Netzwerkbildung und -management im Gesundheitswesen

Netzwerkbildung und -management im Gesundheitswesen Dipl. Psych. Christine Friedmann Dr. phil. Sascha Sommer Dipl. Ing. (FH) Martina Frießem, M. Sc. ...
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Netzwerkbildung und -management im Gesundheitswesen

Dipl. Psych. Christine Friedmann Dr. phil. Sascha Sommer Dipl. Ing. (FH) Martina Frießem, M. Sc. Prof. Dr. phil. Joachim Zülch Unter Mitwirkung von Anna Ganz (Stud. Hilfskraft)

Lehrstuhl für Industrial Sales Engineering, Fakultät für Maschinenbau an der Ruhr-Universität Bochum

Version 1.0 (Januar 2011)

Erstellt im Rahmen des Projekts Post-Reha-Netzwerk: Entwicklung integrativer Dienstleistungspakete für die betriebliche und private Lebenswelt

Gefördert durch das Land Nordrhein-Westfalen und die Europäische Union im Rahmen des Ziel 2-Programms

Förderkennzeichen 005-GW01-226A

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Inhalt 1.

Herausforderung Netzwerkgestaltung .............................................................................................. 3

2.

Faktoren des Netzwerkmanagements ............................................................................................... 4 2.1 Netzwerkanalyse ........................................................................................................................... 5 2.1.1 Organisationstyp ..................................................................................................................... 5 2.1.2 Entwicklungsstand.................................................................................................................. 8 2.1.3 Beteiligte Akteurstypen .........................................................................................................10 2.1.4 Intensität der Kooperation ......................................................................................................10 2.1.5 Interne und externe Beziehungen ...........................................................................................11 2.1.6 Teilsysteme ...........................................................................................................................11 2.1.7 (Potentieller) Nutzen und Ziele ..............................................................................................11

3.

Erfolgsfaktoren der Netzwerkgestaltung .........................................................................................12 3.1 Misserfolgsfaktoren ......................................................................................................................15

4.

Optimierung der Netzwerkgestaltung .............................................................................................16

5.

Qualitätsmerkmale von Gesundheits-Netzwerken ...........................................................................19 5.1 Qualitätsentwicklung in Gesundheits-Netzwerken ........................................................................20

6.

Resümee ........................................................................................................................................22

Literatur

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Netzwerkbildung- und management im Gesundheitswesen

1. Herausforderung Netzwerkgestaltung Der Zusammenschluss von Unternehmungen zu kooperativen Netzwerken hat in den letzten Jahren laut den Berlinern Wirtschaftswissenschaftlern Stephan Manning und Jörg Sydow (2006) stark zugenommen. Dies wird besonders deutlich im Gesundheitswesen, wo sich ein klarer Trend zur Netzwerkbildung zeigt (vgl. Georg, 2007; Schicker, 2008; Sydow, 2006). Begründet wird die Zunahme in diesem Bereich insbesondere

durch

umfassende

strukturelle

Gesetzesänderungen

im

Jahr

2004

(GKV-

Modernisierungsgesetz), mit der Forderung einer stärkeren Standardisierung bei der Behandlung von Patienten durch das Prinzip der integrierten Versorgung, um die Qualität und die Effizienz des Gesundheitssystems zu steigern. Es hat sich gezeigt, dass die bisherige Praxis der sektoralen Abschottung ambulanter, stationärer, rehabilitativer und pflegerischer Versorgung häufig Behandlungsdiskontinuitäten sowie Über-, Unter- und Fehlversorgungen zur Folge hat (Georg, 2007). Auch wünschen vor allem die älteren, oft chronisch erkrankten und multimorbiden Patienten verstärkt eine ganzheitliche und umfassende Betreuung. Weil sich zudem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erschweren und die traditionelle fragmentierte Einzelpraxis den oben genannten Forderungen auf Dauer nicht mehr gewachsen ist, haben sich viele Unternehmungen

zu

einer

arbeitsteiligen

Vernetzung

zusammengeschlossen,

um

weiterhin

wettbewerbsfähig zu bleiben (Schicker, 2008). Damit verbundene Wünsche und Ziele der Netzwerkpartner sind neben der verstärkt zielgerichteten Koordination der integrierten Versorgung vordergründig die Erschließung sogenannter Synergieeffekte durch die Bündelung von Kompetenzen mittels einer gegenseitigen Nutzung von Wissen und Ressourcen, wie Arbeitskräften, Verantwortung, Organisation oder Kapital sowie Kosten- und Zeiteinsparungen und schließlich eine Erhöhung der Patientenzufriedenheit. Außerdem bietet die Netzwerkform erhebliche Lerneffekte für die beteiligten Unternehmungen (MA&T Organisationsentwicklung GmbH, 2010). Der Zusammenschluss von Unternehmungen führt jedoch zu einem organisatorischen Wandel mit erhöhtem Koordinations- und Kommunikationsbedarf, was zu neuen, netzwerkspezifischen Problemen führen kann (Schicker, 2008). Gleichwohl gibt es bislang kaum professionalisierte Handlungskonzepte zur Gestaltung eines auf Dauer erfolgreich kooperierenden Netzwerks. Vor diesem Hintergrund soll die vorliegende Arbeit auf der Basis einer umfassenden Literatursichtung aus Wissenschaft und Praxis die zugrunde liegenden – theoretischen – Prinzipien zur Optimierung von Netzwerken darlegen. Dabei werden sowohl Faktoren die zum Erfolg als auch jene, die zum Misserfolg eines Netzwerks führen können einbezogen. WWW.RUB.DE/ISE

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2. Faktoren des Netzwerkmanagements Sydow (1992, S. 82) definiert ein Netzwerk als eine auf einen konkreten Gegenstand ausgerichtete „Organisationsform ökonomischer Aktivitäten zwischen Markt und Hierarchie [...], die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen [...] Unternehmungen auszeichnet“. Am Beispiel des Gesundheitswesens konkretisiert ist ein sogenanntes Gesundheitsnetzwerk eine „Kooperation von Dienstleistern im Gesundheitswesen zur Steigerung

der

Qualität

im

Hinblick

auf

Medizin,

Betriebswirtschaft,

Zeitmanagement,

Gesundheitsmanagement und Patientenzufriedenheit“ (Schlicht, 2001, S. 252). Das allgemeine Ziel der Beziehungen im Netzwerk ist stets, „durch eine Abstimmung der komplementären Fähigkeiten der am Netzwerk Beteiligten Synergieeffekte zu erreichen, die den Nutzen aller Beteiligten mehren“ (Teller, 2002). Die Bildung und Gestaltung von Netzwerken ist eine komplexe Aufgabe. Unterschiedliche Netzwerkarten zeichnen sich durch ihre Verschiedenartigkeit in Form, Typ und Entwicklungsstadium sowie durch die starke Dynamik und Vielschichtigkeit der Beziehungen der Netzwerkpartner aus. Beispielsweise spielt gegenseitiges Vertrauen in Netzwerken eine besonders große Rolle. Somit erweitern sich nach Sydow (2006) bei der (Unternehmens-) Beratung von Netzwerken die üblichen Aspekte von Planung, Organisation, Kontrolle, des Personaleinsatzes und der Personalführung um beziehungsspezifische Aufgaben wie Anbahnung, Austausch und Koordination mehrerer Unternehmungen. Schließlich sind es die Beziehungen, von dem das Netzwerk lebt. Insgesamt ist die Gestaltung von vernetzten Unternehmungen immer eine spezifische und individuelle Aufgabe. Aus der aktuellen Forschungsliteratur und anhand von Praxisbeispielen lassen sich aber durchaus allgemeine Handlungsempfehlungen und Prinzipien ableiten. Das Netzwerkmanagement gliedert sich in Anlehnung an die Aufgaben der Netzwerkberatung nach Günter Schicker (2008) in die Phasen der Analyse und der Prozessgestaltung. Zunächst gilt es jedoch kritisch anzumerken, dass es bei Netzwerken häufig gerade an einem im Netzwerk hauptberuflich tätigen, am besten externen und daher neutralen Netzwerkmanagement mangelt. Vielmehr ist häufig eine Person innerhalb des Netzwerks zu dieser Funktion eingeteilt, die das Netzwerk jedoch oft gezwungenermaßen nur neben dem eigentlichen Beruf leitet. Dies haben Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg festgestellt, in der Zusammenschlüsse von Arztpraxen systematisch analysiert wurden (Schicker, Kohlbauer & Bodendorf, 2008).

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2.1 Netzwerkanalyse Zu Beginn steht die Analyse der vorhandenen Netzwerkstruktur und der beteiligten Partner mit anschließender Abbildung des Reifegrads des Netzwerks. Denn zwischenbetriebliche Kooperationen können in den unterschiedlichsten Ausprägungen in Erscheinung treten. Man unterscheidet basierend auf Teller und Longmuß (2007) zwischen den folgenden strukturellen und dynamischen Merkmalen zur Beschreibung eines Netzwerks: 

Organisationstyp



Entwicklungsstand



Beteiligte Akteurstypen



Intensität der Kooperation



Interne und externe Beziehungen



Teilsysteme und



(Potentieller) Nutzen und Ziele des Netzwerks.

Aus diesen verschiedenen Unterscheidungsmerkmalen ergibt sich eine Fülle an Möglichkeiten, die Eigenschaften eines Netzwerks hinreichend zu charakterisieren. Diese Aspekte werden nachstehend beschrieben.

2.1.1 Organisationstyp Hinsichtlich der verschiedenen Typen der Organisation eines Netzwerks haben sich in der Literatur drei wesentliche, idealtypische Kriterien herausgestellt: die Steuerung, die Stabilität und die Richtung der Kooperation (Manning und Kollegen, 2006). 

Steuerung einer Kooperation: Während hierarchische Netzwerke stärker durch eine strategische Steuerung, meist ausgehend von einer fokalen Unternehmung gekennzeichnet sind, bestehen heterarchische Netzwerke aus gleichberechtigten Partnern.



Stabilität der Kooperation: Die Dauerhaftigkeit der Unternehmenskonstellation wird als dynamisch oder stabil beschrieben. Dynamische Netzwerke verweisen auf wechselnde Partner und eine eher diskontinuierliche Zusammenarbeit, wohingegen stabile Netzwerke stärker kontinuierlich und langfristig angelegt sind.



Richtung der Kooperation: Der Bochumer Innovationsforscher Erich Staudt und seine Kollegen Toberg, Linne, Bock und Thielmann (1992) unterteilen Kooperationsformen nach den beteiligten

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Markt- und Versorgungsstufen in horizontale Kooperationen, vertikale Kooperationen und diagonale Kooperationen.

In der Praxis lassen sich anhand der Kombinationen der beiden Merkmale Steuerung und Stabilität exemplarisch vier relevante Netzwerktypen verorten (Loose, 2006; vgl. Sydow, 1999) (Abbildung 2, S. 7): 

Strategische Netzwerke: Hauptmerkmal eines strategischen Netzwerks (hierarchisch-stabil) ist die hierarchische Führung – meist durch den ökonomisch stärksten Partner – in einer stabil angelegten Partnerschaft, um Innovations-, Zeit-, Qualitäts-, sowie Preis- und Kostenvorteile zu erschließen (Loose, 2006; Sydow, 1992). Vorteilhaft ist hier die schnelle Reaktionsfähigkeit durch zentralisierte Entscheidungsverfahren, ungünstig jedoch die oft hohe wirtschaftliche Abhängigkeit der restlichen Partner.



Regionale Netzwerke: Eine Erhöhung der örtlichen Marktkompetenz ist meist die Zielsetzung regionaler Netzwerke (heterarchisch-stabil). Dabei schließen sich vor allem mehrere kleine und mittlere Unternehmungen (KMU) gleichberechtigt zusammen, die bereits gut am Markt eingeführt sind und meist über viel Know-how verfügen (Loose, 2006). Die KMU sehen in der unternehmensübergreifenden

Vernetzung

eine

Möglichkeit,

ihre

Zukunfts-

und

Wettbewerbsfähigkeit zu Zeiten der Liberalisierung und Öffnung der europäischen Märkte nachhaltig zu sichern. Die oft starken Autonomiebedürfnisse der einzelnen, meist sehr selbstbewussten Partner und das räumlich bedingte Spannungsverhältnis zwischen Kooperation und Wettbewerb stellen nach Loose (2006) die größten Gefahren innerhalb dieses Netzwerktyps dar. 

Projektnetzwerke: Projektnetzwerke sind eher hierarchisch-dynamische Netzwerke, die sich über eine zeitliche begrenzte Zusammenarbeit definieren. Nicht selten ist ein regionales Netzwerk die „Keimzelle“ (Loose, 2006, S. 24), in welchem einige Unternehmungen mit den erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen projektspezifisch unter Leitung eines aus dem Netzwerk stammenden Partners aktiv werden. Als problematisch erweisen sich hier häufig die unterschiedlichen Rollen und Erwartungen innerhalb der verschiedenen Netzwerke (Loose, 2006).



Virtuelle Unternehmungen: Schließlich hat sich im Zuge des rapiden Fortschritts von Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) auch die virtuelle Unternehmung etabliert, für die die Netzwerkbildung prädestiniert ist. Virtuelle Unternehmungen bilden eine Mittelstellung zwischen den verschiedenen Netzwerktypen und produzieren sich häufig als heterarchisch-dynamisches Netzwerk funktional spezialisierter Unternehmungen auf Grundlage innovativer interorganisationaler Informationssysteme zur fallweisen Kooperation (Gillwald,

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Höppner, Longmuß, Poelchau, Stauber et al., 2005). Diese Form der vernetzten Arbeitsteilung spielt jedoch bei KMU eine eher untergeordnete Rolle, wo neue IuK eher widerstrebend als Hilfsmittel (z.B. Intranet) zur Vernetzung genutzt werden. Zur internen Kommunikation werden bei KMU vielmehr sogenannte „weiche“ Faktoren wie das gemeinsame Beziehungskapital, Vertrauen oder persönliche Treffen favorisiert (vgl. Loose, 2006).

Abbildung 1 Praxisrelevante Netzwerktypen (modifiziert nach Loose, 2006)

Insbesondere im Gesundheitswesen wird jedoch deutlich, dass diese Versuche der Einteilung idealtypisch sind.

Sogenannte

Praxisnetze,

also

kooperative

Zusammenschlüsse

zwischen

verschiedenen

niedergelassenen Ärzten und oft auch Krankenhäusern nehmen inhaltlich eine Mittelstellung zwischen einem strategischen und einem regionalen Netzwerk ein und sind vorwiegend heterarchisch-stabil ausgerichtet. Übernimmt aber eine Krankenkasse die Federführung, so ist das Netzwerk stärker als strategisch mit hierarchischer Führung anzusehen. Die drei möglichen Richtungen einer Kooperation (horizontal, vertikal, diagonal) lassen sich ebenfalls anhand von Netzwerken im Gesundheitswesen beschreiben (Abbildung 2, S. 9). Horizontale Kooperationen finden zwischen Unternehmungen derselben Versorgungsstufe statt, die ähnliche Produkte oder Dienstleistungen anbieten (z.B. Arztpraxen). Die Möglichkeiten dieser Zusammenschlüsse können Austausch, gemeinschaftliche Beratung von Patienten, gemeinsamer Einkauf oder Nutzung von Geräten und vieles mehr sein (Georg, 2007). Vertikale Kooperationen sind Verknüpfungen von Unternehmungen aus unterschiedlichen Versorgungsstufen (z.B. zwischen Arztpraxen und Krankenhäusern) mit dem Zweck, Patientenströme besser zu steuern und die Prozesse innerhalb der Versorgung optimal zu

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koordinieren (Georg, 2007). Kommt es bei diesen beiden Kooperationsformen zu einem Transfer von Know-how, können außerdem integrierte oder standardisierte Versorgungsleistungen mit größerem Patientenservice angeboten werden. Diagonale Kooperationen sind nach Georg (2007) stets branchenübergreifende Kooperationen (z.B. zwischen Ärzten und Medizintechnikern). Diese dienen vornehmlich der Integration von Wissensbeständen, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Ein Beispiel ist die Entwicklung bildgebender Verfahren in der Diagnostik.

Abbildung 2 Richtung von Kooperationen

2.1.2 Entwicklungsstand Bei der Analyse der Netzwerkstruktur ist neben der Erschließung der statischen Form eines Netzwerks gemäß den obigen Kriterien auch die Erfassung des Entwicklungsstands, in der sich das Netzwerk momentan befindet, notwendig. Hier gibt es einige ähnliche Ansätze, wobei sich die Unterscheidung nach Loose (2006) in vier dynamische Phasen bewährt hat (Abbildung 3, S. 11): 1. Initiierungs- und Gründungsphase, 2. Konsolidierungsphase, 3. Ausbau- oder Schrumpfungsphase und 4. Beendigungs- oder Zerfallphase.

In der Initiierungs- und Gründungsphase eines Netzwerks liegt für gewöhnlich eine Netzwerkvision innerhalb einer noch unscharfen Kooperation (Loose, 2006) vor. Die beteiligten Akteure wünschen sich eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der Kooperation und ein mehr an Vernetzung, um die WWW.RUB.DE/ISE

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Ausgestaltung der Ideen voranzutreiben. Diese Phase der Formierung ist daher gekennzeichnet durch die Identifikation von Marktchancen, Kooperationspotentialen und den daraus resultierenden Zielen, der Vereinbarung eines Organisationsmodells mit Leitbild und Spielregeln sowie die Partnersuche und auswahl (vgl. Peters, 2006) (Abbildung 3, S. 11). Vertragliche Aspekte, Kosten-Nutzen-Analysen und Finanzierungskonzepte sind weitere kennzeichnende Bestandteile (vgl. Teller, 2002). In diesem noch jungen Stadium ist es von essentieller Bedeutung für die Nachhaltigkeit des Netzwerkes, die oben genannten „harten Faktoren“ klar und stringent zu formulieren und zu bilden, so der Betriebswirtschaftler Robert Knop (2009). Schließlich können Ziele nur erreicht werden, wenn sie auch präzise genannt sind. Dazu gehört auch die Bestimmung eines Maßstabs und eines Messinstruments für den Erfolg. Ein erfolgreicher Zusammenschluss ist weiterhin nur durch ein genügendes Maß gegenseitigen Vertrauens der bislang noch konkurrierenden Unternehmungen möglich (z.B. Dürr, 2006; Knop, 2009, Sydow, 2006). Nicht selten straucheln Unternehmungen bereits an diesem Punkt. Ferner kann das falsch verstandene Anliegen, die noch junge Zusammenarbeit nicht mit Formalien wie Kooperationsverträgen belasten zu wollen zu einem Scheitern des Netzwerkes führen (Wengenroth, 2006). Knop (2009) nennt diese Schwierigkeiten auch Koordinationskrise. Die Konsolidierungsphase ist geprägt durch eine zunehmende Organisiertheit der Zusammenarbeit, einer Verfeinerung der Abstimmungs- und Austauschprozesse, flexibler netzwerkinterner Spezialisierung und im Speziellen durch die Entwicklung einer „eigenen, Identität stiftenden Netzwerkkultur“ (Loose, 2006, S. 25) (Abbildung 3, S. 11). Hier ist Durchhaltevermögen der Akteure gefragt. Gelingt dies nicht, etwa, weil erste Erfolge noch nicht sichtbar sind, kann es zu einer Formalisierungskrise (Knop, 2009) kommen, die schlimmstenfalls zu einer Stagnation oder gar vorzeitiger Beendigung des Netzwerks führen kann. In der Ausbau- oder Schrumpfungsphase hat sich das Netzwerk entweder etablieren und möglicherweise sogar ausbauen können (Abbildung 3, S. 11), oder es schrumpft etwa in Folge einer Sinnkrise (Knop, 2009) auf einen aktiven Kern von Akteuren zusammen, welche in veränderter Organisation und mit angepassten Strategien das Netzwerk fortsetzen (Loose, 2006). Erfolgskritisch für die Nachhaltigkeit des Netzwerks in diesem Entwicklungsstand ist das stetige Austarieren des Spannungsverhältnis zwischen „Ich und Wir“ (Loose, 2006, S. 28) und der wiederkehrenden Herstellung einer „win-win-Situation“ (Loose, 2006, S. 28) für alle Beteiligten (vgl. Loose, 2005). Im ungünstigsten Fall schließt sich die Beendigungs- oder Zerfallphase an (Abbildung 3, S. 11). Das Netzwerk wird entweder willentlich beendet oder es zerfällt unkoordiniert und bleibt als „leere Hülle“ (Loose, 2006, S. 28) bestehen. Ursächlich ist hierfür meist Unternehmensegoismus oder mangelnde Kooperationsfähigkeit der einzelnen Unternehmungen.

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Abbildung 3 Vier dynamische Entwicklungsphasen eines Netzwerks, jeweilige Aufgaben des Netzwerkmanagements, mögliche Krisen (modifiziert nach Peters, 2006)

2.1.3 Beteiligte Akteurstypen Die Unterscheidung der im Netzwerk beteiligten Akteure hat sich als bedeutend herausgestellt, da sich die folgenden

verschiedenen

Typen

in

Bezug

auf

Steuerungsverhalten,

Leistungsdynamik,

Innovationspotential, Kooperationsfähigkeit, Multiplikationswirkung und Kontinuität mitunter stark unterscheiden (Teller, 2002): Produzent, Dienstleister, Sozialbetrieb, Berater, Forschungs- und Entwicklungseinrichtung, Institutionelle Einrichtung, Verwaltung, Einzelpersonen. Bei der strukturellen Kennzeichnung eines Netzwerks sollten daher alle beteiligten Akteure anhand dieser Einteilung ausgewiesen werden.

2.1.4 Intensität der Kooperation Zur Identifikation der Intensität einer Kooperation in vernetzter Arbeitsteilung können nach Teller (2002) fünf Stufen herangezogen werden: 1. Erfahrungsaustausch, 2. Aufgaben- und Funktionsabstimmung/vergabe,

3.

Planung/Optimierung

der

Wertschöpfungsprozesse,

4.

Integration

aller

Leistungserstellungsprozesse und gemeinsamer Marktauftritt sowie 5. Gemeinschaftsunternehmen/organisation. Mit steigender Intensität nehmen zwar einerseits die möglichen Synergieeffekte und die Verbindlichkeit zu, andererseits aber auch unweigerlich der damit verbundene Organisationsaufwand.

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2.1.5 Interne und externe Beziehungen Die verschiedenen Kontaktarten und -formen der Netzwerkakteure untereinander (interne Beziehungen) und im Umfeld des Netzwerks (externe Beziehungen) sind von entscheidender Bedeutung für Erfolg und Nachhaltigkeit eines Netzwerks. Durch sie wird das Netzwerk mit Leben gefüllt, so Matthias Teller des Instituts für zukunftsfähiges Wirtschaften (2002). Bei der Analyse der Netzwerkstruktur ist daher die Erhebung des Beziehungsspektrums besonders wichtig. Hierzu gehört die Erfassung der internen Beziehungen auf den Ebenen 

Sozialbeziehungen



Kommunikationsbeziehungen



klimatische, auf Ziel-, Interessens- und Motivstrukturen basierende Beziehungen



Macht- und Abhängigkeitsbeziehungen (Teller, 2002).

Auf der Ebene der externen Beziehungen ist zu unterscheiden zwischen 

den Beziehungen zu Kunden bzw. Nutzern



den Beziehungen zu anderen Netzwerken und zur konventionellen Wirtschaft



den Beziehungen zum politisch-administrativen System.

2.1.6 Teilsysteme Ein aktionsfähiges Netzwerk benötigt eine organisatorisch-strukturelle und eine kulturelle Basis. Die nachfolgenden Aufgabenbereiche und Funktionen sollten dafür klar formuliert und auf die einzelnen Partner und Strukturen zugeordnet sein (Gillwald et al., 2005): 

Sozial-

und

Organisationsentwicklung

(Organisationsentwicklung,

Personal-

bzw.

Partnerbetreuung, Weiterbildung, Identitätsbildung, Schaffung kultureller Gemeinsamkeit, Motivationsförderung, Moderation) 

Fachliches Leistungssystem (Produktion und -steuerung, Projektaqkuisition und -steuerung, Qualitätssicherung)



Operatives

Managementsystem

(Leistungs-/Produktangebote,

Controlling,

Finanzwesen,

Marktanalyse, Marketing, Innovationsmanagement, Partneraqkuisition, Corporate Design) 

Strategie-

und

Entscheidungssystem

(Strategiebestimmung,

Leitbildentwicklung,

Netzwerksteuerung und -evaluation, Schaffung von Entscheidungsregeln) 

Informationssystem

(Informationsbeschaffung,

Kommunikation,

Wissensmanagement,

Dokumentation). 2.1.7 (Potentieller) Nutzen und Ziele „Das Netzwerk lebt von dem Nutzen, den es stiftet“ (Gillwald et al., 2005, S. 92). Der Nutzen bezieht sich auf den Nutzen nach außen (z.B. den Kunden) und nach innen. Leider wird der innere Nutzen oft als WWW.RUB.DE/ISE

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zweitrangig angesehen und folgt vor allem subjektiven und unternehmenskulturell beeinflussten Aspekten. Die Kernfrage in jeder Entwicklungsphase eines Netzwerks ist aber stets auch, ob ein ausreichender innerer Netzwerknutzen besteht und ob die gegenwärtigen Synergieeffekte ausreichen, um das Netzwerk dauerhaft zu stabilisieren. Der vom Netzwerk angestrebte innere Nutzen ist in der Analyse eines Netzwerks entlang dieser sechs Gesichtspunkte zu erheben: 

strategisch (Risiko- und Kostenreduzierung, Nutzung unterschiedlicher Standortvorteile)



marktbezogen (z.B. gemeinsames Marketing, Stärkung der Leistungskompetenz, Verbesserung des Service)



organisatorisch (z.B. Bewältigung wachsender Komplexität des Wirtschaftsgeschehens, Optimierung von Workflows)



technisch (z.B. Zugang zu neuen Technologien, Leistungssteigerung durch Arbeitsteilung)



sozial (Entlastung durch Teilung von Kompetenzen und Personal, Lerneffekte, gegenseitige Unterstützung in Problemlagen)



Entwicklungsnutzen (z.B. Wissenstransfer, Innovationen zusammen betreiben) (Gillwald et al., 2005).

Neben diesen Merkmalen zur Beschreibung eines Netzwerks können außerdem netzwerkspezifisch weitere Aspekte relevant sein. Diese sollen jedoch hier nur kurz aufgeführt werden: Kooperationsmodus (intensiv, turnusmäßig oder gelegentlich), Organisierungsgrad (vom Interessensverband als loser Verbund über Kooperationsgemeinschaften mit Kooperationsvereinbarung bis hin zu Netzwerkunternehmungen als juristisch selbständiges Unternehmungen; Teller, 2002).

3. Erfolgsfaktoren der Netzwerkgestaltung Aus der Gesamtheit dieser Erhebungen leiten sich die wesentlichen Merkmale der einzelnen Unternehmungen und des Netzwerks in seiner Gesamtheit ab. Auf der Basis dieser Informationen ist es nun Aufgabe der Netzwerkgestaltung, die Stärken und Schwächen des Netzwerks sowie die Gefahren und Chancen aus der Umwelt aufzuzeigen. Außerdem wird der aktuelle Stand der Zielerreichung ermittelt. Aus dieser Analyse lässt sich der Reifegrad des Netzwerks ableiten. Dafür stehen die unterschiedlichsten Instrumente zur Verfügung, welche jedoch nicht Gegenstand dieses Textes sein sollen (wertvolle Anregungen finden sich bei Bauer-Wolf, Payer & Scheer, 2008). Vielmehr sollen die wissenschaftlich herausgebildeten theoretischen Prinzipien der Vorgehensweise verdeutlicht werden. Der aktuelle Stand des Netzwerks lässt sich gut anhand des ganzheitlichen Ephesos-Interaktionsmodells (Ansoff et al., 1997, zit. nach Knop, 2009, S. 231) darstellen (Abbildung 4).

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Abbildung 4 Das Ephesos-Interaktionsmodell (modifiziert nach Knop, 2009)

Wie in Abbildung 4 ersichtlich, besteht das Modell aus drei Komponenten, die in komplexer Weise zusammenspielen: dem „Erfolgsfaktorenraster“, der Wettbewerbsfähigkeit und dem „Härtegrad der Umwelt“. Kern des Modells sind die sogenannten Erfolgsfaktoren. Dies sind die strategischen, kulturellen und strukturellen Aspekte, die zum Erreichen der für das jeweilige Netzwerk gesetzten Ziele führen. Viele Forscher und Berater sehen die kulturelle Stimmigkeit („Fit“) eines Netzwerks auch als grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit an (z.B. Gillwald et al., 2005). Der kulturelle Fit gelingt durch die eingangs erwähnten weichen Faktoren Vertrauen, Respekt, Reziprozität, Verantwortungsbewusstsein, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Beziehungskapital, Lernen und Wissen und schließt auch die Bereitschaft zur Veränderung, zum Teilen von Entscheidungen, Informationen, Gewinnen aber auch Rückschlägen ein (Dürr, 2006; Knop, 2009). Dies ist leichter gesagt als getan – häufig müssen Unternehmungen, die bislang in Konkurrenz zueinander standen, nun in einer partnerschaftlichen Beziehung vertrauensvoll agieren. Und auch die kontinuierliche Pflege dieser Netzwerkkultur bedarf Aufwand. Strukturelle Faktoren geben Auskunft darüber, ob die Netzwerkpartner in der Lage sind, die gemeinsamen Ressourcen effizient zu koordinieren. Folglich ergibt sich der strukturelle Fit aus organisatorischen und prozessualen Gesichtspunkten wie eine richtige Partnerzahl und -größe mit komplementären Partnern, in der das Netzwerk auf der Basis von Spielregeln und rechtlichen WWW.RUB.DE/ISE

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Rahmenbedingungen Erfolg gerecht verteilt und das Haftungsrisiko minimiert (Knop, 2009). Außerdem muss ein gewisses Maß an Organisation und Führung vorliegen. Besonders hervorzuheben ist ein sorgfältiges Wissensmanagement (z.B. Gillwald et al., 2005). Gerade durch den Gebrauch von modernen IuK lassen sich gemeinschaftliche Geschäftsprozesse nicht nur vereinfachen, sondern oft führt der Einsatz langfristig zu Kosteneinsparungen (wie z.B. durch die gemeinsame Nutzung von Datenbanken). Die harten Faktoren bestimmen den strategischen Fit (Knop, 2009). Strategische Erfolgsfaktoren dienen in erster Linie dazu, die Effektivität, also die „Schlagfertigkeit“ (Knop, 2009, S. 232) des Netzwerks zu erhöhen. Hierfür müssen die Netzwerkpartner zum einen hinsichtlich der Märkte, Kunden, Produkte und Firmenphilosophien harmonieren, sich ergänzen und ihre Potentiale ausnutzen. Weiterhin ist unerlässlich, dass sich das Netzwerk auf klar formulierte gemeinsame Ziele einigt und dafür eine Netzwerkstrategie ausarbeitet. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist der sich einstellende messbare Netzwerknutzen. Denn nur ein „hoher, anhaltender Nutzen für alle Beteiligten ist das wichtigste Motiv für das langfristige Interesse der Partner an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit“ (Knop, 2009, S. 233). Der Fit im Erfolgsfaktorenraster kann jedoch nur in einer Balance der netzwerktypischen Spannungsverhältnisse kooperativer Arrangements in einem wettbewerbsorientierten Markt entstehen (siehe Abschnitt 4). Typische Spannungen bestehen zwischen Autonomie und Abhängigkeit, Flexibilität und Stabilität, Formalität und Informalität und vieles mehr (Sydow, 2006). Zur Bewältigung dieser Spannungen benötigt das Netzwerk wie bereits oben erwähnt vorrangig ein Gleichgewicht zwischen Vertrauen und Kontrolle. Erst dann ist die Entwicklung einer gemeinsamen Netzwerkidentität mit gemeinsamen Orientierungen, Zielbindungen und einem klarem Profil möglich. Die Stimmigkeit von Strategie, Struktur und Kultur bestimmt also maßgeblich den Erfolg und damit die Zielerreichung des Netzwerks. Als erfolgreich gelten Netzwerke, deren Partner durch die vernetzte Arbeitsteilung ihre Wettbewerbsfähigkeit signifikant steigern konnten (Knop, 2009). Dabei lassen sich nach Ansoff und Kollegen (1997, zit. nach Knop, 2009, S. 231) die zu Beginn beschriebenen Aspekte des Nutzens und der Ziele eines Netzwerks in qualitative und quantitative Kriterien zusammenfassen. Der qualitative Nutzen einer Kooperation wie ein mehr an Qualität, Flexibilität, Kundenzufriedenheit, KnowHow, Einfluss und Image bei gleichzeitiger Zeiteinsparung und Risikoreduzierung bedingt den am Markt sichtbaren quantitativen Nutzen in Bezug auf Wachstum, was üblicherweise mit einer Steigerung des Gewinns und einem erhöhten Marktanteil einhergeht (Knop, 2009) (Abbildung 4, S. 14). Doch nicht nur die innere Stimmigkeit ist maßgeblich für ein erfolgreiches Netzwerk. Auch äußere und nicht direkt beeinflussbare Bedingungen, der sogenannte Härtegrad der Umwelt (Abbildung 4, S. 14) spielt eine entscheidende Rolle. Dazu gehört insbesondere die Wettbewerbsintensität, die Komplexität der Nachfrage sowie staatliche Anforderungen, welche zudem branchenabhängig variieren. Es wird angenommen, dass Netzwerke, die in einer „harten Umwelt“ (Knop, 2009, S. 231) agieren, höhere WWW.RUB.DE/ISE

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Anstrengungen und Anforderungen aufweisen, um erfolgreich zu sein, als solche Netzwerke, die in einer „freundlicheren“ Umwelt tätig sind (Knop, 2009, S. 231). Hier gilt es, sich die Stärken und Schwächen am Markt zu eigen zu machen und zu überlegen, wo das Netzwerk eine Vorreiterrolle einnehmen kann um eine gute Positionierung am Markt zu erreichen (vgl. Gillwald et al., 2005). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich eine gelungene Netzwerkarbeit durch eindeutig formulierte gemeinsame Ziele, einen gemeinsamen Nutzen, einer hinreichenden Qualität und vertrauensvoller Zusammenarbeit der Partner, sowie durch eine förderliche und ausgeklügelte Netzwerkstruktur mit definierten Spielregeln und einer Kommunikationsplattform auszeichnet (Knop, 2009). Besonders erfolgreiche Netzwerke gestalten ihren Zusammenschluss derart flexibel, dass sie neben den Basisanforderungen nicht nur transparente Leistungsanforderungen an die einzelnen Partner stellen, sondern ihre Ziele regelmäßig auf den Prüfstand stellen und bestenfalls das Zielniveau sogar kontinuierlich anheben (Knop, 2009).

3.1 Misserfolgsfaktoren Typische Gründe für den Misserfolg eines Netzwerks resultieren in erster Linie daraus, dass angestrebte Veränderungen meist komplex und daher schwer handhabbar sind (Manning et al., 2006). Dabei ist ins Besondere eine nicht ausreichende Erfüllung der Basisanforderungen – der kulturelle Fit – problematisch. Nicht selten gelingt es den Partnern nicht, eine tragfähige Beziehung aufzubauen – etwa aus mangelnder Kooperationsfähigkeit, unterschiedlichem Problemverständnis, ungenügender Veränderungsbereitschaft oder aufgrund der Passivrolle eines Partners. Ursächlich dafür kann Unternehmensegoismus sein, oft aber wird die Preisgabe von Wissen und Know-How auf Grund der Befürchtung gescheut, von einem Konkurrenten ausgenutzt zu werden. Außerdem führen strukturell-strategische Defizite wie fehlende Kommunikationsstrukturen und unklare Aufgabenverteilungen mitunter zu einer Passivität einzelner Partner, während wenige andere den Großanteil der Arbeit erledigen. Dies nennen Sozialpsychologen auch „soziales Trittbrettfahren“. Ein weiteres Phänomen, das häufig bei im Team arbeitenden Personen auftritt ist der sogenannte „Ringelmann-Effekt“: Werden Einzelleistungen und Erfolge nicht von der Gesamtheit der Akteure gewürdigt, entsteht ein Motivationsverlust und daraus resultierend eine Reduktion des Engagements (Überblick bei Bierhoff, 2000). Weiterhin

kann auf

struktureller

Ebene

das

Fehlen

eines

wesentlichen Partners

in

der

Wertschöpfungskette einen Misserfolgsfaktor darstellen (Gorynia-Pfeffer, 2009). Für viele Akteure in Netzwerken stellt außerdem der vermeintlich hohe Organisationsaufwand eine Barriere dar (Schicker et al., 2006). Besonders gravierend sind schließlich strategische Defizite, und zwar dann, wenn sich kein ausreichender Nutzen aus dem Netzwerk erschließen lässt. Dies kann unter Umständen darin begründet sein, dass die Potentiale und Ressourcen der einzelnen Netzwerkpartner oder des Netzwerks in seiner Gesamtheit nicht vollständig ausgeschöpft werden (vgl. Gillwald et al., 2005; Knop, 2009). WWW.RUB.DE/ISE

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Natürlich können auch externe, nicht beeinflussbare Faktoren wie eine Verschärfung des Wettbewerbdrucks oder staatliche Änderungen zum Misserfolg einer gemeinsamen Unternehmung führen.

4. Optimierung der Netzwerkgestaltung Auf Grundlage der Analyse des Netzwerks können die Handlungsschritte für eine optimierte Prozessgestaltung innerhalb des Netzwerks erfolgen. Gerade die Herausbildung von Handlungskonzepten ist netzwerkspezifisch und daher – wie Anfangs bereits erwähnt – höchst individuell. Es gibt zwar eine kaum überschaubare Fülle von Ansätzen (Sydow, 2006), jedoch kaum wissenschaftlich gesicherte Ansätze zur Steuerung vor allem von heterarchischen Netzwerken (Schicker, 2008). Daher sollen im Folgenden allgemeine Prinzipen der Vorgehensweise beschrieben werden. Die vier zentralen Funktionen der Konzeptualisierung kooperativer Zusammenschlüsse sind (Sydow & Windeler 1994) (Abbildung 5): 

Selektion,



Allokation,



Regulation und



Evaluation.

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Abbildung 5 Zentrale Funktionen der Netzwerkoptimierung im Kontext von netzwerktypischen Spannungsverhältnissen (modifiziert nach Sydow, 2006)

Dabei meint Selektion zum einen die Auswahl von qualifizierten Partnern. Dies ist vor allem in der Initiierungs- und Gründungsphase einer Kooperation von Bedeutung (Sydow, 2006), kann aber nötigenfalls in jeder anderen Phase als Mittel zur Zielerreichung genutzt werden um den strategischen Fit zu erhöhen. Zum anderen bedeutet Selektion auch die Herausbildung von Zielen und dem angedachten Netzwerknutzen

sowie

die

daraus

resultierende

Zusammenstellung

von

Zielvereinbarungen,

Erfolgskriterien und Handlungsstrategien. Dies muss für alle Partner gemeinsam und klar herausgearbeitet werden, um schließlich ein übergeordnetes Leitbild zu schaffen (Weisbord & Janoff, 2006). Denn gemeinsame Wert- und Zielvorstellungen schaffen eine Netzwerkidentität, welche zu einer aktiven Mitarbeit verpflichtet (Güntert, 2006). Die Netzwerkidentität ist für den Kunden durch das sogenannte Corporate Design sichtbar. Ferner gilt es zu überlegen, wo das Netzwerk eine Vorreiterrolle einnehmen kann, und was die Alleinstellungsmerkmale des Netzwerks sind (Gillwald et al., 2005). Eine Handlungsstrategie könnte zum Beispiel die erneute Partnersuche oder die Ausarbeitung eines Marketingskonzepts sein. Eine weitere zentrale Funktion ist die Allokation, also die Zuteilung und Platzierung von Aufgaben, Ressourcen und Verantwortlichkeiten auf die verschiedenen Netzwerkpartner (Sydow, 2006). Konkret kann dies auch Weiterbildungsmaßnahmen beinhalten. Dabei ist Transparenz und eine klare Strukturierung besonders wichtig. Außerdem gilt es, auf die Balance der eingesetzten Ressourcen zu achten, um die netzwerkinternen Spannungen zu reduzieren. Für die erfolgreiche Ausführung dieser Aufgaben ist weiterhin ein gewisses Maß an Eigenverantwortlichkeit, Offenheit und Flexibilität der einzelnen Partner und eine hinreichende Netzwerkstruktur nötig. Die konkrete Ausgestaltung von Selektion und Allokation findet sich als eine weitere wesentliche Komponente in regulativen Aspekten wieder, also in der Bildung von definierten Regeln der Netzwerkstrukturen und -prozesse, um Ziele und Zuständigkeiten verbindlich zu machen (Gillwald et al., 2005; Gorynia-Pfeffer, 2009; Peters, 2006; Sydow, 2006). Eine derartige Konkretisierung erhöht nicht nur die Transparenz, sondern wirkt sich schließlich auch belastungs- und unsicherheitsreduzierend auf die einzelnen Partner aus. Einerseits kann dies zur Erhöhung des strukturellen Fits formelle Regelungen betreffen, wie die Bildung von Kooperationsverträgen, die Ausformulierung von finanziellen Rahmenbedingungen und Finanzkonzepten sowie die formale Aufbau- und Ablaufstruktur. Andererseits besteht auch gerade auf informeller Ebene ein Regulationsbedarf, bei dem das Wissensmanagement im Vordergrund steht (Gillwald et al., 2005). Hier bietet sich konkret die Strukturierung der Informationsund Kommunikationswege an, welche direkt und unkompliziert sein sollten (z.B. die Anschaffung von technischen Mitteln wie eigenen Telefonleitungen oder dem Aufbau eines Intranets). Außerdem kann schon die Vereinbarung von regelmäßigen, thematisch vorab festgelegten Treffen einiges bewirken. Diese WWW.RUB.DE/ISE

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Sitzungen reduzieren nicht nur mögliche Informationsdefizite, sondern erhöhen den kulturellen Fit, da hier Erfahrungen und Wissen ausgetauscht werden können, vernetztes Lernen stattfindet, Erfolge gefeiert, Misserfolge analysiert und schließlich auch Konflikte ausgetragen werden (z.B. Gillwald et al., 2005). Ständige Aufgabe ist es hier, mittels Moderation und Coaching das Vertrauen der einzelnen Partner zu fördern, und die Kommunikationswege bei Konflikten zu managen. Auf regulativer Ebene bietet sich insgesamt die Bildung von verbindlichen Spielregeln als wirksamer Kontrollmechanismus an, um eine hohe und langfristige Leistungsbereitschaft zu sichern. Hier können die Netzwerkpartner gemeinsam Bonus und Malus Anreize festlegen (z.B. betreffend der Erfüllung von Aufgaben, des Erscheinens bei Treffen etc.; Thormählen & Güssow, 2006). Schließlich ist eine weitere Komponente eines Netzwerks die Evaluation und das Controlling, sonach die Bewertung der am Netzwerk beteiligten Unternehmungen, einzelner Beziehungen innerhalb des Netzwerks oder des Netzwerks in seiner Gesamtheit (Hausberg, 2006). Schließlich unterliegen Kooperationen einem ständigen Wandel, da sich Motivation, Engagement und Kompetenz der Netzwerkmitglieder, die Ziele und Bedarfslagen sowie das Spektrum der Mitglieder ständig ändern können (Hausberg, 2006; Weisbord & Janoff, 2006). Aufgabe ist es hier zum einen, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und gemeinschaftlich zu reflektieren, sowie die Bereitschaft zu vermitteln, sich laufenden Veränderungen zu öffnen. Zum anderen bestimmen laufende Kosten-Nutzen-Analysen unter vorab bestimmten Maßstäben und Messinstrumenten den Grad der Zielerreichung des Netzwerks, welche auch kommuniziert werden müssen. Beispielsweise ist es besonders in der Konsolidierungsphase von hoher Bedeutung für den langfristigen Bestand des Netzwerks, Erfolge schnell sichtbar zu machen, um die Motivation der Partner zu erhöhen (z.B. Gillwald et al., 2005). Von

besonderer

Bedeutung

ist,

dass

die

Netzwerkentwicklung

netzwerktypischen

Spannungsverhältnissen ausgesetzt sind, die kontinuierlicher Überprüfung und Regulierung bedürfen. Denn Netzwerke sind „zwar vordererst kooperative Arrangements, gleichzeitig jedoch auch durch netzwerkinternen Wettbewerb gekennzeichnet“ (Sydow, 2006, S. 63). Die Spannung zwischen Kooperation und Wettbewerb muss ständig aufs Neue balanciert werden. Dies gelingt etwa durch die (Über-)Betonung gemeinsamer Interessen (Sydow, 2006) und zum anderen durch die Aufhebung der Spannung zwischen Vertrauen und Kontrolle. Weitere Spannungsverhältnisse betreffen nach Sydow (2006) und Abhängigkeit, Flexibilität und Stabilität, Vielfalt und Einheit und einige mehr (Abbildung 5, S. 18). Außerdem ist zu beachten, dass abgesehen von Form und Typ eines Netzwerks je nach Entwicklungsstadium auch verschiedene Handlungskonzepte zum Einsatz kommen müssen.

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Beispielsweise gibt es in der Initiierungs- und Gründungsphase einen größeren Regulationsbedarf der harten Faktoren (Knop, 2009). In der Konsolidierungsphase ist es von besonderer Wichtigkeit, auf eine klare Verantwortungsteilung mit eindeutigen Verantwortlichkeiten, geringen Schnittstellenverlusten zwischen den Partnern und eine angemessene Güte der Zusammenarbeit in Hinblick auf die Qualität von Mitarbeitern und Management sowie der Qualität der direkten Zusammenarbeit auf Mitarbeiterebene zu achten (Gorynia-Pfeffer, 2005). Phasenübergreifend bedeutsam ist es hingegen, die kritischen Erfolgsfaktoren zu identifizieren und die Stimmigkeit des Netzwerks einzustellen (Knop, 2009). Dabei betont Meikel Peters der RheinischWestfälischen Technischen Hochschule Aachen (2006) die Herstellung einer belastbaren Grundlage der Zusammenarbeit mittels Transparenz und strukturierten Prozessen, einer offenen und geregelten Kommunikation, wirtschaftlicher Unabhängigkeit der Partner, Vertrautheit mit Kompetenzen und Ressourcen der Partner sowie den Aufbau von sozialen Beziehungen zwischen den Partnern. Knop geht noch einen Schritt weiter und gibt an, dass nur die ständige Stimmigkeit der weichen Beziehungsfaktoren zur Netzwerkstabilität führt (Knop, 2009).

5. Qualitätsmerkmale von Gesundheits-Netzwerken Am Beispiel des Gesundheitswesens sollen nun wesentliche Qualitätsmerkmale von horizontalen Kooperationen wie Praxis- bzw. Kliniknetzen kurz veranschaulicht werden. Praxis- und Kliniknetze, also kooperative Zusammenschlüsse mehrerer Ärzte oder Kliniken sind eine häufige Form der Vernetzung im Gesundheitswesen. Damit verbundene Perspektiven sind wie eingangs geschildert meist ein organisierter Wissens- und Erfahrungsaustausch, eine gemeinschaftliche Beratung von Patienten und Optimierung der Patientenströme sowie Kostenersparnisse durch gemeinsamen Einkauf oder Nutzung von Geräten. Während sich die Zahl der Praxisnetze in den letzten Jahren aus den bereits einleitend beschriebenen Gründen stark erhöht hat, gelang es jedoch vielen Netzwerken nicht, auf Dauer erfolgreich zu bleiben. Ursächlich für diesen „zahlenmäßigen Blindflug“ (Schicker, 2008, S. 166) ist oft der mangelnde Nachweis nachprüfbarer Qualitäts- und Effizienzvorteile. Die Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg hat in einer Studie den Reifegrad von Praxisnetzen analysiert und typische Schwächen eines Praxisnetzes herausgebildet. Einerseits liegen häufig nicht genügend personelle Ressourcen zum aktiven Management vor, weil vielfach im Netzwerk agierende Ärzte selbst diese Aufgabe neben der eigentlichen Tätigkeit in der Praxis ausüben (Schicker et al., 2006). Andererseits bestehen nicht selten Barrieren wie ein hoher Organisationsaufwand oder fehlendes Engagement sowie ungenügende EDV-Systeme und Kommunikationsmittel, woraus zum Beispiel die eigentlich zu vermeidenden Doppeluntersuchungen resultieren können (Schicker et al., 2006). Insgesamt verstehen sich außerdem nur wenige Praxisnetze als eine Organisationsform mit gemeinsamen, verbindlichen Zielen, die der systematischen Gestaltung und WWW.RUB.DE/ISE

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der Abstimmung von Strategien, Prozessen, Strukturen und IuK bedürfen (Schicker et al., 2006). All diese Probleme erfolgen vorrangig aus den Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens, das einem ständigen, sich verschärfenden Wandel und ständig wechselnden Vertragslagen unterlegen ist. Daher sind Netzwerke im Gesundheitswesen besonders fragile Organisationen (Braun, 2004). Die zentrale Aufgabe ist es hier folglich in erster Linie, ein Mindestmaß an – sozialer – Organisiertheit zu schaffen (Sydow, 1995, zit. nach Thormählen et al., 2006), also gemeinsam mit dem Netzwerk Ziele zu definieren und formale Aufbau- und Ablaufstrukturen anzubieten (Braun, 2004).

5.1 Qualitätsentwicklung in Gesundheits-Netzwerken Da sich Praxis- bzw. Kliniknetze primär über die Qualität der medizinischen Versorgung profilieren, und Preisargumente oder der tiefere Selbstbehalt des Patienten nachstehen, ist ein professionelles Qualitätsmanagement in Praxisnetzen essentiell (Braun, 2004). Hier bieten sich nach Huber (2006) im Kern folgende Vorgehensweisen an. Zum einen kann die Vermeidung von Zufälligkeiten und der Abbau von Heterogenität des ärztlichen Handelns durch eine regelmäßige, moderierte, themenzentrierte und gut strukturierte Zirkelarbeit erreicht werden. In diesem Rahmen können sich die im Netzwerk agierenden Ärzte

über

Fallvignetten

und

Lernschleifen

austauschen,

fortbilden

und

Leitlinien

sowie

Behandlungspfade unter Einbezug aktueller Evidenzliteratur erstellen. Dadurch werden die Leistungen im Sinne einer Strukturierung und Standardisierung verbessert. Diese Treffen wirken sich ebenfalls identitätsstiftend und vertrauensfördernd aus. Zum anderen ist es zur Qualitätssicherung häufig sinnvoll, Netzwerkspielregeln mit finanziellen Anreizen einzuführen (vgl. Güntert, 2006). Außerdem steht der Aufbau von Qualitätsmarken im Vordergrund, in dem qualitative Standards auch für Versicherte klar erkennbar sind. Insbesondere bei Budgetmitverantwortung sind ferner laufende Kosten-Nutzen-Analysen nötig (Huber, 2006). Diese Vorgehensweisen führen nach Huber (2006) insgesamt zu einer verbesserten Diagnose- und Therapiesicherheit und Wirtschaftlichkeit sowie zu einem rascheren und vollständigen Informationsaustausch. Muster für gelungene und gescheiterte Praxisnetze sind bei Georg (2007) und bei Thormählen und Kollegen (2006) nachzulesen.

Der Forscher Edwin Toepler hat die erfolgreiche Verbindung von Qualitätsmanagement und Vernetzung anhand eines Kliniknetzes in der Rehabilitation dargestellt. Im Jahr 2006 schlossen sich verschiedene Rehabilitationseinrichtungen, Versicherungen und Weiterbildungseinrichtungen zu dem Qualitätsverbund Reha und Gesundheit Baden-Württemberg zusammen. Das Ziel, Qualitätsmanagement (QM) – also die qualitative Weiterentwicklung der Leistungen, die Dokumentation und die externe Zertifizierung – klinikübergreifend zu organisieren, war jedoch von der Frage begleitet, wie dieser Mehraufwand nicht zu Lasten der Patientenbetreuung zu gestalten ist. Für dieses Problem hat der Qualitätsverbund ein DreiWWW.RUB.DE/ISE

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Ebenen-Modell

mit

den

Aspekten

Aufwand,

Qualitätssicherung

und

-verbesserung

und

Weiterentwicklung entwickelt (Toepler, 2008). Zur Reduktion des durch die Qualitätsentwickung entstandenen Aufwandes wurde eine zentrale Koordination von QM-bezogenen Aufgaben sowie eine klinikübergreifende Arbeitsteilung strukturiert. Auf der Ebene der Qualitätssicherung und -verbesserung haben sich die Netzwerkpartner auf eine frühzeitige Erkennung von Schwächen im Arbeitsablauf und auf eine Gemeinschaftszertifizierung geeinigt. Die Bündelung von fachlichen Ressourcen und die stets gemeinsame Durchführung von Entwicklungsprojekten waren die Hauptziele auf der Ebene der konzeptionellen Weiterentwicklung der Rehabilitationsverfahren. Ein gemeinsames Qualitätsverständnis, eine Vergleichbarkeit der Partner und gegenseitiges Vertrauen definierte das Netzertk als Grundvoraussetzungen zur Realisierung des Projekts (Toepler, 2008). Überraschenderweise konnten bereits nach einem Jahr durchgängig positive Effekte festgestellt werden und die Nutzenaspekte waren auf vielen Bereichen sichtbar. Eine Umfrage ergab zum einen, dass durch die klar definierten Abläufe eine Kontinuität der Versorgung gewährleistet wird, die eine Steigerung der Patientenzufriedenheit nach sich zog. Umfangreiche Änderungen im Personalmanagement wie eine durchgängige

Funktionsbeschreibungen,

die

Einführung

eines

systematischen

Fehler-

und

Beschwerdemanagements sowie die verpflichtenden Mitarbeitergesprächen führten zu optimierten Abläufen auch durch einen nun kommunikativeren und wertschätzenderen Umgang miteinander. Eine Managementanalyse ergab zum anderen, dass durch gemeinsame Projekte des Qualitätsverbundes Synergieeffekte genutzt und gemeinsame Konzepte zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation entwickelt werden konnten (Toepler, 2008): Die Zusammensetzung des Verbundes ermöglichte eine neue Qualität der Kommunikation, des Gedankenaustauschs und des Wissenstransfers, welche die Arbeit nun mit ganz neuen Ideen unterstützte. Die nunmehr verbesserte Kommunikation gewährleistete Transparenz, eine Identifikation mit dem Netzwerk und auch eine Reduktion der „Betriebsblindheit“. Schulungen und Fortbildungen mit Referenten aus den Verbundkliniken erhöhte die Qualifikation der Mitarbeiter, was unmittelbar dem Patienten zu Gute kam. Weiterhin konnte mit dem gemeinsamen Werbeauftritt als „einmaliger Verbund“ (Toepler, 2008, S. 164) ein mehr an Aufmerksamkeit und Akzeptanz in Politik, bei Kostenträgern, in den Medien und bei den Patienten erzielt werden. Kosteneinsparungen in Höhe von 40% (ca. 50000 € in drei Jahren) waren schließlich ein besonders deutliches Zeichen, wie durch kooperative Zusammenschlüsse zu Netzwerken die Qualität und Effizienz im Gesundheitswesen erhöht werden kann.

Wie dieses Beispiel verdeutlicht, kann die Erschließung von Synergieeffekten durch die Bildung von Netzwerken ein äußerst effektives Mittel sein, um im Gesundheitswesen weiter wettbewerbsfähig zu bleiben bzw. die Wettbewerbsposition auszubauen. Einige Wissenschaftler wie auch die HealthcareWWW.RUB.DE/ISE

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Berater Thormählen und Kollegen (2006) vermuten sogar, dass die Patientenversorgung über Netzwerke in der Zukunft zu einer Regelversorgung werden könnte.

6. Resümee Abschließend kann gefolgert werden, dass ein professionelles Netzwerkmanagement einen wesentlichen Beitrag zum langfristigen Erfolg eines Netzwerks leistet. Obwohl die wissenschaftliche Basis zur Netzwerkgestaltung noch nicht sehr breit ist, liegen bereits durchaus wirksame Handlungskonzepte zur Prozessoptimierung eines Netzwerks vor.

Wesentliche Merkmale der Netzwerkberatung werden

abschließend in einem kurzen Überblick zusammengefasst: 

Ein Netzwerk ist eine Organisationsform ökonomischer Aktivitäten, die sich durch wechselseitige, eher kooperative und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen Unternehmungen auszeichnen



Ziel eines Netzwerks ist die Erschließung von Synergieeffekten durch die Bündelung von Kompetenzen



Netzwerke nehmen vor allem im Gesundheitssystem zu, um infolge von veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen wettbewerbsfähig zu bleiben und der Forderung nach einer integrierten Versorgung nachzukommen



Durch

die

Netzwerkbildung

wird

der

Organisationsbedarf

reduziert,

aber

der

Kommunikationsbedarf erhöht 

Soziale Faktoren wie Vertrauen sind in Netzwerken besonders bedeutsam



Auch flache Hierarchien benötigen ein gewisses Maß an verbindlicher Koordination



Problematisch sind stets die netzwerkspezifischen Spannungsverhältnisse (z.B. zwischen Kooperation und Wettbewerb)



Netzwerkmanagement gliedert sich in die systematische Analyse, die Ableitung des Reifegrad und die Optimierung der Prozessorganisation o

Netzwerkanalyse: Organisationstyp, Entwicklungstand, beteiligte Akteure, Intensität der Kooperation, Beziehungen, Teilsysteme, Nutzen und Ziele

o 

Prozessgestaltung: Selektion, Allokation, Regulation, Evaluation

Voraussetzungen für die langfristige kooperative Zusammenarbeit: struktureller, kultureller und strategischer Fit, qualitativer und quantitativer Nutzen, Veränderungsbereitschaft, Passung am Markt



Nur Netzwerke mit konkreten Zielen, einer Netzwerkidentität, Vertrauen, formalen Aufbau- und Ablaufstrukturen sowie Kooperationsverträgen, Spielregeln, klar verteilten Aufgaben und Ressourcen, hinreichenden Informations- und Kommunikationswegen, regelmäßigen Kosten-

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Nutzen-Analysen, dem stetigen Austarieren des Spannungsverhältnis zwischen „Ich und Wir“, der wiederkehrenden Herstellung einer „win-win-Situation“ für alle Beteiligten und einem professionellen Netzwerkmanagement führen zu einem langfristigen Kooperationserfolg 

Allgemeine Erfolgsfaktoren von Netzwerken: Gemeinsame Ziele, gegenseitiger Nutzen, Qualität und Zusammenarbeit der Partner, förderliche Netzwerkkultur, adäquates Netzwerksystem.

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