Positionspapier zur Bildungspolitik in Bayern

1 Thomas Gehring: Positionspapier zur Bildungspolitik in Bayern Anders lernen - besser lernen: mit einem Grünen Bildungsaufbruch in Bayern Wir bild...
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Thomas Gehring:

Positionspapier zur Bildungspolitik in Bayern

Anders lernen - besser lernen: mit einem Grünen Bildungsaufbruch in Bayern Wir bilden heute Bayerns Zukunft. Deshalb entscheidet aktuelle Bildungspolitik darüber, wie wir und unsere Kinder in Bayern leben werden. Ob Bayern ein gerechtes, weltoffenes, lebenswertes Land sein wird mit einer prosperierenden und nachhaltigen Wirtschaft, das von mündigen Bürgerinnen und Bürgern gestaltet wird. Wenn wir an die Anforderungen einer Welt von morgen denken, wird uns bewusst, dass die Schule von heute, die nach bildungspolitischen Vorstellungen von gestern und vorgestern gestaltet wird, dieser Zukunft nicht gerecht werden kann.

Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt Grüne Bildungspolitik stellt Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt. Die erste Frage ist für uns: Was brauchen sie zum Lernen und um glücklich in der Schule zu sein? Kinder und Jugendliche sind neugierig, voller Wissensdurst und Experimentierfreude. Sie haben viele Fragen nach dem Wie und Warum in dieser Welt. Wir wissen: Kinder und Jugendliche sind von Anfang an individuelle Persönlichkeiten, Sie haben unterschiedliche Ausgangslagen, Anlagen, Fähigkeiten und Vorlieben und entwickeln sich unterschiedlich. Ein gerechtes Bildungswesen nimmt diese Unterschiede ernst und lässt kein Kind zurück. Soziale Herkunft darf den Bildungserfolg nicht bestimmen, jedes Kind hat die optimale Förderung verdient und braucht individuelle Unterstützung. Für Grüne Bildungspolitik ist die Vielfalt der Kinder nicht nur eine Herausforderung, sondern auch ein Gewinn und eine Chance.

Die blockierte Staatsregierung Hingegen scheitert der Versuch der Staatsregierung, ein Jahr vor der Landtagswahl alle bildungspolitischen Baustellen „abzuräumen“ und Zufriedenheit über das „Bildungsland Bayern“ zu verbreiten, grandios. Die Unzufriedenheit bei Eltern, SchülerInnen, Lehrkräften, Schulverwaltung und Kommunen über die Bildungspolitik der Staatsregierung und die Lage an Bayerns Schulen ist riesig. Die CSU ist aufgrund ideologischer Blockaden zu einem Aufbruch in der bayerischen Bildungspolitik nicht in der Lage. Die FDP ist einfluss- und konzeptionslos und hat die Erwartungen vieler BürgerInnen in eine andere Bildungspolitik in Bayern für immer enttäuscht. Kultusminister Spaenle hat die bayerische Bildungslandschaft lediglich um zahlreiche neue Begriffe bereichert, von der Gelenkklasse bis zum Intensivierungsjahr. Diese Politik der inhaltlosen Wortschöpfungen steht aber nicht für eine neue Politik, sondern soll die schon alten Probleme nur kaschieren. Der durch die bildungspolitischen Fehler der Vergangenheit (Ära Stoiber) entstandene Schaden an der Qualität des bayerischen Bildungswesens, wie etwa die übereilte, dilettantische und schlechte Einführung des G 8, das Versäumen des Themas Ganztagsschule aus ideologischen Gründen oder die Sparpolitik zu Lasten der SchülerInnen (Klassengrößen) und der Lehrkräfte (Arbeitszeiterhöhung), wurde nicht oder nur unzureichend korrigiert. Notwendige Reformen (Schulstruktur, Lehrerbildung, Schulverwaltung) wurden bisher nicht angegangen und werden aus ideologischen Gründen

2 versäumt. Und entgegen aller Ankündigungen werden die Rahmenbedingungen (z.B. Lehrerversorgung, Mittel für Ganztagschulen) nicht besser und stehen dazu von Schuljahr zu Schuljahr immer wieder zur Disposition, so dass die Schulen keine Planungssicherheit haben. Die Bildungspolitik der Staatsregierung ist nicht zukunftsorientiert, sie ist in ihrer Selbstbeweihräucherung rückwärtsgewandt. Sie nimmt als „Politik von oben“ die Gestaltungsmöglichkeiten der Akteure vor Ort nicht ernst und ist so auf Struktur- und Statusfragen fixiert, dass sie die Schülerinnen und Schüler eben nicht in den Mittelpunkt ihrer Bildungspolitik stellt. So steht für Kultusminister Spaenle, als Ideologe des dreigliedrigen Bildungssystems, viel zu sehr die Aufteilung der Kinder auf verschiedene Schularten im Vordergrund. So bringt er keine Bildungspolitik auf den Weg, die es Schulen ermöglicht, Kinder wirklich individuell zu fördern und ihnen individuelle Leistungsanreize anzubieten, Neigungen zu vertiefen und Schwächen mit spezifischen Unterstützungsübungen auszugleichen. Dadurch vergibt die Staatsregierung Zukunftschancen der Kinder und Jugendlichen, noch bevor diese die Zeit hatten, ihre Potentiale auszubauen. Zu viele Talente bleiben dadurch unentwickelt. Die Unzufriedenheit vieler Eltern ist groß, weil sie feststellen – unabhängig davon, wie erfolgreich der Weg ihres Kinder durch das bayerische Bildungssystem ist: Die bayerische Schule wird ihren Kindern und deren individuellen Lernbedürfnissen nicht gerecht. Nach wie vor bestimmt in Bayern – so sehr wie in keinem anderen Bundesland – der soziale Hintergrund den Bildungserfolg. Was das derzeitige Bildungssystem nicht leisten kann, wird von Eltern für deren Kinder außerhalb der Schule eingekauft, was die Schieflage im Bildungserfolg und die soziale Benachteiligung noch deutlich verschärft. Aber auch in der Spitze ist Bayern nicht erfolgreich, das belegt etwa die niedrige Abiturientenquote, obwohl laut PISA-Test mehr SchülerInnen das „Zeug dazu hätten“, es zu schaffen. Die Zahl der Schüler ohne Abschluss ist viel zu hoch, und insbesondere die Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund werden nicht genutzt.

Bildungsaufbruch in Bayern für besseres Lernen Wir wollen die Bildungspolitik vom Kopf auf die Füße stellen. Nicht die Frage, welches Kind „passt am besten in welche Schulart“ ist für uns der Ausgangspunkt, sondern die Frage, wie kann Schule so gestaltet werden, dass sie auf die Lernbedürfnisse und Potentiale jedes Kindes eingehen kann, so dass „individuelle Förderung“ kein Schlagwort bleibt, sondern tatsächlich möglich ist. Lernen verstehen wir als einen aktiven, selbstgesteuerten und sozialen Prozess, der auch nach der Schule nicht endet. Was man sich selbst angeeignet hat, was man selbst – durchaus auch im wörtlichen Sinne – begriffen hat, weiß man auch nachhaltig. Und Neurobiologen und Lernforscher bekräftigen: Positive Motivation, Zutrauen in die eigenen Leistungen und Lernfreude sichern den Lernerfolg. Wer ein positives Selbstlernkonzept hat („ich weiß, wie ich etwas lerne“), kann sich anstrengen und etwas leisten – auch im Sinne lebenslangen Lernens. Dabei ist Lernen ein sozialer Prozess. Deshalb ist für uns Schule keine Anstalt, in der man Wissen „tankt“, sondern ein Lebensraum. Bildung entsteht in Beziehungen, sie beruht auf Vorbilder, auf Austausch, auf Kommunikation, auf Dialog, wie auch auf der Konfrontation mit

3 unterschiedlichen Lebensentwürfen. Ein positives und sicheres Sozialklima in der Lernumgebung ist eine wichtige Voraussetzung für einen nachhaltigen Lernerfolg. An schulischen wie außerschulischen Lernorte lernen junge Menschen die natürliche und die sozialen Umwelt kennen und lernen den achtsamen Umgang mit der natürlichen Umwelt und den achtsamen Umgang im Miteinander. Schule soll zu verantwortlichem Handeln befähigen. Bildung ist für uns immer Persönlichkeitsbildung.

Wir Grünen stehen für eine neue Bildungspolitik in Bayern - neu im Stil und in den Inhalten. Schlüsselbegriffe grüner Bildungspolitik sind Vertrauen, Verlässlichkeit und Ermöglichen. Gegen die in der Kultushierarchie vorherrschende Misstrauenskultur setzen wir eine Kultur des Vertrauens, die Leistungen der SchülerInnen und guter Schulen fördert. Gegen eine intransparente und nicht verlässliche Stellenpolitik setzen wir eine Politik der verlässlichen Rahmenbedingungen, die den Akteuren vor Ort die nötigen Handlungsspielräume gibt. Und gegen eine Politik des Durchregierens setzen wir eine Politik des Ermöglichens, die neue Wege und Innovationen, die von den Beteiligten vor Ort getragen werden, unterstützt und nicht mehr behindert.

Sechs Eckpunkte eines grünen Bildungsaufbruches für besseres Lernen in Bayern 1. Übertrittsdruck beenden Beim Übertritt nach der vierten Klasse werden die Probleme des bayerischen gegliederten Schulwesens offensichtlich. Der große Druck in den Klassen drei und vier ist belastend für die SchülerInnen, führt zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, fördert Schulangst, demotiviert SchülerInnen und beeinträchtigt ihre Leistungsfähigkeit. In den Grundschulen ist aufgrund des Sortierdrucks gute Grundschulpädagogik nicht mehr möglich. Wir wollen den Übertrittsdruck beenden, indem wir das derzeitige Übertrittsverfahren abschaffen und durch eine Freigabe des Elternwillens beenden. Unser Ziel bleibt dabei, die Sortiererei nach der vierten Klasse durch Modelle längeres gemeinsames Lernen überflüssig zu machen.

2. Längeres gemeinsames Lernen Wir wollen gemeinsames Lernen in der Sekundarstufe ermöglichen, weil so der Sortierdruck nach der Grundschule beendet wird und die SchülerInnen in ihrer Unterschiedlichkeit wahrgenommen und individuell gefördert werden. Diese Gemeinschaftsschule wird zu einer guten Schule, wenn sie von Lehrkräften, Eltern und Kommunen vor Ort getragen wird; deswegen setzen wir auf die Dynamik einer Veränderung „von unten“. Mit Gemeinschaftsschulen können zudem Schulstandorte im ländlichen Raum, die aufgrund der demographischen Entwicklung gefährdet sind, erhalten bleiben. Mit einer „Öffnungsklausel“ im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz wollen wir neue Modelle im Sinne unserer „Politik des Ermöglichens“ auf den Weg bringen.

4 3. Entwicklung einer neuen Lern- und Leistungskultur Der Schulalltag ist noch häufig von 45-Minuten-Takt und Frontalunterricht geprägt. Schulen brauchen aber Lernarrangements, mit deren Hilfe die Einzelnen individuell gefördert werden, selbstständig mit- und voneinander lernen können. Lehrkräfte müssen flexibler agieren können, einerseits als Unterrichtende, aber auch als Lerncoaches, die das aktive Lernen der SchülerInnen begleiten. Wir wollen eine Leistungskultur entwickeln, die hohe Leistungsanforderungen verbindet mit einer lernfreundlichen Praxis der Leistungsrückmeldung, die Zutrauen in die eigenen Leistungen fördert, realistische Selbstbewertung ermöglicht und die Potentiale der Einzelnen deutlich macht. Schulnoten können diese umfangreiche Analyse nicht leisten: Sie geben häufig lediglich an, ob Lerninhalte, die kurzfristig für eine Prüfung angeeignet wurden, zu einem bestimmten Zeitpunkt abrufbar sind.

4. Mehr Selbständigkeit für Schulen Wir wollen den Weg für besseres Lernen öffnen. Ob Grund-, Real-, und (Haupt-) Mittelschulen oder Gymnasien – alle Schulen sollen sich weiterentwickeln können. Wir wollen, dass die Lehrkräfte – sie sind die Profis für Lernen und Unterricht – über die Schulund Unterrichtsorganisation eigenverantwortlich entscheiden können.

Wir wollen den Schulleitungen mehr Zeit für ihre Leitungsaufgaben geben, damit sie – mit entsprechender demokratischer Beteiligung von Lehrkräften, Eltern und SchülerInnen – die Schulentwicklung voranbringen. Dazu brauchen sie auch besser ausgestattete Schulsekretariate an ihrer Seite. Damit neue Freiräume und Chancen für die Schulen genützt werden können, werden die Aufgaben innerhalb der Ebenen der staatlichen Schulverwaltung neu ausgerichtet. Das spart auch Ressourcen ein, die dann direkt zur Qualitätsverbesserung eingesetzt werden können.

5. Auf die Lehrkräfte kommt es an. Wir wollen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass es Lehrerinnen und Lehrer mehr als bisher möglich wird, Lernbedürfnisse zu erkennen, die Stärken der SchülerInnen intensiv zu fördern und mit den SchülerInnen an ihren Schwächen zu arbeiten. Statt den Lehrplan starr durchpeitschen zu müssen, bekommen die Lehrkräfte Freiraum für ihr pädagogisches Handeln, bessere Arbeitsbedingungen und eine verbesserte Schul- und Unterrichtsorganisation. Schulleitung wie Lehrkräfte brauchen regelmäßige und gute Fortbildungen, um fit zu werden für das neue Lernen, für pädagogische Innovation, Reflexion, Teamarbeit. Deshalb wollen wir auch mehr Geld für eine „Offensive Lehrerfortbildung“ in die Hand nehmen. Mit eigenen Budgets können Schulen dann, die jeweilige vor Ort notwendige Lehrerfortbildung finanzieren.

5 6. Verlässliche Lehrerversorgung statt Lotteriespiel vor Schuljahresbeginn Schulen brauchen Planungssicherheit. Deswegen stehen wir für eine solide Personalpolitik im Schulbereich. Wir werden an der Bildung nicht sparen, sondern in die Köpfe investieren: • für kleinere Klassen • für zweite Lehrkräfte in den Klassen (teamteaching) • für den Ausbau von Ganztagsschulen • gegen Unterrichtsausfall • für gemeinsamen Unterricht von SchülerInnen mit und ohne Behinderungen. Dazu gehören auch ausreichend Mittel für SchulsozialarbeiterInnen, SchulpsychologInnen, Sonderpädagoginnen und Fachkräfte von außerhalb, damit an Schulen multiprofessionelle Teams arbeiten können. Freie Schulen wollen wir entsprechend finanziell besser stellen.

Thomas Gehring, MdL

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