Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee

für den Bundesfachausschuss BfA - Energie, Abfall, Chemie Rolf Gros • Frank Musiol Dezember 2002

Fakten und Möglichkeiten

Vorbemerkung Der UNO-Klimabericht vom Februar 2001 lässt keine Zweifel an der dringenden Notwendigkeit einer Umstrukturierung unserer heutigen Energieversorgung. Einen beachtlichen Beitrag zur regenerativen Energieversorgung können Windenergieanlagen (WEA) und zukünftig vor allem Offshore-Windparks leisten. Bis Ende 2002 wurden mit ca. 13.500 WEA etwa 3,5% des Stroms in Deutschland erzeugt – Tendenz steigend! Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vom 1. April 2000, das für Offshore-Windparks, die vor 2007 ans Netz gehen, ordentliche Vergütungssätze garantiert, löste einen regelrechten Boom aus: So sind bisher mehr als 20 Anträge allein für die Errichtung von Windparks in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) beim zuständigen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) eingegangen, die meisten davon für die Nordsee. Die Flut der Anträge macht nachdenklich und Vorsicht ist geboten, damit es nicht zu Fehlentwicklungen kommt, mit denen wir bereits teilweise auf dem Festland leben müssen. Ø Es muss vermieden werden, dass die sinnvollen Möglichkeiten der Offshore-Windparks durch realisierte Negativ-Beispiele Schaden nehmen.

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Eine Studie des Ökoinstituts vom Juli 2000 kommt zu dem Schluß: Die Windenergienutzung in Deutschland kann noch erheblich ausgeweitet werden. Um den Landschaftsverbrauch auf ein Mindestmaß einzuschränken, werden in den kommenden Jahren vor allem zwei Strategien an Bedeutung gewinnen. Erstens die Errichtung von Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee und zweitens der Ersatz von Altanlagen mit niedriger Leistung an günstigen Standorten mit Neuanlagen deutlich höherer Kapazität. Vor allem im Bereich der Offshore-Windparks sind zukünftig die größten Zuwächse der Windstromerzeugung zu erwarten.

Wo ist noch Platz innerhalb der 12 Seemeilen-Zone? Die Suche nach geeigneten Standorten in deutschen Hoheitsgewässern hat bei einigen Offshore-Planern schon erste Ernüchterung gebracht, denn die Nord- und Ostsee ist kein grenzenloser Freiraum und ebenso wenig ein unberührtes ökologisches Paradies. Viele Seegebiete sind schon in Anspruch genommen, oder eine Konzession ist vergeben. Hier die wichtigsten Fakten: •

Die Hauptschifffahrtsrouten, insbesondere in Küstennähe, sind stark ausgelastet. Es kommt immer häufiger zu Schiffskollisionen mit verheerenden Folgen für die Umwelt. (Schiffslotsen werden gefordert!)



Die militärischen Sperrgebiete, U-Boot-Übungszonen und Schießübungsplätze nehmen beachtliche Ausmaße ein.



Es bestehen Fischfang-Gebiete für Berufsfischer bzw. es sind Konzessionsflächen vergeben.



Die Erdöl-/Gas-Fördergebiete mit Langzeitverträgen sind festgelegt: Zur Zeit gibt es etwa 450 Förderplattformen. In verlassenen Ölfeldern bleibt erheblich belasteter "Müll" zurück.

Zu beachten sind ebenso die •

länderverbindenden Unterwasser-Kabel- und Pipeline-Trassen



Radar- und Richtfunkkorridore



Bergbauzonen für die Entnahme von Sand und Bodenschätzen, sowie Ablagerungsflächen

All diese Maßnahmen beeinträchtigen das maritime Umfeld in erheblichem Umfang, hinterlassen Schrott, Müll, schädigen die Wasserqualität und das Benthos-Gefüge. Ø Für den NABU sind Nationalparks, potenzielle und ausgewiesene Schutzgebiete nach NATURA 2000 (FFH- und Vogelschutzgebiete) absolute Tabuzonen. Da alle hier aufgeführten Fakten berücksichtigt werden müssen, dürfen OffshoreWindparks innerhalb der 12- Seemeilenzone in der Nordsee nicht gebaut werden, und auch in der Ostsee kommt nur ein Standort in Betracht. Entwurf 4. Dezember 2002

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Die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) 12 Seemeilen (ca. 20 km) von der Küste entfernt beginnt die AWZ und reicht bis zu 200 km in die Meere hinein. Es handelt sich zwar um deutsches Hoheitsgebiet, doch die Rechtslage, inkl. des EU-Rechts, muss der hier angesprochenen Großtechnologie angepasst werden, d.h. bei vielen Fragen herrscht Rechtsunsicherheit. Fest steht, dass auch für die AWZ die EU alle Anrainer-Staaten aufgefordert hat, für alle Habitatstypen (LPT) eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. In der AWZ sind folgende Erschwernisse für die Errichtung von Offshore-Parks zu erwarten: •

größere Wassertiefe (bis 50 m sind z.Zt. im Gespräch) und höhere Wellen



daraus resultieren aufwändigere Gründungsmethoden, sowie riskantere Montagearbeiten



erheblich höhere Anschlusskosten zum Festland



die Arbeiten zu See sind wetterbedingt auf die Sommermonate beschränkt

Folge: Je weiter die Offshore-Parks von der Küste entfernt sind, desto höher werden die Investitionskosten und die Wirtschaftlichkeit nimmt ab.

Es ergeben sich aber auch Akzeptanz-Verbesserungen: •

weniger optische Beeinträchtigungen



der Fischerei-Betrieb auf See nimmt ab



der Schiffsverkehr nimmt ab



naturschutzrelevante Gebiete sind seltener und oft weniger sensibel

Trotz dieser Anforderungen verbleiben in der Nordsee noch große geeignete Bereiche. Auch in der Ostsee kommt eventuell ein Standort in der Rostocker Bucht in Betracht.

Offshore-Parks und der Stand der Technik Die momentane Diskussion über die zukünftigen Größen der WEA und der Offshore-Parks ist noch recht spekulativ, doch folgende Größenordnungen zeichnen sich ab: •

Die derzeitige produktionsreife Anlagengröße verschiedener Anlagenbauer liegt bei rund 2 MW.



Diese WEA der ersten Offshore-Windparks werden eine Turmhöhe (Narbenhöhe) um die 70 m über dem Meeresspiegel aufweisen, bei einem Rotordurchmesser um 80 m bedeutet dies eine Höhe von ca. 110 m.



Mit einer Serienfertigung in kleinen Stückzahlen bis zur 4,5 MW -Klasse ist bis 2005/2006 zu rechnen.

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Die größten Anlagen werden einen Durchmesser bis zu 110 m aufweisen und bei einer Narbenhöhe um die 95 m wird die Gesamthöhe rund 150 m erreichen. Addiert man hier die Wassertiefe und die Einbindung der Gründung in den Meeresboden hinzu, so handelt es sich um beachtliche Bauwerke. Risiken und Unwägbarkeiten abzuschätzen und eine verbindliche Terminplanung aufzustellen birgt noch viele Fragezeichen.

Beispiel: Stellt man sich einen Park von 220 WEA vor (dies entspricht einer installierten Leistung eines AKW!), mit einem angenommenen Abstand der Anlagen untereinander von 800 m, rechnet man Arbeitsplattform, Servicestation, Schiffsanleger und Sicherheitsabstände hinzu, dann beansprucht ein solcher Offshore-Park eine Seefläche von etwa 200 km². Wahrlich ein nicht zu übersehender Eingriff! Exkurs: Wer aus diesem Grunde jedoch Offshore-Windparks ablehnt, der sollte es nicht versäumen, sich einmal die Braunkohletagebaue in Nordrhein-Westfalen oder in den neuen Bundesländern anzusehen. Dort werden einige tausend km² Kulturland völlig umgekrempelt, ohne Rücksicht auf Mensch, Flora und Fauna, von den klimazerstörenden Emissionen ganz zu schweigen.

Weiteres Vorgehen Fast alle Investoren-Gruppen planen derzeit, mit Pilotprojekten von ca. 80 Anlagen zu starten. Meist sind zunächst WEA der 2,0 bis 2,5 MW-Klasse vorgesehen. Man muss Erfahrungen sammeln und technische Details verbessern. Und man will die Machbarkeit beweisen und somit die Investoren für die Finanzierung überzeugen. Schließlich handelt es sich um eine neue Großindustrie, mit Tausenden von neuen Arbeitsplätzen und einem Investitionsvolumen von vielen Milliarden Euro. Auch die naturschutzrelevanten Kriterien sind in dieser Zeit zu beachten. Es ist in der Fachwelt unstrittig, dass die Auswirkungen solcher Großprojekte auf die belebte Meeresumwelt noch weitgehend unbekannt und unerforscht sind. Auch der NABU hält noch viele Untersuchungen für notwendig, um Folgen für die Vogelwelt zum einen und die Unterwasserwelt zum anderen zu erforschen. Dabei ist abzusehen, dass die Hauptvorkommensgebiete der vom Aussterben bedrohten Arten (z.B. Schweinswal, Kegelrobben, Sterntaucher) als absolute Tabuzonen ausgewiesen werden müssen. Auch die Auswirkungen von Schall- und Schwingungen, ausgelöst von den Rotoren und durch die Verankerung in den Meeresboden (Benthosbereich) übertragen, sind noch völlig unbekannt. Ebenso ist der rotierende Schattenwurf als Störeffekt u.v.m. zu untersuchen. Entwurf 4. Dezember 2002

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Ø Hier sind auch die Naturschutzverbände gefordert, ihr Wissen mit einzubringen und sich als kompetente Mitstreiter zu erweisen.

Mehrfachnutzung der Flächen Auch über eine Mehrfachnutzung von Flächen, die wir der "freien Natur" wegnehmen, muss erlaubt sein nachzudenken. So können die "künstlichen Offshore-Inseln" für Pilotuntersuchungen genutzt werden wie z.B. für die •

Nutzung der Wellenkraftenergie - z. B. durch "Schwimmkörper".



Nutzung der Gezeitenkraft - z.B. durch "Unterwasserrotoren".



Nutzung für Zucht von Schalentieren und Fischzuchtfarmen.



Einrichtung von Landungsstegen für Segler, bis hin zur Touristenattraktion.



Auch die Umwandlung von "Windstrom" in Wasserstoff vor Ort, d.h. auf einer Seeplattform, wäre eine gute Alternative mit Blick in die Zukunft, insbesondere für sehr weit von der Küste entfernte und sicher erst in einigen Jahren realisierbare Offshore-Windparks.



Dabei würde der extrem teure Kabelanschluss zur Küste entfallen und neue ÜberlandHochspannungstrassen entfallen.

Ø Auch der NABU ist aufgerufen, mit innovativen Ideen an der Zukunft mitzuarbeiten!

Ausblick Strategische Überlegungen der Bundesregierung sehen so aus, dass bis 2010 OffshoreWindparks mit einer Leistung von 2.000 – 3.000 MW realisiert werden könnten; bis 2030 könnten es bereits 20.000 – 25.000 MW sein, das entspräche 15% der Produktion unseres heutigen Stromverbrauches. Ø Doch bis dahin sind noch viele Hindernisse zu bewältigen: • gesetzlicher

• technischer

• wirtschaftlicher

• naturrelevanter und • gesellschaftlicher Art!

Fall „Butendiek“ – Fehlstart für Offshore-Windenergie? In der Planung und Genehmigungsphase am weitesten fortgeschritten ist der Butendiek-Park (80 WEA der 3 MW-Klasse) ca. 34 km westlich von Sylt. Leider liegt dieser Park innerhalb eines IBA-Gebietes und der NABU sieht diese Lage äußerst kritisch. Die Bundesregierung hat in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt sowie dem Bundesamt für Naturschutz ein Stufenkonzept erarbeitet, das einen naturschutzgerechten Entwurf 4. Dezember 2002

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Ausbau der Offshore-Windenergie in Nord- und Ostsee gewährleisten soll. Auch im Rahmen der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes wurden neue Steuerungsinstrumente – wie die Ausweisung mariner Schutzgebiete – kreiert. Nun waren die Absichtserklärungen gut – es mangelt jedoch an der entsprechenden Umsetzung (Stand: Dezember 2002). So ist das erste bedeutsame Projekt, das noch bis Ende 2002 genehmigt werden sollte, zwar von seiner Idee her ein sympathisches, weil es sich um einen sogenannten Bürgerwindpark handelt: Unter dem Namen „Butendiek“ sollen 34 Kilometer westlich von Sylt 80 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 240 Megawatt errichtet werden. Der NABU muss jedoch gerade dieses ablehnen, da der Standort im Zentrum des IBA „Östliche Deutsche Bucht“ liegt – einem Gebiet mit international bedeutsamen SeetaucherVorkommen, das zur Ausweisung als Schutzgebiet ansteht. Die Genehmigungsbehörde – das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) – scheint von einer erheblichen Beeinträchtigung des IBA durch den Windpark nicht überzeugt zu sein und will genehmigen. Das Bundesumweltministerium betrachtet Butendiek schon lange als Prestigeobjekt und drückte besonders vor der Wahl aufs Tempo. Für den NABU ist jedoch klar: In marinen Schutzgebieten und solchen, die es werden sollen, dürfen keine Windparks errichtet werden. Mit ihrem Stufenplan wollte die Bundesregierung eben dieses Ziel verfolgen. Eine Genehmigung von Butendiek – noch dazu vor Vorliegen der Schutzgebietskulissen – ist somit ein denkbar schlechter Start für die Offshore-Windenergie. Literatur Krüger, J.-A. (November 2002): NABU-Schutzgebietskonzept für deutsche Meere; NATURA 2000-Schutzgebiete in Nord- und Ostsee. 13 Seiten + Anhang +2 Karten. (hierin auch umfangreiche Literarurangaben zur NATURA 2000-Thematik in Nord- und Ostsee). Das Schutzgebietskonzept kann im Internet unter http://www.nabu.de/m06/m06_01/00845.html. nachgelesen werden.

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