Leitgedanken zur Bildungspolitik

Junge Union Kreisverband Vechta Erster Kreisausschuss 2013 – Thema: Bildung - 22. Juli 2013 – Leitgedanken zur Bildungspolitik Erarbeitet von Franzis...
Author: Uwe Bösch
3 downloads 1 Views 576KB Size
Junge Union Kreisverband Vechta Erster Kreisausschuss 2013 – Thema: Bildung - 22. Juli 2013 –

Leitgedanken zur Bildungspolitik Erarbeitet von Franziska Lammert, Philipp Albrecht, Jonas Kuhlmann und Matthias Möller

Inhalt Schulsystem (Ganztagsschulen, Grundschulen, Gesamtschulen, Gymnasien)

S. 2-5

von Matthias Möller

Lehr- und Stundenpläne (insb. auch die „Digitale Herausforderung“)

S. 5-7

von Philipp Albrecht

Pädagogische Reformen (insb. Abschaffung des Notensystems, des Sitzenbleibens)

S. 7-10

von Jonas Kuhlmann

Inklusion

S. 10 -12

von Franziska Lammert

Die hier abgedruckten Texte und Meinungen sind nicht Gegenstand eines Leitantrages, über den in Form einer Abstimmung auf dem Kreisausschuss entschieden wird. Änderungsanträge hierzu sind insofern unzulässig und sinnfremd. Vielmehr sollen diese Texte Anregungen zur intensiven Diskussion auf dem Kreisausschuss geben. Auf dem Kreisausschuss werden zu den o.g. übergeordneten Themen eigene Positionen formuliert, die zwecks eines kurzen, prägnanten Thesenpapiers verabschiedet werden.

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 2 / 12

Schulsystem Ein Beitrag von Matthias Möller Ganztagsschulen „Die rot-grüne Koalition wird es allen Schulen ermögliche, gebundene Ganztagsschulen zu werden.“ So steht es im rot-grünen Koalitionsvertrag geschrieben. Bevormundung und das Festhalten an ideologischen Plänen wird hier wieder einmal höher bewertet als das Wohl von Kindern und Eltern, als die Möglichkeit, echte Wahlfreiheit zu gewährleisten.

Zweifelsohne

leben

wir

in

einer

immer

schneller

werdenden

Gesellschaft

mit

immer

ungewöhnlicheren Arbeitszeiten auch für Eltern. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es zweifelslohne immer häufiger notwendig ist, dass Mutter und Vater ganztägig arbeiten. In dieser Gesellschaft sollen und müssen Kinder und Eltern ein Recht darauf haben, dass eine ganztägige qualifizierende Betreuung der Kinder garantiert wird – wenn die Eltern und (wichtig!) die Kinder es denn wollen. Verpflichtende Ganztagsschulen sind und bleiben dabei der falsche Ansatz, die Schaffung offener Ganztagsschulen muss das erklärte Ziel sein.

Verpflichtende Lehrinhalte dürfen nicht auf den Nachmittag verlegt werden (die bereits jetzt in den oberen Klassenstufen angesiedelten natürlich ausgenommen), auch ein verpflichtendes Nachmittagsprogramm darf es nicht geben. Die Gründe dafür sind vielfältig, lassen sich aber mit dem oben genannten Begriff der Wahlfreiheit zusammenfassen.

Verallgemeinerungen und Vereinheitlichungen sind für eine pluralistische Gesellschaft schädlich. Die Unterstellung, alle Eltern würden sich nicht nachmittags nicht um ihre Kinder kümmern können, ist bedenklich und zeigt, wie wenig Vertrauen die Roten und Grünen in die Bürger und damit auch ihre eigenen Wähler haben. Sicherlich ist es richtig, dass es Eltern gibt, die sich nicht nachmittags um ihre Kinder kümmern können, doch auch das genaue Gegenteil ist der Fall. Eltern können nachmittags zu Hause sein, können sich um ihre Kinder kümmern wollen.

Doch ich gehe noch weiter, die Wahlfreiheit der Eltern stell noch nicht einmal das entscheidende Argument dar. Entscheidet für die Tagesplanung des Schülers muss die Wahlfreiheit selbst sein: Die volle Eigenverantwortlichkeit mag vielleicht mit dem Abitur, mit der Reifeprüfung beginnen. Doch wie soll man eine Reifeprüfung bestehen, wenn man sich in dieser nie geübt hat? Auch Kinder sollten ein Recht darauf haben, ihren Nachmittag eigenverantwortlich zu gestalten – selbst

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 3 / 12

dann, wenn die Eltern nachmittags arbeiten. Das dieses von Kind zu Kind unterschiedlich, auch innerhalb von Altersstufen ist, ist mir durchaus bewusst. Die elterliche Sorgepflicht greift aber genau an dieser Stelle. Ob es für das Kind das Beste ist, nachmittags in der Schule zu bleiben, müssen die Eltern gemeinsam mit dem Schüler und ggf. Lehrern ausarbeiten.

Ob ein Kind dann nachmittags alleine zu Hause seine Hausaufgaben machen kann und will, ob es danach zu Hause ein Buch lesen will, am Montag

in einem außerschulischen Sportverein

Fußballspielen will, in der Musikschule am Dienstag Saxophon spielen will, sich am Mittwoch politisch engagieren will und am Donnerstag im Kaninchenzüchterverein tätig werden will oder aber ob es Angebote der Schule annehmen will – Das alles sind Fragen, die nur das Kind selbst (in Rücksprache mit den Eltern) und nicht eine rot-grüne Landesregierung beantworten kann.

Eine gebundene Ganztagsschule steht für Einheit, eine offene Ganztagsschule für Vielfalt. Eine gebundene

Ganztagsschule

Organisationen,

eine

offene

zerstört

sämtliche

Ganztagsschule

außerschulischen

steht

für

Vielfalt

Vereine der

und

Vereine,

andere

steht

für

Eigenverantwortlichkeit der Vereine, wenn nötig aber auch für eine Zusammenarbeit von Vereinen und Schulen.

Grundschulen Der Grundstein für jede Bildungslaufbahn wird in der Grundschule gelegt. Wenngleich ein spielerisches und vor allem druckloses Lernen auch hier wichtig ist, Kindergarten und reine Spaßveranstaltung (wobei ich nicht verneinen möchte, dass Lernen Spaß macht) ist es dennoch nicht mehr. Auf Grund dessen ist die Notenvergabe in der Grundschule auch weiterhin wichtig. (Doch dazu an anderer Stelle von anderen Personen mehr.) Dieses Argument soll an dieser Stelle lediglich aufzeigen, welche strukturellen Eigenschaften die Grundschule haben muss.

Die Grundschule sollte auch weiterhin nach vier Jahren abgeschlossen werden, in diesen vier Jahren sollten die Schüler benotet werden und vor allem auch am Ende eine förmliche Empfehlung für eine weiterführende Schule erhalten. Nur so können der Schüler und die Eltern als auch die weiterführende Schule einschätzen, wohin der Bildungsweg des Kindes gehen kann. Auch hier ist wieder Vielfalt statt Einhalt das Stichwort. Vier Jahre Einheit sind genug, danach ist es richtig und wichtig, die Schüler auf weiterführende Schulen aufzuteilen.

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 4 / 12

Gesamtschulen Vielfalt statt Einheit soll sich durch meine Argumentation ziehen. Über Thomas Oppermann (Parlamentarischer Geschäftsführender der SPD-Bundestagsfraktion, häufiger Gast in diversen Talkshows) mag man denken, was man will. Man kann ihm sehr häufig widersprechen, doch ein Satz aus dem Jahr 2005 als damaliger niedersächsische Wissenschaftsminister ist wohl einer seiner besseren: „Lieber alle gleich schlecht als unterschiedlich gut“.

Dieser Satz bring ganz simple

ausgedrückt auf den Punkt, wofür Gesamtschulen stehen. Werden Schüler unterschiedlichen Bildungsniveaus gemeinsam unterrichtet (und darauf läuft es in Gesamtschulen, so viele unterschiedliche Modelle es auch geben mag, doch letztlich hinaus), so führt dies keineswegs dazu, dass alle davon profitieren. Ganz im Gegenteil, die Schwachen sind eingeschüchtert von den Starken, die Starken müssen auf die Schwachen warten. Alle werden im Endeffekt schlechter, das kann und darf für ein Innovationsland wie Deutschland nicht Ziel sein.

Gymnasien Rot-grün verpflichtet sich im Koalitionsvertrag „den Druck aus den Gymnasien zu nehmen“ und neue Formen der „Leistungsüberprüfung“ zu gestalten. Die hohe Belastung solle von den Schülern genommen werden, außerdem sei die Verdichtung des Lernstoffes abzubauen. Die Gymnasien sollten – so lässt sich ableiten – insgesamt geschwächt werden.

Das Gesetz der sozialen Marktwirtschaft – in der sich die Gymnasiasten nach ihrer Ausbildung bewegen sollen –

ist ein simples: Wer mehr leistet, wer sich mehr anstrengt, hat auch mehr

wirtschaftlichen Erfolg. Doch wie will man damit umgehen, wenn man in der Schule nie leistungsorientiert arbeiten musste?

Genau das Gegenteil von Schwächung muss also das Ziel sein: eine Stärkung der Gymnasien sollte oberste Pflicht sein, die Ausbildung am Gymnasium muss an Qualität gewinnen und nicht verlieren – schon heute klagen die Universitäten über fehlende Elementarqualitäten ihrer Studierenden. Es sind gerade deutsche Gymnasien, auf denen man eine der besten theoretischen Ausbildungen der Welt erhalten kann, es sind jene Gymnasien, denen die deutsche Wirtschaft ihre Innovationskraft zu verdanken hat. Wenn rot-grün also vom Abbau der Verdichtung der Lernpläne spricht, wird es den Schülern noch mehr an Elementarwissen fehlen. Die Schüler kommen also mit schlechteren Voraussetzungen an die Universitäten, oben erwähnte – für unsere Wirtschaft elementar wichtige – Innovationskraft geht verloren.

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 5 / 12

Doch der Anspruch des Gymnasiums kann und darf sich nicht auf

Ausstattung mit

Elementarwissen und spezifischen Fähigkeiten auf eine Fachrichtung beschränken. Es ist oberste Priorität der Gymnasien den Schüler zu

einem mündigen, allgemeingebildeten, interessierten

Bürger auszubilden. Nicht für die Schule oder für die spätere universitäre Ausbildung, sondern für das Leben lernt man. Die Gymnasien sollten sich verpflichtet sehen, diesem humanistischen Ideal wieder mehr nachzukommen. Nicht alles, was man auf dem Gymnasium lernt, muss relevant für das spätere Studium sein. Von einem gutem Abiturienten darf man aber erwarten, sowohl durch naturwissenschaftliche

als

auch

sprachliche

und

gesellschaftliche

Kenntnisse

ein

großes

Allgemeinwissen vorweisen zu können.

Lehr- und Stundenpläne Ein Beitrag von Philipp Albrecht Ehrenamt stärken Im Zuge der Einführung des G8 wird von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums erwartet, dass sie in einer um ein Jahr verkürzten Schulzeit dieselbe Menge an Stoff bewältigen müssen wie zuvor. Die Folge dieses Zustandes ist, dass immer weniger Jugendliche außerhalb ihrer Schulzeit genügend Zeit haben, sich ehrenamtlich z.B. in Sportvereinen, Verbänden oder Organisationen zu engagieren. Gerade dieses außerschulische Engagement ist aber existenzieller Bestandteil des Lernprozesses und unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft. Aus diesem Grund sollten sich die

Junge

Union

im

Kreisverband

Vechta

dafür

aussprechen,

die

durchschnittliche

Wochenstundenzahl in der Oberstufe von 34 auf 30 Stunden zu reduzieren. Einsparpotenzial besteht hier insbesondere bei den Ergänzungsfächern, die fast ein Drittel des Stundenplanes ausmachen, ohne für die Abiturprüfungen von Bedeutung zu sein.

Lehrpläne überarbeiten Diese Änderung alleine wird jedoch nicht ausreichen, um die durch das G8 erzeugte Stresssituation zu entschärfen. Ausgehend von dem Satz „Du sollst für das Leben lernen, nicht für die Schule“ besteht bei den Lehrplänen ein erhebliches Einsparpotenzial. Wir als Junge Union sollten daher fordern, alle auf das G9 angepassten Lehrpläne endlich an das G8 anzupassen. Bei der Anpassung können gleichzeitig auch weniger praxisnahe Themen wie die Funktionsweise der DNA-Polymerase durch andere wie zum Beispiel der Schutz vor Infektionskrankheiten ersetzt werden, um diesen Problemen entgegenzuwirken.

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 6 / 12

Medienkompetenz erweitern Ein besonders wichtiges Stichwort ist in diesem Zusammenhang die Schlüsselqualifikation „Medienkompetenz“. Die Bedeutung dieses Schlagwortes ist in den letzten Jahren dramatisch angestiegen. Wer sich in dieser Disziplin nicht oder kaum auskennt, hat in der Arbeitswelt des 21.Jahrhunderts Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Vor diesem Hintergrund halten wir die wesentlich stärkere Einbindung der „Neuen Medien“ in den Unterricht für unausweichlich. Anstatt sich andauernd mit den vermeintlichen Nachteilen der „Digitalen Revolution“ (Diskussionen über Handyverbote an Schulen o.Ä.) aufzuhalten, ist es an der Zeit, die Vorteile wie Cloud-Speicherung, einfache Recherchemöglichkeiten oder Online-Diagnosetools (Systeme, mit denen z.B. im Fach Mathematik anhand eines Fragebogens detailliert Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler ermittelt werden können), um nur einige zu nennen, in den Vordergrund zu stellen. Wichtig für uns als Junge Union sollte jedoch dabei sein, dass nicht nur die Technik dafür angeschafft wird, sondern insbesondere auch, dass Lehrerinnen und Lehrer verpflichtend und regelmäßig im Umgang mit den neuen Medien geschult werden sollten. Die Praxis zeigt nämlich, dass selbst wenn die Hardware an manchen Schulen vorhanden ist, diese nur sehr wenig genutzt werden, da viele Lehrerinnen und Lehrer nicht in der Lage sind, sie einzusetzen.

Zusätzlich zu diesen fächerübergreifenden Einsatzmöglichkeiten sollten wir uns für die Einführung eines verpflichtenden Faches „IT“

für alle Schulformen in den Jahrgangsstufen 5-9 einsetzen.

Neben Themenbereichen der Informatik im eigentlichen Sinne können hier gleichberechtigt Fragen wie der Umgang mit Chancen und Risiken des Internets, der Umgang mit Schreib- und Tabellenkalkulationsprogrammen, der Umgang mit sozialen Netzwerken etc. behandelt werden. Dadurch würden sowohl die digitale Wirtschaft in Niedersachsen gestärkt als auch die Schülerinnen und Schüler besser auf die Herausforderungen außerhalb des Schulalltags vorbereitet.

Wirtschaftslehre als Pflichtfach Doch nicht nur das Thema „Digitale Revolution“, sondern auch das Thema „Wirtschaft“ kommt im aktuellen Schulsystem zu kurz. Fragen der Volkswirtschaftslehre, aber auch und vor allem Fragen des effizienten Wirtschaftens im privaten Bereich werden wenn überhaupt sehr oberflächlich behandelt. Vor dem Hintergrund der ausufernden Verschuldung privater Haushalte herrscht hier, und zwar an allen weiterführenden Schulformen, Nachholbedarf. Wir sollten uns daher für die Einführung des Fachs „Wirtschaftslehre“ einsetzen. Um den Stundenplan in der Mittelstufe nicht zu

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 7 / 12

überlasten, bieten sich daher Einsparungen an anderer Stelle wie zum Beispiel der durchgehende, epochale Wechsel zwischen Musik und Kunst z.B. ab Klasse sieben oder acht an.

Zusammenfassung: Die Junge Union im Kreisverband Vechta sollte fordern: -

die durchschnittliche Wochenstundenzahl in der gymnasialen Oberstufe von 34 auf 30 Wochen Stunden zu reduzieren

-

die Beibehaltung des G8 bei umfangreicher Anpassung der Lehrpläne an die verkürzte Schulzeit

-

den flächendeckenden, fächerübergreifenden Einsatz von neuen Medien

-

verpflichtende, regelmäßiger durchzuführende Fortbildungen für alle Lehrer im Umgang mit den neuen Medien

-

die Einführung des Fachs „IT“ für alle Schulformen

-

die Einführung des Fachs „Wirtschaftslehre“ für alle Schulformen

Pädagogische Reformen Ein Beitrag von Jonas Kuhlmann Die Bildungspolitik in Niedersachsen hat nach dem Regierungswechsel zu Jahresbeginn auch im Bereich der pädagogischen Vorgehensweise an den Schulen einen bedenklichen Richtungswechsel erfahren.

Die

rot-grüne

Landesregierung

plant

in

diesem

Bereich

insbesondere

Lehrentwicklungsberichte anstelle von Schulnoten als Bewertungssystem an den Grundschulen zu ermöglichen,

das

Ersetzen

des

„Sitzenbleibens“

und

der

Abschulung

durch

individuelle

Förderungsmaßnahmen und das Abschaffen der Schullaufbahnempfehlungen am Ende der Grundschulzeit.

Wiederholung eines Schuljahrs und Abschulung oder Individuelle Förderung? Diskutiert man die Frage nach einer Alternative zur „Ehrenrunde“ als Konsequenz aus nicht ausreichenden schulischen Leistungen, werden von Kritikern der gängigen Praxis häufig der negative Einfluss des drohenden Sitzenbleibens auf die Lernmotivation und die hohen Kosten des Verfahrens angeführt. Des Weiteren werde den Schülern wertvolle Lebenszeit durch die unnötige Zwangswiederholung eines Gesamtprogramms an Lerninhalten geraubt. Stattdessen solle auf positive Motivation und individuelle Förderung, z. B. in Form von verpflichtenden Nachhilfestunden

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 8 / 12

gesetzt werden. Die Schüler stünden so weniger unter Druck und ihnen bliebe unnötige Mehrarbeit in Fächern ohne großes Leistungsdefizit erspart.

Generell liegt die Ursache für schlechte schulische Leistungen im Großteil der Fälle entweder in fehlender Lernmotivation oder in einem Mangel der Fähigkeit den Unterrichtsstoff aufzunehmen. Doch welchem Schüler, dem das Lernen in einem bestimmten Fach schwer fällt, hilft es wirklich wenn er neben dem normalen neuen Unterrichtsstoff zusätzlich durch den nachzuholenden Stoff belastet wird. Anstatt die Lernbelastung zu erhöhen bietet das Wiederholungsjahr die Chance sich stärker auf das Problemfach zu konzentrieren, da der Stoff aus anderen Fächern bereits mehr oder weniger gekonnt wird. Das Wiederholungsjahr bietet so die Gelegenheit, Lerndefizite unter verringerter Belastung und in einer neuen sozialen Lernumgebung aufzuholen, anstatt dies zusätzlich zur Normalbelastung tun zu müssen.

Im Falle eines Mangels an Motivation als Ursache der schlechten Noten, scheint es äußerst fraglich, wie verpflichtende Nachhilfestunden die Lernmotivation steigern sollen. Hier stellt sich die drohende „Ehrenrunde“ als effektives Mittel von Lehrern und Eltern zur Aktivierung der Schüler dar. Wem es erspart werden soll ein Jahr wiederholen zu müssen, der muss Leistungen bringen. Wird dieses Mittel abgeschafft wird vielfach ein starker Abfall der Lerndisziplin bei den Schülern befürchtet. Denn wem bei Nachlässigkeit keine ernsthaften Konsequenzen drohen, der strengt sich auch nicht an. Es ist irreführend anzunehmen, dass die Vernunft aller Schüler derart ausgeprägt ist, dass sie aus sich heraus bereit sind, gute schulische Leistungen zu erbringen, wenn ihnen bei Unterlassung keine Konsequenzen drohen. Diese Denkweise setzt ein stark idealisiertes Bild unserer Schüler voraus, welches so in der Realität nicht haltbar ist.

Gegen die Individuelle Förderung im Allgemeinen spricht des Weiteren die ohnehin bedenkliche Lehrerversorgung an den Schulen. Eine ausreichende Betreuung der Schüler mit Defiziten scheint kaum zu gewährleisten.

Das Wiederholen eines Schuljahres verspricht also weiterhin die besseren Erfolgsaussichten für die Schüler, verhindert einen Verfall der Lerndisziplin und ist trotz erhöhter Kosten, aufgrund der Lehrerversorgung deutlich praktikabler.

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 9 / 12

Schulnoten oder Lernentwicklungsberichte in der Grundschule An den meisten Grundschulen ist es gängige Praxis, die Lernerfolge von Schülern in der ersten und zweiten Klasse in Form von sogenannten Lernentwicklungsberichten und ab der dritten Klasse in Form von Noten zu dokumentieren und dem Schüler auf dem Zeugnis mitzuteilen. In den Lernentwicklungsberichten werden die Lernerfolge der Schüler anhand von positiv formulierten, förmlichen Phrasen dargestellt.

Mit dem Regierungswechsel soll das Ausstellen von Lernentwicklungsberichten nun auf die gesamte Grundschulzeit ausgeweitet werden. Befürworter sehen darin den Vorteil individueller auf die Lernfähigkeiten des Einzelnen eingehen zu können und die Lernmotivation durch die positiven Formulierungen zu fördern.

Für das erste und zweite Schuljahr findet diese Vorgehensweise breite Akzeptanz, da sich die jungen Schüler so zunächst generell an die Bewertung ihrer Leistungen gewöhnen können und die Möglichkeit haben sich in den Formulierungen wiederzufinden.

Für die frühzeitige Umstellung der Bewertung auf Schulnoten ab der dritten Klasse spricht dann, dass sich die Schüler bereits vor dem Wechsel auf die weiterführenden Schulformen an die präzisere und neutralere Bewertung durch ein Ziffersystem gewöhnen können. Dies verhindert, dass insbesondere schwächere Schüler neben den neuen Anforderungen durch die Schule zusätzlich durch das erstmalige auftauchen von harten Bewertungskriterien belastet werden.

Außer Frage sollte dabei stehen, dass es irgendwann zur Einführung von Schulnoten kommen muss. Dies liegt in einer der Kernaufgaben der Schule begründet, junge Menschen auf das Erwachsenen und Arbeitsleben in unserer Gesellschaft vorzubereiten. Diese ist heute noch stärker als je zuvor durch Leistungsorientierung und -bewertung geprägt, weshalb eine transparente Bewertung der Leistungen durch Noten bereits in der Schule praktiziert werden muss. Eine möglichst frühe Einführung dieses Systems ist dabei zu befürworten.

Schullaufbahnempfehlungen Zum Ende der Grundschulzeit erhält jeder Schüler in Niedersachsen eine förmliche Empfehlung für die weiterführende Schulform, die nach Ansicht der unterrichtenden Lehrkräfte am ehesten zur Gesamtpersönlichkeit des Kindes passt. Dabei werden der Leistungsstand, die Lernentwicklung

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 10 / 12

während der Grundschulzeit, das Arbeits- und Sozialverhalten, sowie Erkenntnisse aus den Gesprächen mit den Erziehungsberechtigten berücksichtigt.

Anhand dieser Empfehlung können dann die Eltern entscheiden, welche Schulform ihr Kind besuchen soll. Sie ist lediglich Orientierungshilfe und nimmt diese Entscheidung nicht vorweg. Bestrebungen dieses Vorgehen abzuschaffen werden mit dem großen Gewicht der Empfehlung begründet, welches sie auch auf der weiterführenden Schule noch besitzt. So eröffnet sie, in den Fällen in welchen eine Schulform entgegen der Empfehlung gewählt wurde, die Möglichkeit einer Abschulung bei einer nicht erfolgten Versetzung nach der sechsten Klasse. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass dieser Mechanismus nicht automatisch greift. Zu einer Abschulung kommt es erst dann, wenn sie in der Klassenkonferenz mehrheitlich zum Wohle des Kindes beschlossen wird.

Die Schullaufbahnempfehlung bietet Eltern eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Frage nach der richtigen Schulform für ihr Kind. Sie kann Orientierungshilfe sein, die eigenen Vorstellungen bestätigen oder in Extremfällen auch Fehlvorstellungen aufzeigen und hilft, eine Bewertung der Leistungen des eigenen Kindes aus einer anderen Perspektive zu erhalten. Sie ist daher in ihrer Klarheit und Formalität wichtig und muss beibehalten werden

Inklusion Ein Beitrag von Franziska Lammert Seit einigen Monaten wird ein neues Schulsystem für unsere Schulen diskutiert – die Inklusion. Was genau bedeutet Inklusion aber? Inklusion bedeutet, behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam zu unterrichten.

Nicht nur körperlich, sondern auch geistig eingeschränkte Kinder sollen in den normalen Schulalltag integriert werden. Deutschland weist allerdings in Bezug auf die Umsetzung wie in allen bildungspolitischen Bereichen Unterschiede von Bundesland zu Bundesland auf. Diese liegen sowohl

im

prozentualen

Anteil

derjenigen

Schüler,

die

gefördert

werden

müssen

(in

Niedersachsen: 4,9%) als auch im prozentualen Anteil derjenigen Schüler, die eine inklusive bzw. reguläre Schule besuchen (in Niedersachsen: 11,1%, zum Vergleich Bremen: 55,5%).

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 11 / 12

Der Gedanke der Inklusion basiert auf Artikel 24 der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der vor sechs Jahren von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Deutschland hat im März 2009 diesen Artikel ratifiziert.

Seitdem hat sich im Bereich der Inklusion einiges getan. Die Anzahl von behinderten Schülern, die eine inklusive Schule besuchen, hat sich von 18,4 auf 25 Prozent erhöht. Trotzdem ist die Anzahl von Schülern, die eine Förderschule besuchen, nicht zurückgegangen. Dieser Widerspruch liegt an der Tatsache, dass es immer mehr Schüler gibt, die Förderbedarf haben.

2012 wurde angekündigt, in Nordrhein-Westfalen (NRW) werde zum Schuljahr 2013/2014 ein Rechtsanspruch auf eine inklusive Schule eingeführt. Dieses Vorhaben konnte aber nicht umgesetzt werden und wurde bis auf weiteres verschoben. Der neue Plan ist, dass zum November 2013, wenn die neuen Anmeldephasen zur Einschulung für das Schuljahr 2013/2014 beginnen, der Rechtsanspruch in Kraft gesetzt werde.

Dieses Vorhaben zeigt die schwierige Seite der Inklusion. In Landesparlamenten und Kommunen wird darüber gestritten, wer die Inklusion finanziere, wie die finanziellen Mittel dafür bereitgestellt würden. Die Frage sei, ob man es verantworten könne, in solchen Zeiten, in denen bereits grundlegende Dinge der Inklusion nicht geklärt seien, diese an Schulen einzuführen?

Kritiker der Inklusion befürchten, durch die vorangetriebene Inklusion würden die Förderschulen geschlossen.

Förderschulen

seien

aber

trotzdem

weiterhin

notwendig,

um

besonders

verhaltensauffällige Schüler unterrichten und gezielt fördern zu können. Befürworter der Inklusion hingegen glauben, Förderschulen werden sich in Zukunft überflüssig machen. Fraglich ist aber, ob Lehrer darauf vorbereitet sind, mit Behinderten in einer Klasse zu arbeiten? Für wie viele Stunden kommt ein sonderpädagogischer Lehrer in die Klasse? Viele Lehrer fühlen sich allein gelassen, wenn Ihnen eine Hilfe für fünf Schulstunden in der Woche zur Seite gestellt wird.

Auf der anderen Seite fördert der Unterricht von nicht behinderten und behinderten Schülern die Sozialkompetenz der nicht behinderten und sorgt dafür, dass diese auch in ihrem späteren Leben einfacher mit Behinderten zusammenarbeiten können. ¬¬Außerdem könnten behinderte Schüler so besser lernen. Inklusion bedeute aber auch, sich auf die individuellen Förderschwerpunkte von behinderten Schülern einzustellen. Thomas Stöppler, ehemaliger Leiter einer Sonderschule und Vorsitzender des Verbands Sonderpädagogik e.V. in Baden-Württemberg sagt dazu: „Ein schwerst

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Leitgedanken zur Bildungspolitik – Seite 12 / 12

verhaltensauffälliges Kind etwa benötigt ein klar strukturiertes Lernarrangement, während ein massiv lernbehindertes Kind eine eher offene Lernsituation braucht, wo es etwas entdecken kann. Ein hörbehindertes Kind braucht eine gute Ausleuchtung, um das Mundbild ablesen zu können – für blendempfindliche

sehbehinderte Kinder

bedeutet

aber helles

Licht

eine

erhebliche

Einschränkung. Diese Schüler kann man nicht alle mit gesunden Kindern so nebenbei im Klassenraum unterrichten!“.

Dem stellt Ulf Preuss-Lausitz, Professor für Erziehungswissenschaft und Sprecher des Arbeitskreises Gemeinsame Erziehung in Berlin, entgegen: „Wir wissen doch längst, dass es wenig Sinn ergibt, zehn lernbehinderte oder verhaltensauffällige Kinder in einem Raum zu unterrichten. Kinder lernen am besten von anderen Kindern. Wenn es aber niemanden gibt, von dem sie lernen können, sind die Fortschritte gering.“ Inklusion ist also auch unter Experten sehr umstritten.

Wir müssen uns also jetzt die Frage stellen, ob, in welcher Art und Weise und wann wir Inklusion an deutschen Schulen umsetzen.

JU KV Vechta – Erster Kreisausschuss 2013 – 22. Juni 2013

Suggest Documents