen frei im Raum bewegen können, ergibt sich pro Freiheitsgrad13 ein Energieanteil von: EF D

kT 2

(2.39)

Für eine reine Translationsbewegung ergeben sich dann 3 Freiheitsgrade im Raum (x; y; z). Gleichverteilungssatz Bisher haben wir das Teilchenmodel in der Form betrachtet, das es sich um kleine Kugeln handelt. Dieses Modell ist streng genommen aber nur für Edelgase gültig, die lediglich aus einem Atom bestehen. Moleküle bestehen immer aus mehreren Atomen, so dass sich die Struktur dann auch entsprechend verändert. Moleküle haben nämlich auch die Möglichkeit Energie in Form von Rotationsenergie um verschiedene Achsen aufzunehmen. Bei sehr hohen Temperaturen besteht prinzipiell auch die Möglichkeit Energie in Form von Schwingungen aufzunehmen. Beim Wasserstoff passiert das bei Temperaturen > 2000 K (Abb. 2.27). Bei Temperaturen oberhalb von 3200 K zerfällt der Wasserstoff dann bereits (Giancoli 2010). Nach Clausius14 und Maxwell verteilt sich die Energie eines Moleküls gleichmäßig auf alle Freiheitsgrade, so dass für jeden Freiheitsgrad ein Energieanteil EF benötigt wird. Je nach Molekülaufbau können 3–6 Freiheitsgrade zur Verfügung stehen (Tab. 2.10). Diese Eigenschaft wird als Gleichverteilungssatz oder auch als Äquipartitionsprinzip bezeichnet. Die Gesamtenergie lässt sich als wie folgt berechnen (Hahn 2007): X

1 E D .fTranslation C fRotation C fSchwingung /  kT 2

Tab. 2.10 Freiheitsgrade für verschiedene Gasarten

Stoff 1-atomiges Gas 2-atomiges Gas 3-atomiges Gas

13 14

Freiheitsgrade f Translation Rotation 3 – 3 2 3 3

Bewegungsmöglichkeit der Atome/Moleküle. Rudolf Julius Emanuel Clausius (1822–1888) deutscher Physiker.

(2.40)

Summe 3 5 6

36

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.27 Freiheitsgrade von Wasserstoff in Abhängigkeit von der Temperatur T

2.4 Transportvorgänge Aufgrund der hohen Beweglichkeit der Atome und Moleküle in der Gasphase können diese Teilchen den Ort relativ schnell wechseln und dabei sowohl Stoffe als auch Energie übertragen. Diese Übertragungsmechanismen können nicht nur im Gasraum erfolgen, sondern sind auch an den Grenzflächen zwischen der Gasphase und einer Flüssigkeit oder einem Feststoff möglich. Weiterhin können Gase auch in Flüssigkeit bzw. Feststoffe eindringen und dort gelöst werden oder durch diese hindurchtreten. Transportvorgänge spielen daher in der Gasmesstechnik eine große Rolle und werden im folgenden Kapitel behandelt. Molekularbewegung Betrachtet man eine Ansammlung von Gasmolekülen im Raum, so bewegen sich alle Gasmoleküle in unterschiedlichen Richtungen (x; y; z) mit verschiedenen Geschwindigkeiten, die der Maxwell-Verteilung entsprechen. In Abb. 2.28 ist der Weg eines individuellen Gasmoleküls aufgezeigt, das sich in Zick-Zack-Bahnen bewegt. Diese Art der Bewegung wurde bereits von Brown15 im Jahre 1828 unter einem Mikroskop beobachtet, als er Blütenpollen untersuchte. Er stellte dabei fest, dass sich diese Bewegungen statistisch verteilen und nicht vorhersehbar sind. Diese Art der Bewegung wird auch als

15

Robert Brown (1773–1858) schottischer Botaniker

2.4 Transportvorgänge

37

Abb. 2.28 Bewegung eines Gasmoleküls im Raum

Abb. 2.29 Modell zur Energieübertragung durch die Wärmeleitung der Gasmoleküle

Brown’sche Molekularbewegung bezeichnet. Perrin16 stellte dazu eine Theorie auf und erhielt 1929 dafür den Nobelpreis. Wärmeleitung Die Wärmeleitung von Gasen ist ein Transportphänomen der Übertragung von thermischer Energie durch Gasmoleküle. Dazu betrachtet man zwei planparallele Platten, die sich in einem Abstand s D x zueinander befinden. Die eine Platte hat dabei die Temperatur T1 während die andere Platte die Temperatur T2 hat. Die Temperaturen sind unterschiedlich (T1 > T2 ). Die dazwischen befindlichen Gasmoleküle kommen zunächst mit der linken Platte in Berührung und erfahren durch den Kontakt eine Energieübertragung, die sich durch eine erhöhte Geschwindigkeit v und damit auch eine erhöhte kinetische Energie (E D 0;5m  v 2 ) äußert. Diese Moleküle stoßen nun mit anderen, im Raum befindlichen Molekülen, zusammen und übertragen daher die Energie mit jedem Stoß weiter in Richtung der rechten Platte. Die Moleküle, die sich in der Nähe diese Platte befinden, stoßen dann mit dieser zusam16

Jean Baptiste Perrin (1870–1942) französischer Physiker.

38

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

men und geben die Energie dann wieder ab. Dieser eindimensionale Fall lässt sich durch die empirische Fourier-Gleichung beschreiben: dQ dT D   grad T  dA D   dt ds

(2.41)

In dieser Gleichung wird die Wärmeleitfähigkeit  als Stoffgröße der Gase eingeführt.  hat die Einheit Wm1 K1 . Durch Lösung der Differential-Gleichung 2.41 erhält man dann folgenden Ausdruck: A  t  T (2.42) Q D   s bzw. P D

Q A  T D   t s

(2.43)

Durch einen Lösungsansatz, der auf der kinetischen Gastheorie basiert, lässt sich die Wärmeleitfähigkeit auch durch die Viskosität  und spezifische Wärmekapazität cV ausdrücken: 1  D   cV (2.44) 2 Unter Berücksichtigung der Freiheitsgrade unterschiedlicher Gas wird die Gl. 2.44 wie folgt modifiziert (Meschede 2010): D

1 ˛    cV 2

(2.45)

Die Konstante ˛ hat für einatomige Gase den Wert  2;4 für zweiatomige Gase  1;9 und für dreiatomige Gase  1;6. Da sowohl cV als auch  unabhängig vom Druck sind, ergibt sich auch für die Wärmeleitfähigkeit  eine Druckunabhängigkeit. Erst wenn die mittlere freie Weglänge l in die Größenordnung des Platten-Abstandes s kommt, nimmt  proportional ab (! Prirani17 -Effekt). Diese Druckabhängigkeit (Abb. 2.30) wird im Bereich der Vakuum-Messtechnik zur Bestimmung des Druckes genutzt. Die Wärmeleitfähigkeit wird experimentell mit sogenannten Katharometern gemessen. In Abb. 2.31 ist ein solcher Versuchsaufbau dargestellt. Es besteht aus einer zylindrischen Messkammer, in der koaxial ein dünner Platindraht gespannt wird. Da sich der Draht während der Messung erwärmt und thermisch ausdehnt, muss er mechanisch vorgespannt werden, um in jedem Fall eine koaxiale Geometrie zu gewährleisten. Die Temperatur TU der Außenwandung der Messzelle muss auf einer konstanten Wert geregelt werden. Durch einen Umwälzthermostaten, der eine Flüssigkeit (z. B. Wasser) um die Messzelle pumpt, lässt sich diese Forderung einhalten. Zusätzlich wird der gesamte Aufbau auch noch ther-

17

Pirani, Marcello Stefano (1880–1968) deutscher Physiker.

2.4 Transportvorgänge

39

Abb. 2.30 Wärmeübertragung (Pirani-Effekt) im Vakuumbereich zwischen 103 hPa und 10 hPa für Helium und Stickstoff

misch isoliert. Die Leistungsbilanz ergibt sich dann aus folgender Gleichung:  P D     L  T  ln

D d

 (2.46)

Abb. 2.31 Experimenteller Aufbau (Katharometer) zu Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit von Gasen. Die Messkammer befindet sich in einem Wasserbad, das durch den Thermostaten permanent ausgetauscht wird und sich somit einer konstanten Temperatur TU befindet

40

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Tab. 2.11 Wärmeleitfähigkeit unterschiedlicher Gase. 0 bei 0 ı C. rel bei 100 ı C (Hengstenberg et al. 1980) Gas Argon Ar Helium He Neon Ne Krypton Kr Xenon Xe Wasserstoff H2 Stickstoff N2 Sauerstoff O2 Luft Kohlendioxid CO2 Kohlenmonoxid CO Stickstoffmonoxid NO Lachgas N2 O Ammoniak NH3 Chlor Cl2 Schwefeldioxid SO2 Schwefelhexafluorid SF6 Methan CH4 Ethan C2 H6 Propan C3 H8 Butan C4 H10 Pentan C5 H12 Hexan C6 H14 Wasserdampf H2 O a b

0 ŒmWm1 K1  16,3 143 46,1 87,8 5,15 172 24,0 24,5 24,1 14,3 23,1 23,2 15,3 21,6 7,7 8,4 14,1b 30,2 18,3 15,1 13,5 12,2 12

˛Œ102 K1 a 0,31 0,18 0,24 0,32

rel D 100Gas =Luft 69 554 182 37

0,27 0,28 0,3 0,28 0,48 0,32 – 0,54 0,54 – 0,6

694 99,7 101,3 100 71 96,8 102 75 108 34 44

0,48 0,73 0,8 0,81 0,75 0,68

141 101 87 78 73 64 78

Temperaturkoeffizient im Bereich von 0 bis 100 ı C. ˛ D bei 30 ı C.

1 d . 0 dT

Mit P D U  I und T D TD  TU ergibt sich dann für den experimentellen Wert der Wärmeleitfähigkeit exp folgender Ausdruck: exp D

U I   L  .TD  TU /  ln.D=d /

(2.47)

Die Drahttemperatur TD lässt sich aus dem elektrischen Widerstand des Drahtes R.TD / wie folgt berechnen: U (2.48) R.TD / D I

2.4 Transportvorgänge

41

Der Widerstandswert R.TD / ist von der Temperatur T abhängig und lässt sich für kleine Temperaturänderungen durch einen linearen Ansatz beschreiben: R.TD / D R0  Œ1 C ˛  .TD  TU /

(2.49)

Durch Umformung erhält man dann:   1 R.TD / 1 TD D TU C  ˛ R0

(2.50)

Setzt man nun Gl. 2.50 und 2.48 in Gl. 2.47 ein, so erhält man die Bestimmungsgleichung für die experimentelle Wärmeleitfähigkeit: exp D

 L

h

1 ˛





U I U=I R0

1

i

 ln.D=d /

(2.51)

Diffusion Unter Diffusion versteht man den Ausgleich von Konzentrationsunterschieden durch einen Massenstrom. Die Diffusion basiert auf der statistischen Bewegung der Gasmoleküle im Raum und kann daher mit der kinetischen Gastheorie berechnet werden. Diese Geschwindigkeitsverteilung wurde ja bereit mit der Maxwellverteilung bestimmt und bildet daher eine wichtige Grundlage zum Verständnis der Diffusion. Befindet sich nun in einem Raum an einer Stelle eine erhöhte Anzahl von Gasmolekülen (D Konzentration c1 ), so bewegen sich diese Moleküle gemäß der Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung zunächst in alle Richtungen. Dabei stoßen sie mit anderen Molekülen zusammen und breiten sich somit im ganzen Raum aus. Dieser überlagerte Diffusionsstrom J geht in Richtung der Bereiche mit einer geringen Teilchendichte (D Konzentration als Teilchen pro Volumen D c2 ). Dieser Diffusionsstrom J ist direkt proportional zum Konzentrationsgradienten grad c, der sich für den eindimensionalen Fall durch das 1. Fick’sche Gesetz18 beschreiben lässt: J D D  A 

dc dx

(2.52)

oder J1!2 D D  A 

c1  c2 x

(2.53)

Darin ist A die Fläche, durch die der Diffusionsstrom J geht und D ist der stoffspezifische Diffusionskoeffizient (Tab. 2.12). Dieser Koeffizient lässt sich durch die mittlere 18

Adolf Fick (1829–1901) deutscher Physiologe.

42

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Tab. 2.12 Diffusionskoeffizienten für Gase und Dämpfe in Luft bei 20 ı C und 1013 hPa (Jessel 2001) Substanz Wasserstoff Ammoniak Wasserdampf Sauerstoff Acetylen Methan Stickstoff Phosgen

D in cm2 =s 0,69 0,246 0,241 0,231 0,22 0,22 0,211 0,175

Substanz Ameisensäure Kohlendioxid Ethanol Aceton Dichlormethan i -Propanol Schwefelkohlenstoff Diethylamin

Konzentraonsgradient (grad c) Diffusionsstrom J

Konzentraon c1

Δx

D in cm2 =s 0,150 0,1437 0,1181 0,1049 0,1037 0,1013 0,1013 0,1

Substanz Diethylether Ethylacetat Benzol n-Pentan Toluol n-Hexan n-Heptan n-Oktan

D in cm2 =s 0,0918 0,0861 0,0859 0,0842 0,0763 0,0732 0,0664 0,0616

Konzentraonsgradient (grad c =0) Diffusionsstrom J=0

Konzentraon c2

Konzentraon =

1+ 2

2

Abb. 2.32 Konzentrationsprofil vor der Diffusion und nach abgeschlossenem Ausgleichsvorgang

Geschwindigkeit v und die mittlere freie Weglänge l berechnen: DD

1 vl 3

(2.54)

Setzt man in Gl. 2.54 die Ausdrücke für v (Gl. 2.36) und l (Gl. 2.22) ein, so erhält man folgenden Zusammenhang: 1 DD  3

r

8 RT kT  p  m 2    p  .r1 C r2 /2

(2.55)

Fasst man nun die konstanten Werte zu einem Faktor f zusammen, so ergibt sich folgender Ausdruck für D: r 1 T 3=2 DDf   (2.56) p  r2 m

2.4 Transportvorgänge

43

Der Diffusionskoeffizient D ist demnach temperaturabhängig, druckabhängig und von der Größe der Moleküle abhängig. Kleine Moleküle, wie z. B. Helium und Wasserstoff, haben daher einen großen Diffusionskoeffizienten. Diese Gleichung beschreibt allerdings nur die Diffusion einer Gasart, so dass man in diesem Fall von einer reinen Selbstdiffusion ausgeht. Bei einem Gasgemisch muss diese Gleichung entsprechend modifiziert werden. Für ein binäres Gasgemisch erhält man dann:

D1;2

T 3=2 Df  p  .r1 C r2 /2

s 1 1 C m1 m2

(2.57)

Für die Temperaturabhängigkeit D.T / des Diffusionskoeffizienten lässt dann folgender Ausdruck angeben, mit dem dann Tabellenwerte für D1 .T1 / auf die reale Anwendung bei einer Temperatur T2 umgerechnet werden können: s  D2 D D1 

T2 T1

3 (2.58)

Eine weitere interessante Fragestellung beschäftigt sich damit, wie schnell sich ein Gas in der Luft ausbreiten kann. Dieses zeitliche Ausbreitungsverhalten von Gasen ist insbesondere im Bereich der Sicherheitstechnik (Gaswarngeräte) von großer Bedeutung um die Ausbreitung von „Gaswolken“ zu berechnen. Beispiel (Giancoli 2010)

Wir betrachten eine geöffnete Flasche, die mit Ammoniaklösung gefüllt ist (Abb. 2.33). An der Flaschenöffnung tritt Ammoniak (NH3 ) mit einer Konzentration c1 aus. Dir Frage lautet nun: Wie lange dauert es, bis eine Person in 10 cm Entfernung das Ammoniak riechen kann? Da die Geruchsschwelle von Ammoniak mit 0,03–0,05 ppm (Altmann et al. 2015) im Vergleich zur austretenden Konzentration c1 sehr klein ist, kann man für c2  0 annehmen. Der Diffusionsstrom J kann mit der Anzahl der Moleküle N gleichgesetzt werden, die durch die Fläche A in der Zeit t strömen. Daraus folgt dann: tD

N x N D  J D  A c

(2.59)

Die durchschnittliche Konzentration c, die sich zwischen der Flaschenöffnung und der Nase befindet, lässt sich durch c  N=V abschätzen. Das Volumen ergibt sich aus V D A  x. Für N können wir nun den Ausdruck N D c  A  x in die Gleichung einsetzen und erhalten dann: t

c  A  x x c .x/2  D  DA c c D

(2.60)

44

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.33 Experiment zur Übertragung einer „Gaswolke“ von der Quelle (Flasche) bis zum Sensor (Nase)

Da die Konzentration c2 im Bereich der Nase quasi Null ist, kann man für c  c=2 bzw. c=c  12 einsetzen. Mit DNH3 D 0;246 cm2 =s lässt sich die Zeit berechnen: t

.0;1 m/2 1  200 s 2 .2;46  105 m2 =s/

(2.61)

Diese Zeit von 200 s erscheint zunächst einmal als sehr groß, da man aus Erfahrung weiß, dass die Ausbreitung von z. B. Gerüchen im Raum schneller erfolgt. Das liegt offensichtlich daran, dass dieser zeitlich Vorgang nicht durch die Diffusion bestimmt wird, sondern durch andere Effekte. Selbst in geschlossenen Räumen ist die Luftbewegung niemals Null. Durch Türritzen oder Fensterdichtungen wird immer eine gewisse Strömung im Raum vorhanden sein, der diese Gase und Dämpfe forciert von A nach B transportiert. Die Bewegung von Personen, die sich im Raum befinden, führen ebenfalls zu deutlichen Turbulenzen im Raum. Anders verhält es sich, wenn ein kleines Volumen V1 (z. B. die Messzelle eines Gassensors) mit einer Diffusionsbarriere abgeschlossen wird (Abb. 2.34). Diese Barriere kann z. B. aus einer Membrane oder einer Sinterscheibe (Metall bzw. Kunststoff) bestehen. Diffusionsbarrieren sind offenporig und lassen Gase hindurch diffundieren, während direkte Einströmungen verhindert werden. Das zeitliche Verhalten der Gassensoren wird durch diese Art der Begasung zwar behindert, doch die Schutzwirkung der Diffusionsbarriere vor Staub oder Spritzwasser ist für praktische Anwendungen unumgänglich. Beruht der Gassensor in der Messzelle auf einem physikalischen Prinzip (keine chemischen Reaktionen), so kommt es durch den Diffusionsstrom zu einer Anreicherung c.t/ in der Zelle und der Konzentrationsgradient c=L nimmt ab. Je kleiner der Gradient

2.4 Transportvorgänge

45

Gassensor

Diffusionsbarriere Gaswolke c1=const

V1

c1

2

c(t)

1

Diffusionsstrom J Sensorsignale

c(t)

Zeit t

t1 t2

L Abb. 2.34 Messkammer in dem sich ein Gassensor zu Detektion von Stoffen in der Umgebungsluft (Gaswolke) befindet. Chemische Gassensoren (1) verhalten sich dabei anders als physikalische Gassensoren

aber ist, umso geringer werden der Diffusionsstrom J und damit auch der Gasaustausch über die Diffusionsbarriere. Der Gassensor erfasst den Verlauf von c.t/, wobei erst nach einer Zeit t2 das Sensorsignal (2) in die Nähe (90 %-Wert) des Konzentrationswertes c1 in der umgebenden Gaswolke gelangt. Bei einem chemischen Gassensor wird das Messgas durch eine Reaktion umgewandelt, so dass es aus der Messzelle verschwindet bzw. einen Wert unterhalb von c1 annimmt. Der Gradient bleibt also im Vergleich zu einem physikalischen Gassensor immer größer, so dass auch das Zeitverhalten t1 < t2 besser ist. Permeation Gasförmige Stoffe haben auch die Möglichkeit durch Festkörper hindurch zu wandern. Diesen Vorgang nennt man Permeation. Die Gasmoleküle werden bei diesem Prozess zunächst an der Oberfläche des Festkörpers adsorbiert. Danach dringt das Gas in die Schicht ein (Absorption) und wandert durch den Stoff hindurch (Diffusion). Auf der anderen Seite lösen sich die Gasmoleküle wieder von der Oberfläche (Desorption) und gelangen wieder in den Gasraum. Vereinfacht lässt sich diese Permeation als Produkt der Löslichkeit S im Festkörper und dem Diffusionskoeffizienten D darstellen. P bzw. P0 ist die Permeationszahl. Die Temperaturabhängigkeit von P wird durch eine Arrhenius-Gleichung mit der Aktivierungsenergie Ea beschrieben: Ea P D S  D D P0  e. kT /

(2.62)

Die Permeationszahl P lässt sich durch einen Aufbau gemäß Abb. 2.36 ermitteln. Man hat eine Kammer, die aus zwei Teilhälften besteht, zwischen denen der Prüfling (z. B. Membrane) gespannt ist. Auf der linken Seite wird das Testgas eingefüllt, das durch die Membrane permeieren soll. Auf der rechten Seite wird dann das Testgas erwartet. Es gibt unterschiedliche Verfahren, diesen Durchgang auszuwerten. Zum einen kann man

46

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.35 Teilschritte der Permeation von Gas durch einen Festkörper. a Adsorption, b Absorption, c Diffusion, d Desorption

den Druckanstieg in der rechten Hälfte aufzeichnen. Aus der Steigung lässt sich dann die Permeationszahl P berechnen. Man kann aber auch die Gaskonzentration mit einem Gasanalysator erfassen und somit auf die Permeationszahl P schließen. Die Zeitverzögerung (time lag), die bis zu einem linearen Anstieg der Druckkurve vergeht, kann zur Berechnung des Diffusionskoeffizienten genutzt werden (Burger 2001). Das durch die Permeation hindurchgetretene Gasvolumen V lässt sich mit folgender Gleichung berechnen (Jessel 2001): A V D P   .p1  p2 / t d

Abb. 2.36 Aufbau zur Bestimmung der Permeationszahl P

(2.63)

2.4 Transportvorgänge

47

Abb. 2.37 Ideale Wirkungsweise einer Gastrennung durch eine selektive Membrane

Die Permeation hängt sehr stark von der chemischen Struktur des Materials ab und kann für bestimmte Zwecke auf das jeweilige Gas abgestimmt werden. Insbesondere für eine Gastrennung werden selektive Membranen gesucht, die nur ein bestimmtes Gas hindurchlassen (Abb. 2.37). Mit einer solchen Membrane kann man z. B. Sauerstoff aus der Umgebungsluft anreichern, um diesen dann für medizinische Anwendungen nutzen zu können. Man nutzt für diese Anwendungen Polymermembranen, die aus sehr langen Molekülen bestehen und z. T. Molmassen von bis zu 200.000 g=mol aufweisen. In Abb. 2.38 ist eine typische Polymerkette dargestellt, die eigens für Anwendungen in der Gastrennung synthetisiert wurde (Burger 2001). Mit Hilfe dieser Verfahren lassen sich auch in großtechnischen Anlagen Gastrennungen durchführen. Ein Beispiel dafür ist die Trennung von Methan und Kohlendioxid aus Biogasanlagen. Der Biogasprozess liefert ein Gasgemisch aus etwa gleichen Anteilen (53 % CH4 , 47 % CO2 ). Die energetische Nutzung ist aber nur mit Methan möglich. Daher muss das Methan vom Kohlendioxid getrennt werden. Man nutzt dafür sogenannte Kompositmembranen, die aus mehreren Schichten bestehen. In Abb. 2.39 ist eine REM-Aufnahme einer solchen Membrane dargestellt. Außen befindet sich die selektive und porenfreie Trägerschicht. Darunter ist die eine feinporöse Stützschicht, die vor allem die mechanische

Abb. 2.38 Aufbau eines Polymermoleküls zur Gastrennung (Burger 2001)

48

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.39 Schnittdarstellung (REM-Aufnahme) durch eine Kompositmembrane mit verschiedenen Stützschichten. (mit freundlicher Genehmigung der GMT Membrantechnik GmbH)

Stabilität gewährleisten soll. Die gleiche Funktion hat die untere Stützstruktur aus Vliesstoff. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Hohlfasermembranen einzusetzen, die einen Durchmesser von nur einigen µm aufweisen (Abb. 2.40). Bündelt man diese Fasern auf einen kleinen Raum, so erhält man eine Kartusche mit einer sehr großen Oberfläche (Abb. 2.41). Kaskadiert man diese Kartuschen zu einer Gesamtanlage so können über 1000 m3 Biogas pro Stunde damit aufbereitet werden. Als Basismaterial lässt sich z. B. Polyimide mit einer Permeationszahl von PCO2 D 0;2 Barrer19 wobei das Verhältnis PCO2 =PCH4 D 64 beträgt (Scott 1995). Mit anderen Hochleistungspolymeren lassen sich noch bessere Selektivitäten erzielen, die allerdings von den Herstellern nicht bekannt gegeben werden.

Abb. 2.40 REM-Aufnahme einer einzelnen Hohlfasermembrane (Quelle: Evonik Industries AG Marl) In SI-Einheiten umgerechnet entspricht 1 Barrer D 7;5  108 Œm3 .STP/  Œm  Œm2   Œs1  ŒPa1 STP D Standardtemperatur und -Druck. 19

2.4 Transportvorgänge

49

Abb. 2.41 Querschnitt durch eine Kartusche mit einer Vielzahl dünner Hohlfasermembranen (nach Evonik Industries AG Marl)

Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten Gasmoleküle, die sich an einer Grenzfläche zu einer Flüssigkeit (z. B. Wasser) aufhalten, werden zu einem gewissen Anteil von der Flüssigkeit aufgenommen. Diese Gasmoleküle gehen in Lösung und sind dann Teil der Flüssigkeit. Der Anteil hängt sehr stark von der Temperatur und dem Gasdruck ab. Mit steigendem Druck steigt auch die Anzahl der Gasmoleküle, die in der Flüssigkeit gelöst werden. Die Temperatur hat hingegen einen umgekehrten Einfluss. Mit steigender Temperatur verringert sich die Anzahl der Gasmoleküle in der Flüssigkeitsphase. Dieser Zusammenhang wird als das Henry’sche Gesetz20 bezeichnet. Die Löslichkeit Li ist von dem Partialdruck pi der jeweiligen Moleküle in der Gasphase abhängig. Der Index i weist darauf hin, dass auch Gasgemische mit mehreren Komponenten (i D 1; 2; 3; : : :) dieser Gesetzmäßigkeit unterliegen. Li D ˛i  pi

(2.64)

Der Proportionalitätsfaktor ˛i wird als Löslichkeitskoeffizient bezeichnet und hängt von der Gasart, der Temperatur T und dem Lösemittel (Flüssigkeit) ab.

Abb. 2.42 Übergang der Gasmoleküle an der Grenzschicht in die Flüssigphase

20

William Henry (1774–1836) englischer Mediziner und Chemiker.

50

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Tab. 2.13 Löslichkeitskoeffizient ˛ bei 1013 hPa und 20 ı C in Liter Gas pro Liter Wasser (Jessel 2001) Gas Ammoniak Chlorwasserstoff Schwefeldioxid Chlor Acetylen Kohlendioxid Distickstoffmonoxid

Wasserlöslichkeit 685,7 448,0 39,40 2,260 1,040 0,879 0,665

Gas Stickstoffmonoxid Methan Sauerstoff Kohlenmonoxid Wasserstoff Stickstoff Schwefelhexafluorid

Wasserlöslichkeit 0,0480 0,0330 0,0310 0,0230 0,0180 0,0160 0,0056 1,8

0,07

y = 7,71E-08x4 - 1,63E-05x3 + 1,39E-03x2 - 6,37E-02x + 1,71E+00

0,06

CO2

1,6 1,4

1,2 0,05

CH4

O2

0,04

N2

CO2

1 0,8 0,6

0,03 0,4 0,02

Löslichkeitskoeffizient (CO 2)

Löslichkeitskoeffizient (CH 4, O2, N2)

0,08

0,2

0,01

0 0

10

20

30

40

50

60

70

Temperatur T in °C

Abb. 2.43 Temperaturverhalten der Löslichkeit in Wasser für verschiedene Gase (Daten von Jessel 2001)

Die Werte aus der Tab. 2.13 zeigen, dass die Löslichkeit der unterschiedlichen Gase stark variiert. Während Ammoniak sehr gut in Wasser löslich ist und den bekannten Salmiakgeist bildet, ist Stickstoff ein sehr schlecht lösliches Gas. Trotzdem ist gerade der Stickstoff in der Atemluft für Tiefseetaucher ein großes Problem. Ein Taucher, der z. B. in 40 m Tiefe einen Tauchgang beenden möchte, darf nicht sofort auftauchen. Durch den hohen Druck von 5 bar löst sich ein Teil des Stickstoffs im Blut, der bei sofortigem Auftauchen dann zu Stickstoffblasen im Blut führen würde. Daher muss der Taucher sich langsam an den Atmosphärendruck gewöhnen, damit der Stickstoff ohne Blasenbildung aus dem Blut entweichen kann. Die Temperaturabhängigkeit des Löslichkeitskoeffizienten ist in Abb. 2.43 dargestellt. Sie lässt sich durch ein Polynom 4. Ordnung beschreiben und nimmt daher überproportional mit steigender Temperatur ab.

2.4 Transportvorgänge

51

Abb. 2.44 Strippen der gelösten Gase mit einer Gaswaschflasche

Der umgekehrte Vorgang der Löslichkeit von Gasen in einer Flüssigkeit ist das Ausgasen. Dieser Prozess lässt sich analog beschreiben. Befindet sich oberhalb einer Flüssigkeitsschicht ein Partialdruck, der kleiner als pi ist, so tritt das Gas aus der Flüssigphase wieder in die Gasphase über. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, sauberes Gas (z. B. gereinigte Luft) durch eine Blubberflasche hindurchzuleiten. Mit einer Glasfritte am Übergang in die Flüssigkeit werden viele sehr kleine Gasblasen produziert, die in Summe eine große Oberfläche für einen Übergang der gelösten Gase aus Flüssigphase in die Gasphase bildet. In jeder Gasblase werden also Moleküle gemäß dem Henry’schen Gesetz gesammelt, die sich dann auf dem Weg nach oben mit dem Gas sättigen (Konzentration ci ). Mit einem nachgeschalteten Gasanalysator lässt sich der Stoff aus der Flüssigphase dann quantitativ bestimmen. Dieses Verfahren bezeichnet, man als Strippen (Abb. 2.44). Mit dieser Methode lassen sich aber auch flüssige Stoffe, die im Wasser gelöst sind (z. B. Alkohol), nachweisen. In der Prozessmesstechnik wird ein anderes Verfahren eingesetzt. Man nutzt dazu die Permeation von Gasen durch eine Membrane. Dies kann auch aus der Flüssigphase erfolgen, wenn die Membrane als Übergang zwischen den beiden Phasen angeordnet wird. Die Flüssigkeitsprobe strömt dazu an einer Membrane vorbei. Die gelösten Gasmoleküle kommen mit der Membrane in Kontakt und haben dann die Möglichkeit, über die Permeation durch die Membran in die Gasphase zu gelangen. Wird die Gasphase permanent gespült, stellt sich ein stationäres Konzentrationsgefälle ein (! kontinuierlicher Betrieb, s. Abb. 2.45). Alternativ kann man die rechte Kammer auch verschließen, damit sich das Gas dort mit der Zeit anreichert, um es dann besser nachweisen zu können. In bestimmten Zeitintervallen muss die Kammer dann immer wieder mit Spülgas gefüllt werden (!intermittierender Betrieb). Gase an Oberflächen Unter bestimmten Voraussetzungen binden sich Gase an einer Oberfläche. Diese Bindung wird durch physikalische Kräfte hervorgerufen, die zwischen den Gasmolekülen und den

52

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.45 Durchflussanordnung zum Strippen von gelösten Gasen oder verdampfbaren Flüssigkeiten

Atomen der Festkörperoberfläche wirken (Abb. 2.46). Dieser Vorgang wird als Adsorption bezeichnet und wird bei einer rein physikalischen Bindung durch die van der Waals Kräfte verursacht. Man spricht in diesem Fall dann auch von einer Physisorption. Die Bindungskräfte sind relativ gering und können durch eine thermische Aktivierung überwunden werden. Konkret bedeutet das, dass sich die Moleküle durch eine Temperaturerhöhung (höhere kinetische Energie) wieder von der Oberfläche entfernen. Dieser Vorgang wird als Desorption bezeichnet. Es entsteht demnach ein Gleichgewicht zwischen den Teilchenströmen, die von der Oberfläche adsorbiert (nP Ad ) und desorbiert (nP Des ) werden. nP Ad D nP Des

(2.65)

Nach Langmuir21 binden sich die Moleküle als eine monomolekulare Schicht an der Oberfläche ( D 1), wobei die Anzahl der Moleküle proportional mit dem Partialdruck Gasphase Grenzschicht d

Adsorbat

Desorpon

Adsorpon

Adsorpv Oberfläche A

Festkörper

Adsorbens

Abb. 2.46 Dynamisches Gleichgewicht zwischen Adsorption und Desorption an der Grenzfläche zwischen einem Festkörper und der Gasphase 21

Irving Langmuir (1881–1957) US-amerikanischer Chemiker und Physiker.

2.4 Transportvorgänge

53

p der Komponente in der Gasphase ansteigt. nP Ad D k1  .1  /  p

(2.66)

Die Größe k1 ist eine Geschwindigkeitskonstante, die sich aus der kinetischen Gastheorie ableiten lässt. Die Desorption hängt hingegen von dem Flächenanteil , der von den Gasmolekülen bedeckt wird, und einem hypothetischen Druck pAd in der sorbierten Phase ab.  nP Des D k2    pAd  exp

EAd RT

 (2.67)

EAd ist die Energie, die erforderlich ist, um die Moleküle aus der Gasphase an der Oberfläche zu binden (D Adsorptionsenergie). Setzt man nun beide Ausdrücke in Gl. 2.65 ein und definiert einen Faktor K:   EAd k1  exp (2.68) KD k2 RT so erhält man mit dem Bedeckungsgrad bzw. der Beladung  die Gleichung für die Langmuir’sche Sorptionsisotherme: K p (2.69) D 1CK p In der Abb. 2.47 sind diese Isothermen für unterschiedliche K-Faktoren dargestellt. Mit steigendem Partialdruck p nähern sich die Isothermen dem Wert 1, was mit einer kompletten Besetzung aller möglichen Plätze auf der Oberfläche gleichzusetzen ist. Tatsächlich können sich die Gasmoleküle auch in mehreren Schichten übereinander an der Oberfläche binden. Diese Tatsache wurde von mehreren Wissenschaftlern untersucht und wird durch die sogenannte Brunauer22 -Emmet23 -Teller24 -Gleichung oder kurz BETGleichung beschrieben: D

C  pr .1  pr /  Œ1 C .C  1/  pr 

(2.70)

Die Konstante C ist ein Maß für die Wechselwirkung zwischen Adsorbens und Adsorptiv (siehe Abb. 2.46). Für große C -Werte erfolgt die Adsorption der ersten Schicht sehr schnell (Monoschicht). Je nachdem welches Material als Oberfläche für die Wechselwirkung genommen wird, können dort unterschiedliche Gase gebunden werden. Weiterhin ist die Fläche A, die für diese Wechselwirkung zur Verfügung steht, ein Maß für die Gesamtmenge an Adsorbat, 22

Stephen Brunauer (1903–1986) ungarischer Chemiker. Paul Hugh Emmett (1900–1985) US-amerikanischer Physikochemiker. 24 Edward Teller (1908–2003) ungarischer Physiker. 23

54

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.47 Sorptionsisothermen nach Langmuir für unterschiedliche K-Faktoren gemäß Gl. 2.69

Abb. 2.48 Sorptionsisothermen nach Brunauer, Emmett und Teller für unterschiedliche C -Werte gemäß Gl. 2.70

das aufgenommen werden kann. In der Praxis versucht man daher, die Oberfläche der Materialien künstlich zu vergrößern, oder Materialien einzusetzen, die aufgrund ihrer Gitterstruktur bereits eine über eine große Oberfläche verfügen. Typische Materialien, die für diese Zwecke zum technischen Einsatz kommen, sind in Tab. 2.14 aufgelistet.

2.4 Transportvorgänge Tab. 2.14 Verschiedene Materialien, die für Adsorptionszwecke technisch genutzt werden, mit den entsprechenden Oberfläche-MasseVerhältnissen

55 Adsorbens Weitporige Aktivkohle Engporige Aktivkohle Silicagel  -Aluminiumoxid Molekularsiebe

Oberfläche/Masse in m2 =g 300–2500 750–850 300–350 200–500 500–1100

Aktivkohle eignet sich z. B. sehr gut, um Luftverschmutzungen aufzunehmen. Diese Eigenschaft wird z. B. großtechnisch in Lackierereien genutzt, um die Abluft aufzubereiten. Dazu werden große Behälter mit Aktivkohle gefüllt und zur Aufnahme der Schadstoffe mit der beladenen Luft durchströmt. Die gereinigte Luft tritt dann am Ausgang des Filters aus (Abb. 2.49). Mit zunehmender Beladung wird das Filterelement immer weniger Schadstoffe aufnehmen können, bis die Sättigung erreicht wird (Abb. 2.50). Nach diesem Sättigungsfall tritt der Durchbruch ein und die Schadstoffe treten nun ungefiltert aus. Diesen Zeitpunkt muss man durch den Einsatz entsprechender Gasmessgeräte erkennen, um frühzeitig auf ein anderes Filterelement umzuschalten. In der Zeit, in der das zweite Filterelement beladen wird, kann das erste Element regeneriert werden. Eine Besonderheit der Bindung an von Gasen an Oberflächen ist die sogenannte Chemisorption. Im Gegensatz zur bisher beschriebenen Physisorption, bei der ausschließlich physikalische Kräfte die Bindung der Gasmoleküle an die Oberfläche bewirkten, treten bei der Chemisorption weitere Effekte auf. Bei der Chemisorption finden an der Ober-

Abb. 2.49 Filterelement mit Aktivkohle zur Reinigung von Luft

56

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.50 Verlauf der Beladungszone zu verschiedenen Zeitpunkten. a Beginn der Beladung. b Die Adsorptionszone wandert durch den Aktivkohlefilter. c Der Filter bricht durch

fläche Reaktionen statt, die einen Elektronentransfer zwischen dem Adsorbens und dem Adsorbat bewirken. Der Elektronentransfer ist charakteristisch für chemische Reaktion. Die Adsorbate verändern daher ihre Stoffeigenschaften bzw. auch die Zusammensetzung und es werden Reaktionsprodukte in die Gasphase abgegeben. Die chemisorbierte Bindung bildet dabei eine Monoschicht auf der Oberfläche, und behindert damit die weitere Anlagerung von möglichen Gasmolekülen. Die wesentlichen Unterschiede dieser beiden Anlagerungsformen sind in Tab. 2.15 zusammengefasst. Löslichkeit von Gasen in Metallen Die Löslichkeit von Gasen in Metallen ist im Allgemeinen zwar sehr gering, aber mit entsprechenden Methoden doch nachweisbar. Die Aufnahme von Gasen spielt insbesondere in der Metallurgie eine große Rolle, um die Qualität von Werkstoffen beschreiben zu

Tab. 2.15 Unterschiede zwischen Physisorption und Chemisorption von Gasen an Oberflächen Parameter Adsorbens Adsorbat Temperatur Adsorptionswärme Belegung Reversibilität

Physisorption Alle Feststoffe Alle Gase Tiefe Temperaturen Klein Mehrfachbelegung Vollständig reversibel

Chemisorption Spezifische Feststoffe Chemisch aktive Gase Hohe Temperaturen Hoch Monoschicht Oft irreversibel

2.4 Transportvorgänge

57

Abb. 2.51 Verlauf der Adsorptionsisothermen für eine Physisorption und Chemisorption (Dörfler 2002)

können (Fromm, Gebhardt 1976). Der Lösungsvorgang kann sowohl beim Herstellungsprozess (z. B. Stahlschmelze) als auch im Betrieb (z. B. Turbinenschaufeln) erfolgen. Zunächst kommt das Gas mit der Festkörperoberfläche in Kontakt und wird dort adsorbiert. Nach dieser Adsorption hat das Gas nun die Möglichkeit, in den Festkörper zu diffundieren, um sich dann in der Kristallstruktur festzusetzen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Absorption. Die Absorption erfolgt bei höheren Temperaturen und hohen Drücken wesentlich besser, während die Adsorption bei höheren Temperaturen geringer wird. Es bildet sich hier also ein Gleichgewichtszustand aus, der im Detail sehr komplex ablaufen kann. Chemische Reaktionen, die sowohl an der Oberfläche als auch im inneren des Festkörpers ablaufen können, sind ebenfalls möglich. Die Menge mGas , die z. B. aus der Gasphase von einem Metall aufgenommen werden kann, lässt sich wie folgt berechnen: p (2.71) mGas D k  p Die Konstante k hängt dabei von den Reaktionspartnern ab und gilt nur für eine konstante Temperatur. Bei unterschiedlichen Temperaturen ändert sich die Aufnahme sehr stark und wird dann durch folgende Gleichung beschrieben (Kubaschewski 1938): 1 p (2.72) mGas D ˛  e T  p Die Aufnahme hängt auch von der Molekülgröße und der chemischen Aktivität ab. Wasserstoff hat z. B. als kleines Molekül, mit einer hohen chemischen Aktivität, gute Voraussetzungen, in die Metall Gitterstruktur eingebettet zu werden. Diese Art der Verbindung

58

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.52 Unterschiedliche Formen der Konvektion. Durch die temperaturbedingte Dichteänderung steigen die erwärmten Gase nach oben und führen somit zu einer natürlichen Strömung entgegen der Schwerkraft. Wird ein Ventilator zur Unterstützung dieser Strömung eingesetzt, spricht man von einer erzwungenen Konvektion

wird als Metallhydrid bezeichnet und hat große Bedeutung für die Speicherung von gasförmigem Wasserstoff. Je nach verwendetem Metall kann Wasserstoff bis zum 600-fachen des Metallvolumens aufgenommen werden. In Metallhydrid kann daher bei gleichem Volumen mehr Wasserstoff gespeichert werden als in flüssiger Form. Neben dieser Form der Wasserstoffaufnahme kommt es aber auch zu ungewollten Einlagerungen. Setzt man z. B. in einem technischen Prozess mechanische Bauteile einer hohen Wasserstoffkonzentration aus, so führt das zu einer Versprödung des Metalls. Dadurch werden seine Werkstoffeigenschaften nachhaltig verändert. Konvektion Als Konvektion bezeichnet man eine Kombination aus Wärmeübertragung und Massetransport. Dazu betrachten wir eine Heizplatte, die eine Wärmeleistung dQ=dt an die Umgebungsluft abgibt (Abb. 2.52). Das Gas nimmt diese Wärmemenge auf und ändert dadurch seine Temperatur von T1 nach T2 . Mit dieser Temperaturerhöhung ändert sich auch die Gasdichte. Mit steigender Temperatur (in K) verringert sich die Gasdichte gemäß: %2 D %1 

T1 T2

(2.73)

Das erwärmte Gas hat jetzt eine geringere Dichte und wird nun durch den Auftrieb, entgegen der Schwerkraft, nach oben strömen. Diese Strömung nennt man natürliche Konvektion oder auch freie Konvektion.

2.5 Gasgesetze

59

Die Berechnung der Wärmeübertragung lässt sich durch folgende Gleichung darstellen: dQ (2.74) D ˛K  .TH  T1 / dt Der Proportionalfaktor ˛K bezeichnet man als Wärmeübergangskoeffizient und hat die Einheit W=m2  K. Dieser Koeffizient ist von vielen Faktoren abhängig (insbesondere von der Orientierung der Heizplatte zur Richtung der Schwerkraft) und lässt sich nur empirisch ermitteln (Hahn 2007). Er liegt typischerweise in einem Bereich von 3,5 bis 35 W=m2  K. Diese Konvektion lässt sich durch eine von außen forcierte Strömung (z. B. Ventilator) vergrößern. In diesem Fall spricht man von einer erzwungenen Konvektion. Auch hier lässt sich der Wärmeübergangskoeffizient ˛K nur experimentell ermitteln. In Abhängigkeit von der äußeren Strömung kann dieser Wert zwischen 35–300 W=m2  K liegen. Da die äußeren Einflussfaktoren, bei der experimentellen Bestimmung von ˛K , sehr groß sind und das Ergebnis daher maßgeblich beeinflussen können, stößt diese Betrachtungsweise schnell an seine Grenzen. In den Jahren 1909–1915 entwickelte Nußelt25 eine Theorie, in der er die Ähnlichkeitstheorie von Reynolds auf diese Problematik anwandte. Mit diesem Ansatz konnte er ein besseres Ergebnis erzielten (Marek und Nitsche 2012). Die nach ihm benannte Nußelt-Zahl (Nu) setzt die charakteristische Länge L eines Körpers in Relation zur Dicke der thermischen Grenzschicht ı und gibt auch an, um welchen Faktor die Konvektion stärker ist als die reine Wärmeleitung in dem Gas (Luft). Nu WD

˛K  L Gas

(2.75)

Mit dieser Kennzahl lassen sich unterschiedliche, aber ähnliche Aufbauten vergleichen. Voraussetzung für diesen Vergleich sind gleiche Nußelt-Zahlen. Diese Betrachtung gilt sowohl für erzwungene als auch für die freie Konvektion.

2.5 Gasgesetze Die Abstände zwischen einzelnen Atomen bzw. Molekülen, die sich in der Gasphase befinden, sind unter Normalbedingungen x  3  109 m. Die Moleküldurchmesser liegen bei d  3  1010 m. Gasförmige Stoffe lassen sich also um den Faktor  1000 verdichten, bevor diese eine ähnliche Dichte wie Feststoffe oder Flüssigkeiten aufweisen. Gase lassen sich daher durch eine Druckerhöhung sehr stark komprimieren. Boyle26 erkannte bereits 1664 diesen Zusammenhang, in dem er das in Abb. 2.53 dargestellte Experiment durchführte. Er fand dabei heraus, dass sich das eingeschlossene Luftvolumen V durch den Druck p der Quecksilbersäule verringert und das Produkt aus der Höhe h der Quecksilbersäule 25 26

Ernst Kraft Wilhelm Nußelt (1882–1957) deutscher Ingenieur und Physiker. Sir Robert Boyle (1627–1691) britischer Physiker und Chemiker.

60

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.53 Experiment von Boyle zum Nachweis der Kompressibilität der Luft

und dem eingeschlossenem Volumen V konstant ist. Dazu füllte er nach und nach immer mehr Quecksilber auf der rechten Seite ein und stellte dann fest, dass sich das Volumen proportional zur Quecksilbermenge verringert. Mariotte27 führte ähnliche Versuche durch und 1676 wurde dann der heute als Boyle-Mariotte-Gesetz bekannte Zusammenhang für T D const: formuliert: V2 p1 D p2 V1

oder p  V D const:

(2.76)

Beispielrechnung

In einer Gasflasche befindet sich Stickstoff unter einem Druck von pFl D 129 bar. Das Volumen (Fassungsvermögen) der Gasflasche beträgt VFl D 10 L. Welche Gasmenge VU kann unter atmosphärischen Umgebungsbedingungen (pU D 985 hPa) aus der Gasflasche entnommen werden? VU pFl  VFl pFl D ! VU D pU VFl pU

(2.77)

Mit den entsprechenden Zahlenwerten erhält man dann: VU D

12;9 MPa  10 L D 1309;6 L 98;5 kPa

Da der Flascheninhalt 10 L beträgt, und in der Flasche dann diese Restmenge an Stickstoff verbleibt, ist die entnommene Gasmenge VU  1300 L. 27

Edme Mariotte (1620–1684) französischer Physiker.

2.5 Gasgesetze

61

Abb. 2.54 Druck- und Volumenverlauf einer isothermen Zustandsänderung mit Beispielrechnung

In Abb. 2.54 ist dieser Zusammengang anhand eines konkreten Beispiels graphisch dargestellt. Dieser Zusammenhang gilt allerdings nur, wenn die Temperatur T konstant ist. Boyle und Mariotte konnten diesen Temperatureinfluss nicht quantitativ bestimmen, da das Thermometer noch nicht erfunden war. Erst 126 Jahre später wurde durch Gay-Lussac28 dieser Zusammenhang experimentell untersucht und formuliert. Ändert man bei einem konstanten Druck p die Temperatur T des Gases, so ändert sich das Volumen V gemäß folgender Beziehung (1. Gesetz von Gay-Lussac): T1 V1 D V2 T2

oder

V D const: T

(2.78)

Gemäß diesem Zusammenhang reduziert sich das Volumen V also linear mit der Temperatur T und hätte bei 0 K (D 273;15 ı C) ein Volumen von Null. Wenn sich das äußere Gasvolumen V reduziert, müsste aber bei einer zunehmenden Volumenreduzierung als minimales Volumen das Eigenvolumen der Atome und Moleküle übrig bleiben. Hieran erkennt man, dass dieses Gesetz offensichtlich nur unter bestimmten, idealen Bedingungen funktioniert und in Extremfällen, wie tiefe Temperaturen und hohe Drücke, modifiziert werden muss (siehe Kapitel reale Gase). Der Schnittpunkt bei 273;15 ı C wird heute als absoluter Nullpunkt bezeichnet, bei dem sich alle Atome und Moleküle in Ruhe (keine Bewegungsenergie) befinden. Weiterhin dient dieser Punkt als Nullpunkt für die Tempe28

Joseph Louis Gay-Lussac (1778–1850) französischer Physiker und Chemiker.

62

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.55 Zusammenhang zwischen dem Volumen V und der Temperatur T für ein ideales Gas

raturskala in Kelvin (K nicht ı K). Die Temperaturangabe in K wird daher auch als absolute Temperatur bezeichnet. In Abb. 2.55 ist das 1. Gesetz von Gay-Lussac mit einer Temperaturachse in Kelvin dargestellt. Die Steigung dieser Kurve hat gemäß Gl. 2.78 den Wert: D

1 D 0;003661 K1 273;15 K

(2.79)

Die Konstante  ist der Volumenausdehnungskoeffizient für Gase und variiert je nach Gasart in geringem Umfang. In Tab. 2.16 sind die -Werte der wichtigsten Gase aufgeführt. Die Abweichung von dem -Wert nach Gl. 2.79 charakterisiert das nicht ideale Verhalten der jeweiligen Gase. Wird nun das Volumen konstant gehalten und der Druckanstieg bei einer Temperaturerhöhung gemessen, so kommt man zu einem ähnlichen Ergebnis. Dieser Zusammenhang wird als das 2. Gesetz von Gay-Lussac bezeichnet: T1 p1 D p2 T2

oder

p D const: T

(2.80)

Wie man in dem konkreten Beispiel in Abb. 2.56 erkennen kann, ist auch in diesem Fall die Steigung  D 0;003661=K wie beim 1. Gesetz von Gay-Lussac. Die Gasgesetze von Gay-Lussac und Boyle-Mariotte lassen sich zu einer umfassenden Zustandsgleichung für ideale Gase zusammenfassen. Dieser Zusammenhang besagt nun, dass bei einer vorgegebenen Masse (Menge) eines Gases, das Produkt aus Druck und Volumen dividiert durch die absolute Temperatur immer konstant ist. Die allgemeine

2.5 Gasgesetze

63

Tab. 2.16 Volumenausdehnungskoeffizient  gasförmiger Stoffe für T D 0 : : : 100 ıC bei p D 1013 hPa (Kuchling 2011) Gas Ammoniak Argon Chlor Chlorwasserstoff Ethan Ethin Helium Kohlendioxid Kohlenmonoxid Krypton

 Œ105  K1  377 368 383 372 375 373 366 373 367 369

Gas Luft Methan Neon Sauerstoff Schwefeldioxid Stickstoff Stickstoffmonoxid Wasserstoff Wasserdampf Xenon

 Œ105  K1  367 368 366 367 385 367 368 366 394 373

Abb. 2.56 Druckanstieg in einem geschlossenem Volumen V bei einer Temperaturerhöhung gemäß Gl. 2.80

Gasgleichung lautet daher: p1  V1 p2  V2 D T1 T2

oder

pV D const: T

(2.81)

In Abb. 2.57 ist dieser Zusammenhang graphisch dargestellt. Die Druckänderung p.V / erhöht sich mit steigender Temperatur T gemäß Gl. 2.81. In dieser Zustandsgleichung für ideale Gase sind die bisher beschriebenen Gasgesetze als Sonderfälle enthalten (Tab. 2.17). Man unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen:

64

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.57 Verlauf der Isothermen gemäß der allgemeinen Gasgleichung

 Zustandsänderungen bei konstantem Druck (D isobare)  Zustandsänderungen bei konstantem Volumen (D isochore)  Zustandsänderungen bei konstanter Temperatur (D isotherme). Die Zustandsgleichung lässt sich per Definition auch durch die Gasmenge m ausdrücken, da folgender Zusammenhang gilt: pV m T

(2.82)

Durch Einführung eines Proportionalfaktors Ri erhält man dann folgende Zustandsgleichung für ideale Gase: p  V D m  Ri  T

(2.83)

Der Proportionalfaktors Ri ist in diesem Fall die spezifische Gaskonstante, deren Zahlenwert von der Gasart abhängt. In Tab. 2.18 sind die unterschiedlichen Gaskonstanten der wichtigsten Gase zusammengestellt.

Tab. 2.17 Mögliche Zustandsänderungen idealer Gase Bezeichnung Bedingung Gleichung

Isobar p D const: V1 T1 V2 D T2

Gesetz

Gay-Lussac

Isochor V D const: p1 T1 p2 D T2

Isotherm T D const: p1 V2 p 2 D V1 Boyle-Mariotte

2.5 Gasgesetze

65

Tab. 2.18 Spezifische Gaskonstante für verschiedene Gase Gas Ammoniak Argon Butan Chlor Chlorwasserstoff Distickstoffmonoxid Ethan Ethen Ethin Helium Kohlendioxid Kohlenmonoxid Krypton Luft

Ri ŒJ  K1  kg1  481 208 137 115 226 188 273 294 316 2078 188 287 99 287

Gas Methan Methyloxid Neon Ozon Phosgen Propan Propen Sauerstoff Schwefeldioxid Schwefelwasserstoff Stickstoff Stickstoffmonoxid Wasserstoff Xenon

Ri ŒJ  K1  kg1  518 161 412 173 82 185 194 260 127 241 297 277 4127 63

Gasdichte Die Dichte % eines Gases ist sowohl vom Druck p als auch von der Temperatur T des Gases abhängig, da beide auf das Volumen V einwirken können. Als Bezugsgröße wurde daher der Begriff der Normdichte eingeführt. Die Normdichte gilt unter Normalbedingung, d. h. bei pN D 1013;25 hPa und TN D 273;15 K D 0 ı C (Tab. 2.19). Wichtig für technische Anwendungen ist natürlich die Umrechnung der Dichte unter realen Bedingungen auf die Normdichte und umgekehrt. Mit der Beziehung für die Gasdichte m !mD%V (2.84) %D V Tab. 2.19 Normdichte gasförmiger Stoffe Gas Ammoniak Argon Butan Chlor Chorwasserstoff Dimethylether Helium Kohlendioxid Kohlenmonoxid Krypton

%N Œkg  m3  0,7714 1,784 2,703 3,214 1,6422 2,1098 0,1785 1,9769 1,250 3,744

Gas Luft Methan Neon Propan Sauerstoff Stadtgas Stickstoff Wasserdampf (100 ı C) Wasserstoff Xenon

%N Œkg  m3  1,2923 0,7174 0,9002 2,0096 1,42895  0;6 1,2505 0,768 0,08989 5,897

66

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

erhält man für unterschiedliche Gasvolumina (V1 und V2 ) und gleicher Masse m folgenden Zusammenhang: V1 %2 D (2.85) m D %1  V1 D %2  V2 ! V2 %1 Die Zustandsgleichung für ideale Gase lässt sich mit dann auch folgendermaßen formulieren: p2  %1 p1  %2 D (2.86) T1 T2 Die Normdichte wird durch Umstellung von Gl. 2.86 und Einfügen der realen Werte (Tr , pr , %r ) berechnet:     1013;25 hPa Tr  %N D %r  (2.87) 273;15 K pr Gasgemische Sowohl die Gasdichte als auch die spezielle Gaskonstante sind gasspezifische Größen. In einem Gasgemisch wird daher ein gewichteter Mittelwert angegeben, der sich auf das Volumen bzw. die Masse bezieht. Für die mittlere Gasdichte %M erhalt man dann für nKomponenten: %M D

%1 V1 C %2 V2 C : : : C %n Vn V1 C V2 C : : : C Vn

(2.88)

Analog zu diesem Ausdruck lässt sich dann auch die mittlere, spezielle Gaskonstante RiM berechnen: RiM D

R1 m1 C R2 m2 C : : : Rn mn m1 C m2 C : : : mn

(2.89)

Auftrieb in Gasen Die Gesetzmäßigkeiten für den Auftrieb in Gasen sind die gleichen wie für den Auftrieb in Flüssigkeiten. Nach dem Archimedischen Prinzip erfährt jeder Körper eine nach oben gerichtete Auftriebskraft FA , die gleich der von ihn verdrängten Gewichtskraft der umgebenden Flüssigkeit oder Gas ist. Da die Dichte, und somit auch die Gewichtskraft von Flüssigkeiten (Wasser), viel größer sind als von Gasen (Luft), wird die Auftriebskraft in Luft zumeist vernachlässigt. Das Volumen29 eines durchschnittlichen, erwachsenen Menschen ist ca. 0,08 m3 . Der Auftrieb (FA ), den ein Mensch erfährt, lässt sich wie folgt berechnen: (2.90) FA D VGas  %Gas  g 1;2923 kg 9;81 m  FA D 0;08 m3  m3 s2 FA D 0;8 N Die mittlere Dichte eines Menschen ist %  1000 kg=m3 (ähnlich wie Wasser). Bei einem Körpergewicht von 80 kg entspricht das dann einem Volumen von ca. 0,08 m3 .

29

2.5 Gasgesetze

67

FA2

FA1

Volumen V Volumen V („Vakuum“) = 0,0 /

(Gasfüllung) 3

2

= 0,0899 = 0,1785

/ /

3 3

mg

= 1,2923

FG = mg

/

3

FG = mg

Abb. 2.58 Auftrieb eines Gasballons in der Atmosphäre

Dieser Auftrieb entspricht ca. 103 g an Körpermasse. Bezogen auf das aktuelle Beispiel (80 kg) wären das nur 0,13 % Gewichtsänderung durch den Auftrieb. Bei großen Volumina (z. B. Gasballon) kann diese Auftriebskraft stark ansteigen. Um die Tragfähigkeit eines Gasballons mit dem Volumen VBallon berechnen zu können, benötigt man neben der Auftriebskraft FA auch Angaben über die Last und das Gewicht der Hülle C Korb. Die Gleichung für die resultierende Aufstiegskraft F ergibt sich dann wie folgt: (2.91) F D .%Luft  VBallon  %Gas  VBallon  mLast /  g Beispiel

Nehmen wir an, dass die Ballonhülle incl. Korb 100 kg wiegt. Als Füllgas soll wahlweise Vakuum .%Vakuum D 0/, Wasserstoff .%H2 D 0;09 kg=m3 /, Helium .%Luft D 0;18 kg=m3 / und Heißluft von 100 ı C .%Luft100 ı C D 0;9 kg=m3 /. Der Gasballon soll einen Durchmesser von 7 m haben. Daraus ergibt sich ein Volumen von: VBallon D

1    .7 m/3 D 179;5 m3 6

68

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Setzt man diesen Wert in Gl. 2.91 ein, so erhält man folgende Werte für die Aufstiegskraft F : F .Vakuum/ D 1295 N F .Wasserstoff/ D 1136 N F .Helium/ D 977;6 N F .Heißluft 100 ı C/ D 290 N Eine Füllung mit Vakuum scheitert aus praktischen Gründen, da die Hülle in sich zusammen fallen würde. Eine Wasserstofffüllung kommt sehr nahe an das Vakuum heran. Mit Helium kommt man nur noch auf 86 % der Aufstiegskraft. Ein Heißluftballon dieser Größe würde erst gar nicht abheben. Er müsste viel größer werden. Auch in Erdgas-Rohrleitungen, die zur Energieversorgung dienen, kommt es zu einem Auftrieb, wenn die Rohre nicht waagerecht verlegt sind. Dieser Auftrieb führt zu einem Druckunterschied pA der von der Differenz der Dichten und der Höhen abhängt: pA D .%Luft  %Gas /  .h1  h2 /  g

(2.92)

Beispiel (Cerbe 2008 S. 137)

Der senkrechte Teil einer Versorgungsleitung für Erdgas beginnt bei 1,2 m und endet 20,6 m über der Kellersohle. Um den Druckunterschied durch den Auftrieb zu berechnen werden die Dichten benötigt: kg kg %Gas D 0;783 2 und %Luft D 1;2929 3 m m   m kg kg pA D 1;2929 3  0;783 2  .1;2 m  20;6 m/  9;81 2 m m s kg pA D 97;04 D 97;04 Pa D 0;9704 mbar m  s2

(2.93) (2.94)

Molare Größen Bisher haben wir die Gasmenge entweder als Masse m oder als Volumen V betrachtet. Hinter der makroskopischen Masse m verbirgt sich aber die Masse der einzelnen Atome bzw. Moleküle multipliziert mit der Anzahl N der Teilchen, die sich in einem bestimmten Volumen V befinden. Unter Normalbedingungen (1013,25 hPa und 273,15 K) enthält jedes Gas die gleiche Anzahl n0 an Molekülen. In einem m3 sind es: n0 D 2;68678  1025 m3

(2.95)

Dieser Zahlenwert wird als Loschmidt30 -Konstante bezeichnet. Im internationalen Einheitensystem (SI) wird die Einheit Mol (mol) für die Stoffmenge n definiert und gibt die 30

Josef Loschmidt (1821–1895) österreichischer Physiker und Chemiker.

2.5 Gasgesetze

69

Anzahl der Teilchen an, die in 12 g des Kohlenstoffisotopes C-12 enthalten sind. Diese Zahl wird als Avogadro-Konstante bezeichnet und beträgt: N D NA D 6;02214  1023 mol1 n

(2.96)

Für bestimmte Anwendungen ist es durchaus hilfreich, das Volumen V oder auch die Masse m auf die Stoffmenge n zu beziehen. Dadurch erhält man folgende Größen: m n V molares Volumen Vm D n molare Masse M D

(2.97) (2.98)

Die molare Masse M wird in kg=mol bzw. g=mol angegeben und ihr Zahlenwert ist mit der relativen Atommasse bzw. Molekülmasse identisch. Weiterhin gilt für das molare Volumen Vm unter Normalbedingungen folgender Zusammenhang: molares Normvolumen Vmn D 22;414

l m3 D 22;414 mol kmol

(2.99)

Für bestimmte Einsatzbereiche (z. B. physikalische Chemie und Analysentechnik) wird die Zustandsgleichung nicht mit der Masse m, sondern mit der Stoffmenge n berechnet. Mit der Gl. 2.83 lässt sich die Masse dann durch m D M  n ausdrücken und die Zustandsgleichung hat dann folgende Form: p  V D n  M  Ri  T

(2.100)

Das Produkt M  Ri wird als universelle Gaskonstante R bezeichnet und ist stoffunabhängig. Mit dieser universellen Gaskonstante R ändert sich die Zustandsgleichung wie folgt: pV DnRT

(2.101)

Die universelle Gaskonstante R lässt sich wie folgt berechnen, wenn man die Gl. 2.83 auf die Stoffmenge 1 mol unter Normalbedingungen bezieht: R D M  Ri D

pn  V pn  Vmn 101:325 Pa  22;414  103 m3 J D D D 8;3145 Tn Tn 273;15 K  mol mol  K (2.102)

Konzentrationsangaben Die molare Größe gibt uns einen Aufschluss darüber, wie viele Teilchen sich in einem bestimmten Volumen befinden. Unter Normalbedingungen sind das etwa 6  1023 Teilchen

70

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.59 Maßeinheiten in der Gasmesstechnik

in 22,4 L Gasvolumen. In Gasgemischen befinden sich unterschiedliche Komponenten, deren Anteil oder Gehalt eine wichtige messtechnische Größe darstellt. In der Gasmesstechnik ist neben dem gesuchten Stoff (Messgröße) daher auch noch die Konzentration c wichtig. Man unterscheidet daher die Angaben in Abb. 2.59. Für die quantitative Angabe haben sich verschiedene Einheiten herausgebildet, die sich je nach Anwendung deutlich unterscheiden. Einige Beispiele sind in Tab. 2.20 aufgelistet. Daraus folgt: 1 Vol.-% D 10:000 ppm 0,1 Vol.-% D 1000 ppm 0,01 Vol.-% D 100 ppm 0,001 Vol.-% D 10 ppm 0,0001 Vol.-% D 1 ppm

D 10:000:000 ppb D 1:000:000 ppb D 100:000 ppb D 10:000 ppb D 1000 ppb

Umrechnung zwischen Volumen und Gewichtsangaben Diese Umrechnung ist sehr wichtig, da die anzeigenden Messgeräte in der Regel auf Volumenangaben (Vol.-% oder Vol.-ppm D vpm31 ) kalibriert werden und in verschiedenen Bereichen (z. B. Kraftwerk) Gewichtsangaben benötigt werden. Geht man davon aus, dass ein Mol eines Gases unter Normalbedingungen (273 K und 1013 hPa) ein (Mol)-Volumen von 22,4 L einnimmt, so kann man darüber auf die VoluTab. 2.20 Gängige Konzentrationsangabe in der Analysentechnik (Wiegleb 2010) Anteil 102 103 106 109 1012

31

Volumenangabe Prozent [%] Promille [] Parts per million [ppm] Parts per billion [ppb] Parts per trillion [ppt]

Beispiel Alkohol im Bier Alkohol im Blut Emissions-Konzentrationen Immissions-Konzentrationen Spurenanalytik und Nachweisempfindlichkeiten von Tieren (Insekten)

Die Angaben ppm und vpm sind in der Gasanalyse identisch.

Gewichtsangaben g=L, g=m3 mg=L, mg=m3 g=L, g=m3 ng=L, ng=m3 pg=L, pg=m3

2.5 Gasgesetze

71

menkonzentration schließen. In Anwendungen32 , bei denen ausschließlich in der Umgebungsluft bei 20 ı C gemessen wird, ändert sich das Molvolumen entsprechend auf 24,1 L. 22;4 L Š molare Masse Œg 1 L Š molare Masse Œg=22;4 L Befindet sich dieses Volumen (1 L) in einem Kubikmeter Luft so entspricht dies einer Volumenkonzentration von 1000 ppm. 1000 ppm Š molare Masse Œg=22;4 L pro m3 oder 1 ppm Š molare Masse Œmg=22;4 L daraus lassen sich die folgenden Umrechnungsformeln ableiten: Umrechnung von mg=m3 in ppm cŒppm D

Molvolumen  cŒmg=m3  molare Masse

(2.103)

molare Masse  cŒppm Molvolumen

(2.104)

Umrechnung von ppm in mg=m3 cŒmg=m3  D

Unter Realbedingungen muss die allgemeine Gasgleichung eingesetzt werden, um das Molvolumen zu bestimmen. p0  22;4 L pr Vr D Tr 273 K

(2.105)

mit pr D realer Druck, Vr D Volumen, Tr D absolute Temperatur. Wichtige relative Atommassen: Stickstoff (N) D 14, Schwefel (S) D 32, Sauerstoff (O) D 16, Kohlenstoff (C) D 12, Wasserstoff (H) D 1 Beispiel

In einem Rauchgas befinden sich 135 ppm SO2 und 169 mg/m3 NO2 . Es sollen die Konzentrationen in mg/m3 und ppm unter Normalbedingungen und unter Realbedingungen berechnet werden, wenn die Abgastemperatur 66 ı C bei einem Druck von 1179 hPa beträgt. 32

Z. B. bei der MAK-Wert Bestimmung.

72

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

1. Umrechnung in mg/m3 : Die molare Masse von SO2 beträgt: 32 g/mol (S) C 2  16 g=mol (O) D 64 g/mol Dieser Wert wird nun in Gl. 2.104 eingesetzt und man erhält: 64 g=mol  135  106 D 385;7 mg=m3 22;4 L=mol

cŒmg=m3  D

2. Umrechnung in ppm: Die molare Masse von NO2 beträgt: 14 g/mol (N) C 2  16 g=mol (O) D 46 g/mol Dieser Wert wird nun in Gl. 2.103 eingesetzt und man erhält: cŒppm D

22;4 L=mol  169  106 D 82;3 ppm 46 g=mol

3. Unter Normalbedingungen ändert sich das Molvolumen wie folgt: Vr D

1013 hPa  22;4 L  339 K D 23;9 L 1179 hPa  273 K

Die SO2 Konzentration in mg/m3 ändert sich daher wie folgt: cŒmg=m3  D

64 g=mol  135  106 D 361;5 mg=m3 23;9 L=mol

Für die NO2 Konzentration gilt dann: cŒmg=m3  D

22;4  169 D 158;4 mg=m3 23;9

Die Konzentrationen in ppm ändern sich unter Normalbedingungen nicht. In der Erdgasindustrie sind Umrechnungen von Konzentrationsangaben für Gasgemische von großer Bedeutung, da sich die Druckbereiche von 1 bar bis 1000 bar bewegen können. Das Realgasverhalten muss daher für diese Anwendungen berücksichtigt werden. In der DIN 1492 sind diese Zusammenhänge ausführlich beschrieben worden. Wärmekapazität Der Zustand eines gasförmigen Stoffes lässt sich durch den Druck p, das Volumen V und die Temperatur T eindeutig festlegen. Mit der Zustandsgleichung für ideale Gase (Gl. 2.81) wird dieser Zusammenhang formal beschrieben. Von besonderem Interesse sind vor allem die Vorgänge, die mit einem Energieaustausch verbunden sind. Prinzipiell gilt, dass bei allen Vorgängen niemals mehr Energie entstehen kann als zugeführt wird33 . 33

Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile (1. Art).

2.5 Gasgesetze

73

Tab. 2.21 Spezifische Wärmekapazitäten von Gasen bei 20 ı C Gas Ammoniak Argon Bromwasserstoff Chlor Chorethan Chlormethan Chlorwasserstoff Ethan Ethen Ethin Generatorgas Helium Jodwasserstoff Kohlendioxid

cp 2,160 0,523 0,360 0,745 1,151 0,762 0,803 1,729 1,549 1,683 1,05 5,23 0,226 0,837

cV 1,655 0,317 0,254 0,552 0,967 0,593 0,578 1,455 1,249 1,368 0,75 3,21 0,161 0,647

1,305 1,648 1,42 1,35 1,19 1,285 1,39 1,188 1,24 1,23 1,40 1,63 1,40 1,293

Gas Kohlenmonoxid Luft Methan Neon Ozon Propan Sauerstoff Schwefeldioxid Schwefelwasserstoff Stickstoff Stickstoffmonoxid Stickstoffdioxid Wasserstoff Xenon

cp 1,042 1,005 2,219 1,030 0,795 1,595 0,917 0,640 1,047 1,038 0,883 0,996 14,32 0,159

cV 0,744 0,717 1,696 0,628 0,568 1,412 0,656 0,504 0,799 0,741 0,690 0,717 10,17 0,095

1,40 1,402 1,308 1,64 1,40 1,13 1,398 1,27 1,31 1,401 1,28 1,39 1,41 1,67

Die gesamte Energie (inneren Energie U ) in einem Gas (System) setzt sich aus der zugeführten Wärmeenergie Q und der am System verrichteten Arbeit W zusammen: U DQCW

(2.106)

Diese innere Energie lässt sich auch als die Summe der kinetischen Energie Ekin über alle im System befindlichen Moleküle (N ) beschreiben: U DN

i 3 v2 D  N  k  T 2 2

hm

M

(2.107)

Für praktische Anwendungen lässt sich diese Gleichung allerdings nicht einsetzen, so dass man besser auf folgende praktikable Form wechselt: U D cV  m  T

(2.108)

Der Faktor cV ist die spezifische Wärmekapazität des Gases bei einem konstanten Volumen (Tab. 2.21). Wird dem System eine bestimmte Wärmemenge Q zugeführt, so ändern sich nur der Druck und die Temperatur, wenn das System sein Volumen nicht ändern kann (Abb. 2.60). Für die zugeführte Wärmemenge gilt dann: Q D cV  m  T

(2.109)

Wenn von außen Wärmeenergie zugeführt wird und der Druck p konstant bleiben soll, muss sich das Volumen V ändern. Die von einem solchen System übertragene Arbeit W

74

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.60 Geschlossenes System, mit Zuführung von Wärmeenergie Q

lässt sich anschaulich durch eine Expansion des Gasvolumens in einem Zylinder erklären (Abb. 2.61). Der Druck p im Kolben drückt auf den Zylinder, der durch die Expansion einen Weg s zurücklegt. Für die verrichtete Arbeit gilt W D F  s mit F D p  A. Durch Einsetzen des komprimierten Volumens V D A  s erhält man dann den Ausdruck für die verrichtete Arbeit34 : W D p  V

(2.110)

Für die Wärmemenge gilt nun mit (Gl. 2.106): Q D U  W D Q D cp  m  T D cV  m  T C p  V

(2.111)

cp ist in diesem Fall die spezifische Wärmekapazität für konstante Druckverhältnisse. Mit p  V D m  Ri  T erhalten wir dann: cp  m  T D cV  m  T C m  Ri  T

(2.112)

Dividiert man diese Gleichung nun durch m  T ergibt sich cp D cV C Ri

oder cp  cV D Ri

(2.113)

Die Einheit der spezifischen Wärmekapazität ist kJkg1 K1 . Den Quotienten aus beiden spezifischen Wärmekapazitäten bezeichnet man auch als Adiabatenkoeffizienten ~. Er ist dimensionslos. cp (2.114) ~D cV Abb. 2.61 Expansion eines Gasvolumens in einem Zylinder

34 Nach Konvention gibt das Gas (System) bei Expansion (V > 0) Arbeit ab, diese wird negativ gezählt, daher muss W negativ gezählt werden.

2.5 Gasgesetze

75

Reale Gase Unter extremen Bedingungen, wie hohe Drücke und tiefe Temperaturen, findet die Zustandsgleichung für ideale Gase ihre Grenzen, da das Molekülvolumen und die zwischenmolekularen Kräfte nicht mehr vernachlässigt werden können. Van der Waals35 erweiterte daher diese Zustandsgleichung 1873 mit entsprechenden Koeffizienten (a und b), um das Realgasverhalten besser beschreiben zu können. Die daraus entwickelte Gleichung wird als van der Waals Gleichung bezeichnet und hat folgenden Ausdruck: 

pC

a   .V  b/ D R  T V2

(2.115)

Der Koeffizient a charakterisiert die Anziehungskräfte (Kohäsion) zwischen den Molekülen, wenn diese sich infolge eines steigenden Drucks (hohe Dichte) immer weiter annähern. Dadurch entsteht, zusätzlich zu dem Druck p, ein weiterer Druckanteil a=V 2 der im Gasinneren wirkt. Man bezeichnet diesen Anteil daher auch als inneren Druck oder Binnendruck. Die Konstante b beschreibt das sogenannte Kovolumen der Moleküle. Damit ist das minimale Volumen der Moleküle gemeint, das diese einnehmen können. Es beträgt das Vierfache des Eigenvolumens der Moleküle (Richter 2010). In Abb. 2.62 ist das Verhalten von Kohlendioxid als ideales Gas und als reales Gas dargestellt. Die van der Waals Gleichung wurde dazu nach p umgestellt, so dass der Druck

Abb. 2.62 Verlauf der Isotherme nach der van der Waals Gleichung Gl. 2.116. Der gestrichelte Verlauf zeigt das ideale Gas. In dieser Darstellung (Skalierung) sind kaum Unterschiede zwischen beiden Verläufen zu erkennen 35

Johannes Diderik van der Waals (1837–1923) niederländischer Physiker.

76

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.63 Verlauf der Isothermen bei einem Druck von p < 12 bar. Die Differenz p, zwischen beiden Kurven steigt mit dem Druck an und führt dann zu erheblichen Abweichungen

p als Funktion von dem Volumen V in einem pV -Diagramm dargestellt werden kann. p1 .V / D

RT a  V b V2

(2.116)

Mit a D 0 und b D 0 erhält man dann den Ausdruck für das ideale Verhalten: p2 .V / D

RT V

(2.117)

Unterhalb von 1 MPa (10 bar) gibt es nur geringe Unterschiede zwischen beiden Kurven. Erst oberhalb von 10 MPa lassen sich größere Differenzen erkennen, die dann das Realgasverhalten beschreiben. Insbesondere der Druckbereich oberhalb von 20 bar ist für die Erklärung des Realgasverhaltens von besonderem Interesse. In Abb. 2.64 ist das Realgasverhalten von Kohlendioxid bei drei verschiedenen Temperaturen dargestellt. Wird das Gas bei einer Temperatur von T < TK komprimiert, so steigt der Druck bis zu einem bestimmten Punkt (B). Ab diesem Punkt beginnt der Kondensationsvorgang und das Gas wird verflüssigt. Bei einer Temperatur von 0 ı C und einem Druck von 47 bar startet die Verflüssigung von Kohlendioxid. Der Druck bleibt dabei solange konstant bis der Vorgang der Verflüssigung im Punkt A vollständig abgeschlossen. Der Übergang von B nach A wird auch als Maxwell-Gerade bezeichnet. Da Kohlendioxid ab dem Punkt A nur noch in flüssiger Form vorliegt, steigt der Druck p bei einer weiteren Komprimierung extrem an, da Flüssigkeiten nahezu inkompressibel sind. Bei höheren Temperaturen rücken die Punkte A und B immer näher

2.5 Gasgesetze

77

Abb. 2.64 Verlauf der Isothermen bei der kritischen Temperatur sowie darüber und darunter

zusammen, bis diese dann bei der kritischen Temperatur in einem Punkt verschmelzen (entarten). Der hier vorliegende Druck wird als kritischer Druck pK und das Volumen als kritisches Volumen VK bezeichnet. Mathematisch liegt der kritische Punkt auf der Wendetangente der van der Waals Gleichung bei T D Tk . Für die ersten beiden Ableitungen gilt daher:  2    ı p ıp D 0 und D0 (2.118) ıV TK ıV 2 TK Daraus folgt dann: a D 3  pK  VK

und b D

VK 3

(2.119)

Oberhalb der Temperatur TK ist eine Verflüssigung der Gase nicht mehr möglich, unabhängig davon wie hoch der Druck ist. Die van der Waals Koeffizienten (Tab. 2.22) werden experimentell aus den Daten des kritischen Punktes ermittelt. Dazu nutzt man die in Gl. 2.119 aufgestellten Ausdrücke für a und b. Die Werte für den kritischen Druck pK und das kritische Volumen VK ermittelt man experimentell mit einer entsprechenden Anordnung. In Abb. 2.65 ist eine Apparatur dargestellt, mit der diese Experimente durchgeführt werden (Richter 2010). Virialgleichung In technischen Anwendungsbereichen nutzt man häufig eine andere Art der Korrektur. Die Zustandsgleichung für ideale Gase wird in diesem Fall mit einem Realgasfaktor Z

78

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Tab. 2.22 Van der Waals Koeffizienten einiger Gase (Jessel 2001) Konstante a (innerer Druck) N  m4 /mol2 100 kPa  L2 =mol2 Wasserstoff 0,019 0,19 Stickstoff 0,132 1,32 Sauerstoff 0,137 1,37 Methan 0,229 2,29 Kohlendioxid 0,365 3,65 Ammoniak 0,423 4,23 Wasserdampf 0,554 5,54 Chlor 0,659 6,59 Schwefeldioxid 0,682 6,83 Gas

Konstante b (Molekülvolumen) m3 =mol L=mol 6 23  10 0,023 40  106 0,040 30  106 0,030 43  106 0,043 43  106 0,043 37  106 0,037 6 30  10 0,030 56  106 0,056 56  106 0,056

Abb. 2.65 Experimenteller Aufbau zur Bestimmung der van der Waals Konstanten a und b

modifiziert. p  Vr D Z  Ri  T p  Vmr D Z  R  T

für 1 kg

(2.120)

für 1 kmol

(2.121)

Der Index r steht für real und der Index m für molar. Der Realgasfaktor ist natürlich für ideale Gase D 1. Für reale Gase wird er durch sogenannte Virialkoeffizienten beschrieben: Z D1C

D.T / C.T / B.T / C C::: C V V2 V3

(2.122)

2.5 Gasgesetze

79

Der Realgasfaktor Z ist von den physikalischen Zuständen abhängig, so dass ein Bezug auf den Normzustand sinnvoll ist: pn  Vnr D Zn  Ri  Tn pn  Vmnr D Zn  R  Tn

für 1 kg

(2.123)

für 1 kmol

(2.124)

Das Verhältnis zwischen dem Realgasfaktor Z für einen beliebigen Zustand und dem für den Normzustand bezeichnet man als Kompressibilitätszahl K. KD

p  Vr  Tn p  %nr  Tn Z D D Zn pn  Vnr  T pn  %r  T

(2.125)

Für Gasdichte unter realen Bedingungen gilt dann:  %r D %nr 

p  Tn pn  T

 

1 K

(2.126)

Bei Gasgemischen lässt sich das Realgasverhalten nur durch eine aufwendige Analyse der einzelnen Gasbestandteile beschreiben. Für Erdgas gibt es eine genormte Methode (AGA8-Verfahren), die in der DIN ISO 12212 (2005) detailliert beschrieben wird. Näherungsweise gilt für Erdgas bei 12 ı C und 70 bar folgender Wert (Cerbe 2008): K 1

pabs 450 bar

(2.127)

K 1C

pabs 6200 bar

(2.128)

Und für Kokereigas36 :

In Abb. 2.66 ist die Abhängigkeit der Kompressibilitätszahl K vom Druck p bei verschiedenen Temperaturen T dargestellt. Mit steigendem Druck p nimmt K ab und verhält sich gemäß Gl. 2.127. In extrem hohen Druckbereichen, oberhalb von 150 bar, steigt die Kompressibilitätszahl K dann allerdings wieder an (Schley 2011). Joule Thomson Effekt Wenn man ein Gas, das unter einem hohen Druck p1 steht, durch eine Düse auf den Druck p2 entspannt, so kann man eine Temperaturänderung T feststellen. Joule37 und Thomson38 führten dazu einen Versuch durch, der in Abb. 2.67 dargestellt ist. Das komprimierte Gas mit dem Druck p1 , dem Volumen V1 und der Temperatur T1 strömt durch die Düse in 36

Z. B.: 55 Vol.% H2 , 5 Vol.-% CO, 25 Vol.-% CH4 , 2 Vol.-% Cn Hm , 2 Vol.-% CO2 , 10 Vol.-% N2 , 1 Vol.-% O2 . 37 James Prescott Joule (1818–1889) britischer Physiker. 38 William Thomson (später Lord Kelvin) (1824–1907) britischer Physiker.

80

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.66 Kompressibilitätszahl K für die Erdgassorte H (H-Gas: > 90 Vol.-% Methan) und L (L-Gas:  82 Vol.-% Methan, hoher N2 -Anteil (> 10 Vol.-%)) berechnet nach dem GERG 88Rechenverfahren (Kunz 2007)

die zweite Kammer, in der sich das Gas entspannt. Für das Volumen gilt V2 > V1 und für den Druck p1 > p2 . Für ideale Gase gilt folgende Beziehung: V1  p1 D V2  p2 D const:

Abb. 2.67 Versuch zum Nachweis des Joule-Thomson-Effektes

(2.129)

2.5 Gasgesetze

81

Für die Temperatur T ist: T1 D T2

bzw. T D 0

(2.130)

Reale Gase verhalten sich anders und so kommt es bei vielen Gasen zu einer messbaren Temperaturdifferenz T nach dem Ausgleichsvorgang. Dieses Verhalten wird als JouleThomson-Effekt bezeichnet und lässt sich durch die van der Waals Gleichung erklären (Meschede 2010). Die Temperaturänderung T ist dabei proportional zu der Druckdifferent p D p2  p1 und abhängig von einer stoffspezifischen Konstanten (Joule-Thomson-Koeffizient). D

T p

(2.131)

Die Zahlenwerte für hängen von der Gasart, der Temperatur T1 und dem Druck p1 ab. Unter Normbedingungen liegen die Literaturwerte bei: Sauerstoff, Stickstoff Kohlendioxid Wasserstoff

 C2;5 K=MPa  C7;5 K=MPa  33;3 K=MPa

Eine Abkühlung tritt nur dann auf wenn > 0 ist. Beim Wasserstoff können wir unter diesen Bedingungen eine deutliche Erwärmung feststellen, die bei einer unkontrollierten Entspannung dieses Gases zu einer Entzündung bzw. Explosion führen kann. Weiterhin tritt nur dann eine Abkühlung ein, wenn die Anfangstemperatur T1 kleiner ist als die Inversionstemperatur Ti . Ist diese Bedingung nicht erfüllt, führt die Entspannung zu einer Erwärmung. Die Inversionstemperatur Ti lässt sich aus den Parametern a und b der van der Waal’schen Zustandsgleichung berechnen: Ti 

2a 27 D  TK Rb 4

bzw. Ti  6;75  TK

(2.132)

TK ist die kritische Temperatur des jeweiligen Gases und liegt für Sauerstoff bei 126,2 K. Die Inversionstemperatur ist dann ca. 600 ı C. Eine praktische Anwendung in der Gasmesstechnik ist die Expansion über einem Druckminderer. Der Flaschendruck kann bis zu 200 bar betragen. Wird nun über einen Druckminderer ein Volumenstrom dV =dt an die Umgebung (Atmosphärendruck D p2 ) abgegeben, so kommt es in der Armatur zu einer Temperaturerniedrigung von T . Strömt dieses Volumen permanent nach, so wird sich der Druckminderer immer weiter abkühlen, bis es schließlich, aufgrund der Luftfeuchte, zu einer Vereisung kommt. Bei kleinen Volumenströmen VPn wird die Wärmeleistung dQ=dt von der Umgebung übertragen, ohne das es zu einer Vereisung kommt. Bei hohen Volumenströmen reicht das dann nicht mehr aus und das Gas muss zusätzlich vorgewärmt werden.

82

2

Abb. 2.68 Entnahme von Gasen aus Druckgasflaschen mit der erforderlichen Vorwärmung zur Vermeidung von Vereisung an den Ventilen und am Druckminderer

Physikalische Eigenschaften von Gasen

P = U·I Gasvorwärmer

 →

T2, p2, V2

Druckgasflasche 100bar

T1 p1

Expansion Δp

Die erforderliche Gas-Vorwärmung ergibt sich aus folgender Gleichung (Cerbe 2008): QP E D VPn  %n  cp  Œ.p1  p2 /  C .T2  T1 /

(2.133)

Beispiel

Aus einer CO2 -Gasflasche (p1 D 100 bar) sollen 10 L Gas/Minute an einen Umgebungsdruck von p2 D 1 bar abgegeben werden. Die Gasflasche hat eine Temperatur von T1 D 5 ı C und soll auf eine Temperatur T2 (Raumtemperatur 20 ı C) angepasst werden. Welche Heizleistung ist dafür erforderlich? Mit Gl. 2.133 ergibt sich:   m3 kJ kg K QP E D 1;67  104  1;976 3  0;837  .9;9 MPa/  7;5 C 15 K s m kg  K MPa (2.134) J QP E D 24;65  25 W s Bei großen Anlagen zur Übertragung von Erdgas werden z. B. 100.000 m3 =h von 60 bar auf 5 bar reduziert. Die erforderliche Vorwärmeleistung liegt dann schon im Bereich von 1,715 MW.

Linde-Verfahren zur Luftverflüssigung Basierend auf dem Joule-Thomson-Effekt gelang es Linde39 1895 eine Kältemaschine zu entwickeln mit der er in der Lage war sehr tiefe Temperaturen zu erzeugen. Diese Maschine erzeugte in einer mehrstufigen Verdichtung einen Druck von 200 bar. An einem Entspannungsventil wurde die Luft dann auf einen Druck von 20 bar entspannt. Der JouleThomson-Koeffizient ist für die Hauptbestandteile der Luft (O2 C N2 )  C2;5 K=MPa. 39

Carl Paul Gottfried Linde, seit 1897 Ritter von Linde (1842–1934) war ein deutscher Ingenieur, Erfinder und Gründer der Linde AG.

2.6 Verbrennungsprozesse in Gasen

83

Abb. 2.69 Apparatur zur Verflüssigung der Luft nach Linde

Die Druckdifferenz p von 180 bar führt demnach zu einer Temperaturdifferenz T D 45 K. Diese Temperaturdifferenz reichte aber noch nicht für eine Verflüssigung der Luft aus. Mit einer einfachen aber genialen Idee löste Linde das Problem, indem er das abgekühlte Gas zur Kühlung des komprimierten Gases nutzte (Abb. 2.69). Dadurch hatte das expandierende Gas bereits eine tiefere Temperatur, sodass es immer weiter abkühlte. Linde nutzte dazu einen Gegenstromkühler und pumpte die Luft solange im Kreis, bis es bei einer Temperatur von ca. 191 ı C zur Verflüssigung kam. Die Hauptbestandteile der flüssigen Luft sind Stickstoff, Sauerstoff und Argon. Diese drei Komponenten werden durch eine Gegenstromdestillation in einer Rektifikationssäule durchgeführt (Veranneman 2000). Da die Siedepunkte der Gase (Sauerstoff 183 ı C, Argon 186 ı C, Stickstoff 196 ı C) sehr nahe beieinander liegen, muss diese Destillation mehrstufig erfolgen.

2.6 Verbrennungsprozesse in Gasen Als Verbrennung bezeichnet man eine chemische Reaktion (Oxidation), bei der ein Brennstoff (Gas, Flüssigkeit oder Feststoff) mit Sauerstoff in einer Flamme reagiert und dabei Wärmeenergie (Q) freisetzt. Diese Energie wird auch als chemisch, gebundene Energie bezeichnet.

84

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Heizwert Die freigesetzte Wärmemenge Q hängt dabei von der Masse m des Brennstoffes und dem spezifischen Heizwert Hi ab. Q D m  Hi

(2.135)

Um diesen Verbrennungsvorgang möglichst optimal zu gestalten, ist es erforderlich, den Brennstoff und die Verbrennungsluft homogen zu mischen. Weiterhin müssen die Massenverhältnisse zwischen beiden Stoffen dem stöchiometrischen40 Verhältnis aus der chemischen Reaktion entsprechen. Beispiel

Wenn z. B. Steinkohle (angenommen als 100 % Kohlenstoff C) mit Sauerstoff verbrennt, haben wir folgende chemische Reaktionsgleichung: C C O2 ! CO2 C Energie .Q/

(2.136)

Mit den relativen Atommassen erhalten wird dann: 12 g (C) C 32 g (O2 ) D 44 g (CO2 ) Aus 12 g Brennstoff (Steinkohle) entstehen demnach bei einer optimalen Verbrennung 44 g CO2 . Da Steinkohle ein Feststoff ist, lässt sich eine gute Durchmischung nur sehr schwer erzielen, und es kommt zwangsläufig zu einer unvollständigen Verbrennung, bei der dann Kohlenmonoxid (CO) freigesetzt wird. Weiterhin enthält Steinkohle, und vor allem auch die Braunkohle, Schwefelverbindungen, die in der Flamme zu Schwefeldioxid (SO2 ) verbrennen. Dieses Schwefeldioxid muss durch aufwendige, verfahrenstechnische Prozesse aus dem Abgas von Großkraftwerksanlagen entfernt werden. Als Abfallprodukt dieser Entschwefelungsanlagen entsteht dann Gips, der in der Bauindustrie zum Einsatz kommt. Ein weiteres Problem bei Festbrennstoffen ist die Asche (unbrennbare Feststoffanteile), die sich sowohl im Brennraum als auch im Abgas als Staub befindet. Während die Asche im Brennraum relativ einfach entnommen werden kann, muss der Staub mit elektrostatischen Filteranlagen aus dem Abgas entfernt werden. Gasförmige Brennstoffe (z. B. Erdgas) haben diese Nachteile nicht und gelten daher als umweltfreundlich. Erdgas wird in zwei unterschiedlichen Qualitäten angeboten, die sich hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und somit des Heizwertes unterscheiden (Tab. 2.23). Erdgas der Gruppe H41 kommt meistens aus den GUS-Staaten und aus der Nordsee der Erdgasfelder von Norwegen, Niederlande und Dänemark. Erdgas der Gruppe H hat einen Methan-Anteil der zwischen 87 und 99,1 Vol.-%. H-Gas zeichnet sich durch einen geringen Stickstoff- (N2 ) und Kohlendioxid-Anteil (CO2 ) aus. Der Heizwert liegt in der Regel zwischen 11,0 und 12,4 kWh/m3 . Erdgas der Gruppe L42 hat in der Regel einen Methangehalt zwischen 79,8 Stöchiometrie D Chemisches Rechnen. H für High D hoher Heizwert. 42 L für Low D niedriger Heizwert. 40 41

2.6 Verbrennungsprozesse in Gasen

85

Tab. 2.23 Typische Zusammensetzungen (Anhaltswerte) einiger typischer Brenngase (Cerbe 2008) Brenngas

Gaszusammensetzung in Vol.-% H2 CO CH4 C2 H6 C3 H8 Hochofengas 4,1 21,4 – – – Kokereigas 54,5 5,5 25,3 – 2,3a Erdgas L – – 81,8 2,8 0,4 Erdgas H – – 93,0 3,0 1,3 a

Brennwert C4 H10 – – 0,2 0,6

CO2 22,0 2,3 0,8 1,0

N2 52,5 9,6 14,0 1,1

O2 – 0,5 – –

Summe der Rest-Kohlenwasserstoffe.

und 87 Vol.-%. Der Stickstoff- (N2 ) und Kohlendioxid-Anteil (CO2 ) liegt bei L-Gas etwas höher als bei H-Gas. Der Heizwert variiert in der Regel zwischen 9,2 und 10,5 kWh/m3 . Ein weiterer Vorteil von Erdgas besteht darin, dass die freigesetzte Verbrennungsenergie, im Verhältnis zur CO2 -Emission, wesentlich größer ist als bei Steinkohle oder Braunkohle. Mit einer einfachen Rechnung lässt sich dieser Vorteil quantitativ ermitteln: Beispiel: Erdgas versus Steinkohle

Vorgaben sind der Heizwert von Steinkohle Hi  30 MJ/kg und der Heizwert Erdgas Hi  50 MJ/kg, der nur als Methan gerechnet wird (stimmt z. B. für Gas aus Russland). Die stöchiometrischen Gleichungen lauten wie folgt: 16 g (CH4 ) C 64 g (O2 ) D 44 g (CO2 ) C 36 g (H2 O) C 0;6 MJ 12 g (C) C 32 g (O2 ) D 44 g (CO2 ) C 0;36 MJ

(2.137) (2.138)

Bei der Verbrennung von Erdgas (Methan) wird also pro Gramm CO2 eine Energiemenge von 13,64 kJ freigesetzt. Bei der Verbrennung von Kohle sind es nur 8,2 kJ. Bei gleicher Wärmemenge entstehen also bei der Verbrennung von Erdgas(Methan) 40 % geringere CO2 -Emissionen. Da man weltweit bemüht ist die CO2 -Emissionen aus Verbrennungsprozessen zu reduzieren, wäre der Einsatz von gasförmigen Brennstoffen, wie Erdgas, sehr hilfreich. Leider wird dieser enorme technische Vorteil bisher in der deutschen Energiewende nicht berücksichtigt. Auch in der Automobilindustrie sind die Abgaswerte von Fahrzeugen von besonderem Interesse. Neben der optimalen Verbrennung, die zu einer besseren Leistung bei einem geringeren Kraftstoffverbrauch führt, spielen natürlich auch Aspekte der Luftqualität (Umweltschutz) eine große Rolle. Die Abgase von Kraftfahrzeugen werden in der Regel auf Bestandteile wie Kohlendioxid CO2 , Kohlenmonoxid CO, Kohlenwasserstoffe HC, Stickoxide NOx und Feinstaub hin untersucht. Diese Abgasmesstechnik unterliegt mittlerweile einer EU-weiten Normung und ist von allen EU-Staaten einzuhalten. Nur Fahrzeuge, die diesen Standard erfüllen, dürfen in den Verkehr gebracht werden.

86

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Die Emission von CO2 ist für die Beurteilung der Umweltfreundlichkeit heutzutage zum Maß aller Dinge geworden. Bei genauerer Betrachtung hängt dieser CO2 -Wert allerdings ausschließlich von dem bekannten Kraftstoffverbrauch ab. Im folgenden Beispiel wird gezeigt, wie die Umrechnung des Kraftstoffverbrauches (z. B. L/100 km) in den Emissionswert g CO2 pro 1 km erfolgt. Beispiel: CO2 -Emission pro km

Ein Fahrzeug wird mit H-Erdgas (CNG43 ) betrieben und hat einen Verbrauch von 4,9 kg/100 km. Geht man davon aus, dass es sich beim Erdgas zu über 90 % Methan handelt, so kann man folgenden Verbrennungsprozess annehmen: CH4 C 2 O2 ! CO2 C 2 H2 O C Energie Mit den molaren Massen für die einzelnen Stoffe erhält man folgende Gleichung für die Massen: 16 g (CH4 ) C 64 g (O2 ) D 44 g (CO2 ) C 36 g (H2 O) Bei einem Verbrauch von 4,9 kg pro 100 km sind das 49 g pro km. Der CO2 -Ausstoß ist dann: CO2 -Ausstoß pro km D

49 g CH4 km

 44 g CO2 D 134;75 g CO2 =km 16 g CH4

Dieser Wert stimmt sehr gut mit den Angaben (133 g) aus dem Datenblatt des Fahrzeuges überein. Für andere Kraftstoffe (Benzin, Diesel, LPG44 ) werden die mittleren Molmassen dieser Stoffgemische benötigt. Ottokraftstoffe (Benzin) bestehen in der Europäischen Union aus folgenden Stoffgruppen:     

35 Vol.-% Aromaten 18 Vol.-% Alkene 1 Vol.-% Benzol 50 ppm Schwefel 46 Vol.-% Alkane,

die mittlere molare Masse beträgt ca. 100 g/mol.

43 44

CNG = Compressed Natural Gas. LPG D Liquid Petrol Gas (Umgangssprache Autogas).

2.6 Verbrennungsprozesse in Gasen

87

Abb. 2.70 Feuerungsanlage mit gasförmigen Brennstoffen und nachgeschalteter Kondensation zur Nutzung der Kondensationswärme QK des Wasserdampfes

Feuerungsanlagen Die Verbrennung von Gasen läuft in der Regel in einem Brennraum ab, in dem sich auch ein Wärmetauscher befindet, der die Verbrennungswärme Q für die weitere Nutzung (QN ) überträgt. In privaten Feuerungsanlagen (Abb. 2.70) sind dies zumeist die Brauchwassererwärmung (Baden, Duschen) und die Heizwärme (Zentralheizung, Fußbodenheizung). In Kraftwerksanlagen wird diese Wärme zur Dampferzeugung genutzt, um die Turbinen und damit die Generatoren zur Umwandlung in elektrischer Energie anzutreiben. In einigen Fällen wird die Restwärme nach den Turbinen für die Nutzung als Fernwärme entnommen. In den Wintermonaten steht damit eine preiswerte Heizenergie von Gebäuden zur Verfügung, die sich in der Nähe des Kraftwerkes (Fernwärmenetz) befinden. Die duale Nutzungsart bezeichnet man auch als Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Kraftwerke, die diesen Vorteil nutzen, erreichen Wirkungsgrade von 80 %. Sauerstoffbedarf Für eine optimale Verbrennung wird exakt so viel Sauerstoff O2 benötigt wie er in Gl. 2.137 bereits berechnet wurde. Demnach sind pro mol CH4 zwei mol O2 erforderlich. Da das Volumen pro mol45 bei gleichem Druck und gleicher Temperatur für alle gasför45

22,4 L unter Normalbedingungen.

88

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

migen Stoffe gleich ist, benötigt man also zur Verbrennung von 1 m3 CH4 genau 2 m3 O2 . Für beliebige Kohlenwasserstoffe (Cn Hm ) lässt sich folgende Reaktionsgleichung angeben:  m m  O2 ! n  CO2 C  H2 O Cn Hm C n C 4 2

(2.139)

Luftbedarf Mit dieser Berechnungsgrundlage lässt sich nun der erforderliche Luftanteil für eine optimale Verbrennung bestimmen. Diese Luftmenge wird auch als Mindestluftbedarf Lmin bezeichnet. Man geht bei dieser Berechnung davon aus, dass die Verbrennungsluft und das Brenngas keinen Wasserdampf enthalten (trockenes Gas). Da in 1 m3 trockener Luft 0,2095 m3  0;21 m3 Sauerstoff enthalten sind ergibt sich für den Mindestluftbedarf: Lmin D

Omin 0;21

in

m3 Luft m3 Brenngas

(2.140)

Luftüberschuss Wichtig für eine vollständige Verbrennung des Brenngases ist eine gute Durchmischung mit der Brennluft. Wenn also eine vollständige Durchmischung in genau dem stöchiometrischen Verhältnis vorliegt, sollte das Verhältnis aus zugeführter Luftmenge L und der theoretisch erforderlicher Luftmenge Lmin gleich 1 sein. Dieses Verhältnis nennt man das Luftverhältnis  oder auch den Lambda-Wert: D

L Lmin

(2.141)

In praktischen Fällen ist die zugeführte Verbrennungsluftmenge L allerdings nicht identisch mit der erforderlichen Verbrennungsluftmenge. Durch dieses Missverhältnis haben wir das Luftverhältnis  ¤ 1. Das Luftverhältnis  hat einen großen Einfluss auf die Verbrennung. Wird beispielsweise der Verbrennung weniger Sauerstoff als erforderlich zur Verfügung gestellt, kommt es zwangsläufig zu einer unvollständigen Verbrennung. Insbesondere der KohlenmonoxidGehalt (CO) und der Anteil der verbrannten Kohlenwasserstoffe (HC) steigt dann stark an. Weiterhin ist in diesem Bereich mit einer zusätzliche Rußbildung zu rechen. In Abb. 2.71 sind diese Verhältnisse, in Abhängigkeit von dem -Wert, dargestellt. Da der Wirkungsgrad  in diesem Bereich  < 1 steil abfällt, muss der -Wert immer größer als 1 sein. In der Praxis hat sich ein optimaler Lambdawert von opt D 1;02 etabliert46 . Für -Werte größer als 1 (Luftüberschuss) steigen die Abgaswärmeverluste an, da die überschüssige Luft ohne Nutzen mit erwärmt wird. Der Wirkungsgrad  fällt daher in diesem Bereich ebenfalls ab, wenn auch nicht so stark wie bei einem Luftmangel. 46

Hammer 2014.

2.6 Verbrennungsprozesse in Gasen

89

Abb. 2.71 Veränderungen der Emissionswerte für verschiedene Kfz-Abgaskomponenten in Abhängigkeit vom -Wert (Baunach 2006)

Abgasmenge Bei einer vollständigen Verbrennung enthält das Abgas CO2 , H2 O, N2 und O2 (Tab. 2.24). Die gesamte feuchte Abgasmenge VF ergibt sich daher aus der Summe der Einzelkomponenten: VF D VCO2 C VH2 O C VO2 C VN2

(2.142)

Brennwert Insbesondere bei der Verbrennung von Erdgas entsteht ein hoher Anteil an Wasserdampf, der sich im Abgas befindet. Nach Gl. 2.137 ergeben sich aus 16 g Erdgas immerhin 36 g Wasserdampf, bzw. aus 1 kg Erdgas entstehen 2,25 kg Wasserdampf. Dieser Wasserdampf enthält nun einen zusätzlichen Energieanteil QK , die Kondensationswärme (rH2 O D 2447 kJ=kg)47 . Nach Gl. 2.1 lässt sich dieser Energieanteil berechnen: QK D rH2 O  m D 2447

kJ  2;25 kg D 5;506 MJ=kg kg

(2.143)

Tab. 2.24 Verbrennungsprodukte bei  D 1 für feuchtes Abgas (Cerbe 2008) Größe Luftbedarf Lmin Abgasmenge VF Vol.-% CO2 Vol.-% H2 O Vol.-% N2 47

Cerbe 2008.

Hochofengas 0,61 1,48 29,3 2,8 67,9

Kokereigas 4,60 5,09 7,9 22,4 69,7

Erdgas L 8,41 9,44 9,5 18,5 72,0

Erdgas H 9,85 10,88 9,7 18,7 71,6

90

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Tab. 2.25 Beispiele der Zusammensetzung unterschiedlicher Erdgassorten in Vol.-% Gasart CH4 N2 CO2 C2 H6 C3 H8 C4 H10 C5 H12 C6 C7 C8 He

RG1 84,21 9,640 1,560 3,510 0,640 0,229 0,095 0,039 0,016 0,005 0,054

RG2 86,60 2,980 1,160 7,470 1,270 0,361 0,070 0,041 0,024 0,004 0,020

RG3 85,78 1,370 1,100 9,964 1,340 0,319 0,050 0,034 0,021 0,003 0,011

RG4 98,24 0,825 0,081 0,578 0,183 0,062 0,014 0,004 0,002 0,001 0,013

RG5 86,368 5,250 1,314 5,591 1,000 0,315 0,072 0,038 0,021 0,003 0,030

RG6 95,61 1,343 0,322 2,125 0,414 0,129 0,026 0,012 0,007 0,001 0,015

RG7 83,37 10,15 1,450 3,830 0,732 0,258 0,057 0,040 0,040 0,017 0,050

RG8 88,96 1,235 0,855 6,795 1,442 0,512 0,096 0,057 0,033 0,004 0,012

RG9 82,26 11,83 4,420 0,759 0,293 0,386 0,050

RG10 86,05 11,00 1,510 0,743 0,303 0,200 0,100 0,100

Der Brennwert Hs unterscheidet sich um diesen Betrag vom Heizwert Hi und ist somit ca. 10 % höher als der Heizwert. Für den Brennwert gilt daher: Hs D Hi C m  r

(2.144)

In sogenannten Brennwert-Thermen (Abb. 2.70) lässt sich dieser zusätzliche Energieanteil zur Erzeugung von Wärme in Gebäuden nutzen. In Gasgemischen ergibt sich der Brennwert Hi (Mischung) den Brennwerten der Einzelkomponenten und ihre Masseanteilen 1 D

m1 Masse des Bestandteils 1 D mM i Masse des Gasgemisches

HiM i D 1  Hi1 C 2  Hi 2 C : : : C n  Hi n

(2.145) (2.146)

Erdgas kann je nach Herkunftsort über 10 Komponenten enthalten. Die Konzentrationswerte der einzelnen Gaskomponenten sind dabei sehr unterschiedlich (Tab. 2.25). Um den Brennwert berechnen zu können, müssen die Konzentrationswerte der einzelnen Komponenten bekannt sein. In der Regel wird diese Analyse mit einem Gaschromatographen (GC siehe Kap. 5) durchgeführt. Bis vor wenigen Jahren wurden auch noch Kalorimeter für diesen Zweck genutzt, die aber sehr aufwendig zu betreiben sind. 2002 wurde ein neues Messverfahren (Schley et al. 2002) vorgestellt, mit dem durch eine Korrelationsanalyse vergleichbare Ergebnisse erzielt werden konnten, wie mit Kalorimetern und GC-Analysatoren. Insbesondere für schnelle Regelungsprozesse von Erdgasmischungen hat sich dieses sensorbasierte Verfahren durchgesetzt. Wobbeindex Die Wärmenergielieferung eines Brenners hängt von der zugeführten Energie ab. Maßgeblich ist dabei der Energiestrom QP B , der sich aus dem Volumenstrom VPB des Brenngases

2.6 Verbrennungsprozesse in Gasen

91

Abb. 2.72 Vergleichsmessungen zwischen einem sensorbasierten Brennwertmessgerät (Q1 ElsterInstrumet GmbH, Dortmund) und konventionellen Kalorimetern bzw. Gaschromatographen (punktuelle Kontrollmessung) an einer Erdgas Pipeline

(z. B. Erdgas) und dem Brennwert Hs ergibt: QP B D VPB  Hs

(2.147)

Dieser Energiestrom ist für Gaswirtschaft von großer Bedeutung, da die wirtschaftliche Gasabrechnung über diese Größe erfolgt. Weiterhin ergibt sich daraus auch die Austauschbarkeit von Brenngasen (z. B. Änderung der gelieferten Erdgasqualität) für bestimmte Anwendungen (z. B. Gastherme). Im Jahre 1927 wurde eine Kenngröße eingeführt, die nach dem Erfinder Wobbe48 benannt wurde. Für den Volumenstrom VPB gilt nach der Kontinuitätsgleichung (Gl. 2.157) mit der Querschnittsfläche A und der mittleren Strömungsgeschwindigkeit w (Abb. 2.73): VPB D A  w

Abb. 2.73 Definitionen zur Bestimmung des Wobbeindex (Schley 2011)

48

Geoffredo Wobbe, italienischer Physiker und Gasingenieur.

(2.148)

92

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Die Strömungsgeschwindigkeit w kann weiterhin durch die Bernoulli-Gleichung (Gl. 2.172) ausgedrückt werden, wenn die Höhe, Dichte und Druck gleich sind und Strömungsgeschwindigkeit vor der Brennerdüse w1  0 ist: w22 p ! w2 D D 2 %g

s

2p %g

(2.149)

Da die maximale Geschwindigkeit w2 aufgrund von Verlusten reduziert wird, muss an dieser Stelle ein sogenannter Düsenbeiwert ˛ eingeführt werden. Mit w D ˛  w2 erhält man: s 2  p P  Hs (2.150) QB D A  w  Hs D A  ˛  %g Führt man nun die relative Dichte d D

%g %Luft

so erhält man: s

QP B D A  ˛  Da der Ausdruck A  ˛  wie folgt bestimmen:

q

2p %Luft

2  p Hs p %Luft d

(2.151)

D const: ist, lässt sich der obere Wobbeindex (Tab. 2.26)

HS WS D p d

(2.152)

In Abb. 2.74 ist der Zusammenhang zwischen dem Wobbeindex und dem Brennwert für unterschiedliche Ergassorten dargestellt. Für den unteren Wobbeindex gilt dann mit Hi D Heizwert: Hi Wi D p d

Tab. 2.26 Wobbeindex verschiedener Brenngase (Herdin 2012)

Stoff Wasserstoff H2 Methan CH4 Propan C3 H8 Verbund Erdgas Nord Russisches Erdgas Biogas (65 Vol.-% CH4 )

(2.153)

WS ŒMJ=m3  48,34 53,45 81,18 51,55 53,21 28,44

Wi ŒMJ=m3  40,90 48,17 74,74 46,54 47,97

2.6 Verbrennungsprozesse in Gasen

93

Wobbeindex Ws in MJ/m 3 14

36

39,6

43,2

46,8

50,4

54

57,6 50,4

Dänemark Erdgas H

12

rel. Dichte d=0,75

11

Holland Erdgas L

Biogas +LPG

46,8

Nordsee Erdgas H

43,2

H

39,6 Russ.Erdgas H

Weser/Ems Erdgas L

10

36 Bioerdgas rel. Dichte d=0,55

L

9

32,4

8

Brennwert HS in MJ/m 3

Brennwert HS in kWh/m 3

13

28,8 10,5

13,6

15,7

7

25,2 10

11

12

13

14

15

16

Wobbeindex Ws in kWh/m 3 Abb. 2.74 Zusammenhang zwischen dem Wobbeindex W und dem Brennwert H . Spezifikation der Gasqualität nach DVGW-Arbeitsblatt G260 und Darstellung der Grenzen für HS , WS und d

Methanzahl Die Methanzahl MZ ist ein Begriff aus dem Bereich der Gasmotoren-Technik und beschreibt die sogenannte Klopffestigkeit. Wird der Motor im Bereich der stöchiometrischen Verbrennung betrieben, wird dieser Bereich durch die Klopfgrenzen eingeschränkt. Die maximale Leistung ist je nach Methanzahl unterschiedlich. Es wird daher versucht den Motor innerhalb dieser Grenzen, bei maximal möglicher Leistung, zu fahren. Die Bestimmung der Methanzahl ist daher sehr wichtig für den Betrieb von Gasmotoren (Hoppe 1999). Die Klopffestigkeit ist auch bei Ottomotoren, die mit flüssigen Treibstoffen (Benzin) arbeiten, ein Problem. In diesem Bereich wird die Klopffestigkeit durch die Oktanzahl beschrieben. Wie bei der Bestimmung der Oktanzahl geht man auch bei der Methanzahl empirisch vor. Man nutzt dazu einen Prüfmotor, der mit unterschiedlichen Gemischen aus Methan (MZ D 100, klopffest) und Wasserstoff (MZ D 0, klopffreudig) betrieben wird und vergleicht diese binäre Gasmischung mit einem Brenngas unbekannter Methanzahl (Tab. 2.27). Die Methan-Konzentration, bei der das CH4 -H2 -Gemsich das gleich Klopfverhalten zeigt wie das unbekannte Brenngas, gibt dann die Methanzahl an. Es gibt mehrere Möglichkeiten die Methanzahl zu bestimmen:

94

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Tab. 2.27 Methanzahlen wichtiger Gase (Herdin 2012) Brennstoff H2 CH4 C2 H4 C2 H6 C3 H8 C4 H10 CO

Bezeichnung Wasserstoff Methan Ethylen Ethan Propan Butan Kohlenmonoxid

Methanzahl 0 100 15 43,7 33 10 75

Lmin ŒNm3 L=Nm3  2,379 9,537 14,39 16,85 24,24 32,26 2,381

Hi ŒkWh=Nm3  2,996 9,971 16,521 17,89 26,00 34,34 3,51

 Rechnerisch aus einer detaillierten Gaszusammensetzung mit der AVL-Methode (Christoph 1972)  Rechnerisch unter Anwendung verschiedener Korrelationen zwischen Brennwert/ Dichte/CO2 Gehalt.  Messtechnisch durch IR-Absorptionsmessung der Kohlenwasserstoffe bis C4 H10 und entsprechende Korrelationen mit einem Methanzahl-Controller (Hoppe 2000).

2.7 Gasströmungen Wirken äußere Kräfte F auf Gasmoleküle bzw. auf ein Gasvolumen V , so wird es beschleunigt und bewegt sich in Richtung der Kraft F . Die Gesetzmäßigkeiten dieser Bewegung ergeben sich aus dem Newton’schen Grundgesetz der Dynamik: F Dma

bzw.

F D%V a

(2.154)

Die äußere Kraft F kann z. B. durch eine Pumpe, Ventilator oder eine Druckdifferenz vorgegeben werden. Die daraus resultierende Strömung kann man sowohl makroskopisch (Volumen) als auch mikroskopisch (Atome, Moleküle) betrachten. Experimentell geht man zumeist von den makroskopisch messbaren Größen aus, während man zur Erklärung der physikalischen Effekte auf die mikroskopische Ebene zurückgreift. Kontinuitätsgleichung Zur Veranschaulichung dieser Gasbewegung betrachtet man einen reibungsfreien Gasdurchfluss durch eine Rohrleitung. Das Gasvolumen V1 bewegt sich mit einer Geschwindigkeit w1 in einem Rohr mit dem Durchmesser d1 . Durch eine Verjüngung des Rohres (Abb. 2.75) erhält man einen neuen Rohrdurchmesser d2 , in dem das gleiche Gasvolumen V2 D V1 sich nun mit einer größeren Geschwindigkeit w2 bewegt. Die Fläche A des Rohres ergibt sich aus: A1 D

  d12 4

bzw.

A2 D

  d22 4

(2.155)

2.7 Gasströmungen

95

Abb. 2.75 Gasströmung durch unterschiedliche Rohrquerschnitte

Gehen wir nun davon aus, dass in der Zeit t die Strecke s zurückgelegt wird, so erhält man für den Volumenstrom: A  s VP D t Da die Geschwindigkeit sich aus w D einzelnen Volumenströme angeben: A1  w1 D A2  w2

s t

(2.156)

ergibt, kann man folgenden Ausdruck für die

d12  w1 D d22  w2

oder

(2.157)

Daraus folgt dann für die Geschwindigkeit w2 :  w2 D w1 

d1 d2

2 (2.158)

Diese Gleichung bezeichnet man als Kontinuitätsgleichung oder auch als Durchflussgleichung. Sie gilt allerdings nur unter folgenden Voraussetzungen:  Das Medium ist inkompressibel, das heißt die Dichte bleibt konstant.  Die Strömung durch das Rohr verläuft reibungsfrei.  Die Strömung verläuft stationär in beiden Teilbereichen. Ändert sich der Druck und oder die Temperatur einer Gasströmung, so muss man diese Änderungen mit der allgemeinen Gasgleichung (Gl. 2.101) berücksichtigen. Viskosität Insbesondere wenn der Durchmesser d des Rohres sehr klein wird, spielen die oben angegebenen Randbedingungen eine entscheidende Rolle. Durch die Reibung der Gasmoleküle an der Rohrwand entstehen zusätzliche Kräfte. Die Strömungsgeschwindigkeit w ist daher direkt an der Wand gleich Null. Das heißt die Moleküle sind, abgesehen von

96

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.76 Grenzschichtenmodell für Gasströmungen in Rohrleitungen

der nach allen Seiten gerichtete Eigenbewegung, in Ruhe. Die einzelnen Schichten haben dabei unterschiedliche Geschwindigkeiten, die durch die Kräfte der inneren Reibung hervorgerufen werden (Abb. 2.76). Die Moleküle können z. B. von der unteren Grenzschicht aus durch ihre Eigenbewegung in die obere Schicht mit der Geschwindigkeit w1 diffundieren. Dadurch wird die Geschwindigkeit verzögert. Im anderen Fall, wenn Gasmoleküle aus der dritten Schicht in die zweite Schicht diffundieren, erfährt die 2. Schicht eine Beschleunigung durch die schnelleren Moleküle (w3 ). Diese Geschwindigkeitsänderung führt dann zu einer Kraft F . Es gilt dann das Newton’sche Reibungsgesetz (Richter 2010): F DA

dw dx

(2.159)

A ist die Berührungsfläche der Gasschichten, w die Geschwindigkeiten der einzelnen Gasschichten und x ist die Koordinate senkrecht zur Strömungsrichtung.  ist der Reibungskoeffizient oder die dynamische Viskosität (Tab. 2.28). Die Auflösung nach  liefert: D

F x Aw

(2.160)

Die SI-Einheit für  ist also N  s=m2 oder Pa  s (Pascalsekunde). Die dynamische Viskosität lässt sich auch durch die mittlere Geschwindigkeit w, die mittlere freie Weglänge l und die Dichte % ausdrücken: D

1 wl % 3

(2.161)

Die kinematische Viskosität ist der Quotient aus der dynamischen Viskosität und der Dichte des Gases:

D

dynamische Viskosität  Dichte %

(2.162)

2.7 Gasströmungen

97

Tab. 2.28 Dynamischen Viskosität  und kinematische Viskosität bei 0 ı C und 1013 hPa (Kuchling 2011) Gas Acetylen Ammoniak Argon Bromwasserstoff i -Butan Chlor Chlorwasserstoff Ethan Ethylen Helium Jodwasserstoff Kohlendioxid

 in Pa  s 9,5 9,3 21,2 17,0 6,9 12,3 13,1 8,6 9,4 18,7 17,3 13,7

in mm2 /s 8,1 12,1 11,9 4,67 2,58 3,83 7,99 6,34 7,46 105 2,99 6,93

Gas Kohlenmonoxid Krypton Luft Methan Neon Propan Sauerstoff Schwefeldioxid Stickstoffmonoxid Stickstoff Wasserstoff Xenon

 in Pa  s 16,6 23,3 17,2 10,2 29,8 7,5 19,2 11,6 17,9 16,5 8,42 21,1

in mm2 /s 13,3 6,22 13,3 14,2 33,1 3,70 13,4 3,96 13,4 13,2 93,7 3,58

Hagen-Poiseuille-Gesetz Erfolgt die Strömung durch ein Rohr, so entsteht eine Druckdifferenz p zwischen dem Eingang (p1 ) und dem Ausgang (p2 ) aufgrund der inneren Reibung (Abb. 2.77). Diese Reibungskraft lässt sich durch die Beziehung Druck D Kraft/Fläche dann wie folgt ausdrücken: FR D .p1  p2 /    x 2

(2.163)

Durch weitere Umformungen (Richter 2010) lässt dann das Hagen49 -Poiseuille50 -Gesetz herleiten:  (2.164) .p1  p2 /  r 4 VP D 8l

Abb. 2.77 Geometrische Angaben zum Hagen-Poiseuille-Gesetz 49 50

Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen (1797–1884) deutscher Ingenieur. Jean Léonard Marie Poiseuille (1797–1869) französischer Physiologe.

98

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.78 Differenzdruck p nach dem Hagen-Poiseuille-Gesetz bei einer 1 Meter langen Messstrecke und einem Volumenstrom von 1 L/min

Durch Umstellen der Gleichung nach p erhält man dann einen Ausdruck für den Druckabfall in einer Gasleitung: p D p1  p2 D

VP  8    l   r4

(2.165)

Bestimmung der inneren Reibung (dynamische Viskosität) Der Koeffizient der inneren Reibung  ist für die Strömungsberechnungen von großer Bedeutung. Diese Größe kann auch experimentell bestimmt werden. Dazu nutzt man den Druckabfall p, der bei einer Gasströmung in einer Kapillare entsteht. Der Versuchsaufbau ist in Abb. 2.79 dargestellt. Die Kapillare der Länge l befindet sich dabei in einem Flüssigkeitsbad, das durch einen Thermostaten auf eine konstante Temperatur gebracht wird. Diese Temperatur T wird als Messgröße für die Berechnung von  benötigt. Der Druckabfall über der Kapillare wird mit einem U-Rohr Manometer ermittelt, während der Volumenstrom VP mit einem Seifenblasen-Strömungsmesser (s. Abschn. 11.3) bestimmt wird. Die Gasversorgung erfolgt über einen Druckgasflasche mit einem entsprechenden Druckminderer, der den Flaschendruck von pFl  100 bar auf den Druck p1  2 bar reguliert. Mit den messbaren Größen der Badtemperatur T , Differenzdruck p, Innenradius der Kapillare r, Volumenstrom VP und der Länge der Kapillare l lässt sich durch Umformung von Gl. 2.165 die innere Reibung berechnen: D

  r 4  p 8  VP  l

(2.166)

2.7 Gasströmungen

99

Abb. 2.79 Experimenteller Aufbau zur Bestimmung der inneren Reibung 

Rohrreibung Strömungen in realen Rohren sind zusätzlichen Gesetzmäßigkeiten unterworden, die durch das Hagen-Poiseuille-Gesetz nicht abgedeckt werden. Insbesondere die Reibung der Gase an der Innenwand der Rohre führen zu einer Energieumsetzung und damit zu Druckverlusten. Die Gleichung von Darcy51 berücksichtigt diese Reibung durch Einführung einer Rohrreibungszahl . pR D  

L %   w2 d 2

(2.167)

Die Rohrreibungszahl  wird experimentell bestimmt und ist abhängig von der ReynoldsZahl Re. Für laminare Strömungen ergibt sich  aus: D

64 Re

(2.168)

 liegt in Abhängigkeit von der Reynolds-Zahl zwischen 0,1 und 0,02 bei laminaren Strömungen und zwischen 0,08 bis 0,008 bei turbulenten Strömungen (Cerbe 2008) 51

Henry Darcy (1803–1858) französischer Ingenieur.

100

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.80 Druckverhältnisse bei einer Rohrströmung mit und ohne Verjüngung des Rohrquerschnittes

Bernoulli’sche Gleichung Rohrleitungen sind naturgemäß nicht an allen Stellen gleich aufgebaut. Es gibt Abzweigungen, Verjüngung, Erweiterung und es sind Höhenunterschiede h zu überwinden. Alle diese Veränderungen haben einen gravierenden Einfluss auf die Strömungsgeschwindigkeit w und den Druck p in der Rohrleitung. In Abb. 2.80 ist eine solche Verjüngung im Vergleich zu einem geraden Rohr dargestellt. Der Druck in einer Rohrleitung nimmt demnach linear mit der Länge l ab. In Abb. 2.80a sind an drei unterschiedlichen Stellen Manometer platziert, die nach dem Hagen-Poiseuille-Gesetz einen linearen Druckverlauf anzeigen. Bringt man nun eine Verengung in diese Rohrleitung ein (Abb. 2.80b), so ändern sich die Verhältnisse deutlich. An der Verengung wird die Geschwindigkeit aufgrund der Kontinuitätsgleichung größer, so dass sich hier offensichtlich ein deutlich geringer Druck einstellt. Diese zusätzliche Druckreduzierung lässt sich mit dem Energiesatz erklären. In der Abb. 2.81 sind die Strömungsverhältnisse in einer Rohrleitung dargestellt, die eine Verjüngung der Querschnittsfläche von A1 nach A2 aufweist. Danach ändert sich die Höhenlage von h1 auf h2 . Der Massenstrom m ist in beiden Fällen der gleiche. Für die gesamte Strömung in der Rohrleitung muss für jeden Punkt der Energiesatz (Energieerhaltung) erfüllt werden. Daher lässt sich folgender Zusammenhang herleiten (Böswirth 2004): Bewegungsenergie C Lageenergie C Druckenergie D Gesamtenergie

2.7 Gasströmungen

101

Abb. 2.81 Energieverteilung in einer Rohrleitung nach der Bernoulli’schen Gleichung (nach Böswirth 2004)

oder formal ausgedrückt: m  w2 m CmghCp D Eges D const: 2 %

(2.169)

Wenn alle Energieanteile in Summe immer konstant bleiben müssen, so wird sich bei einer Erhöhung der einen Komponente eine andere verkleinern. An der Stelle, wo die Durchströmungsfläche A1 sich auf A2 verkleinert, erhöht sich der kinetische Anteil. Dies führt dazu, dass der Anteil der Druckenergie reduziert wird, wenn die Lageenergie konstant bleibt. Ändert sich die Lageenergie (h2 ), so reduziert ich die Druckenergie bei konstanter Strömungsgeschwindigkeit (w  kinetische Energie) ebenfalls. Mit dieser, von Bernoulli aufgestellten Gleichung, lassen sich sämtliche Bewegungs-und Strömungsvorgänge in Rohrleitungen beschreiben. Die Gl. 2.169 lässt sich auch als Druckgleichung und als Höhengleichung darstellen: Druckgleichung: Höhengleichung:

w2 C %  g  h C p D pges D const: 2 w2 p ChC D hges 2g %g

%

(2.170) (2.171)

102

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Die oben dargestellten Zusammenhänge gelten natürlich nur für reibungsfreie Strömungen. Durch unvermeidbare Verluste wird ein Teil der Energie durch Reibung verloren gehen, so dass sich z. B. die Druckverhältnisse ändern. Bei sehr langen Rohrleitungen (Erdgas-Pipeline) muss daher der Druck durch Verdichter-Anlagen immer wieder erhöht werden. Strömungen durch Verengungen (Blenden, Düsen usw.) Befinden sich in einem Strömungskanal bzw. Rohr Hindernisse oder Engstellen, so wird der Gasfluss gestört. Durch diese Störung/Drosselung ändern sich die Strömungsverhältnisse und der Druck sowie die Strömungsgeschwindigkeit werden sich ebenfalls ändern. Der einfachste Fall besteht durch einen Übergang von einem großen Rohrdurchmesser D auf einen kleineren Rohrdurchmesser d . Diesen Übergang bezeichnen wir als Verengung (siehe Abb. 2.82). Mit der bereits hergeleiteten Bernoulli-Gleichung lassen sich diese Verhältnisse berechnen. Wir gehen davon aus, dass die Rohrströmung waagerecht verläuft und sich somit der hydrostatische Anteil konstant verhält. Die Strömungsverhältnisse vor der Verengung werden mit dem Index 1 und in der Verengung mit dem Index 2 beschrieben. Mit Gl. 2.169 erhält man dann: w2 w2 p2 p1 C 1 D C 2 % 2 % 2

(2.172)

Abb. 2.82 Beispiele für Drosselungen von Rohrströmungen mit unterschiedlichen Geräten. Für messtechnische Zwecke werden vor allem die Venturi-Düse und bestimmte Blenden-Geometrien eingesetzt

2.7 Gasströmungen

103

Mit der Kontinuitätsgleichung werden die Strömungsgeschwindigkeiten an beiden Stellen und den unterschiedlichen Querschnitten beschrieben: w1  AD D w2  Ad

(2.173)

Die Flächen AD und Ad lassen sich durch die Durchmesser D und d beschreiben: AD D

  D2 4

und

Ad D

  d2 4

(2.174)

Diese Ausdrücke werden nun in Gl. 2.173 eingesetzt: w1 

   D 2 D w2   d 2 4 4

(2.175)

Nun wird diese Gleichung nach w1 umgeformt und in Gl. 2.172 eingesetzt: w1 D w2

d2 D2

daraus folgt

p1 p2 w2 d 4 w2 C 2 4 D C 2 % 2 D % 2

(2.176)

P th erhält Für die Geschwindigkeit w2 , dem Volumenstrom VPth und dem Massenstrom m dann durch Umformung und p1 > p2 sowie w1 < w2 folgende Ausdrücke: v u 2p u i (2.177) w2 D t h d4 % 1 D 4 v u 2p  u i (2.178) VPth D w2  Ad D d 2  t h d4 4 % 1 D 4 s 2p%  2 P m P th D %  Vth D d  (2.179) d4 4 1 D 4 Diese drei Gleichungen beschreiben das Strömungsverhalten an Drosselstellen, die sich ideal verhalten. In realen Fällen spielen allerdings viele Faktoren eine Rolle, die für eine exakte Berechnung mit berücksichtigt werden müssen. Insbesondere die Rohrwandrauigkeit, Kompressibilität der Gase und das Strömungsprofil sind hier zu nennen (Bohl, Elmendorf 2005). Durch Einführung eines Durchflusskoeffizienten C und einer Expansionszahl " erhält man die korrigierten Durchflussgleichungen für reale Gasströmungen an Drosselstellen: Volumendurchfluss d 2 C "1 VP D q  d 4  4 1 D

s

2  p d 2 C "2 Dq  d 4  %1 4 1 D

s

2  p %2

(2.180)

104

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Massedurchfluss d 2 C "1 p d 2 C "1 p m P Dq  2  p  % D q 1  d 4  d 4  2  p  %2 4 4 1 D 1 D

(2.181)

Die Expansionszahl hinter der Drosselstelle (stromabwärts) lässt sich wie folgt bestimmen: s p (2.182) "2 D "1  1 C p2 Die Werte für C und " die bei unterschiedlichen Bauformen der Drosselstellen gelten sind den entsprechenden Normen zu entnehmen52 . Kritische Düsenströmungen Wird der Durchmesser d bzw. die Fläche Ad an der Drosselstelle sehr klein gewählt, so kommt es in diesem Bereich zu einer sehr hohen Strömungsgeschwindigkeit w2 (Abb. 2.83). Wenn an dieser Stelle die Schallgeschwindigkeit w2 D c erreicht wird, so gelangt man in einen sogenannten kritischen Bereich. Die Austrittsgeschwindigkeit w2 kann nach Saint-Venant53 und Wantzel54 wie folgt berechnet werden (Bohl, Elmendorf 2005): v u u w2 D t2 

" #   ~1 p2 ~ ~ p1  1  ~  1 %1 p1

(2.183)

Der Massenstrom lässt sich dann mit folgender Gleichung berechnen: v "  2   ~C1 # u u ~ p p2 ~ p2 ~ t   2  p1  %1 m P D Ad  ~1 p1 p1

(2.184)

Abb. 2.83 Strömungsverhältnisse an einer Düse in einem Rohrsystem

52

DIN EN ISO 5167-1. Adhémar Jean Claude Barré de Saint-Venant (1797–1886) französischer Ingenieur, Mathematiker und Physiker. 54 Pierre-Laurant Wantzel (1814–1848) französischer Ingenieur und Mathematiker. 53

2.7 Gasströmungen

105

Durch Einführung einer Auslassfunktion für den Massenstrom:

erhält man dann einen vereinfachten Ausdruck

m P D Ad 



p 2  p1  %1

(2.185)

Mit v "  2   ~C1 # u u ~ p2 ~ p2 ~ t  D ~1 p1 p1 Das Maximum der Auslassfunktion aus: 

p2 p1

(2.186)

ergibt sich dann für ein kritisches Druckverhältnis 

 D krit

2 ~C1

~  ~1

(2.187)

Für Luft liegt das kritische Druckverhältnis mit ~ D 1;4 dann bei: 

p2 p1

 D 0;528

(2.188)

krit

Wird der Druck p1 weiter erhöht, ändert sich der Massenstrom wie folgt (Grollius 2012). s m P D Ad 

max

 p1 

2 p1 !m P Dk˛ p T1  RL T1

(2.189)

In der vereinfachten Form von Gl. 2.189 beschreibt der Faktor ˛ die geometrischen Verhältnisse. In Abb. 2.84 ist der Verlauf der Auslassfunktion für unterschiedliche Druckverhältnisse dargestellt. Der Verlauf des Massestromes hat einen analogen Verlauf, da beide Größen miteinander verknüpft sind. Bei einem Druckverhältnis von p2 =p1 D 1 sind auf beiden Seiten der Düse die gleichen Drücke vorhanden und der Massestrom ist dann logischerweise Null. Fällt der Druck hinter der Düse ab, so erhöht sich dieser Strom, bis er ein Maximum bei einem Druckverhältnis von 0,528 (für trockene Luft) erreicht hat. Nach Gl. 2.186 müsste der Massestrom dann wieder abfallen (gestrichelte Linie), was aus praktischen Erwägungen aber nicht zutreffen kann. Durch Versuche kann man nachweisen, dass der Massestrom oberhalb dieses Punktes konstant bleibt. Dieses Verhalten ist also unabhängig von dem Druck p2 am Ausgang der Düse (überkritischer Bereich). In diesem Zusammenhang ist der abfallende Bereich also nicht möglich. Man spricht bei diesem Phänomen auch von Sperren dieses Bereiches. In Abb. 2.85 sind Beispiele für kritische Düsen dargestellt. In den oben angegebenen Gleichungen sind die Berechnungen mit idealen Gasen, die nicht als Gasgemisch vorliegen, aufgeführt. Unter realen Bedingungen muss man natürlich

106

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.84 Ausflusscharakteristik für eine Düse mit einer Luftströmung und ~ D 1;4 (Grollius 2012). Der überkritische Bereich zwischen 0 und 0,528 ist aus praktischen Überlegungen gesperrt. Die Auslassfunktion ist oberhalb des Maximuns konstant und somit auch der Massestrom

Abb. 2.85 Kritische Düsen mit verschiedenen Innendurchmessern (Quelle: Ing.-Büro IMBUS, Potsdam)

die Eigenschaften der Gase auch bei hohen Drücken und bei Gasgemischen berücksichtigen. Insbesondere in der Erdgasindustrie ist dieses Verhalten von großer Bedeutung. Eine ausführliche Beschreibung der kritischen Düsenströmung findet sich bei Wendt (2000). Schley (2001) hat in seiner Arbeit das Verhalten von unterschiedlichen Erdgasqualitäten ausführlich beschrieben. Laminare und turbulente Rohrströmung In Abb. 2.86 sind zwei verschiedene Arten von Strömungen in einer Rohrleitung dargestellt. Das Gas (z. B. Luft) soll über die trichterförmige Öffnung (linke Seite) angesaugt und im Rohr weitergeleitet werden. Je nach nachdem welche mittlere Strömungsgeschwindigkeit wm vorhanden ist, bildet sich entweder eine laminare oder eine turbulente Strömung aus. Generell gilt, dass bei kleinen Strömungsgeschwindigkeiten laminare Strömungsverhältnisse vorliegen und bei großen Strömungsgeschwindigkeiten turbulente. Bei einer laminaren Strömung liegen die einzelnen Gasschichten übereinander und bilden

2.7 Gasströmungen

107

Abb. 2.86 Einlaufstrecke für eine laminare bzw. turbulente Rohrströmung

durch die innere Reibung (Viskosität) nach einer bestimmten Einlaufstrecke ein parabolisches Strömungsprofil aus. Die Geschwindigkeitsverteilung bei einer laminaren Rohrströmung ergibt sich dann aus dem Hagen-Poiseuille’schen Gesetz:  2  2   d d k p1  p2   r2 D   r2 w.r/ D (2.190) 4 4 4l 4 Die maximale Geschwindigkeit wmax ist demnach in der Mitte der Rohrströmung bei r D 0 und hat den Wert:  2 d p1  p2 (2.191)  wmax D 4l 4 Die mittlere Geschwindigkeit wm im Rohr lässt sich durch Integration herleiten und beträgt dann: 1 p1  p2 (2.192)  d2 wm D wmax D 2 32    l Der Druckverlust p bei einer laminaren Rohrströmung lässt sich durch Umstellung der Gl. 2.192 wie folgt berechnen: p D p1  p2 D

32  wm    l d2

(2.193)

Nach dem Ähnlichkeitsgesetz von Reynolds55 lässt sich ein kritischer Wert bestimmen, ab dem eine laminare Strömung instabil wird und in eine turbulente Strömung umschlägt. 55

Osborne Reynolds (1842–1912) englischer Physiker und Ingenieur.

108

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.87 Stromlinienverlauf in einem Rohrkrümmer und Abreißen der Strömung hinter der inneren Rundung. Die Verwirbelungen kennzeichnen das sogenannte Totwassergebiet (bewegungsloses Gebiet) (Eck 1941)

Diese Reynolds-Zahl Re hängt von der mittleren Geschwindigkeit und einer charakteristischen Länge des Körpers ab. Bei einer Rohrströmung ist das der Durchmesser d . Re D

wm  d  Rekrit D 2320

(2.194)

Ein stationäres Strömungsprofil w.r/ bildet sich allerdings erst nach einer gewissen Einlaufstrecke Lein aus. Die Einlaufstrecke hängt z. B. davon ab, ob es sich um einen scharfkantigen Einlauf oder einen geführten Einlauf, wie in Abb. 2.87 dargestellt, handelt. Prinzipiell hat man aber an jeder Stelle, an der sich eine Störung (Erweiterung, Verjüngung, Krümmer, Ventil usw.) befindet, auch eine Störung des Strömungsprofils, so dass dann wieder eine neue Einlaufstrecke erforderlich ist. Dieser Einfluss ist insbesondere bei der Platzierung von Durchfluss-Sensoren wichtig. Die Einlaufstrecke lässt sich wie folgt abschätzen (Böswirth 2004): Laminare Strömung

Lein D .0;06 bis 0;065/  Re  d D 80  d

(2.195)

Turbulente Strömung

Lein D .10 bis 30/  d

(2.196)

Beispiel: Gasströmung in dünnen Schläuchen

In der Gasmesstechnik werden die Gassensoren bzw. Analysengeräte in der Regel mit einem Volumenstrom von VP  1 L=min betrieben. Das Messgas wird über eine Pumpe mit diesem Volumenstrom übertragen. Die mittlere Strömungsgeschwindigkeit w lässt sich für einen typischen Innendurchmesser des Schlauches mit d D 4 mm berechnen: wD

VP 1;67  105 m3 =s D 1;329 m=s D 2 A   0;004 m2 4

2.7 Gasströmungen

109

Abb. 2.88 Verteilung der Strömungsgeschwindigkeit bei einer turbulenten bzw. laminaren Rohrströmung

Die Reynolds-Zahl Re ergibt sich dann mit der kinematischen Viskosität D 13;3 mm2 =s für Luft bei 0 ı C und 1013 hPa, wie folgt: Re D

 4 mm 1329 mm wd s  400 D mm2

13;3 s

Die Reynolds-Zahl liegt als deutlich unter dem kritischen Wert 2320, so dass man in diesem Fall von einer laminaren Strömung ausgehen kann. Die Einlaufstrecke ist dann Lein D 80  4 mm D 320 mm. Mit der berechneten Strömungsgeschwindigkeit kann auch die Zeit t berechnet werden, mit der das Messgas von einer Entnahmestelle im Prozess bis zu einem Analysengerät (z. B. in einer entfernten Messwarte) übertragen wird. Bei einer Schlauchlänge von s D 10 m wäre die Übertragungszeit dann: tD

10 m s D D 7;5 s w 1;329 m=s

Rohrnetze Gasförmige Stoffe lassen sich relativ einfach durch Rohre (Pipeline) über eine große Strecke transportieren. Dieser Stofftransport wird durch den Volumenstrom VP beschrieben

110

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.89 Druckverlauf in einer Erdgas-Pipeline bei einer Übertragung von > 1000 km

und ist daher eine wichtige Größe und Berechnungsgrundlage für den wirtschaftlichen Handel über das Rohrnetz. Der Antrieb für diese Gasströmung erfolgt durch Pumpen bzw. Verdichter, die den Druck in der Rohrleitung über große Entfernungen aufrechterhalten (Abb. 2.89). Um eine möglichst große Gasmenge (D Masse) über das Rohrnetz zu transportieren, wird der Druck z. T. auf bis zu 100 bar erhöht. Das Realgasverhalten der zu übertragenden Gase spielt also bei allen weiteren Berechnungsverfahren eine entscheidende Rolle. Im Hochdruckbereich ändern sich aufgrund der Kompressibilität der Gase sowohl der Druck p als auch die Strömungsgeschwindigkeit v im Rohr in Abhängigkeit von der Länge L. Für Gase, die mit einem geringen Druck durch ein Rohr gepumpt werden, kann man bei kurzen Längen auch von einem inkompressiblen Medium ausgehen (Abb. 2.90b). Der Druckabfall ist dann linear, gemäß dem Hagen-Poiseuille-Gesetz. Für stark komprimierte Gase steigt die Strömungsgeschwindigkeit v mit zunehmender Rohrlänge L durch Expansion des Gases an, da gleichzeitig der Druck p nichtlinear abfällt (Abb. 2.90a). Man spricht in diesem Zusammengang daher auch von einer Expansionsströmung (Bohl 2005). Für waagerecht verlegte Rohre lässt sich der Druckabfall durch die quadratische Druckabfallformel wie folgt ausdrücken (Mischner 2011): p12  p22 D 4;6401353   

L  %n  T  K  VP 2 d

(2.197)

2.7 Gasströmungen

111

Abb. 2.90 Druck p und Strömungsgeschwindigkeit v für unterschiedliche Rohrströmungen. a Kompressible Rohrströmung. b Inkompressible Rohrströmung

Abb. 2.91 Struktureller Aufbau eines Erdgasnetzes

p1 ist der Druck am Anfang der Rohrleitung und p2 am Ende. K ist die dimensionslose Kompressionszahl. Die wichtigste Anwendung für die Übertragung von Gasen findet in der Energietechnik statt. Bereits vor über 150 Jahren wurden in Deutschland lokale Gasnetze in den Städten aufgebaut, um die Versorgung mit sogenanntem Stadtgas zu realisieren. Seit 50 Jahren

112

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.92 Verschiedene Möglichkeiten der Gasverteilung in einem städtischen Gasnetz. a Verästeltes Strahlen-Rohrnetz. b Vermaschtes Ring-Rohrnetz

wird dieses giftige Gas durch Erdgas ersetzt, das über große Entfernungen (Nordsee, Russland usw.) in die Städte geleitet wird. Berlin war die letzte Stadt in Deutschland, die erst zwischen 1990 und 1996 ebenfalls komplett auf Erdgas umgestellt wurde. Das Gasnetz in Deutschland ist in unterschiedliche Bereiche strukturiert, die in Abb. 2.91 zu sehen sind. Die Zuführung erfolgt über große Hochdruckleitungen von den Erdgasfeldern über Landesgrenzen hinweg in das deutsche Netz. Von hier aus wird es an die verschiedenen lokalen Gasversorger weiter geleitet. Im Netz finden auch Vermischungen der unterschiedlichen Erdgase statt, die aus den unterschiedlichen Ursprungsquellen stammen. Zusätzlich wird heute auch noch ein geringer Anteil aus lokalen Biogasanlagen in das Netz eingespeist. Zukünftig soll auch noch Wasserstoff und Methan, das durch Umwandlung von überschüssigem Windstrom erzeugt wird, in das Erdgasnetz einfließen. Die Verteilung innerhalb der Ortsnetze hängt von verschiedenen Faktoren ab, die durch die Anlagenkosten, Leistungsreserven und Versorgungssicherheit gekennzeichnet sind. In Abb. 2.92 sind zwei typische Strukturen dargestellt, wie man sie in Deutschland in vielen Städten findet. Die Version A., mit einem verästelten Strahlen-Rohrnetz ist sehr kostengünstig. Dieser Aufbau hat aber, hinsichtlich der Reserven und der Versorgungssicherheit, deutliche Einschränkungen, während die sehr teure Variante B diese Nachteile nicht hat. Die Verteilung der Gasmengen innerhalb dieser Netze lässt sich durch entsprechende Berechnungen ermitteln. In Analogie zur Elektrotechnik kann man diese Netzwerksanalysen mit den gleichen Gesetzmäßigkeiten durchführen. Dies sind insbesondere das Ohm’sche Gesetz und die Kirchhoff’schen Regeln. In Abb. 2.93 ist ein Knotenpunkt in einem Gasnetz dargestellt. Die zugeführten Volumenströme müssen nach der 1. Kirchhoff-Regel Null ergeben. Der Verbrauch wird in diesem Fall als abgehender Volumenstrom gerechnet. Jeder einzelne Knotenpunkt erhält im Netz eine eigene Nummer (hier Nr. 6), die auch als Index für die unterschiedlichen Volumenströme und Richtungsangabe dient (z. B. V6!10 ).

2.7 Gasströmungen

113

Abb. 2.93 Definition und Beschriftung eines Knotenpunktes in einem Gasnetz gemäß dem 1. KirchhoffGesetz

Bei der Verknüpfung mehrerer Knotenpunkte zu einer Masche gilt das 2. Kirchhoff Gesetz. Die Summe aller Druckabfälle ps muss ebenfalls Null sein. Dazu ist es erforderlich, die jeweilige Strömungsrichtung zu berücksichtigen, aus der sich dann die Richtung des Druckabfalles ergibt. Diese Richtungen werden vereinbarungsgemäß im Uhrzeigersinn positiv und entgegen dem Uhrzeigersinn negativ gewertet (Abb. 2.94).

Abb. 2.94 Druckverluste p mit Richtungsabgaben (6 ! 5) des Druckabfalls innerhalb einer Masche gemäß dem 2. Kirchhoff-Gesetz. Die Einspeisung in die Masche erfolgt über den Knotenpunkt Nr. 6

114

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Diese Berechnungsgrundlagen gelten streng genommen nur für den Fall, dass es keine Speichereffekte (Puffervolumen) in den Rohrleitungen gibt (stationäre Betriebsbedingungen). Unter diesen Voraussetzungen lassen sich mit den Kirchhoff’schen Gesetzen die Druck- und Volumenstromverhältnisse berechnen. Man nutzt in diesem Fall ein iteratives Näherungsverfahren von Hardy Cross56 . Das auch für komplexe Systeme geeignet ist. Zunächst werden in diesem Verfahren die Volumenströme in den einzelnen Knotenpunkten festgelegt. Dann werden die sich daraus ergebenden Druckverluste verglichen und die Volumenströme korrigiert, bis die Maschenbedingung erfüllt wird. Für die Volumenstromkorrektur ergibt sich dann (Cerbe 2008): VP D 

P 2

ps P ps

(2.198)

VPs

Auch in diesem Fall sind die Vorzeichen für die jeweilige Fließrichtung zu beachten. Zu diesem Thema findet man bei Cerbe (2008) entsprechende Beispielsrechnungen. Strömungswiderstände Die in Tab. 2.29 dargestellte Analogie von strömungstechnischen Größen zu den elektrotechnischen Größen lässt sich auch auf die Berechnung von Widerstandsnetzwerken übertragen. Mit der Gleichung von Darcy und der Kontinuitätsgleichung erhält man (Cerbe 2008): L % 1 (2.199) pR D     2  VP 2 d 2 A Tab. 2.29 Vergleich der Gesetzmäßigkeiten der Elektrotechnik mit der Strömungslehre unter Vernachlässigung der Kompressibilität der Gase Elektrotechnik Strömungsmechanik Strom I Volumenstrom VP 2 Spannung U Druck p Widerstand R pneumatischer Widerstand  Kapazität C Puffervolumen V Ohm’sches Gesetz: p U VP D I D R  1. Kirchhoffs Knotenregel: Die Summe aller Ströme in einem Knotenpunkt ist Null: X X Ii D 0 VPi D 0 2. Kirchoffs Maschenregel: Die Summe aller Spannungen in einer geschlossenen Masche ist Null: X X Ui D 0 ps D 0 56

Hardy Cross (1885–1959) US-amerikanischer Ingenieur.

2.7 Gasströmungen

115

Abb. 2.95 Reihenschaltung von Strömungswiderständen und den dazugehörigen Druckabfall (entspricht dem Spannungsabfall in der Elektrotechnik)

Der Strömungswiderstand Ri kann daher für Rohre durch den folgenden Term beschrieben werden: Ri D  

L % 1   d 2 A2

(2.200)

Für Rohreinbauelemente (Krümmer, Bögen, Armaturen, . . . ) lässt diese Gleichung mit den -Wert modifizieren: Ri D  

% 1  2 A2

(2.201)

Der gesamte Druckverlust, der sich bei einer Reihenschaltung von mehreren Strömungswiderständen ergibt, setzt sich additiv zusammen: pges D p1 C p2 C p3 C : : : C pn pges D Rges  VP 2 D .R1 C R2 C R3 C : : : C Rn /  VP 2  n  X % li 1 i  2C 2 pges D  VP 2  i  2 di Ai Ai i D1

(2.202) (2.203) (2.204)

Werden diese Strömungswiderständen parallel verschaltet, so teilt sich der Volumenstrom entsprechen der einzelnen Strömungswiderstände auf, wobei die Druckabfälle p gleich sind. Es gilt daher: p1 D p2 D p2 D pn

(2.205)

116

2

Physikalische Eigenschaften von Gasen

Abb. 2.96 Parallelschaltung von Strömungswiderständen

s p D Ri VPi2 D Rges VP 2 ! VPi D

p Ri

VP D VP1 C VP2 C VP3 C : : : C VPi

(2.206) (2.207)

Setz man in Gl. 2.207 nun die Terme für den Volumenstrom aus Gl. 2.206 ein so erhält man: s s s s p p p p D C C:::C (2.208) Rges R1 R2 Rn X 1 1 1 1 1 D p C p C:::C p D p R1 R2 Rn Ri Rges i D1 n

p

(2.209)

Für den Druckabfall bei einer Parallelschaltung einzelner Strömungswiderstände (Abb. 2.96) erhält man dann folgenden Ausdruck: VP 2 (2.210) p D  2 n P 1 nD1

p Ri

Für die einzelnen Strömungswiderstande müssen dann, je nach Bauart der Rohreinbauelemente, auch die entsprechenden Kennzahlen eingebunden werden. Diese Kennzahlen erhält man in der Regel, von den Herstellern der Bauelemente, zur Verfügung gestellt.

Literatur

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Physikalische Eigenschaften von Gasen

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http://www.springer.com/978-3-658-10686-7