Mein Auslandssemester. Wichita State University

Mein Auslandssemester an der Wichita State University Fall 2012 Sebastian Neßlinger ([email protected]) Gliederung 1 Vorbereitun...
Author: Minna Abel
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Mein Auslandssemester an der

Wichita State University

Fall 2012 Sebastian Neßlinger ([email protected])

Gliederung 1 Vorbereitung ........................................................................................................................................ 3 2 Hochschule und Department ............................................................................................................... 4 3 Ankunft und Orientierungswoche ........................................................................................................ 5 4 Kurswahl ............................................................................................................................................... 6 4.1 Engineering Economy >> Betriebswirtschaftslehre....................................................................... 7 4.2 Flight Structures I with Lab >> Festigkeit im Leichtbau, Leichtbaulabor ....................................... 7 4.3 Aerospace Design >> Flugzeugentwurf ......................................................................................... 8 4.4 Mechanics of Laminated Composites >> Faserverbundtechnologie ............................................ 8 5 Das Leben in Wichita ............................................................................................................................ 9 6 Kosten ................................................................................................................................................. 12 7 Schlusswort......................................................................................................................................... 12

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1 Vorbereitung Ich bin Student im Studiengang Flugzeugbau (Schwerpunkt Entwurf und Leichtbau) und bin in meinem 5. Semester für ein Auslandssemester nach Wichita gegangen. Meine Vorbereitungszeit für das Auslandssemester begann im Prinzip schon mit dem Eintritt ins Studium. Dann nämlich habe ich für mich entschieden, dass ich gerne für ein Semester ins Ausland zum Studieren gehen möchte, und zwar am liebsten in die USA. Im Folgenden habe ich mich immer mal wieder unverbindlich auf der Seite des International Office informiert, welche Partnerhochschulen es dort überhaupt gibt und wofür diese bekannt sind. Außerdem habe ich Informationsveranstaltungen des International Office besucht, auf denen man auch immer nützliche Informationen bekommt. Demnach ist der ideale Zeitpunkt für ein Auslandssemester nach dem „Bestehen“ des Grundstudiums (also nach dem dritten Fachsemester). Außerdem ist das Studieren in den USA aufgrund der verschobenen Vorlesungszeiten (Springsemester von Januar bis Mai, Fallsemester von August bis Dezember) immer nur im Wintersemester möglich. Jedes Jahr zur Mitte des Wintersemesters werden dann von der HAW die Partneruniversitäten bekannt gegeben, an denen ein Auslandssemester in den USA für das kommende Jahr möglich ist. Es verbleiben dann noch circa zwei Monate, um alle Bewerbungsunterlagen bis Anfang Januar beim International Office einzureichen. Zu den Bewerbungsunterlagen zählen ein 1,5-seitiges Motivationsschreiben, ein Lebenslauf, ein Empfehlungsschreiben eines Professors -alles in englischer Sprache- sowie ein Sprachzeugnis und eine Auswahl an Kursen, die man gerne an der Partnerhochschule belegen möchte. Das Sprachzeugnis kostet ca. 30€ und der dazugehörige Kurztest kann relativ kurzfristig an der „Hamburg School of English“ abgelegt werden. Mitte Februar finden dann die Auswahlgespräche in englischer Sprache statt. Bekommt man nun endlich eine Zusage, kann der Vorbereitungs-Marathon beginnen. Die nächste Hürde ist jetzt der TOEFL-Test, der im Optimalfall bis Ende Februar zu absolvieren ist. Dieser Test kostet ca. $220 und prüft vier Teile: Leseverständnis, Sprachverständnis sowie das Ausdrucksvermögen in Schrift und Sprache. Maximal möglich sind 120 Punkte (4x30), die Partneruniversitäten fordern im Schnitt 72-80 Punkte. Desweiteren wird noch ein Transcript in englischer Sprache benötigt, welches die bisher erbrachten Prüfungsleistungen enthält. Dieses Dokument ist im Fakultätsservicebüro erhältlich. Außerdem muss von der Hausbank eine Bestätigung ausgestellt werden, dass entweder man selbst oder ein Elternteil finanziell für das Semester bürgt. Sobald alle Unterlagen zusammengesammelt sind, müssen sie an das International Office übergeben werden. Dieses übernimmt dann die Weiterleitung der Dokumente an die Partneruni und man muss nur noch auf die offizielle Zusage warten. In der Zwischenzeit kann man sicherstellen, dass Reisepass, Personalausweis und Kreditkarte noch mindestens bis drei Monate nach Rückkehr aus den USA gültig sind. Meines Wissens bietet die HASPA sogar Kreditkarten an, mit denen Barabhebungen ohne Gebühren getätigt werden können. Außerdem muss noch ein Foto angefertigt werden, das den strengen Visums-Bestimmungen entspricht. Die Fotografen kennen aber in der Regel diese Bestimmungen. Mit der Zusage aus Amerika kommt dann auch das wichtige Dokument DS-2019, mit dem man die Berechtigung erhält, sich für ungefähr 5 Monate in den USA aufzuhalten. Dieses Dokument kann man dann nutzen, um das Visum zu beantragen, welches dann wiederum zum wichtigsten Dokument wird. Bevor das Visum beantragt werden kann, muss erst einmal das berühmte Dokument DS-160 online ausgefüllt werden. Hierfür sollte man einige Stunden einplanen, wenn man die absurden 3

Fragen alle verstehen und wahrheitsgetreu beantworten möchte. Am Ende bekommt man einen Zifferncode, mit dem ein Termin bei der amerikanischen Botschaft entweder in Berlin oder Frankfurt telefonisch vereinbart werden kann. Vor dem Botschaftstermin müssen noch ein paar Gebühren (siehe Punkt 6 Kosten) überwiesen werden und die Zahlungsbelege als Beweis der Botschaft vorgelegt werden. Im umfangreichen Informationspaket der Wichita State befinden sich auch Angebote zum „oncampus-living“. Es werden drei unterschiedliche Wohnheime angeboten, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Eine genauere Bewertung dieser Wohnheime nehme ich in Kapitel 5 vor, allgemein kann aber gesagt werden, dass die Kosten -je nach Anspruch- im Rahmen bleiben und das Wohnen „on-campus“ die bequemste Möglichkeit darstellt. Erstens weil man sich einfach auf ein Zimmer bewirbt und somit alle Vorbereitungen zur Unterkunft schon erledigt hat. In der Regel gibt es deutlich mehr Zimmer als Anfragen, sodass die Wahrscheinlichkeit auf ein freies Zimmer sehr hoch ist. Und zweitens weil dies die beste Möglichkeit ist, um schnell mit anderen Studenten in Kontakt zu treten. Als letzten Punkt der Vorbereitungen möchte ich noch die Kurswahl ansprechen. Hier musste ich mich mit den Informationen auf der WSU Homepage begnügen, die zwar Name, Umfang und Schwierigkeitslevel des Faches bereitstellt, leider aber keine genaue Beschreibung der Kursinhalte. Selbst auf Nachfrage wurden hier keine weiteren Informationen bereitgestellt, sodass ich mich erst nach der Ankunft in Wichita mit meinem „Academic Advisor“ zusammengesetzt habe und dann relativ unkompliziert die für mich besten Fächer ausgewählt habe. Hierzu mehr unter Punkt 4.

2 Hochschule und Department Wichita liegt im US-Bundesstaat Kansas und stellt mit ca. 590,000 Einwohnern die größte Stadt des Staates. Die Hauptstadt von Kansas heißt zwar Topeka, Wichita wird jedoch auch als „Air Capitel of the World“ bezeichnet. Diesen Spitznamen verdankt die Stadt ihrer ansässigen Flugzeugindustrie, unter der fast jeder größere Hersteller vertreten ist. So ist es kein Zufall, dass die Wichita State University einen sehr guten Ruf für den Studiengang Flugzeugbau genießt. Unterhält man sich mit anderen internationalen Studenten, bekommt man das Gefühl, dass 90% nur wegen des „Aerospace Engineering“ Studiengangs nach Wichita gekommen sind, obwohl noch unzählige weitere Studiengänge angeboten werden. Die Wichita State University wurde 1895 unter dem Namen „Fairmount College“ gegründet und hat sich seitdem stetig weiterentwickelt. Im Vergleich mit anderen amerikanischen Universitäten zählt die WSU eher zu den kleineren Unis, zumindest was die Studentenzahlen betrifft. Zur Zeit Abbildung 1: Campusgelände, rechts im Bild der eigene Golfplatz

studieren etwa 15,100 Studenten an 4

der Wichita State. Es kommt einem aber viel größer vor, da alles, was zu einer Uni gehört, auf einem riesigen Campus untergebracht ist. Hierzu berichte ich ausführlich in Punkt 5. Wie eingangs erwähnt, genießt besonders das Department „Aerospace Engineering“ einen sehr guten Ruf. Dies liegt unter anderem an der engen Zusammenarbeit der Universität mit den umliegenden Flugzeugherstellern. Das „National Institut of Aviation Research“ (NIAR) ist Bestandteil der WSU und verfügt über hervorragend ausgestattete Labore, in denen die Hersteller ihre neusten Entwicklungen testen lassen. NIAR stellt gleichzeitig eine Menge attraktiver Studentenjobs (ohne Greencard!) zur Verfügung, in denen wertvolle Praxiserfahrung gesammelt werden kann.

3 Ankunft und Orientierungswoche Ungefähr eine Woche vor der Abreise hat das International Office der WSU einen „live-Broadcast“ angeboten. Dieser Bestand aus einer ca. einstündigen Präsentation mit einer tollen Zusammenfassung zu den Themen Vorbereitung, Reise und Ankunft. Zusätzlich hatte man während des Broadcasts jeder Zeit die Möglichkeit, eine für alle Teilnehmer sichtbare Frage einzutippen, die dann live von der Dame in Wichita beantwortet wurde. Eine Woche vor Vorlesungsbeginn konnte es nun endlich losgehen. Ich bin am Samstagmorgen um 11 Uhr Ortszeit in Hamburg abgeflogen und nach Problemen mit meinen Anschlussflügen, bedingt durch jeder Menge Verspätungen, schließlich am Sonntagmittag um 11 Uhr Ortszeit in Wichita gelandet. Der Zeitunterschied zu Deutschland beträgt übrigens minus sieben Stunden. Ab jetzt ein riesen Kompliment an das International Office und die International Student Union (ISU), welche einem die Ankunft in Wichita wirklich sehr angenehm gestaltet haben. So konnte ich zum Beispiel vorab meine Ankunftsdaten der ISU mitteilen, die mich dann vom Flughafen abgeholt und direkt zum Wohnheim gefahren hätten (ca. 20 Minuten Autofahrt). Alles kostenlos natürlich. Zusätzlich wird von der ISU am Flughafen ein „welcome table“ betrieben, an dem eine Woche lang von morgens bis abends zwei Studenten mit Rat und Tat zur Seite stehen, falls (wie in meinem Fall) die Flüge verspätet sind und es mit dem Abholen nicht klappt, weil man sich verpasst hat. In dieser Situation wurde einfach ein Student der ISU angerufen, der mich dann kurze Zeit später vom Flughafen abgeholt hat. Im Wohnheim angekommen, stehen dann die „Resident Assistants“ bereit, um beim Anmelden und Beziehen des Zimmers zu helfen. Jetzt kann erst einmal in Ruhe der Koffer ausgepackt werden, anschließend gibt es ein standesgemäßes Abendessen (McDonald’s) und danach kann sich endlich von der Anreise erholt werden. Der erste Anlaufpunkt am Montagmorgen ist das International Office. Dort meldet man sich offiziell als internationaler Student an und bekommt einen Laufzettel mit wichtigen Terminen und Ansprechpartnern für die Begrüßungswoche. Als nächstes habe ich ein Bankkonto bei der Bank of America eingerichtet. Dieses wurde mir empfohlen, da es die Bezahlungen für Unterkunft und Mealplan deutlich einfacher gestaltet. Wobei wir auch schon beim nächsten Punkt angekommen wären. Für das tägliche Essen in der Mensa oder in den anderen Foodcourts auf dem Campus kann man aus verschiedenen Bezahlmethoden auswählen. Das Maximum sind 19 Mahlzeiten pro Woche zuzüglich 200 „Shocker Dollars“ für ca. $1500 pro Semester. Die Mahlzeiten sind „all you can eat“ und können nur in der Mensa eingelöst werden, während hingegen mit den „Shocker Dollars“ in den verschiedenen Cafes und Foodcourts bezahlt werden kann. Meine Wahl fiel auf 500 „Shocker-$“ 5

ohne wöchentliche Mahlzeiten. Damit hatte ich die größtmögliche Flexibilität und das Geld reichte exakt bis zum Semesterende. Am Dienstagmorgen hatte ich dann das Gespräch mit meinem „Academic Advisor“ Dr. Miller, dem Leiter des Departments Aerospace Engineering. Ich berichtete ihm von meinen Vorkenntnissen und erzählte dann, welche Kurse ich gerne an der WSU belegen wollte. Zusammen gingen wir dann mehrere Möglichkeiten durch ich entschied mich schließlich für vier Kurse. Hierzu mehr im nächsten Kapitel. Am Mittwoch wurden wir dann im Rahmen der Orientierungstage offiziell an de WSU begrüßt. Es war insgesamt eine sehr festliche Zeremonie und zugleich eine super Gelegenheit, Gleichgesinnte kennenzulernen. In jedem Semester kommen ca. 200 internationale Studenten neu an die WSU, und es ist eine sehr interessante Erfahrung, dass man als Europäer in der absoluten Minderheit ist und die Neugierde dementsprechend groß ist. In den zwei Tagen der Orientierungseinheit habe ich einen Teil der Leute kennengelernt, mit denen ich bis zum Semesterende fast täglich etwas unternommen habe. Dementsprechend ist mir die OE also als sehr wichtig und erfolgreich in Erinnerung geblieben. Am Donnerstag haben wir eine Bustour durch die Stadt gemacht, was ebenfalls sehr hilfreich war. Nun wusste man einigermaßen, wo man gut einkaufen kann, welches Kino das Beste ist, wo Veranstaltungen stattfinden oder was man sonst noch so in Wichita unternehmen kann. Insgesamt fühlte ich mich nach der ersten Woche schon sehr wohl in der neuen Umgebung und gleichzeitig gut vorbereitet auf den Vorlesungsstart am Montag.

4 Kurswahl In diesem Kapitel werde ich näher auf meine Kurse eingehen. Wie bereits erwähnt hatte ich vorher nur eine grobe Auswahl treffen können, da mir zwar Name, Umfang und Schwierigkeitsgrad des Kurses zur Verfügung standen, ich aber ansonsten keine Informationen zum Inhalt hatte. Desweiteren gibt es im amerikanischen System keine Credit Points (CP) wie wir es kennen, sondern Credit Hours (CH), die sich allein am wöchentlichen Vorlesungsvolumen orientieren. Als internationaler Undergraduate Student (Bachelor Student) ist man verpflichtet, Kurse im Wert von 12 CH zu belegen, da andernfalls das Visum nicht mehr gültig ist und man die Aufenthaltsberechtigung für die USA verliert. Die meisten Kurse haben einen Wert von drei bis vier CH, sodass vier Kurse diese Anforderung erfüllen würden. Dies ist auch die gewöhnliche Anzahl an Kursen, welche die Amerikaner im dritten oder vierten Studienjahr belegen, um nebenbei noch ca. 15 Stunden pro Woche arbeiten zu gehen. Fünf Kurse würde ich auf gar keinen Fall empfehlen, wenn man neben dem Semester noch ein wenig Zeit damit verbringen möchte, das Land und die Leute näher kennenzulernen. Ein großer Unterschied gegenüber Deutschland sind die Kosten für die Schulbücher. Jeder Professor hat am ersten Vorlesungstag ein Buch vorgestellt, welches wir unbedingt für diesen Kurs bräuchten, um Hausaufgaben anzufertigen und uns angemessen auf den Unterricht vorbereiten zu können. Jedes Buch kostet neu um die $100, manche deutlich mehr, manche etwas weniger. Die Leihgebühr für ein neues Buch liegt exakt bei der Hälfte vom Neupreis. Theoretisch kann man auch gebrauchte 6

Bücher ausleihen, diese waren am ersten Vorlesungstag aber bereits alle vergriffen. Einige Bücher konnte man auch gar nicht ausleihen, sondern musste sie kaufen. Hier würde ich empfehlen, sofort nach Einschreibung in die Kurse während der Orientierungswoche schon mal nach den Büchern zu schauen. In der Regel haben die Professoren im Blackboard (vergleichbar mit unserem e-learning) bereits das Buch eingestellt, mit dem im Kurs gearbeitet werden soll.

4.1 Engineering Economy >> Betriebswirtschaftslehre Vorlesung: dienstags und donnerstags, 5.30pm-6.50pm, 3 CH Dieses Fach ist als Einstiegsfach in die Betriebswirtschaft gedacht und wird von den Amerikanern im ersten oder zu Beginn des zweiten Studienjahres belegt. Es ist mathematisch nicht sehr anspruchsvoll, setzt allerdings das Verständnis und Anwenden von vielen unterschiedlichen Konzepten voraus, ohne diese durcheinanderzubringen. Es wurde jede Woche ein neues Thema behandelt, zu dem es in der darauffolgenden Woche zu Beginn der Donnerstagsvorlesung ein kurzes Quizz gab (ca. 2-3 Rechenfragen, 15 Minuten Zeit). Zusätzlich gab es in unregelmäßigen Abständen Hausaufgaben, die ebenfalls zu den Quizzes gezählt wurden. Zweimal kam es sogar vor, dass wir Bonuspunkte für unsere Anwesenheit bekommen haben (der Vorlesungssaal war deutlich leerer als sonst, was die Dozentin wohl als persönliche Beleidigung empfand). Insgesamt gingen diese Quizzes mit 20% in die Endnote ein. 25% brachten jeweils zwei midterm-exams (Klausuren über zwei Stunden) und 30% zählte das final-exam (ebenfalls über zwei Stunden). Während der Klausuren durfte nur das Buch (hauptsächlich wegen der Tabellen) benutzt werden, Notizen aus der Vorlesung waren verboten.

4.2 Flight Structures I with Lab >> Festigkeit im Leichtbau, Leichtbaulabor Vorlesung: montags und mittwochs, 10.30am-11.20am, Labor: freitags, 10.30am-12.15am, 3 CH Dieses Fach ist sehr mathematisch. Es gibt einen hervorragenden Einblick in die Auslegung und Berechnung von Flugzeugstrukturen, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Unserem Professor war es sehr wichtig, die mathematischen Herleitungen sämtlicher Formeln zu vermitteln, damit diese dann auf beliebige Problemstellungen übertragen werden können. Ziel der Vorlesung war es, am Ende aus einer gegebenen, beliebig aufgebrachten Belastung einer Konstruktion aus beliebigen Materialien unterschiedlichster Formen die Spannungen und Verformungen des Bauteils zu bestimmen. Im Labor hatten wir dann als Gruppe die Aufgabe, Bauteile aus unterschiedlichen Materialien (z.B. Flügelmittelkasten) nachzubauen. Die Herausforderung bestand darin, vorher exakt zu berechnen, wie viel Material benutzt werden muss und welche Stellen besonders kritisch sind, damit die Konstruktion im anschließenden Test den geforderten Belastungen standhält. Ein sehr interessantes Fach, da durch das Labor ein hervorragender Praxisbezug gegeben ist. Neben den Aufgaben im Labor gab es noch wöchentliche Hausaufgaben, von denen ein Exemplar pro Gruppe eingereicht werden musste. Diese Hausaufgaben zählten 10% zur Endnote, das Labor 20%, die drei midterm-exams jeweils 15% und das final-exam 25% (2 Stunden pro Klausur).

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4.3 Aerospace Design >> Flugzeugentwurf Vorlesung: montags und mittwochs, 1.30pm-3.20pm, 4 CH Dieses Fach war mit Abstand das interessanteste und neben Flight Structures das aufwändigste. In der ersten Vorlesungswoche wurde eine Mission festgelegt, für deren Erfüllung dann im Folgenden ein Modellflugzeug entworfen und gebaut wurde. Unsere Mission war es, mit einem Flugzeug Papiercoupons in Kreditkartengröße über einem Publikum abzuwerfen, zum Beispiel während einer Sportveranstaltung. Das erste Drittel des Semesters wurde sehr viel Theorie zum Flugzeugentwurf gelehrt, welches in drei Klausuren (jeweils 1,5 Stunden) abgeprüft wurde. Parallel mussten wir in unseren Gruppen dafür Sorge tragen, dass Konfiguration, Layout, Konzeptentwürfe, Konzeptauswahl und ein grobes Design bis zur ersten Präsentation in der Mitte des Semesters vorangetrieben wurden. Die zweite Semesterhälfte haben wir dann damit verbracht, das Design bis zu den Einzelteilzeichnungen zu detaillieren und schließlich das Flugzeug zu bauen. Testflüge waren nicht erlaubt, dementsprechend nervös waren alle Beteiligten am finalen Flugtag Mitte Dezember. Umso schöner war dann das Gefühl, als das Flugzeug fast ohne Probleme abhob und wir unsere Mission schließlich erfüllen konnten. Mehr über den Entwurf von Flugzeugen kann man meiner Meinung nach in einem einzelnen Semester kaum lernen, dieses Fach kann ich absolut empfehlen!

4.4 Mechanics of Laminated Composites >> Faserverbundtechnologie Vorlesung: montags und mittwochs, 4.10pm-5.30pm, 3 CH Das Fach Mechanics of Laminated Composites ist eigentlich ein Wahlkurs aus dem Masterprogramm der WSU, es passt von den Inhalten aber sehr schön zu Faserverbundtechnologie aus unserem sechsten Semester an der HAW. Zu Beginn des Semesters beschäftigten wir uns erst einmal mit der Verwendung und der Herstellung von Composite Materialien, worauf das erste midterm-exam folgte. Als nächstes stiegen wir in die Berechnung und Auslegung einzelner Laminat-Schichten ein und behandelten unterschiedliche Fehlerkriterien, was im nächsten midterm-exam abgefragt wurde. Zum Schluss wurde das Gelernte auf komplette Strukturen übertragen, bestehend aus einzelnen Schichten. Dieses Fach ähnelt teilweise dem Fach Flight Structures, mit dem Unterschied dass bei Composite Materialien deutlich mehr Materialkennwerte berücksichtigt werden müssen. Dies ist folglich der Inhalt des dritten midterm-exams. Das final-exam findet nur eine Woche später statt und besteht im Wesentlich aus Verständnisfragen zum gesamten Kurs. Alle Klausuren dauern 1,5 Stunden. Zusätzlich gibt es fast wöchentlich Hausaufgaben, die aus mehreren Teilen bestehen und einiges an Zeit in Anspruch nehmen. Die Endnote setzt sich aus den midterms (jeweils 20%), dem final (25%) und den Hausaufgaben (insgesamt 15%) zusammen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich mit dem amerikanischen Benotungssystem sehr gut zurechtgekommen bin. In Deutschland gibt es in den meisten Fächern ebenfalls eine Menge Übungsaufgaben, ohne deren Bearbeitung man in der Regel nur unzureichend für die finale Klausur vorbereitet ist. Die Zeit, die in die Bearbeitung dieser Übungen investiert wird, zahlt sich in Amerika allerdings mit Teilpunkten für die Gesamtnote aus. Und ein schlechtes Teilergebnis kann durch andere Teile wieder ausgeglichen werden. So wusste ich bereits vor den finals, dass ich alle Fächer bestanden hatte, die Frage war nur noch: wie gut würde ich das Fach abschließen? Den Gesamtaufwand für das Semester würde ich leicht über unserem Semesteraufwand einstufen, den 8

Schwierigkeitsgrad nur geringfügig unter unserem Niveau. Dies ist jedoch meine rein subjektiv empfundene Meinung und wird wahrscheinlich von jedem anders beurteilt werden. Es hat sich aber auf jeden Fall gelohnt, mir wurden alle vier Kurse an der HAW anerkannt.

5 Das Leben in Wichita Unter Punkt 2 hatte ich bereits kurz erwähnt, dass Wichita mit rund 590,000 Einwohnern die größte Stadt in Kansas ist. Das hörte sich doch recht vielversprechend an. Kurz nach meiner Ankunft hatte ich erst einmal damit begonnen zu schauen, was alles fußläufig von meinem Wohnheim aus zu erreichen ist. Schnell musste ich allerdings feststellen, dass erstens sich Fußmärsche nur auf das Campusgelände Abbildung 2: Blick auf Oldtown bei Nacht beschränken sollten und zweitens das ganze bei rund 40 Grad im Schatten nicht wirklich Spaß machte. Und das war keinesfalls eine Momentaufnahme der ersten Woche. Ich bin Mitte August in Wichita angekommen und bis Ende September hatten wir täglich fast ausnahmslos über 30 Grad auf dem Thermometer. Langsam fing ich an zu begreifen, warum es wirklich in jedem Gebäude und jedem noch so kleinen Kiosk eine Klimaanlage gab. Und da die Räume immer angenehm kühl (für meinen Geschmack fast schon zu kühl) gehalten wurden, spielte sich das Leben trotz oder gerade wegen des Hochsommers meist drinnen ab. Noch ein paar Worte zu den unterschiedlichen Wohnheimtypen. Ich hatte mich vorab für die „Brennan Hall Rooms“ entschieden, weil zum einen eine familiäre Atmosphäre versprochen wurde und zum anderen die Zimmerpreise am günstigsten waren. Tatsächlich war Brennen Hall mit Abstand das kleinste der drei Wohnheime, sodass ich nach kurzer Zeit die meisten der ca. 80 Bewohner unseres Blocks kannte. Gefördert wurde der Kennlernprozess durch ständige Abendaktivitäten wie zum Beispiel DVD- oder Spieleabende, gemeinsames Essengehen oder einfach nur „abhängen“ im gemütlichen Wohnzimmer. Ich hatte ein Einzelzimmer und teilte mir mit einem Kommilitonen das gemeinsame Badezimmer. Dies war für mich eine perfekte Wohnsituation, da ich meine Ruhe beim Lernen hatte, aber jederzeit nach unten ins Wohnzimmer gehen konnte, um mit anderen etwas zu unternehmen. Einziger Nachteil dieses Wohnheimes war die gemeinsame Küche, in der es außer einem Herd und einer Mikrowelle überhaupt nichts gab. Hätte ich also Kochen wollen, müsste ich mir zuerst sämtliche Kochutensilien zusammenkaufen, worauf ich natürlich verzichtet habe. Ich habe auch später nie irgendjemanden in unserer Küche kochen sehen. Eine wirklich sinnvolle Anschaffung war ein kleiner Kühlschrank für mein Zimmer. Dort konnte ich dann immerhin kleinere Snacks und Getränke unterbringen, was bei wochenlanger Hitze sehr angenehm war. Eine andere Möglichkeit zu wohnen waren die „Fairmount Towers“. Dieses Wohnheim wird speziell für die unter 21-jährigen bzw. für Studienanfänger angeboten. Die Hauptmensa befindet sich im Erdgeschoss dieses Gebäudes, sodass man im Idealfall nach relativ kurzem Weg vier Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen kann. Dieses Wohnheim ist allerdings genau am anderen Ende vom Engineering Campus untergebracht, sodass ich jedes Mal ca. 25 Minuten Fußweg zu meinen Vorlesungen in Kauf 9

nehmen müsste. Umgekehrt war dies auch der Hauptgrund, weshalb ich nur zwei oder drei Mal pro Woche in der Mensa gegessen habe. Die Miete für ein Einzelzimmer belief sich auf ca. $575 pro Monat. Die „Wheatshocker Apartments“ waren ebenfalls eine Möglichkeit der Unterkunft. Hier teilen sich zwei Doppelzimmer ein Bad und eine Küche, bei voller Besetzung also vier Leute. Fast alle internationalen Studenten wählen diese Apartments, meistens jedoch als Einzelzimmer. Ich hatte einige Freunde im Wheatshocker Wohnheim, weshalb ich dort oft zu Besuch war. Der monatliche Mietpreis für ein Einzelzimmer lag zwischen $450 und $550. Ein riesen Nachteil, an den ich mich anfangs erst noch gewöhnen musste, war, dass es praktisch überhaupt keinen öffentlichen Nahverkehr gab. Wenn man zum Einkaufen nach „Oldtown“ oder zum Feiern nach „Downtown“ wollte (beides ca. 10-15 Minuten Autofahrt), musste man entweder einen amerikanischen Freund mit Auto bitten oder ein Taxi (ca. $15) nehmen. Das einzige halbwegs öffentliche Verkehrsmittel war ein Shuttlebus, der von der Universität betrieben wurde und drei Mal pro Woche zwischen den Wohnheimen und Walmart hin- und herpendelte. Dadurch war zumindest eine gewisse Grundunabhängigkeit gewährleistet, damit man nicht wegen jeder kleinen Besorgungsfahrt einen Freund fragen musste. An dieser Stelle sei aber auch Schluss mit den negativen Anmerkungen. Da ich in Kansas mit allen Köstlichkeiten der typisch amerikanischen Küche konfrontiert war, stand für mich Sport ganz oben auf der Prioritätenliste. Überhaupt schien Sport allgegenwärtig auf dem Campus zu sein. Es gab tolle Tennisanlagen, ein Softballstadion, Footballstadion, Leichtathletikplätze, ein Baseballstadion, eine Golfanlage, ein Fußballplatz, eine Basketballhalle mit 10,000 Sitzen und dann natürlich noch das Gym, welches über mehrere Etagen Fitnessräume, Basketball- und Raquetballplätze und sogar ein Wettkampf-Schwimmbecken beinhaltete. Alles stand kostenlos zur Verfügung bzw. ist in den üppigen Studiengebühren enthalten. Für mich klang das Fußballangebot sehr interessant, da ich diesen Sport seit meiner Kindheit mehr oder weniger aktiv betreibe. Ich schaute also in der ersten Woche einfach beim Training vorbei, stellte mich kurz vor und fragte, ob ich mich dem Training anschließen könnte. Dies ist ein weiteres Beispiel für die scheinbar grenzenlose Freundlichkeit der Menschen in „midwest“, die einem im täglichen Leben fast überall begegnet. Natürlich durfte ich mich der Mannschaft Abbildung 3: WSU soccer team fall 2012 anschließen, und das war eine der besten Entscheidungen, die ich während des Semesters getroffen habe. Auf die anstrengende Vorbereitung folgte nämlich die Saison, in der wir für die Auswärtsspiele gegen andere Universitäten fast immer komplette Wochenenden unterwegs waren. So habe ich nicht nur gute Freunde innerhalb der Mannschaft gefunden, sondern gleichzeitig auch alle umliegenden Nachbarstaaten einmal bereist. Und da wir ein offizielles WSU Team waren, wurden die Kosten für Mietwagen und Hotelübernachtungen sogar von der Universität übernommen. Insgesamt hatten wir vier solcher Wochenenden, eins für jede Himmelsrichtung.

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Neben den Ausflügen mit der Fußballmannschaft haben wir auch zweimal ein Auto gemietet, und sind mit anderen internationalen Studenten in das ca. drei Stunden entfernte Kansas City gereist. Dort konnte man zum Beispiel in den riesigen Outletmals Einkaufen, super Barbecue essen oder einfach nur die Stadt besichtigen. Außerdem haben dort die Kansas City Royals und die Kansas City Chiefs ihre Heimspiele. Also auch eine gute Abbildung 4: Basketballspiel unseres Uniteams

Gelegenheit, um sich mal ein Profi-Baseballspiel oder Footballspiel live anzusehen.

Desweiteren sind die Sportsbars ein beliebter Anlaufpunkt für fast alle Amerikaner. Hier kann man abends gemütlich mit Freunden ein Bier trinken, Football, Basketball oder Baseball gucken und dabei leckere Burger oder Steaks zu sich nehmen. Wir sind mindestens ein- bis zweimal pro Woche in diese Bars gegangen. Ein weiterer Grund hierfür könnte auch gewesen sein, dass auf dem gesamten Campus Alkoholverbot herrscht. Einmal pro Monat wurden „Safety and Health checks“ in den Zimmern durchgeführt, bei denen unter anderem auch auf den Besitz von Alkohol geachtet wurde. Während des Semesters gibt es zwei kleinere Unterbrechungen, in denen sich etwas weitere Ausflüge lohnen. Die erste kurze Pause ist die Semesterhalbzeit, „fall break“ genannt. Dafür gibt es an einem Montag und Dienstag Mitte Oktober frei, und man hat ein schönes langes Wochenende. Ich habe am Freitag bereits eine Vorlesung ausfallen lassen und bin morgens nach Washington D.C. geflogen, um dort Bekannte zu besuchen. In der Regel haben die Professoren Verständnis Abbildung 5: Ausflug nach Washington D.C. dafür, da Reisen ja auch irgendwie Bestandteil eines Auslandssemesters sein sollte. Die zweite Pause ist Thanksgiving Ende November. Hierfür gibt es von Mittwoch bis Freitag vorlesungsfrei. Wir haben leider nichts organisiert für diese freien Tage, da die meisten von uns die Zeit lieber für Projektarbeiten und Prüfungsvorbereitungen nutzen wollten. Es besteht außerdem noch die Möglichkeit, sich über eine Kirchenorganisation für eine Gastfamilie anzumelden, um die Thanksgiving-Tradition einmal in einer amerikanischen Familie mitzuerleben.

Abbildung 6: Thanksgiving dinner in unserem Wohnheim

Mit den final-exams vom 7. bis 14. Dezember endete schließlich mein Semester in Wichita. Ab jetzt hatte ich noch vier Tage, um alles für den Abflug vorzubereiten. Am 18. Dezember habe ich dann Wichita wieder verlassen, um mich mit drei Freunden in San Francisco für einen dreiwöchigen „USA-Abschluss-Roadtrip“ zu treffen. Zwei meiner Freunde haben ebenfalls ein Auslandssemester in den USA verbracht, wodurch die Anreisedauer recht angenehm ausfiel. Wenn es irgendwie möglich ist, sollte man im Anschluss an das Auslandsstudium unbedingt eine solche Reise anknüpfen. Es ist eine herrliche Gelegenheit, das Semester ausklingen zu lassen und dabei noch einmal den Spirit der USA zu genießen.

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6 Kosten Insgesamt liegen die monatlichen Ausgaben während eines Auslandssemesters immer über den von zu Hause gewohnten Kosten. Speziell in Amerika liegt das zum einen an den höheren Kosten für das tägliche Essen. Während ich in unserer Mensa Preise zwischen zwei und drei Euro für ein Mittagessen gewohnt war, habe ich in Amerika nie weniger als $5 gezahlt. Zum anderen unternimmt man auch deutlich mehr als zu Hause, sodass hierfür natürlich auch Kosten anfallen. Positiv ist aber, dass die HAW insgesamt €1200 Fördergeld zahlt, verteilt auf vier Monate. Dies fängt zumindest einen Teil der Extrakosten ganz gut auf. Im Folgenden versuche ich einmal die größten Kostenpunkte zusammenzustellen.

Vorbereitungskurs TOEFL Test TOEFL Test SEVIS Gebühr (für Visa) Visa Beantragungsgebühr Meningitis Impfung Alle Flüge Wohnheim Mealplan (Shocker Dollars) Büchergeld

€300 €200 €140 €128 €80 €1500 €1400 €390 €300

7 Schlusswort Ich hoffe, mit meinem Erfahrungsbericht einen kleinen Eindruck vermittelt zu haben, wie so ein Auslandssemester ablaufen kann. Rückblickend bin ich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung und kann jedem nur empfehlen, ein Semester im Ausland ins Studium zu integrieren. Dabei gibt es offensichtliche Vorteile wie zum Beispiel die Weiterentwicklung der englischen Sprache oder die höhere Wahrscheinlichkeit auf eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Es lohnt sich aber vor allem wegen der vielen kleineren Punkte, an die man vorher überhaupt noch nicht gedacht hat. Zum Beispiel die (stolze) Gewissheit, dass man es geschafft hat, sich völlig allein in einem fremden Land durchzusetzen, Anschluss zu finden und ein Semester mit guten Noten zu beenden. Nebenbei schärft oder verändert sich das Beurteilungsvermögen in vielen Situationen, da man sehr viel Neues kennengelernt hat und mit Leuten aus aller Welt in Kontakt gekommen ist. Der eigene Werdegang kann plötzlich viel differenzierter betrachtet werden. Und was bedeutet schon ein Semester länger studieren (wenn überhaupt) im Vergleich zu den Erfahrungen, die wahrscheinlich ein Leben lang halten? Deshalb kann ich euch nur raten, nehmt den Vorbereitungsstress auf euch, die anschließende Zeit entschädigt für alles mindestens doppelt!

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