Mein Auslandssemester an der NTNU in Trondheim

Mein Auslandssemester an der NTNU in Trondheim Gründe für mein Auslandssemester in Norwegen Während des Studiums spielt sicherlich der ein oder andere...
Author: Jobst Hofmann
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Mein Auslandssemester an der NTNU in Trondheim Gründe für mein Auslandssemester in Norwegen Während des Studiums spielt sicherlich der ein oder andere – so wie ich – mit der Idee ein halbes Jahr oder gar noch länger im Ausland zu verbringen. Die Gründe dafür sind vielfältig - für mich persönlich waren es vor allem die Möglichkeit, ein halbes Jahr Englisch zu sprechen, andere Länder und Kulturen kennen zu lernen, neue Freundschaften zu knüpfen, ein anderes Bildungswesen zu sehen und nicht zuletzt einfach mal die gewohnte Umgebung zu verlassen um die Welt zu erkunden. Nachdem mir der Auslandsaufenthalt während des Bachelors die Studienzeit zu verlängern drohte, entschloss ich mich schließlich kurz vor Studienende im Master doch noch dazu, mich für ein Erasmus-Semester in Norwegen zu bewerben. Warum nun aber gerade Norwegen? Nun, für mich war die Entscheidung einfach. Da ich mit hoher Priorität mein Englisch verbessern wollte, musste es ins englischsprachige Ausland gehen. Da jedoch nur wenige Plätze an Partnerunis im Vereinigten Königreich oder Irland vorhanden sind, wich ich etwas weiter nordöstlich aus. In Skandinavien spricht fast jeder mindestens gutes Englisch – da z. B. amerikanische Filme fast nie in die jeweilige Landessprache übersetzt werden. Daneben hat mich Norwegen schon bei Kurzbesuchen in den vergangenen Jahren landschaftlich und in puncto Freizeitgestaltung stark begeistert. Nicht zuletzt waren Freunde von mir ebenso in Norwegen und haben mir den Aufenthalt hier wärmstens ans Herz gelegt – zu Recht! Vorbereitung Bei der Bewerbung sollte man sich zuerst auf den Seiten des IUZ der TU Bergakademie Freiberg umsehen und im Zweifel einfach mal anrufen. Selbstverständlich sind ein paar Formalien im Vorfeld (zeitig genug!) zu erledigen. Mit der freundlichen Hilfe vom IUZ und ein wenig Engagement stellt das aber keine große Hürde dar. Frau Luft vom IUZ hat mir dann auch den super Tipp gegeben, mich für das Stipendium der VNG zu bewerben. Wenn alles nach Plan verläuft erhält man dann eine Zusage der NTNU (Norwegisch Technische und Naturwissenschaftliche Universität) und es geht an die Wohnungssuche. Hier war ich in der glücklichen Situation, dass ich mich für das Frühlingssemester (Beginn im Januar, Prüfungen ab Ende Mai) beworben habe. Im Herbstsemester ist der Bewerberandrang deutlich größer, so dass man a) Glück haben muss, angenommen zu werden und b) mit mehr Austauschstudenten um Wohnraum konkurriert. Ich bin der Empfehlung der NTNU gefolgt und habe mich beim SiT (dem Trondheimer Äquivalent zum Freiberger Studentenwerk) für einen Wohnheimplatz beworben. Dabei hat man die Wahl zwischen verschiedenen „Studentendörfern“ innerhalb von Trondheim. Für Austauschstudenten werden die Wohnanlagen „Steinan“ und „Moholt“ empfohlen. Kurz und knapp – ich bin sehr froh in „Moholt“ gelandet zu sein. Doch dazu später mehr. Bezüglich Visa braucht man sich in Norwegen zum Glück keine Gedanken machen, da es zwar nicht zur EU gehört, man jedoch als Student keine gesonderte Aufenthaltsgenehmigung benötigt für einen halbjährigen Aufenthalt. Kosten Über die Finanzierung im Allgemeinen sollte man sich rechtzeitig informieren – neben der Förderung durch die VNG und das Erasmus-Programm habe ich noch deutliche Unterstützung von meinen Eltern erhalten, ohne die der Aufenthalt nicht finanzierbar gewesen wäre – trotz des zu meiner Zeit „günstigen“ Wechselkurses von Euro zu norwegischen Kronen. Um ein Gefühl für die Kosten zu bekommen sollte man mit dem 1,5 bis 3-fachen an Kosten für Lebensmittel rechnen (wenn man nicht, wie viele meiner

Kommilitonen, die Mülltonnen der Supermärkte leert) und ca. dem 1,5 fachen für die Wohnung. Wer abends ausgehen möchte, sollte auch hier ausreichend Kleingeld einplanen. Ein paar Beispielpreise bei dem NOK/EUR Kurs von 9,4 sind:      

Packung Käse oder Wurst – 3 – 4 € Packung Feta – 4 € Ein Brot – 3 € Obst und Gemüse – geringfügig teurer als in Deutschland Eine Einzelfahrt mit dem Bus – 3,20 € (mit der Smartphone-App) bzw. 5 € direkt beim Busfahrer 0,5 L Bier – im Supermarkt 2 - 4 €, im Club 5 - 10 €

Kurz gesagt – Norwegen ist teuer. Gesunde Lebensmitel sind dabei im Vergleich günstiger, ebenso wie die Busmonatskarte für Studenten – in meinen Augen ein sinnvoller Ansatz. Kleidung und Konsumartikel kosten etwa genau so viel wie in Deutschland. Alkohol und Tabak sind um ein Vielfaches teurer als in Deutschland. Ganz Fleißige können sich in Trondheim nach einem Nebenjob umsehen und können dann auch entsprechend mit einem hohem Stundenlohn rechnen. Ankunft Nachdem die Bewerbungsprozedur und Wohnungssuche weitgehend problemlos abgeschlossen war, ging es nun Anfang Januar 2016 endlich mit dem Flieger direkt von Berlin-Schönefeld nach Trondheim. Die Flüge sind bei ausreichend früher Buchung sehr günstig bei Norwegian. Nachdem ich zwei große Gepäckstücke fast auf das Gramm genau auf 20 kg getrimmt habe, musste ich mit Erstaunen in Trondheim hören, dass einige auch mit deutlichem Übergepäck von 5kg und mehr ohne Zusatzkosten in Trondheim angekommen sind. Norwegian ist hierbei - und auch bei der Größe des Handgepäcks ziemlich kulant. Am Flughafen in Schönefeld habe ich zufällig noch andere Austauschstudenten aus Freiberg und Dresden kennen gelernt, so dass bereits die Anreise erste Kontaktmöglichkeiten bot. Nach 2 Stunden Flug angekommen ging es in einer ca. 45 minütigen Fahrt in Richtung Trondheim – die Fahrt entlang des Fjordes und durch das bei Nacht funkelnde Trondheim war hierbei schon der schöne Beginn meines Abenteuers. Den Schlüssel für die Wohnung kann man sich in einem Safe hinterlegen lassen, so dass man unabhängig von den SiT-Öffnungszeiten seine Wohnung beziehen kann. Entgegen meiner Erwartungen lag zu meiner Ankunft in Trondheim wenig Schnee, dafür lag die Temperatur bei ca. -20°C, so dass dennoch die ganze Stadt mit weißem Glitzer überzogen war. Am gleichen Abend habe ich mich dann noch mit meinen Flughafenbekanntschaften getroffen – mit allen davon bin ich heute noch befreundet. Sollte man – im Gegensatz zu mir – über ein Auto verfügen, empfehle ich aber mit dem Auto anzureisen. Für viele schöne Touren ist ein Auto überaus hilfreich bzw. zum Teil sogar notwendig. Und eine eigene Skiausrüstung, ein Fahrrad oder die Angelausrüstung ist auch leichter mit dem Auto zu transportieren. ;-) Zur Not kann man sich für Reisen und Wochenendtouren aber auch für 500 bis 1000 NOK/Tag Autos in Norwegen mieten.

Bild 1: Blick über Trondheim von der Kristiansen Festung aus

Bild 2: Wandern in der Byrmarka Anfang Januar

In der ersten Uni-Woche würde vom International Office der NTNU eine Orientierungswoche geplant – hier lernt man die meisten neuen Leute kennen beim Wandern, Quizspielen, Lagerfeuer oder Baden. So sind wir zum Beispiel direkt am ersten Tag nach meiner Ankunft in der Byrmarka wandern gewesen – einem Naherholungsgebiet ca. 8 km Luftlinie westlich von Moholt gelegen. Auch hier war die komplette Landschaft mit gefrorenem Tau überzogen. In Kombination mit der tiefstehenden Sonne, welche auch um 12 Uhr mittags gerade auf- bzw. unterzugehen scheint, eine faszinierend schöne Landschaft. Von dem Berg Gråkallen hatten wir schließlich eine beeindruckende Aussicht über den Fjord und die Umgebung von Trondheim. Wasser und Berge soweit das Auge sehen kann, dazu eine „frische“ Brise bei ca. -25°C. In etwa so habe ich mir den hohen Norden vorgestellt. Im Laufe der nächsten Wochen haben sich die Temperaturen jedoch normalisiert in einen Bereich um ca. -10 bis -5 °C und so langsam kam zur Kälte dann auch mehr und mehr Schnee hinzu. Wohnen Wie bereits erwähnt, bin ich rückblickend sehr froh gewesen, in Moholt wohnen zu dürfen. Im Vergleich zu Steinan ist man wesentlich näher am Stadtzentrum (50 Gehminuten, 10 Busminuten) und Gløshaugen-Campus (25 Gehminuten, 5 Busminuten), die Wohnungen sind schick und die meisten anderen Austauschstudenten leben hier. Ich habe dabei in einer 4er-WG mit drei tollen Mitbewohnern/innen aus Äthiopien, Italien und Polen gewohnt. Innerhalb von Moholt unterscheiden sich die Wohnungen dann nochmal nach saniert (Moholt alle) und unsaniert (Herman Krags veg). Auch hier hatte ich wieder Glück in der Moholt alle gelandet zu sein – dort ist alles etwas moderner und angenehmer eingerichtet. So hatten wir z. B. elektrische Fußbodenheizung im modernen Bad und einen großen Geschirrspüler in der Küche. Im Vergleich zu meinem WG-Zimmer in der Agricolastr. 14/16 in Freiberg waren die Zimmer kleiner und schlechter ausgestattet, die Küche hingegen deutlich größer und besser ausgestattet (2 riesige Kühl- und Gefrierschränke, Geschirrspüler, mehr als ausreichend Stauraum in den Schränken). Merke – zur Not passen stehend auch mal knapp 25 Leute in die Küche. ;-) Aber auch die anderen Wohnungen in Moholt sowie in Steinan gehen in Ordnung – ich hatte nur besonderes Glück in den „neuen“ Wohnungen zu sein. Die anderen Wohnungen werden ebenso sukzessive saniert. Zurzeit entstehen mitten in Moholt neue Hochhäuser, um den wachsenden Andrang zu kompensieren. Falls man dort einen Platz in den oberen Stockwerken ergattern sollte, dürfte man einen fantastischen Blick auf Trondheim, Fjord und Nordlichter erhaschen können. Leider wird damit das schöne Stadtbild zerstört, welches vor allem durch eine geringe Bauhöhe vieler Gebäude in Hanglage entsteht. Aber OK – irgendwo muss die größer werdende Studentenzahl eben untergebracht werden.

In Moholt selbst gibt es allerlei Grillplätze mit Fjordblick, einen Volleyballplatz, ein „Activity-House“ mit Bar, Tischtennisplatte, Beamer und allerlei nützlichen Gegenständen zum Ausleihen sowie mehrere Supermärkte direkt vor der Haustür. In den WGs finden regelmäßig Feiern statt, man trifft sich zum Kochen und Reden und auch Nordlichter lassen sich vom „Moholt Hill“ (nur 200m vor meiner Haustür) gut beobachten. Kurzum – ich könnte mir kaum eine bessere Umgebung zum Wohnen und zum Kennenlernen der anderen Austauschstudenten vorstellen.

Bild 3: Meine Wohnung in der Moholt alle von außen

Unialltag Da ich für mein Maschinenbaustudium in Deutschland bereits alle Creditpoints zusammen hatte, war ich in der Wahl meiner Fächer in Trondheim sehr frei. Ich habe mich daher für den Norwegischkurs, angewandte Statistik und Grundlagen der Wasserver- und Entsorgung entschieden. Den Norwegischkurs kann ich jedem empfehlen, hier lernt man nochmal viele Leute kennen und es hat mir persönlich einfach großen Spaß gemacht nochmal in eine neue Sprache reinzuschnuppern. Bei den weiteren Fächern sollte man sich einfach auf der Website der NTNU informieren, was einen thematisch interessiert. Jedoch sollte man evtl. noch ein bis zwei Fächer in Reserve haben, da es doch häufiger vorkommt, dass man in den ersten Wochen nochmal Kurse austauscht. Wie an jeder Uni gibt es Kurse die besser strukturiert sind bzw. gelehrt werden als andere. Im Kurs für angewandte Statistik hab ich nochmal gelernt, mein in Freiberg erworbenes Statistikwissen mit der Anwendung von Softwaretools zu erweitern während ich im Kurs „Water Resources and Wastewater Engineering“ Grundlagen zur Wasserversorgung erlernt habe. Der größte Unterschied zum Unialltag in Freiberg sind Pflichtübungen und Semesterprojekte, welche als Prüfungsvorleistung zählen. Dadurch ist man gezwungen, sich während des Semesters intensiv mit dem Stoff auseinander zu setzen. In Summe ist dadurch während des Semesters mehr zu tun, in der Prüfungszeit weniger. Mir persönlich gefällt das verschulte System in Norwegen besser, hier hätte ich fachlich sicher noch mehr gelernt als in Freiberg – wobei das nicht heißen soll, dass ich das System in Freiberg schlecht finde. Andererseits kann man in Deutschland natürlich auch ein Duales Studium oder Fachhochschulstudium wählen, wenn man es verschult mag. Viele sagen pauschal, dass es in Norwegen einfacher wäre als in Deutschland. Dem würde ich mich so nicht uneingeschränkt anschließen – ich vermute eher, dass durch den Lerndruck im Semester die Prüfungen am Ende einfach leichter erscheinen.

Bild 4: Das Hauptgebäude der NTNU auf dem Glöshaugen-Campus

Darüber hinaus, werden in den meisten Fächern vorlesungsbegleitend einzelne Lehrbuchabschnitte als Literatur für zu Hause empfohlen, so dass man von „Literaturhausaufgaben“ sprechen kann. In Freiberg hatte ich diese Art von Literaturarbeit nur vereinzelt, und dann meistens auch eher nur lose begleitend zur Vorlesung. Leider soll/muss man sich die meiste Literatur (zu norwegischen Preisen) kaufen. Eine derartige gute kostenfreie Ausleihe wie in Freiberg ist nicht vorhanden. Viele Bücher wechseln aber gebraucht für faire Preise die Besitzer. Die Ausstattung der Räume, Laboratorien, etc. würde ich durchweg als gut bis sehr gut beschreiben. Insgesamt sind die Arbeitsweisen noch etwas moderner als in Freiberg. Das Studentweb – das Trondheimer Äquivalent zum Opal – wird noch intensiver genutzt, so z. B. zum Einreichen der Hausaufgaben und Semesterprojekte. Meine Klausur in Wasserver- und Entsorgung fand z. B. als digitale Klausur am eigenen Laptop statt. Der Umgang mit Dozenten und Übungsleitern ist ziemlich locker und unkompliziert, teilweise lassen sich auch die Professoren beim Vornamen nennen. Ich persönlich fand das sehr angenehm, könnte mir allerdings vorstellen, dass das in Konfliktsituationen manchmal hinderlich ist. Die Prüfungszeit ist kurz und knackig, dafür hat man dann aber auch am Stück mehrere Wochen frei. In Summe hat mir die Uni jedenfalls sehr gut gefallen und ich fand es persönlich sinnvoll, auch mal zu sehen, wie die Lehre in Norwegen organisiert ist. Wenn ich selbst noch einmal Studieren müsste und die Wahl hätte würde ich das norwegische System bevorzugen.

Freizeit Wer sich ins Ausland begibt für den ist sicherlich auch die Freizeitgestaltung ein wichtiger Aspekt in der Planung. Kurz – wer Schnee, Berge, etwas kühlere Temperaturen und sportliche Freizeitaktivitäten mag, für den ist Trondheim bzw. Norwegen im Allgemeinen der perfekte Ort. Das erste was mir zum Thema Freizeit einfällt ist das Hüttennetzwerk der NTNU. Die Cabingroup betreut, wartet und vermietet 22 Hütten im Umkreis von Trondheim für winzige Beträge. Die Hütten befinden sich alle mitten in der Natur und meist ist schon alleine die „Anreise“ ein wahres Erlebnis. Die Hütten bieten Platz für 2 – 30 Personen und sind im Optimalfall sogar mit einer Sauna und/oder Boot ausgestattet. Auf fließend Wasser und Strom muss man jedoch verzichten – stattdessen heißt es Holzhacken und Feuer machen! Den Großteil meiner freien Wochenenden habe ich mit Freunden auf diesen Hütten verbracht. Beim Holzhacken, Schneeballschlachten, Karten spielen, Kochen, Gitarre spielen, Lagerfeuern, Saunieren usw. lernt man sich gegenseitig noch viel besser kennen als in jedem Club.

Bild 5: Stakkslettbua bei Nacht

Bild 6: Hognabu zu Ostern

Im Gedächtnis geblieben ist mir z. B. sehr ein Cabintrip zur „Lynhøgen“-Cabin. Plan war es, die Hütte mit Langlaufskiern am späten Nachmittag zu erreichen. Anfang Februar machten wir uns also auf den Weg zum Startpunkt für die Tour, lediglich eine halbe Autostunde von Trondheim entfernt. Laut Wegbeschreibung von der Cabin-Website sollte man ca. 4h Laufzeit im Winter einplanen. Naiv wie wir waren, nahmen wir an, dass wir mit Langlaufskiern noch schneller unterwegs wären, und das Ziel in 3h erreichen könnten. Nachdem wir – studententypisch – etwas zu spät in Trondheim losgefahren sind, erreichten wir 12.30 Uhr den Parkplatz. Zuerst ging es einen leichten Anstieg auf einem geloipten Wanderweg entlang. Ich staunte nicht schlecht, dass ich mit meinen geliehenen Skiern der einzige war, der bei jedem Schritt vorwärts mindestens auch einen halben Meter zurückgerutscht ist. Als mir ein langlauferfahrener Freund dann empfohlen hat, die Skier doch mal zu wachsen, war ich etwas verwirrt. Ich kannte das Skiwachsen bisher nur von Abfahrtsskiern, wo es das Ziel ist, besser und nicht schlechter zu rutschen. Bei Langlaufskiern geht es jedoch auch andersherum. Mit gewachsten Skiern kam ich dann auch die Berge halbwegs schnell hoch und wir kamen die erste halbe Stunde auf der gespurten Strecke recht fix voran. Jedoch kam uns schon bald der erste Norweger entgegen und meinte, dass die Loipe nach 2-3 km aufhört und es ab dort deutlich anstrengender wird – kein Problem für uns! (dachten wir) Nachdem die Loipe aufhörte, hatten wir uns ca. durch 40cm Neuschnee zu kämpfen. Da wir zu fünft waren, haben wir uns aller 10 min darin abgewechselt eine Skispur zu treten – eine äußerst schweißtreibende Angelegenheit. Nach 3h – ca. 1h bevor es dunkel wurde – haben wir dann mal per GPS geschaut, wie weit es noch bis zur Hütte ist - wir hatten gerade erst ein gutes Viertel der Strecke weg! An eine Umkehr war zu dem Zeitpunkt noch nicht zu denken, da alle hochmotiviert waren die Hütte zu erreichen – wird

schon irgendwie und irgendwann klappen. Eine schweißtreibende halbe Stunde später senkte sich dann langsam die Truppenmoral und das Thema Umkehren wurde zumindest in den Bereich des Möglichen einbezogen. Plötzlich überholte uns ein Norweger mit seinem Motorschlitten und hielt an. Gesprächig wie die Norweger (zumindest beim Wandern) sind, erkundigte er sich nach unseren Plänen. Als wir ihm – gegen 16 Uhr – erzählten, dass wir zur Lynhøgen-Cabin wollen, hob er die Augenbrauen und fragte ob wir uns sicher seien, da wir ja doch noch „Ein kleines Stückchen Weg“ vor uns hätten. Er erklärte uns nochmal den Weg und sagte, dass wir ansonsten auch in seiner Cabin schlafen könnten, welche auf dem Weg nach Lynhøgen liegt. Während meine Freunde immer noch überzeugt waren, unser Ziel zu erreichen hab ich mich insgeheim über das erlösende Angebot gefreut. Glücklicherweise konnten wir dann in seiner Skidoo-Spur weiterlaufen, so dass wir wieder deutlich schneller unterwegs waren. Als es dann anfing dunkel zu werden, wurden die Stirnlampen ausgepackt. Da ich zu dem Zeitpunkt noch keine eigene Stirnlampe hatte bin ich einem beleuchteten Freund hinterhergefahren. Je dunkler es wurde, desto öfter bin ich dann mit den Langläufern gestürzt. Während ich mich immer fluchender aus dem Schnee ausgrub, schwor ich mir, als erstes eine Stirnlampe zu kaufen, wenn ich wieder in Trondheim bin. Gegen 18 Uhr sind wir dann an der Hütte des freundlichen Norwegers angekommen und wir waren uns alle einig, dass wir es weiter nicht mehr schaffen an dem Tag. Unser eigentliches Ziel war zu dem Zeitpunkt noch ca. 8 km Luftlinie entfernt. Die Erleichterung, als wir die Hütte des Norwegers erreicht haben, war unbeschreiblich. Die Hütte selbst war dann absolut urig und gemütlich (auf Norwegisch „koselig“) und wir ließen es uns bei einer riesigen Portion Nudeln bei Kerzenlicht gut gehen. Am nächsten Tag war der Rückweg zum Auto deutlich einfacher, da es einerseits bergab ging und wir ja andererseits unsere eigenen Spuren und die des Norwegers auf dem Weg hatten. Von diesem Cabintour habe ich im Wesentlichen drei Erfahrungen mitgenommen: 1. Die Gastfreundschaft der Norweger kennt kaum Grenzen – in Deutschland würde einem vermutlich niemand Fremdes derart offen seine Berghütte anbieten. 2. Eine Stirnlampe ist im Winter in Norwegen für Outdoortouren absolut sinnvoll. 3. Die Zeitangaben auf der Cabinwebsite können stimmen, können sich jedoch bei Neuschnee auch schnell vervielfachen. Für uns war das ganze rückblickend ein lustiges und spannendes Erlebnis. Man sollte sich jedoch darüber bewusst sein, dass das Ganze auch schnell gefährlich werden kann, sobald ein Wetterumschwung einsetzt, sich jemand verletzt, man den Weg verliert, usw. . Bei derartigen Aktionen sind in den vergangenen Jahren auch schon Menschen gestorben, so dass man sich gut überlegen sollte, mit wieviel Leichtsinn man an so eine Sache herangeht. Bei eine schwierigen Wettervorhersage (viel Neuschnee, Nebel, Sturm, …) sollte man lieber eine Tour zu viel abbrechen als eine zu wenig.

Bild 7: Auf unserem Weg zur Lynhøgen-Cabin...

Derartige Geschichten habe ich noch viele weitere erlebt, auch wenn die meisten anderen etwas weniger chaotisch und gefährlich, dafür aber ebenso schweißtreibend und spaßig waren. Jeder einzelne Cabintrip war für mich ein tolles Erlebnis – wie ein Kurzurlaub übers Wochenende. Besonders empfehlenswert fand ich die Cabins: Fosenkoia (wegen des Hinweges), Flåkoia und Heinfjordstua (Wegen Sauna, Boot und See), Hognabu (fantastische Lage mitten in den Bergen) sowie Holvassgamma (man fühlt sich in der Cabin wie im Auenland des kleinen Hobbits.). Aber auch alle anderen Cabins, welche ich besucht habe, waren die Reise mehr als Wert. In Trondheim selbst kann man auch viel machen. In der Byrmarka (mit dem Bus in 30 min erreichbar) kann man im Winter (bis tief in den Mai hinein) gut Skifahren und später dann Joggen, Wandern und Rad fahren. Mit der Mitgliedskarte des NTNUI (des Unisportvereins) kann den verschiedensten Sportarten nachgehen oder auch einfach ins Fitnessstudio gehen. Als Mitglied des NTNUI kann man auch kostenfrei Skier und Co. beim NTNUI Bumerang ausleihen – top! Ab Ende März ca. kann man dann bereits mit den ersten wärmeren Tagen rechnen. Dabei bietet es sich z. B. an, bei einem kleinen Lagerfeuer den Blick auf den Trondheimfjord von Korsvika im Stadtteil Lade aus zu genießen.

Bild 8: Sonnenuntergang über dem Trondheimfjord von Lade aus

Natürlich bietet Trondheim auch einiges in puncto Abendgestaltung. Während Restaurants aus Preisgründen für Studenten eher zu meiden sind, kann ich den Tyholttower fürs All-you-can-eat Pizzabuffet sehr empfehlen. Zwar ist die Pizza kulinarisch nicht unbedingt ein Highlight, aber man wird für ca. 11 € gut satt und hat eine fantastischen Blick auf Trondheim von oben – ein Must-see für jeden Trondheimbesucher. In der Stadt gibt es auch viele Clubs wo man zu „humanen“ Preisen mit Freunden ausgehen kann. Musikrichtungstechnisch sollte man sich mit Radiomusik anfreunden können, aber das

ist für Freiberger Studenten nichts Neues. Mit den richtigen Freunden ist das Drumherum dann letztlich auch egal und man kann im Trondheimer Nachtleben jede Menge Spaß haben. An die festen Schließzeiten muss man sich anfangs etwas gewöhnen, aber dadurch hat man noch etwas mehr vom kommenden Tag. Defnitiv empfehlen würde ich auch, das Land mit dem Auto zu erkunden. Meinen Roadtrip zum Abschluss mit Freunden von Trondheim nach Oslo werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Man kann mit der Airline „Norwegian“ als Student auch relativ günstig innerhalb des Landes umher fliegen. So haben wir dadurch zum Beispiel den Norden um Tromsø und Alta auf diesem Weg erkundet und dort die Mitternachtssonne genossen.

Bild 9: Nachts 24 Uhr in Alta, Nordnorwegen, Ende Mai

Bild 10: Insel Sørøya, Nordnorwegen, Ende Mai

Bild 11: Trollstigen, Mittelnorwegen, Nachts, Ende Juni

Über meine Erlebnisse auf den Cabins, meine Reisen, Ausgeherlebnisse und all die schönen Momente mit allen Freunden und Bekannten aus Trondheim könnte ich noch seitenweise schreiben, doch am besten macht hier jeder seine eigenen Erfahrungen. Kurz - wer Natur und Sport mag, wird Trondheim lieben!

Fazit

Das vergangene halbe Jahr war für mich eines der ereignisreichsten, lehrreichsten und schönsten Zeiten meines bisherigen Lebens. Meine eigenen Erwartungen hat das Semester voll erfüllt und ich bin überzeugt, dass sich ein Auslandssemester für jeden lohnt, auch auf die Gefahr hin etwas länger zu studieren. Für mich hat sich Trondheim und Norwegen im Allgemeinen als gastfreundliches, lebenswertes und schönes Land erwiesen. Wenn in Deutschland einmal die Welt untergehen sollte, wäre Norwegen vermutlich die erste Adresse wo ich einen Neuanfang starten würde. Falls der Leser dieses Berichtes genauso wie ich mit sich hadert, ob ein Auslandssemester in Trondheim sich lohnt oder die verlängerte Studiendauer wert ist – denkt nicht lange darüber nach, sondern macht es – ihr werdet es nicht bereuen! Zuletzt gilt mein Dank der TU Bergakademie Freiberg, insbesondere dem IUZ, sowie der VNG AG, welche dieses Vorhaben aus organisatorischer und finanzieller Sicht überhaupt erst ermöglicht haben – Vielen Dank!

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