Mit Digitalisierung und SmartSim

TECHNIK Mit Digitalisierung und SmartSim erneuerbare Gase einfach einspeisen Elektrischer Strom kann vergleichsweise einfach in die bestehenden Vert...
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TECHNIK

Mit Digitalisierung und SmartSim erneuerbare Gase einfach einspeisen

Elektrischer Strom kann vergleichsweise einfach in die bestehenden Verteilnetze eigespeist werden – egal, ob er aus Fotovoltaikanlagen, GuD- oder Kernkraftwerken stammt. Anders stellt sich die Situation hingegen beim Erdgasnetz dar: So schreibt das DVGW-Arbeitsblatt G 685 vor, dass der Brennwert des Einspeisegases um nicht mehr als 2 Prozent vom sogenannten Abrechnungsbrennwert abweichen darf. Die immer größer werdenden Schwankungen der Brennwerte machen deshalb in vielen Fällen eine aufwendige und kostspielige Brennwertanpassung notwendig. Vor diesem Hintergrund hat die schwaben netz GmbH im Oktober 2013 das Projekt SmartSim/Nordschwaben initiiert. Ziel ist es, durch den Einsatz der Software SmartSim und die Auswertung von digital vorhandenen Daten auf die Konditionierung des Biogases von drei Biomethananlagen in dem Netz zu verzichten. von: Klaus Barra (schwaben netz GmbH), Prof. Dr.-Ing. Joachim Schenk (Hochschule für angewandte Wissenschaften München) & Christian Kindsmüller (keep it green GmbH)

Der europäische Gasmarkt wird immer dynamischer: Durch neue Gasquellen wie Schiefergas oder Flüssigerdgas (LNG) erhält der Rohstoff Erdgas mehr Variabilität, außerdem erleichtert die Standardisierung von Regularien den innereuropäischen Handel des Energieträgers. Darüber hinaus speisen vermehrt erneuerbare Gasquellen in das Gasnetz, wie z. B. Biomethananlagen oder Wasserstoff aus Power-to-GasAnlagen [1].

Fremdingen

Abb. 1: Netzkarte des Netzabschnitts „Nordschwaben“ in SmartSim-Darstellung. Hervorgehoben sind die Biomethananlagen (grünlich) sowie die Erdgaseinspeiseanlage (gelb).

Minderoffingen

Marktoffingen/Nord Marktoffingen/Sportheim

Marktoffingen/Bioerdgasanlage Maihingen/Bioerdgasanlage

Legende Rohrleitung Druckregler Leitungsknoten Transportnetz Ausspeisung Vermaschung auf Ortsnetzebene

Wallerstein/Nord

Sektion 1 RLM-Kunde 1

Standort mobiler PGC 01.02.2015 – 18.02.2015

Standort mobiler PGC 19.02.2015 – 30.04.2015

Nördlingen/Ost-Verdichter

RLM-Kunde 2

Baldingen

Nördlingen/Ost-Entry

Sektion 2

Noerdlingen/Arlt

Nördlingen/Ost-Exit Reimlingen

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Permanente PGC-Messung seit 01.02.2015

Quelle: Prof. Dr.-Ing. Joachim Schenk

Wallerstein/Süd

Damit wird gleichwohl die Ermittlung von korrekten Abrechnungsbrennwerten für Verteilnetzbetreiber immer mehr zur Herausforderung: Während die Brennwerte der eingespeisten Gase in einem weiten Bereich schwanken können (typischerweise im Bereich von 6 –8 Prozent), wird für eine Abrechnung nach DVGW-Arbeitsblatt G 685 die Einhaltung der sogenannten Zwei-Prozent-Grenze gefordert [2]: Der Brennwert der eingespeisten Gase darf um nicht mehr als 2 Prozent vom Abrechnungsbrennwert abweichen. Vereinfacht ausgedrückt: Es muss dafür gesorgt werden, dass sich die Brennwerte der eingespeisten Gase um nicht mehr als 2 Prozent voneinander unterscheiden. Deswegen wird das Biogas vor der Einspeisung in das H-Gas-Netz in der Regel mit Propan konditioniert.



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INFORMATIONEN

Brennwerteinstellung in Reimlingen Über einen 14-Komponenten-PGC in der Anlage Nördlingen/Ost-Exit wird der dort eingespeiste Brennwert ermittelt und als Sollwert für die Einspeiseanlage in Reimlingen übertragen. Die Biogaseinspeiseanlage in Reimlingen wurde um eine zweischienige Erdgasregelanlage für die Versorgung der Stadt Nördlingen von Süden her erweitert. Die Erdgasregel- und die Biogaseinspeiseanlage arbeiten jeweils mit einer übergeordneten Mengensteuerung und ergeben so gemeinsam eine „Brenn-

wertmischanlage“. Durch die exakte Mischung aus Bioerdgas und Erdgas kann nun in Reimlingen der gleiche Brennwert nach Nördlingen eingespeist werden, wie er zu diesem Zeitpunkt über die GDRMAnlage Nördlingen Ost im Norden in das Netz der Stadt strömt. Führungsgröße für den gemischten Gasstrom aus der Anlage Reimlingen ist zunächst die vom Ortsnetz geforderte Menge. Dies geschieht wie bei herkömmlichen Regelanlagen rein druckgesteuert. Die Besonderheit ist, dass innerhalb der

Die schwaben netz GmbH vermeidet diese Konditionierung durch Verwendung der digital vorgehaltenen Daten zum Netz (Topologie/ GIS-Daten) sowie der Einspeise- und Verbrauchsdaten in der Brennwertverfolgungssoftware SmartSim. Nachfolgend wird beschrieben, wie die Software SmartSim im Un-

vierschienigen Mischanlage exakt solche Teilmengen Erdgas durch Bioerdgas substituiert werden, dass sich am Ausgang der Mischanlage der Sollbrennwert aus Nördlingen/Ost-Exit einstellt. Die Vorgaben der G 685 werden also für den Fall, dass die Anlage Nördlingen Ost und die Anlage Reimlingen die Stadt von verschiedenen Seiten her versorgen, erfüllt und die Kunden der schwaben netz können exakt abgerechnet werden. Überschüssige Bioerdgasmengen werden in ein eigenes, auch von Reimlingen aus versorgtes Brennwertgebiet nach Bissingen abgeleitet.

ternehmen eingesetzt wird, welche Schritte dazu notwendig waren und welcher konkrete Nutzen sich hieraus ergibt. Der betrachtete Netzabschnitt „Nordschwaben“ (Abb. 1) besitzt die Druckstufe DP 16 und wird von einem vorgelagerten DP 67,5-Netz

DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

GASKURSUS 2017 Der Gaskursus ist Teil des Fortbildungsprogramms des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW). Er dient der Weiterbildung und soll neuen und fachfremden Mitarbeitern der Versorgungsunternehmen die Einarbeitung in gasfachliche Themen erleichtern. Erfahrenen technischen Fach- und Führungskräften der Versorgungswirtschaft und für die Gasversorgung in Industrieunternehmen verantwortlichen Mitarbeitern werden aktuelle gasfachliche Themen näher gebracht.

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Der Gaskursus findet vom

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statt. Flyer, weitere Infos und Anmeldung unter:

Im Rahmen der Veranstaltung werden folgende Themen behandelt: Grundlagen Erdgas Gase aus erneuerbaren Quellen Gasmarkt und Regulierung Häusliche, industrielle und mobile Anwendung Gewinnung und Speicherung Dispatching Transport und Verteilung Smart Grids Sicherheits- und Messtechnik

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TECHNIK

(Marktoffingen und Maihingen, Brennwert Hs = 10,7 .. 10,9 kWh/m³).

INFORMATIONEN

Was ist SmartSim?

Die Einspeisestelle Reimlingen speist direkt in das nachgelagerte Ortsnetz „Nördlingen“ ein und ist somit auf Ortsnetzebene mit dem Knoten Nördlingen/Ost-Exit vermascht. Beide Einspeisestellen versorgen die „Sektion 2“.

SmartSim ist eine Software, die seit 2009 von der E.ON Metering GmbH entwickelt wird; sie liegt derzeit in der Version 1.6 vor [5]. Mit SmartSim können Netzbetreiber die Gasflüsse innerhalb des gesamten Netzes – oder ausgewählter Abschnitte – simulieren. Dazu werden die Einspeise- und Verbrauchsdaten, die in der Regel bereits digital vorliegen, verwendet und mithilfe des SmartSim-Rechenkerns verarbeitet. Aus den Gasflüssen lassen sich anschließend Abrechnungsbrennwerte ermitteln, die sich auf gemessene Einspeisebrennwerte zurückführen lassen. Im Unterschied zu bestehenden Softwarepaketen gelingt SmartSim die zeitlich korrekte Nachverfolgung auch dann, wenn Ausspeisevolumen aus SLP berechnet und nicht stündlich gemessen werden. Außerdem ermöglicht SmartSim eine Unsicherheitsberechnung nach GUM.

An der Einspeisestelle Reimlingen befindet sich eine benachbarte Biomethananlage, deren Biogas mit Erdgas gemischt werden kann. Dadurch wird dafür gesorgt, dass in Reimlingen der gleiche Brennwert wie in Nördlingen/Ost-Exit ansteht. Die eichrechtliche sowie technische Umsetzung dieser Mischanlage, die für die Einhaltung der Zwei- Prozent-Grenze in Sektion 2 sorgt, wurde bereits ausführlich in einem hier veröffentlichten Fachartikel [3] beschrieben.

SmartSim wird derzeit bei zehn Netzbetreibern in Deutschland und Europa zur Abrechnung verwendet, bei weiteren zwölf Netzbetreibern befindet sich SmartSim in der Umsetzung- und Testphase.

stelle) in das vorgelagerte Transportnetz (Nördlingen/Ost-Verdichter) auf. Die beiden Netzkoppelpunkte Wallerstein/Nord und Wallerstein/Süd sind auf Ortsnetzebene vermascht und bilden die „Sektion 1“. Gespeist wird das DP 16-Netz über eine Erdgaseinspeisestelle (Nördlingen/OstEntry, Brennwert Hs = 11,2 .. 11,4 kWh/ m³) sowie zwei Bioerdgasanlagen

Phase 2: Validierung

Phase 3: Regelbetrieb

Ÿ  Bereitstellung der Eingangsdaten

Ÿ  Feldtest (mobiler PGC und permanenter PGC)

Ÿ  Umsetzung ins Abrechnungssystem

Ÿ  Netzsimulation für das Jahr 2013

Ÿ  Validierung durch PTB/Eichamt

Ÿ  Monatliche Brennwertbestimmung

Phase 1: Netzanalyse (Vorstudie)

Bewertung

Aufgrund der Brennwertdifferenz zwischen dem eingespeisten Bioerdgas (Hs = 10,8 kWh/m³) und dem Erdgas (Hs = 11,3 kWh/m³) von ca. 5 Prozent wird ein individueller Abrechnungsbrennwert für jede Ausspeisestelle mit SmartSim ermittelt.

Genehmigung

Abrechnung

Der Einsatz von SmartSim im Netz Nordschwaben Quelle: Prof. Dr.-Ing. Joachim Schenk

mit Erdgas versorgt. Das Netz umfasst elf Ausspeisestellen, denen einzelne Kunden bzw. Ortsnetze nachgeschaltet sind (DP 1 und DP 4). Bei einem Arbeitsdruck im DP 16-System von 3 bis 7 bar und einer Leitungslänge von ca. 23 km werden Kunden mit einem jährlichen Erdgasbedarf von etwa 250 Megawattstunden (MWh) versorgt. Als Besonderheit weist das Netz eine Rückverdichtung (zwölfte Ausspeise-

Quelle: Grafische Auswertung SmartSim-Software

Abb. 2: Die drei Projektphasen für die Implementierung von SmartSim/Nordschwaben. Projektstart war im Oktober 2013, die Abrechnung erfolgt seit Oktober 2015.

Abb. 3: Ein Ergebnis der ersten Projektphase ist, dass die Zwei-Prozent-Grenze (grauer Bereich) in der Sektion 1 bei simulierter, abgeschalteter Konditionierung eingehalten wird. Die Abweichung beträgt lediglich 0,06 Prozent.

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Das Projekt SmartSim/Nordschwaben wurde im Oktober 2013 gestartet und in drei Phasen durchgeführt (Abb. 2). Der Abrechnungsbetrieb erfolgt seit Oktober 2015. Nachfolgend werden die einzelnen Phasen beschrieben. Phase 1: Netzanalyse Während der ersten Projektphase, der „Vorstudie“, wurde das Netz Nördlingen analysiert. Dazu wurde die im GIS digital vorliegende Netztopologie automatisch in das SmartSim-Format konvertiert, um das Netz mit SmartSim berechnen zu können. Außerdem wurden die benötigten Daten für die Simulation (im Wesentlichen: Einspeisevolumen, RLM-Messungen, SLPKundenwerte, Drücke) definiert und das Datenformat beschrieben; hierfür wird das Format MSCONS (Metered



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Abb. 4: Vergleich zwischen der Messung und Berechnung des Brennwerts am Knoten „RLM-Kunde 2“. Die Abweichung beträgt ca. -0,05 Prozent. Außerdem wurde – zu Testzwecken – die Konditionierung vom 21.–23. April 2015 abgeschaltet.

abgeschaltete Kondionierung

Services Consumption Report Message) verwendet. Da die Eingangsschnittstelle von SmartSim flexibel ist, können auch (beliebige) andere Formate verarbeitet werden.

Abb. 5: Gasverteilung (links) und Unsicherheitsverteilung (rechts) für einen typischen Wintermonat mit Durchschnittstemperatur knapp über 0 °C (Mitte). Die Misch- und Pendelzone bildet sich zwischen Baldingen und RLM-Kunde 2 aus, dort findet sich auch die größte Unsicherheit von ca. 0,6 Prozent.

Quelle: Grafische Auswertung SmartSim-Software

Wichtig für die Qualität der Simulationsergebnisse ist die Qualität der Eingangsdaten. Neben der Richtigkeit der Messung ist auch die Zuordnung der Verbrauchsdaten zu den einzelnen

Ausspeiseknoten essenziell für eine erfolgreiche und korrekte Simulation. Dazu wurden sämtliche SLP- und RLM-Kunden (Kunden mit Standardlastprofil (SLP) bzw. Registrierender Leistungsmessung (RLM)) den einzelnen Ausspeisestellen zugeordnet und können vom Energiedaten-Management (EDM) – als Summenlastgänge – direkt exportiert werden. Die Ermittlung der SLP erfolgt durch SmartSim

Quelle: Grafische Auswertung SmartSim-Software

RLM-Kunde 2 - April 2015

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Abrechnungssystem (ISU) Energiedaten-Management (Thüga Metering)

Netztopologie (Rohre, Knoten)

Datenkonverter

• Brennwerte • Volumina • Drücke

Standardlastprofile (SLP) RLM-Kunden Abrechnungsbrennwerte

Datenabruf (DFSG)

Datenschnittstelle (MSCONS) SmartSim Kernel

SmartSim GUI

• Volumenkorrektur

• Graphical User Interface

• Hydraulische Berechnung

• Visualisierung

• Brennwertzuordnung

• Reporting

Abb. 6: Datenquellen und -zusammenführung für die Simulation mit SmartSim. Die Interaktion mit dem Benutzer erfolgt ausschließlich über die SmartSim GUI.

gemäß der TUM-Standardlastprofile [4]. Deswegen werden hier nur einmal jährlich die aggregierten Kundenwerte je Kundengruppe und Knoten an SmartSim übertragen.

Quelle: Prof. Dr.-Ing. Joachim Schenk

Topologiepflege (Stanet)

Zum Abschluss der ersten Phase wurde das gesamte Netz erfolgreich simuliert. Außerdem wurde untersucht, welche Auswirkungen die Abschaltung der Konditionierung auf die Sektion 1 hat – hierbei konnte gezeigt werden, dass die Zwei-Prozent-Grenze auch bei abgeschalteter Konditionierung stets eingehalten wird (Abb. 3).

Messwerte (Stationsrechner)

Phase 2: Validierung Mit den Ergebnissen der ersten Projektphase (alle Daten werden digital und zuverlässig bereitgestellt, SmartSim ist grundsätzlich für das Netz geeignet und die Zwei Prozent-Grenze wird in allen vermaschten Gebieten eingehalten) erfolgte in der zweiten Projektphase die Validierung. Dazu wurde an verschiedenen Orten im Netz ein mobiler ProzessGaschromatograf (PGC) aufgebaut. Die Standorte und Messzeiträume des PGC sind in Abbildung 1 dargestellt (Baldingen, RLMKunde 2). Außerdem konnte auf die Daten

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a

b

c

d



Quelle: Benutzeroberfläche SmartSim-Software

Abb. 7: Mit der SmartSim GUI können untermonatige Simulationen (a), die Abrechnungssimulation (b) und die Unsicherheitsberechnung (c) durchgeführt werden. Automatisiert wird daraus der Abrechnungsbericht (d) erstellt.

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Neben der Genauigkeit des Systems wurde auch die Unsicherheit mithilfe von SmartSim ermittelt. Das exemplarische Ergebnis der Unsicherheitsbewertung für jeden Ausspeiseknoten zeigt Abbildung 5 (rechts). Hier liegt die Unsicherheit für jeden Knoten < 0,6 Prozent – die ZweiProzent-Grenze wird somit immer deutlich eingehalten. Die größte Unsicherheit ergibt sich im Bereich der Mischund Pendelzone. Diese lag im dargestellten Zeitraum zwischen den Netzkoppelpunkten Baldingen und RLM-Kunde 2 (Abb. 5 links). Die Validierung und Unsicherheitsberechnung erfolgte in Begleitung durch Beamte des Bayerischen Landesamts für Maß und Gewicht. Phase 3: Probebetrieb Auf Grundlage der Mess- und Berechnungsergebnisse aus Phase 2 wurde vom Bayerischen Landesamt für Maß und Gewicht im Oktober 2015 der Probebetrieb (befristet auf ein Jahr) genehmigt. Bereits während dieses Betriebs wurden die Konditionierungsanlagen abgeschaltet und die Kunden mit den von SmartSim ermittelten Brennwerten abgerechnet. Außerdem konnten wertvolle Betriebserfahrungen für den Erhalt der endgültigen Genehmigung gesammelt werden. Sämtliche Erfahrungen wurden in einer Verfahrensanweisung festgehalten, die seither Anwendung findet. Darüber hinaus konnten die innerbetrieblichen Abläufe getestet und weiter optimiert werden. In Abstimmung mit dem Eichamt wurden auch im Probebetrieb zwei jeweils zweiwöchige Messungen mit einem mobilen PGC durchgeführt. Abbildung 6 zeigt das Zusammenspiel der verschiedenen digitalen Datenquellen sowie die Datenzusammenführung für die Verarbeitung mit SmartSim: In regelmäßigen Abständen, v. a. bei Änderungen im Netz, erfolgt ein Abgleich der Topologie, die im GIS gepflegt wird. Die Konvertierung in das SmartSim-Format erfolgt automatisiert. Die Messwerte der Stationsrechner werden per DSFG-Schnittstelle in das EDM übertragen und entsprechend der während der ersten Phase bestimmten KnotenKunden-Zuordnung über die Knoten aggregiert. Aus dem EDM können jederzeit die Daten nach SmartSim exportiert werden. Hierbei wird, wie in der ersten Phase definiert, das Format MSCONS verwendet. Die Software SmartSim ist in zwei Bereiche unterteilt: Zum einen in den SmartSim Kernel, der die Bestimmung von Korrekturvolumen, die hydraulische Netzberech-

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Während der drei Projektphasen wurde das Unternehmen durch einen erfahrenen Projektleiter von E.ON betreut. Auch die Zulassungsdokumente für das Genehmigungsverfahren wurden von E.ON erstellt. Am Ende jeder Phase wurde eine umfangreiche Schulung für die Mitarbeiter der schwaben netz GmbH vor Ort durchgeführt – somit war jederzeit gewährleistet, dass die Simulationen im Hause durchgeführt werden können.

loyal, kompetent und verantwortungsbewusst

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rt ie

nach

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93-1 G4

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nung sowie die Brennwertzuordnung durchführt. Zum anderen in die SmartSim GUI (Abb. 7), also die grafische Benutzeroberfläche. Die GUI dient der Steuerung von SmartSim; hier werden die Simulationen durchgeführt, die Ergebnisse visualisiert und die Abrechnungsbrennwerte erstellt. Die Kernel-Version ist fester Bestandteil der Genehmigung und darf im Nachhinein nicht mehr verändert werden. Die SmartSim GUI unterliegt dagegen keiner Festschreibung und wird deswegen in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Die von SmartSim für jeden Ausspeiseknoten ermittelten Brennwerte werden in das Abrechnungssystem eingespielt. Dem Abrechnungsprozess der schwaben netz GmbH folgend, werden dafür Excel-CSV-Dateien verwendet.

Zertif z

eines permanent installierten und geeichten PGC (Nördlingen/Ost-Exit) zugegriffen werden. Die Ergebnisse sind in Abbildung 4 beispielhaft dargestellt. Wie zu sehen ist, beträgt die Abweichung ca. 0,05 Prozent – dieser Wert liegt im Rahmen der Messgenauigkeit der beteiligten PGC. Außerdem wurde die Konditionierung in den Bioerdgasanlagen zeitweise abgeschaltet; auch hier konnte der Brennwert exakt und zeitlich korrekt ermittelt werden.

TECHNIK

dokumentiert werden. Das Ergebnis einer DreiTages-Simulation illustriert Abbildung 7 a. Am Monatsende wird mit den gegebenenfalls korrigierten und aus dem EDM exportierten Werten der Abrechnungslauf durchgeführt. Das Ergebnis ist in Abbildung 7 b in Form der Gasverteilung dargestellt.

Knoten Monat 997667 907667 909602

Unsicherheit

11/2015

-0,03 %

0,51 %

12/2015

-0,06 %

0,08 %

0,70 %

1/2016

-0,03 %

0,04 %

0,66 %

2/2016

-0,00 %

-0,04 %

0,96 %

3/2016

-0,02 %

-0,07 %

0,98 %

4/2016

-0,02 %

-0,00 %

0,42 %

5/2016

-0,14 %

0,44 %

6/2016

-0,04 %

0,46 %

7/2016

-0,01 %

0,28 %

8/2016

-0,16 %

0,31 %

9/2016

-0,05 %

0,35 %

10/2016

-0,02 %

0,96 %

Praktischer Einsatz und Betriebserfahrungen Nach dem Ende des Probebetriebs im Dezember 2016 wurde das Projekt SmartSim/Nordschwaben erfolgreich beendet und befindet sich seither im Regelbetrieb. Dabei erfolgt die Abrechnung gemäß der in Phase 3 erstellten Verfahrensanweisung. Weil das Netz Nordschwaben über einen permanenten PGC verfügt, können die berechneten Brennwerte stundenscharf mit Messungen verglichen werden. Dadurch lassen sich Inkonsistenzen in den Daten (z. B. Ausfälle bei den Zählern) frühzeitig erkennen und Ersatzwerte bereitstellen. Dazu erfolgt eine regelmäßige, untermonatige Auswertung. Die untermonatig berechneten Brennwerte dienen jedoch nicht der Abrechnung, sondern stellen lediglich einen konsistenten Datensatz sicher. Die Ermittlung der monatlichen Abrechnungsbrennwerte erfolgt ausschließlich über die SmartSim GUI (Abb. 7) und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Im Abstand von in der Regel vier Tagen werden „untermonatige“ Probesimulationen zur Aufdeckung von Dateninkonsistenz durchgeführt. Diese äußern sich in Form starker Abweichungen der Messergebnisse oder unplausibler Werte als Ergebnis der Simulation. Werden Inkonsistenzen in den Daten gefunden, können im EDM Ersatzwerte erstellt und entsprechend

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Quelle: Prof. Dr.-Ing. Joachim Schenk

Tabelle 1: Abweichung zwischen Messung und Berechnung des Abrechnungsbrennwerts an verschiedenen Knoten samt der maximalen Unsicherheit im Netz während des einjährigen Probebetriebs im Netz Nordschwaben.

Im Anschluss an den Abrechnungslauf wird die Unsicherheit des Gesamtsystems von SmartSim per Knopfdruck berechnet und das Ergebnis geeignet illustriert. Abbildung 7 c zeigt die Verteilung der Unsicherheit kontextanalog zur Topologie. Nach der Berechnung der Abrechnungsbrennwerte und der Unsicherheit wird der Abrechnungsbericht erstellt. In Abbildung 7 d ist eine verkürzte Version (ohne Volumen) aufgeführt. Seit Oktober 2015 werden im Netz Nordschwaben die Brennwerte mit SmartSim ermittelt, seit Februar 2016 ist auf allen Biomethananlagen die Konditionierung abgeschaltet. Die Kosten für die drei Projektphasen sowie die jährlich entstehenden Kosten für Lizenz, Support und Updates können nach Rücksprache mit der Bundesnetzagentur gewälzt werden, da diese weit geringer sind als die Kosten für die sonst fällige Konditionierung des Biogases auf den Erdgasbrennwert mit Flüssiggas. Die Abrechnungsberichte werden zügig und im Unternehmen erstellt. Für den Netzabschnitt Nordschwaben ist die schwaben netz GmbH nicht mehr auf die Lieferung der Abrechnungswerte vom vorgelagerten Netzbetreiber angewiesen und die Abrechnungsbrennwerte stehen zeitnah zur Verfügung. Durch die untermonatigen Probeläufe lassen sich inkonsistente Daten leicht identifizieren – hier hilft SmartSim, die Eingangsdaten zu plausibilisieren. Die Betriebssicherheit der Biogaseinspeiseanlagen konnte aufgrund der Abschaltung der Konditionierung stark erhöht werden. Darüber hinaus wird weder Energie für die Verdampfung von Flüssiggas noch Flüssiggas selbst für die Konditionierung benötigt. Durch die digitale Vernetzung der Einspeisestellen um Nördlingen können auch die Verdichterlaufzeiten der Rückverdichtung deutlich reduziert werden. Insgesamt werden so die Kosten der Biogaseinspeisung in Nordschwaben nachhaltig um rund eine halbe Million Euro pro Jahr reduziert. Die Biomethananlage bei Reimlingen wiederum konnte gleich ohne Konditionie-



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rungsanlage geplant und gebaut werden – neben den Betriebskosten ließen sich hier Anschaffungskosten von rund 250.000 Euro einsparen. Aus den Messungen der mobilen bzw. des fest installierten PGC lassen sich die Abweichungen zwischen den berechneten und den simulierten Brennwerten an verschiedenen Stellen im Netz ermitteln. Außerdem wurde mit SmartSim die jeweilige, maximale Unsicherheit für jeden Knoten ermittelt (Tab. 1). Es ergibt sich eine Abweichung des Monatsmittelwerts von < 0,1 Prozent. Die Unsicherheit im Netz ist stets < 1 Prozent – somit wird die Zwei-Prozent-Grenze in allen Fällen sehr gut eingehalten.

Ausblick Seit dem 1. Januar 2017 wird SmartSim im Regelbetrieb eingesetzt. Durch den Einsatz von Digitalisierung und intelligenter Netzsteuerung können die Kosten der Biogaseinspeisung in Nordschwaben nachhaltig um rund eine halbe Million Euro pro Jahr reduziert werden. Es hat sich außerdem gezeigt, dass die Zuverlässigkeit der Biomethananlagen bei abgeschalteter Konditionierung deutlich steigt, was zu einer Reduzierung der Technikerstunden auf den Anlagen führt. Dank der Digitalisierung und der Software SmartSim lässt sich Biogas somit „einfach“ ins Netz einspeisen, die aufwendige Brennwertanpassung entfällt. Somit wird das Gasnetz ähnlich flexibel bezüglich der Einspeisung, wie es das Stromnetz bereits heute ist. Aufgrund der sehr positiven Erfahrungen ist geplant, einen weiteren Netzabschnitt mit Biogaseinspeisung auf SmartSim umzustellen. Hierbei kann auf die Erfahrungen aus dem Projekt SmartSim/Nordschwaben zurückgegriffen werden, sodass der Probebetrieb noch in diesem Jahr beginnen soll. W Literatur [1] Altfeld, K., Schley, P.: Entwicklung der Erdgasbeschaffenheiten in Europa, in: gwf-Gas/Erdgas, S. 544–550, 2011.

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[2] DVGW-Arbeitsblatt G 685: Gasabrechnung, 2008. [3] Barth, H. P., Kesedzic, S., Kindsmüller, C.: Innovatives Konzept zur Biogaseinspeisung ohne Flüssiggas in Nordschwaben, in: DVGW energie | wasser-praxis, Heft 2/2015, S. 36–40. [4] BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft: Abwicklung von Standardlastprofilen Gas, in: BDEW/VKU/GEODE-Leitfaden, 2011. [5] Schley, P., Rickelt, S., Hielscher, A., Fiebig, C., Schenk, J.: Brennwertverfolgung mit SmartSim – Stand der Implementierung in Deutschland, in: gwf-Gas|Erdgas, Heft 10/2015, S. 774–781.

Die Autoren Klaus Barra ist Projektleiter „SmartSim“ und verantwortlich für das Energiedatenmanagement, Messwesen und Sonderaufgaben bei der schwaben netz GmbH. Prof. Dr.-Ing. Joachim Schenk ist Professor für angewandte Informatik an der Hochschule München und begleitet seit 2009 SmartSim-Projekte bei verschiedenen Gasnetzbetreibern. Dipl.-Ing. Christian Kindsmüller ist Geschäftsführer der keep it green gmbh und im Gesamtprojekt „Netzoptimierung Nordschwaben“ verantwortlich für die Projektkoordination und technische Umsetzung Kontakt: Klaus Barra schwaben netz GmbH Bayerstr. 45, 86199 Augsburg Tel.: 0821 455166-138 E-Mail: [email protected] Internet: www.schwaben-netz.de Prof. Dr.-Ing. Joachim Schenk Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik Hochschule für angewandte Wissenschaften München Lothstr. 34, 80335 München E-Mail: [email protected] Internet: www.hm.edu Christian Kindsmüller keep it green GmbH Münchner Str. 19a, 82319 Starnberg Tel.: 08151 44637-0 E-Mail: christian.kindsmueller@ keep-it-green.de Internet: www.keep-it-green.de

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