Notizen zu "Mathematische Grundlagen der Finanzwirtschaft"

Notizen zu "Mathematische Grundlagen der Finanzwirtschaft" PD Dr. habil. Thomas Kalmes Wintersemester 15/16 Version vom 3.2.16 Inhalt 1 Einleitung ...
Author: Stefanie Fromm
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Notizen zu "Mathematische Grundlagen der Finanzwirtschaft" PD Dr. habil. Thomas Kalmes Wintersemester 15/16 Version vom 3.2.16

Inhalt

1 Einleitung

2

2 Wiederholung: Differential- und Integralrechnung

8

2.1

Funktionsgrenzwerte und Differenzierbarkeit . . . . . . . . . . . . . .

2.2

Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

2.3

Differentialrechnung in mehreren Veränderlichen . . . . . . . . . . . . 28

3 Einführung in gewöhnliche Differentialgleichungen

8

36

3.1

Gleichungen mit getrennten Veränderlichen . . . . . . . . . . . . . . . 36

3.2

Untersuchung der Beispiele aus Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . 43

3.3

Ausblick auf die allgemeine Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

4 Wahrscheinlichkeitstheorie

59

4.1

Elementare Wahrscheinlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

4.2

Verteilungsfunktionen und Wahrscheinlichkeitsdichten . . . . . . . . . 100

4.3

Erwartungswert, Varianz, Momente und Quantile einer Zufallsvariablen123

4.4

Gemeinsame Verteilung, bedingte Verteilungen und stochastische Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

5 Arbitrage und finanzmathematische Grundbegriffe

171

6 Bewertung von Optionen im n-Perioden-Marktmodell

186

6.1

Das 1-Perioden-Binomialbaummodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

6.2

Das n-Perioden-Binomialbaummodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

6.3

Übergang vom n-Perioden-Binomialbaummodell zu einem stetigen Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

7 Ein Blick auf das Black-Scholes-Modell

235

7.1

Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

7.2

Preisformel und Hedge für Call- und Put-Optionen . . . . . . . . . . 236

7.3

Die Griechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

7.4

Wahrscheinlichkeiten im Black-Scholes-Modell . . . . . . . . . . . . . 253

7.5

Implizite Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

8 Portfolio-Optimierung

258

8.1

Das Markowitz-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

8.2

Extremwerte unter Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

8.3

Das varianzminimierende Portfolio im Markowitz-Modell . . . . . . . 264

Einleitung

1

2

Einleitung

Ich kam zu der Überzeugung, dass mathematische Analysis nicht eine von vielen Möglichkeiten ist, ökonomische Theorie zu betreiben: Es ist die einzige Möglichkeit. Ökonomische Theorie ist mathematische Analysis. Alles andere sind dagegen nur Bilder und Gerede.

R.E. Lucas, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften

Wozu Mathematik?

Antworten auf Grundlage des Modells/der Theorie; empirische Überprüfung

Ökonomische Fragestellung (z. B. Bewertung von Optionen, Preisbildungsprozess, Volkswirtschaftliches Wachstum, etc.)

Schlussfolgerungen aus dem Modell

Modellierung, Reduktion auf wesentliche Faktoren

(Mathematisches) Modell/ Theorie

Analyse des Modells (Mathematik) Werkzeuge hierzu: Vorlesung Beispiel 1.1. (Preisbildungsmodell nach Evans) Wir betrachten einen abgeschlossenen Markt für ein Gut und nehmen an, dass keiner der Marktteilnehmer einen Einfluss auf den Preis p hat. In Abhängigkeit des Preises haben wir die aggregierte Nachfragefunktion d = d(p) = α − a · p ("demand") Mathematische Grundlagen der Finanzwirtschaft

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Einleitung

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sowie die aggregierte Angebotsfunktion s = s(p) = β + b · p ("supply"), wobei α, β, a, b > 0 exogene Konstanten sind, die etwa mit statistischen Methoden aus empirischen Daten gewonnen wurden. s, d α

s(p)

β

d(p) p∗

p (in e)

Der Markt ist im Gleichgewicht, wenn Angebot und Nachfrage übereinstimmen, wenn also gilt d(p) = s(p) ⇔ α−a·p=β+b·p ⇔ α − β = a · p + b · p = (a + b) · p α−β ⇔ p= . a+b Also sind Angebot und Nachfrage nur dann gleich, wenn der Preis des Gutes den Wert p∗ =

α−β a+b

hat. Was aber geschieht, wenn für den Preis p 6=

α−β a+b

gilt?

Wir machen die sinnvolle Annahme, dass im Laufe der Zeit der Preis steigen wird, wenn ein Nachfrageüberschuss vorliegt und dass er sinken wird, wenn ein Angebotsüberschuss herrscht. Wir fassen den Preis daher als Funktion der Zeit Mathematische Grundlagen der Finanzwirtschaft

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Einleitung

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("time") auf, die wir z.B. in Minuten messen, also p = p(t). Damit werden auch die aggregierte Angebots- und Nachfragefunktion zu Funktionen der Zeit: d = d(t) = α − a · p(t), s = s(t) = β + b · p(t).

(1)

Wie lässt sich eine Preisänderung modellieren? Zum Zeitpunkt t gelte p(t) = 100 (e) und zu einem späteren Zeitpunkt s gelte p(s) = 110 (e). Die Preisdifferenz beträgt also p(s) − p(t) = 10 Ist das eine starke Preisänderung? Das hängt ganz von der verstrichenen Zeit ab: falls s − t = 40320 (Minuten), was einem Monat entspricht, ist die Preisänderung vielleicht gering. Falls s − t =

1 60

(Minuten), was einer Sekunde entspricht, ist die

Preisänderung eher groß. setze Preisdifferenz in Relation zur verstrichenen Zeit p(s)−p(t) s−t

gutes Maß für die Preisänderung. Im ersten Fall (s − t = 40320 also

s = 40320 + t) erhalten wir p(t + 40320) − p(t) 110 − 100 = ≈ 0, 00025, (t + 40320) − t 40320 im zweiten Fall (s − t =

1 60

also s = t +

1 ) 60

1 p(t + 60 ) − p(t) 110 − 100 = = 600. 1 1 (t + 60 ) − t 60

Aber was ist "Preisänderung" zum Zeitpunkt t? (Oben ist immernoch ein zweiter Zeitpunkt, s, involviert.) Dazu betrachten wir p(s) − p(t) für s "sehr nahe" an t s−t

lim s→t

p(s) − p(t) = p0 (t) s−t

(wir gehen davon aus, dass die Funktion p = p(t) differenzierbar ist).

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Also: Preisänderung zum Zeitpunkt t wird beschrieben durch die Ableitung der Funktion p = p(t): p0 (t) = Preisänderung zum Zeitpunkt t. Wir formlieren nochmals unsere Annahme, dass der Preis bei einem Nachfrageüberschuss steigt bzw. bei einem Angebotsüberschuss sinkt:   > 0, falls Nachfrage zum Zeitpunkt t größer als Angebot        ⇒ Preissteigerung, also p0 (t) > 0 d(t) − s(t)    < 0, falls Angebot zum Zeitpunkt t größer als Nachfrage       ⇒ Preissenkung, also p0 (t) < 0. Wir nehmen weiter an, dass eine Preissteigerung umso größer ausfällt, je größer der Nachfrageüberschuss ist und treffen die Modellannahme, dass sich dieser Zusammenhang modellieren lässt durch (2)

p0 (t) = γ(d(t) − s(t)), wobei γ > 0 eine exogene Konstante ist, d.h.

Preisänderung zum Zeitpunkt t ist proportional zum Nachfrageüberschuss zum Zeitpunkt t. Kombiniert man die Gleichungen (1) und (2), erhält man p0 (t) = γ(d(t) − s(t)) = γ(α − a · p(t) − β − b · p(t))

(3)

= γ(α − β) − γ(a + b)p(t). Können wir aus dieser Beziehung zwischen p und p0 eine explizite Formel für die Preisfunktion herleiten und damit unter den von uns gemachten Modellannahmen eine Prognose zur Entwicklung des Marktpreises abgeben? Mathematische Grundlagen der Finanzwirtschaft

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Einleitung

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Beispiel 1.2. (Neoklassisches Wachstumsmodell nach Solow, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften) Wir betrachten eine geschlossene Volkswirtschaft und ihre zeitliche Entwicklung. Als Modellkomponenten wählen wir Y

= Y (t) Volkseinkommen (in Abhängigkeit der Zeit t)

A = A(t) Produktionsfaktor Arbeit (in Abhängigkeit der Zeit t) K = K(t) Produktionsfaktor Kapital (in Abhängigkeit der Zeit t) und treffen die Annahme, dass diese Größen durch eine Cobb-Douglas-Funktion auf die folgende Art und Weise zusammenhängen (4)

Y (t) = K(t)α · A(t)1−α ,

wobei 0 < α < 1 eine empirisch zu bestimmende, exogene Modellkonstante ist. Wir treffen weitere Modellannahmen: i) Die Wachstumsrate der Bevölkerung ist konstant (b = Wachstumsrate) und der Produktionsfaktor Arbeit hängt nur von der Bevölkerung ab: A0 (t) = b · A(t) (Änderung der Arbeitskraft ist proportional zur vorhandenen Arbeitskraft, wobei Proportionalitätskonstante die Wachstumsrate der Bevölkerung ist; kurz: Wachstumsrate Arbeitskraft=Wachstumsrate Bevölkerung) ii) Änderung des Kapitalstocks ausschließlich durch Investitionen I: K 0 (t) = I(t) iii) Investitionen sind proportional zum Volkseinkommen: I(t) = s · Y (t), wobei 0 < s < 1 die als konstant angenommene Investitionsquote ist. Mathematische Grundlagen der Finanzwirtschaft

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Kombiniert man Modellannahmen ii) und iii) zusammen mit Gleichung (4), erhält man aus den Annahmen für den Produktionsfaktor Kapital: K 0 (t) = I(t) = s · Y (t) = s · K(t)α · A(t)1−α , sowie für den Produktionsfaktor Arbeit nach i) A0 (t) = bA(t). Können wir aus diesen Beziehungen zwischen K, K 0 , A und A0 eine explizite Formel für die beiden Funktionen K(t) und A(t) und damit auch für das Volkseinkommen Y (t) = K(t)α · A(t)1−α herleiten, um damit unter den von uns gemachten Modellannahmen Prognosen für diese Größen zu geben?

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Wiederholung: Differential- und Integralrechnung

2

8

Wiederholung: Differential- und Integralrechnung

In diesem Kapitel wiederholen wir kurz wichtige Resultate aus der Differential- und Integralrechnung, die wir im Verlauf der Vorlesung immer wieder benötigen werden.

2.1

Funktionsgrenzwerte und Differenzierbarkeit

Wir verwenden die übliche Schreibweise für Intervalle, d.h. für reelle Zahlen a, b (kurz a, b ∈ R) mit a < b ist - [a, b] = {x ∈ R; a ≤ x ≤ b} (Kurzschreibweise für die Menge derjenigen reellen Zahlen x, die größer gleich a und kleiner gleich b sind) das abgeschlossene Intervall zwischen a und b - die Randpunkte a und b sind in diesem Intervall enthalten - (a, b) = {x ∈ R; a < x < b} (Kurzschreibweise für die Menge derjenigen reellen Zahlen x, die echt größer als a und echt kleiner als b sind) das offene Intervall zwischen a und b - die Randpunkte a und b sind in diesem Intervall nicht enthalten - [a, b) = {x ∈ R; a ≤ x < b} (Kurzschreibweise für die Menge derjenigen reellen Zahlen x, die größer gleich a und echt kleiner als b sind) - der Randpunkt a ist in diesem Intervall enthalten, der Randpunkt b nicht - (a, b] = {x ∈ R; a < x ≤ b} (Kurzschreibweise für die Menge derjenigen reellen Zahlen x, die echt größer als a und kleiner gleich b sind) - der Randpunkt a ist in diesem Intervall nicht enthalten, der Randpunkt b hingegen schon - [a, ∞) = {x ∈ R; a ≤ x} (Kurzschreibweise für die Menge derjenigen reellen Zahlen x, die größer gleich a sind) das nach oben unbeschränkte, abgeschlossene Intervall mit Randpunkt a, der in diesem Intervall enthalten ist Mathematische Grundlagen der Finanzwirtschaft

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- analog (a, ∞), (−∞, a], (−∞, a) und (−∞, ∞) = R. Unter einem Intervall verstehen wir eine Menge reeller Zahlen vom obigen Typ (für geeignetes a und b), wir bezeichnen Intervalle im allgemeinen mit I. Z.B. sind Zinsraten in der Regel zwischen 0 und 1, liegen also im Intervall [0, 1]. Als erstes wiederholen wir den wichtigen Begriff des Grenzwerts einer Funktion in einem Punkt und den Begriff der Stetigkeit einer Funktion. Hierzu sei daran erinnert, dass der Abstand zweier Zahlen y1 , y2 durch |y1 − y2 | gegeben ist. Definition 2.1. Es sei I ein Intervall und g : I → R eine Funktion. Weiter sei x0 ∈ R fest1 , so dass x0 in I liegt oder ein Randpunkt von I ist. i) Eine Zahl ` ∈ R heißt Grenzwert (oder Limes) von g an der Stelle x0 , wenn sich g(x) beliebig gut dem Wert ` annähert, wann immer x 6= x0 hinreichend nahe an x0 liegt; präzise formuliert: zu jeder vorgegebenen Zahl ε > 0 (misst, wie nahe g(x) an ` liegen soll, weshalb sehr kleine Werte von ε die interessanten sind: es soll |g(x) − `| < ε gelten wann immer x 6= x0 "nahe genug an x0 " liegt) findet man eine Zahl δ > 0 (gibt an, wie nah x an x0 heranrücken muss, damit man "nahe genug an x0 " liegt), so dass für jedes x ∈ I mit x 6= x0 und |x − x0 | < δ stets |g(x) − `| < ε gilt. Falls g an der Stelle x0 einen Grenzwert hat, so ist diese Zahl eindeutig bestimmt und man schreibt auch limx∈I,x→x0 g(x) = ` bzw. limx→x0 g(x) = `, wenn die Referenz auf den sog. Definitionsbereich I der Funktion g unnötig ist. (Andere Bezeichnung: g konvergiert an x0 gegen `.) ii) Man sagt, dass g in x0 gegen unendlich (∞) strebt, falls g(x) beliebig groß wird, wann immer x 6= x0 nahe genug an x0 liegt; präzise formuliert: zu jeder 1

Wir bezeichnen mit x0 eine fest gewählte, aber beliebige Zahl, nicht zu verwechseln mit "x

hoch 0"; natürlich könnten wir auch x0 anstatt x0 schreiben, aber da wir im folgenden oft mit n-Tupeln von Zahlen (x1 , x2 , . . . , xn ) zu tun haben werden, ist diese Schreibweise eher verwirrend.

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Wiederholung: Differential- und Integralrechnung

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vorgegebenen Zahl C > 0 (misst, wie groß g(x) ist, weshalb große Werte für C interessant sind: es soll g(x) > C gelten wann immer x 6= x0 "nahe genug an x0 " liegt) findet man eine Zahl δ > 0 (gibt an, wie nah x an x0 heranrücken muss, damit man "nahe genug an x0 " liegt), so dass für jedes x ∈ I mit x 6= x0 und |x − x0 | < δ stets g(x) > C gilt. Schreibweise limx∈I,x→x0 g(x) = ∞ bzw. limx→x0 g(x) = ∞, wenn die Referenz auf den sog. Definitionsbereich I der Funktion g unnötig ist. Analog ist limx∈I,x→x0 g(x) = −∞ (kürzer limx→x0 g(x) = −∞) definiert: zu jeder vorgegebenen Zahl C < 0 (misst, wie klein g(x) ist, weshalb kleine Werte für C interessant sind: es soll g(x) < C gelten wann immer x 6= x0 "nahe genug an x0 " liegt) findet man eine Zahl δ > 0 (gibt wieder an, wie nah x an x0 heranrücken muss, damit man "nahe genug an x0 " liegt) so dass für jedes x ∈ I mit x 6= x0 und |x − x0 | < δ stets g(x) < C gilt. iii) Ist I ein nach oben unbeschränktes Intervall (also I = [a, ∞) oder I = (a, ∞) oder I = R = (−∞, ∞)) und ` ∈ R, so sagt man, dass g an unendlich gegen ` konvergiert, wenn sich g(x) beliebig gut dem Wert ` annähern, wann immer x hinreichend groß ist; präzise formuliert: zu jeder vorgegebenen Zahl ε > 0 (misst wieder, wie nahe g(x) an ` liegen soll, weshalb sehr kleine Werte von ε die interessanten sind: es soll |g(x) − `| < ε gelten wann immer x "groß genug" ist) findet man eine Zahl D > 0 (gibt an, wie groß x sein muss, damit es "groß genug" ist) so dass für jedes x ∈ I mit x > D stets |g(x)−`| < ε gilt. Falls g an unendlich einen Grenzwert hat, so ist diese Zahl eindeutig bestimmt und man schreibt limx∈I,x→∞ g(x) = ` bzw. limx→∞ g(x) = `, wenn die Referenz auf den sog. Definitionsbereich I der Funktion g unnötig ist. (Andere Bezeichnung: g konvergiert an ∞ gegen `.) Analog definiert man limx→∞ g(x) = ∞ (g konvergiert an unendlich gegen unendlich): zu jeder vorgegebenen Zahl C > 0 (misst, wie groß g(x) ist, weshalb große Werte für C interessant sind: es soll Mathematische Grundlagen der Finanzwirtschaft

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g(x) > C gelten wann immer x "groß genug" ist) findet man ein D > 0 (gibt an, wie groß x sein muss, damit es "groß genug" ist), so dass für jedes x ∈ I mit x > D stets g(x) > C gilt. iv) Für ein nach unten unbeschränktes Intervall (also I = (−∞, a] oder I = (−∞, a) oder I = (−∞, ∞) = R) sind analog limx∈I,x→−∞ g(x) definiert. v) Für x0 ∈ I fest heißt die Funktion g stetig in x0 , falls limx→x0 g(x) = g(x0 ) gilt. Andernfalls heißt g unstetig in x0 . vi) g heißt stetig (in I), falls g in jedem x0 ∈ I stetig ist. Beispiel 2.2.

i) Wir betrachten die Funktion g : R → R, g(x) = x und zeigen,

dass limx→x0 g(x) = x0 (= g(x0 )) für jedes x0 ∈ R. Insbesondere ist g dann als stetig erkannt. Es sei also x0 ∈ R und wir geben uns eine Zahl ε > 0 vor (z.B. ε = 12 ). Wir müssen eine Zahl δ > 0 finden, so dass |g(x) − g(x0 )| < ε für alle x 6= x0 mit |x − x0 | < δ. Wegen ε > |g(x) − g(x0 )|

Definition

=

von g

|x − x0 |.

können wir offenbar δ = ε wählen (also z.B. δ =

1 2

falls ε = 21 ): wann immer

x 6= x0 und |x − x0 | < ε ist |g(x) − g(x0 )| < ε. ii) Wir betrachten die Funktion g : R → R, g(x) = x2 . Dann gilt limx→0 g(x) = 0: Wir geben uns eine Zahl ε > 0 (z.B. ε =

1 ) 100

vor und müssen eine Zahl δ > 0

finden, so dass |g(x) − 0| < ε für jedes x 6= 0 mit |x − 0| < δ. Wir haben ε > |g(x) − 0|

Definition

=

von g

|x2 − 0| = |x2 |,

so dass wir wegen ε > |x2 | ⇔ |x|
0 vor (z.B. ε = 13 ) und müssen eine Zahl D > 0 finden, so dass |g(x) − 0| < ε für alle x ∈ (0, ∞) mit x > D. Wegen ε > |g(x) − 0|

Definition

=

von g

1 x>0 1 | − 0| = x x

1 ⇔ x> ε leistet z.B. D = x>

1 ε

1 ε

(D = 3, falls ε = 13 ) das Gewünschte: jedes x ∈ (0, ∞) mit

erfüllt |g(x) − 0| < ε, woraus limx→∞ g(x) = 0 folgt.

Zu "limx→0 g(x) = ∞": Wir geben uns eine Zahl C > 0 vor (z.B. C = 10 000) und müssen eine Zahl δ > 0 finden, so dass g(x) > C für alle x ∈ (0, ∞) mit

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Wiederholung: Differential- und Integralrechnung

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|x − 0| < δ. Wegen C < g(x) leistet z.B. δ =

1 C

x ∈ (0, ∞) mit x
0 1 ⇔ x< x C

falls C = 10 000) das Gewünschte: jedes

erfüllt g(x) > C.

Wir zeigen jetzt noch, dass g stetig ist, dass also limx→x0 g(x) = g(x0 ) für jedes x0 ∈ (0, ∞). Sei dazu x0 ∈ (0, ∞) (z.B. x0 = 2) und ε > 0 (z.B. ε =

1 ). 10

Wir

müssen eine Zahl δ > 0 angeben, so dass |g(x) − g(x0 )| < ε für alle x ∈ (0, ∞) mit x 6= x0 und |x − x0 | < δ. Wir formen zunächst um: ε > |g(x) − g(x0 )| x,x0 >0



Definition

=

von g

1 1 x0 − x | − 0| = | | x x x · x0

(5)

|x − x0 | < ε · x0 · x

Da ε·x0 ·x noch von x abhängt, können wir diese Zahl nicht als unser δ wählen. Falls aber x >

x0 2

ist und außerdem |x − x0 | < ε · x0 ·

x0 2

gilt, so folgt

x0 |x − x | < ε · x · 2 0

0

< ε · x0 · x (da x >

x0 ), 2

weswegen für diese x aufgrund der obigen Umformung (5) dann |g(x)−g(x0 )| < ε gilt. Also einerseits sollte x > ε·(x0 )2 2

x0 2

0

und andererseits sollte |x−x0 | < ε·x0 · x2 =

erfüllt sein, damit |g(x)−g(x0 )| < ε gilt. Die Bedingung ”x >

alle x erfüllt, die |x − x0 |