Leben und studieren in Israel

„Melting Pot“ von Ost und West, Moderne und Tradition Kathrin Nina Wiedl

Israel ist ein multikultureller Staat, in dem Ost und West, Tradition und Moderne nebeneinander, miteinander und manchmal auch gegeneinander leben. Mein Weg nach Israel begann mit einem Stipendium für ein Master of Arts-Programm in Middle East Studies, auf das ich mich nach meinem Studium der Sozialpädagogik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg im Fachbereich Sozialpädagogik und einigen Jahren Berufstätigkeit im Offenen Kanal beworben hatte. Dieses Stipendium ermöglicht mir, auf mein Hochschuldiplom

Flughafen dieses Landes, was mit nur sieben Millionen Einwohnern und einer Breite von oftmals nur 30-50 km irgendwie viel winziger erscheint als es die internationalen Medien erscheinen lassen. Die Fahrt vom quirligen, 24 Stunden geöffneten Tel Aviv mit seinen Wolkenkratzern, Trance Parties und Gay Clubs nach Jerusalem dauert nur 40 Minuten, und doch bewegt man sich, während das Taxi die Straße zur jahrtausendalten Hauptstadt Israels herauffährt, in eine andere Welt hinein.

Blick aus dem jüdischen Viertel auf die Klagemauer aufbauend, in einem einjährigen (mit Diplomarbeit zweijährigen) multidisziplinären Programm die spezielle Thematik und Methodik der Nahostwissenschaft sowie (unvermeidbar) ein akademisches Englisch zu erlernen, mich somit auf eine Berufstätigkeit in den Medien oder einer internationalen oder transnationalen Organisation mit Schwerpunkt Nahost vorzubereiten.

Von Tel Aviv nach Jerusalem oder: In 40 Minuten durch vier Welten Mein Weg nach Israel begann aber auch in Tel Aviv, genauer gesagt in Lod, dem einzigen internationalen

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Bei meiner ersten Fahrt nach Jerusalem beginnen die Mitfahrer im Taxi plötzlich den bekannten Song „Yerushalayim shel Zahav“ (hebräisch: Jerusalem wie Gold) zu singen und nachdem ich die Altstadt betreten hatte verstand ich, weshalb und was mit der „Jerusalem Krankheit“ gemeint war: Eine Stadt voller Kulturen und Gegensätze, beladen von Geschichte und Bedeutungen für alle Weltreligionen, in der es kein „normal“ gibt und Dinge, die in Tel Aviv verrückt wären, normal werden. Bei meiner Ankunft am Busbahnhof betrete ich die Fußgängerzone, es ist „Moze Schabbat – Samstagabend, der Ausgang des Ruhetages Schabbat“, und eine Gruppe von

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Chabad (1) (Gruppierung im Orthodoxen Judentum) feiert dieses mit einer gigantischen Musikanlage. Ein Mann in der traditionellen Kleidung mit schwarzem Anzug und Hut spielt E-Gitarre und singt dazu, während andere eine Fahne mit der Aufschrift „Messias“ schwingen und wild auf der Straße tanzen.

Austauschprogramme in englischer und hebräischer Sprache an (2), eines dieser Programme bietet deutschen Studierenden die Möglichkeit, ein Jahr lang Kurse in Judaistik, vergleichender Religionswissenschaft und Geschichte zu besuchen, Hebräisch zu lernen und an archäologischen Ausgrabungen teilzunehmen. Jens, ein 24-jähriger Lehramtsstudent aus Hamburg, ist einer

Jerusalem kann man wohl ohne Übertreibung als eine der schönsten Städte weltweit bezeichnen. Sicher ist zumindest, dass sie eine der ältesten Städte der Welt und seit etwa fünftausend Jahren durchgehend bewohnt ist. Gebaut aus weißen Steinen der Umgebung (auch heute besagt ein Gesetz, dass jedes Haus zumindest mit diesen Steinen verkleidet sein muss), ist sie der Mittelpunkt des Judentums und Christentums sowie die drittwichtigste Stätte im Islam. Viele Menschen beschreiben es als eine Mischung aus Ehrfurcht, das Gefühl in der Mitte der Welt zu sein und das vage Gefühl, dass hier nicht Äußerlichkeiten sondern innere Werte zählen. Aus genau diesem Grund leben auch die meisten Israelis lieber in Tel Aviv, Jerusalem scheint zu „schwer“, zu „beladen“ zu sein und wird doch geliebt wie ein Edelstein, der zu wertvoll ist um ihn jeden Tag zu tragen. In der Altstadt von Jerusalem kann man innerhalb von einer Stunde durch vier verschiedene Welten wandern, jede nur eine Straße von der anderen entfernt. Das arabische Viertel mit seinen engen Basaren erinnert an Kairo oder Marrakesch, und das Vorurteil, dass man dort als Frau nicht alleine gehen könnte, zerschlägt sich spätestens, wenn man auf arabische Frauen in Jeans und kurzärmligen T-Shirt trifft, die neben verschleierten Frauen ungestört ihren Einkäufen nachgehen. Eine Straße weiter im armenischen Viertel trifft man auf schwarz gekleidete Anhänger des armenisch-orthodoxen Patriarchats von Jerusalem und wieder einige Meter weiter, im Jüdischen Viertel, trifft man auf Yeshiva (Talmud Hochschule)Studenten, die meisten von ihnen etwa 20 Jahre alt und viele aus den USA, auf dem Weg zum Gebet an der Klagemauer. Damaskustor Während ich im armenischen Viertel bei einem frischgepressten Granatapfelsaft sitze und mit Verena, einer Politikstudentin aus Dortmund, über ihr Praktikum in der Heinrich Böll Stiftung in Tel Aviv und ihre Erfahrungen in der Arbeit mit Überlebenden des Holocaust rede, treffe ich auf eine andere Gruppe deutscher Austauschstudenten, die auf dem Weg zur evangelischen Gemeinde in der Altstadt sind.

Ein Jahr als Austauschstudierende in Jerusalem Die Hebrew-University of Jerusalem bietet zahlreiche

der Teilnehmer dieses Programms. Er berichtet fasziniert von seinem Austauschprogramm, der Möglichkeit, mit israelischen Studierenden gemeinsam zu wohnen und zu studieren und so einen Zugang zur Kultur und Geschichte Israels zu bekommen, die er in Deutschland nie hätte erreichen können. Die negativen Seiten eines Studiums in Israel, d.h. die teilweise chaotische Organisation, die beengten Wohnverhältnisse in winzigen Doppelzimmern im Studierendenwohnheim, die hohen Anforderungen des Studiums, die kaum Zeit für ein Leben nebenbei lassen, und auch die Tatsache, dass die

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Cafeteria der Universität im Juli 2002 Ziel eines Bombenattentats radikaler Islamisten war, erwähnt er nicht. Sie werden ausgeglichen durch die „einzigartige Stadt, das gute Niveau des Studiums und die Leute hier, vor allem meine Mitbewohner …“ (3) ) Wenn man die Altstadt durch das Damaskus Tor verlässt betritt man den östlichen Teil Jerusalems, geprägt von arabischer Kultur. Auf den ersten Blick erinnern die Restaurants an Ottensen oder Kreuzberg, nur die Falafel schmecken besser. Ich kann endlich mein mühsam erlerntes Arabisch ausprobieren, aber der Besitzer des Restaurants antwortet stolz mit seinem mühsam erlernten Englisch. Ein Besuch zum Mittagessen in der Familie eines Bekannten jedoch eröffnet uns einen Einblick in eine Seite der arabischen Kultur, die uns zunächst verschlossen blieb: die Unsichtbarkeit der Frauen. Vor unserer Ankunft wurden alle Frauen in einen Nebenraum geschickt, damit sie keinen fremden Mann sehen.

Frauen in der traditionellen arabischen Gesellschaft Die Frage nach den Frauenrechten der arabischen Israelis ist bis heute ein wenig beachtetes Thema. Und es gibt wie in jeder arabischen Gesellschaft verschiedene Schichten und verschieden strenge Auslegungen der traditionellen Rollen. Im Wohnheim der Ben-Gurion Universität in Beer Sheva leben arabisch-israelische Studentinnen zusammen mit jüdischen Israelis, unverheiratete Paare leben gemeinsam in einem Raum (inoffiziell natürlich), und es gibt arabische Frauen, die Universitätsabschlüsse haben, als Ärztin oder Lehrerin arbeiten oder mit Ehepartnern anderer Religionszugehörigkeit verheiratet sind. Aber es gibt eben auch die andere Seite von Zwangsheiraten, Beschneidungen und Ehrenmorden. Speziell für weibliche Beduinen werden Stipendien und Programme angeboten, um ihre Stellung in der Gesellschaft durch eine verbesserte Ausbildung zu erhöhen, doch viele arabische Frauenrechtlerinnen kritisieren die nach wie vor nachlässige Politik gegenüber männlicher Gewalt. Sogenannte „Ehrenmorde“ fordern durchschnittlich 20 bis 40 Opfer pro Jahr (Hassan 1991, 74), und die israelische Polizei bringt aus Rücksicht auf die Beziehungen zu den Dorfältesten, die die arabischen Siedlungen regieren, normalerweise Mädchen, die vor ihrer Familie geflüchtet sind, nach ihrem Auffinden in diese zurück, wohl wissend dass dieses ihr Leben gefährdet (ders., 72). Ein Vater ist nach traditioneller Auffassung verpflichtet, eine Tochter zu töten, wenn sie nach einer Vergewaltigung nicht mehr Jungfrau ist, es sei denn, sie heiratet ihren Vergewaltiger (4) oder ein anderer Mann heiratet sie unmittelbar. Frauenhäuser sind kaum verbreitet, und das Thema nimmt in der öffentlichen Diskussion wenig Platz ein.

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Die palästinensische Frauenrechtlerin Manar Hassan bezeichnet dies als ein Resultat aus der Angst israelischer Linker, als Rassist zu gelten, wenn die traditionelle Lebensweise der israelischen Araber kritisiert würde (a.a.O.). Auch in der palästinensischen Linken werden Frauenrechte nicht diskutiert. Der selbsternannte „Revolutionär“ Gazi al-Khalili (Al-Khalili 1981, 140) beschreibt in seinem Buch „The Palestinian Woman and the Revolution“ die Notwendigkeit, dass palästinensischer Frauen ihre eigene Befreiung dem nationalen Kampf unterordnen. Hassan kritisiert, dass sich viele männliche Palästinenser als „radikal“ oder „links“ bezeichnen, jedoch an der traditionellen Unterdrückung der Frauen und Rollenverteilung festhalten wollen. Israelische und europäische Linke befürchten, als rassistisch bezeichnet zu werden, und befassen sich nur zögerlich mit der Verletzung der grundlegenden Menschenrechte arabischer Israelis. Die offizielle Politik Israels befürchtet, die arabische Minderheit gegen sich aufzubringen, und selbst linke Palästinenser sehen keinen Widerspruch zwischen ihren revolutionären Befreiungskampf und einem Festhalten

Chabad in Jerusalem

an der Unterdrückung der Frauen. Zudem vermuten viele arabische Frauenrechtlerinnen einen Zusammenhang zwischen der empfundenen Diskriminierung der arabischen Israelis und der Unterdrückung der Frauen, da die Frau zum heutigen Zeitpunkt das Einzige sei, was dem Mann noch bleibe (Hassan 1991, 66). Hassan beschreibt das Leben als Palästinenserin in Israel

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als ein Leben, das von Beginn an ihre Minderwertigkeit gegenüber den männlichen Familienmitgliedern hervorhebt, und nur darauf zielt, die Werte der Gesellschaft, dem Manne zu dienen und unterwürfig zu sein, zu verinnerlichen und an die eigenen Töchter weiterzugeben (a.a.O.).

zuleben … und er (der Mann, der durch diese Schande beschämt wurde) kann sie nicht reinigen auf einem anderen Wege als durch Blutvergießen.“ (Stendel 1996, 64) Wenn man den östlichen Teil Jerusalems verlässt, ist man nach wenigen Minuten in einem Viertel, das auf seine eigene Art die Tradition der Vergangenheit aufrechterhält: Mea Schearim – hebr.: Einhundert Tore – heißt ein Viertel, in dem der Verkäufer im Laden nicht Hebräisch, sondern Jiddisch spricht, in dem ein Schild an der Wand darauf aufmerksam macht, dass „Juden keine Zionisten sind“ (ein Hinweis darauf, dass nach Auffassung einiger ultraorthodoxer Juden die Gründung des Staates Israel eine Sünde war, da dieses nicht von Menschenhand, sondern erst nach der Ankunft des Messias erfolgen darf), und in dem die Menschen im Jahre 2006 nach den Regeln des Schulchan Aruch (hebr.: gedeckter Tisch, Bezeichnung für die Regeln des orthodoxen Judentums) leben.

Jüdisches Leben: Ultraorthodoxe Isolation im Städtl und Integration der Religiösen in der normalen Gesellschaft

Ostjerusalem

Die Erziehung der arabischen Mädchen zielt von Beginn an auf eine Verinnerlichung der beiden Arten von „Schande“, die eine Frau begehen kann: Die harmlose Variante, „Aiw“, macht nur die Frau selbst zum Gespött, ist aber nicht verbunden mit der Familienehre und wird daher nicht mit Ehrenmord bestraft; diese Variante ist beispielsweise eine Bekleidung, die nicht der Tradition entspricht, lautes Lachen, die eigenständige Wahl eines Partners oder vorlautes Verhalten. Die zweite Variante, „Ahrd“, jedoch verletzt nicht nur die Frau, sondern die Ehre des Mannes, welche durch die Frau repräsentiert wird (Stendel 1996, 64) .Sexualität einer Frau gilt als gefährlich. Verletzt eine Frau „Ahrd“, beispielsweise dadurch, dass sie vergewaltigt wurde, keine Jungfrau mehr ist oder auch nur verhaftet und daher möglicherweise sexuell belästigt wurde, hat die Familie die Pflicht, sie zu töten. (5) Diese Schande kann durch nichts anderes als Blutvergießen wieder gutmachen, wie Ibrahim Nimr Hussein, Vorsitzender der höchsten Agentur von Führern der arabischen Israelis bestätigte:“ Diese Tradition ist bindend für die gesamte muslimische arabische Bevölkerung, ländliche wie auch städtische, obgleich sie in der ländlichen Bevölkerung stärker betont wird. Es ist schwierig für so eine Person (die Frau, die sich mit der Schande beladen hat) weiter-

In Israel leben einige Gruppen von ultraorthodoxen Juden in Stadtvierteln wie Mea Shearim oder Bnei Brak in einer eigenen Welt, die von religiösen Geboten und einem Leben nach der Halacha (hebr.: „Gehen“, „Wandeln“; Bezeichnung für die jüdischen Gebote und Verbote der mündlichen und schriftlichen Überlieferung) bestimmt ist. Diese Gemeinschaften unterhalten ein eigenes Schulsystem, ultraorthodoxe Frauen sind generell vom Wehrdienst befreit und Männer ebenfalls, sofern sie nachweisen, dass sie in einer Yeshiva lernen. Frauen heiraten oft sehr früh, und viele Familien haben sieben oder mehr Kinder. Obwohl Israel Kindergeld zahlt, ist dieses geringer als in Deutschland, und so sind diese Gemeinden oft sehr arm. Frauen sind, sofern verheiratet, mit Kopftuch und langen Röcken und schwarzen Strumpfhosen bekleidet, Männer in der Kleidung des polnischen „Städtls“ aus dem 18. Jahrhundert: schwarze Anzüge und Hüte sowie Tallit – ein Gebetsschal, der unter der Kleidung getragen wird. Doch auch diese Gemeinschaft lebt inmitten Israels, nicht abgeschnitten von der säkularen Welt, und es gibt zahlreiche Menschen, die vom ultraorthodoxen ins säkulare Leben wechseln oder umgekehrt. Diese „crossovers“ sind oft problematisch. Viele Menschen, die in der ultraorthodoxen Umgebung aufgewachsen sind, wissen nicht, wie das Leben in einer modernen Gesellschaft funktioniert, manche wissen nicht einmal, wie man ein Bankkonto eröffnet. Die Hillel-Foundation, eine jüdische Studentenorgani-

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sation, bietet dreimonatige Kurse an, in welchen sie den Menschen beibringt, wie man ein Appartement, Arbeit oder säkulare Schulen findet. Sie unterrichtet in Geographie und Geschichte, Fächer, die an ultraorthodoxen Schulen kaum gelehrt werden. Die Direktorin der Hillel Foundation schätzt, dass jährlich etwa eintausend ultraorthodoxe Menschen versuchen, aus ihrem bisherigen Leben auszubrechen: „Sich selbst von der Vergangenheit abzuschneiden und eine neue Identität zu formen, ist das Schwerste, was man sich vorstellen kann.“ (Deitch u.a. 2003) Doch auch die sogenannte „Tschuwa“ (hebr.: Antwort), eine Rückkehr zum religiösen Leben, ist verbreitet. Shmuel Stein, 34 Jahre alt, ist nur ein Beispiel für diesen Lebensweg. Er verlor seinen Glauben an die Religion während seines Armeedienstes im Südlibanon. Als er seine Freunde sterben sah, reiste nach seiner Armeezeit wie viele Israelis durch Südostasien und suchte Spiritualität in Drogen und bei Gurus. Während seiner Zeit in Asien realisierte er die „unglaubliche Schönheit, die Gott geschaffen hatte und verstand, dass es ein ‚größeres Bild’ gibt.“ (Deitch u.a. 2003)

spielsweise den Besuch des Dalai Lamas aus Tibet.

Das M.A. Programm für Middle East Studies der Ben-Gurion Universität, Beer Sheva Eine der drei wichtigsten Universitäten Israels befindet sich in Beer Sheva, die Ben-Gurion Universität des Negev, benannt nach dem ersten Ministerpräsidenten Israels. Die Ben-Gurion Universität bietet zwei verschiedene englischsprachige Programme für ausländische Studenten an (6), zum einen ein- oder zweisemestrige Austauschstudien mit Kursen in Hebräisch, Nahostpolitik, Islamwissenschaft, internationaler Politik, Soziologie, Geschichte des Nahen Ostens, Judaistik und Terrorismusforschung. In diesen Kursen erwerben die Studenten Credits, Punkte, die an ihren Heimatuniversitäten angerechnet werden. Während die meisten Universitäten weltweit ein Credit-System eingeführt haben, ist die

Religion durchzieht aber nicht nur in Mea Shearim, sondern landesweit alle Bereiche des orthodoxen Lebens. Die Familie ist der Kernpunkt des Lebens, und der Tagesablauf ist bestimmt von der Religion. Erstaunlicherweise für manche Europäer, die Religion als etwas Unmodernes, Unwissenschaftliches sehen, widerspricht dieses Leben aber in den meisten Fällen keineswegs der Moderne: der Nobelpreisträger in Wirtschaftswissenschaften 2005, Robert Aumann von der Hebrew University, ist nur ein Beispiel hierfür. In Israel ist Religion ein normaler Teil des Lebens, die Trennung von Fleisch und Milch ist so normal wie in Deutschland vegan oder vegetarisch gegessen wird; viele Studenten tanzen nachts auf Parties, beten morgens traditionell mit Tefilin (Gebetsriemen an Hand und Stirn) und studieren mittags die Evolutionstheorie in der Uni. Von Jerusalem aus erreicht man in etwa zwei Stunden mit dem Bus Beer-Sheva, die Stadt, in der ich die nächsten zwei Jahre leben und studieren werde. Beer Sheva ist eine der typischen Entwicklungsstädte, die in den 50er Jahren errichtet wurde, um eine Million Flüchtlinge aus arabischen Ländern aufzunehmen, und hat sich seither wenig verändert. Sie besteht vor allem aus einfachen Wohnkomplexen und einigen gigantischen Einkaufskomplexen und bietet im Vergleich zu Tel Aviv oder europäischen Großstädten wenig offizielle Kultur. Die Universität von Beer Sheva ist aber vielleicht gerade deshalb bekannt dafür, das beste Studentenleben Israels zu haben. Fast jeden Tag gibt irgendjemand eine Party oder die Uni organisiert einen Event, in der letzten Woche bei-

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Mea Shearim

Umstellung auf dieses System in Deutschland noch nicht allgemein verbreitet, daher müssen deutsche Studenten mit ihren Universitäten individuell eine Anerkennung des Auslandsaufenthaltes abstimmen. Des Weiteren bietet die Ben-Gurion Universität die Möglichkeit, einen M.A.-Abschluss (Masters of Art) in Middle East Sciences zu erwerben. Dieses ist insbesondere interessant für deutsche Fachhochschulabsolventen, denn das Fachhochschuldiplom wird als B.A. anerkannt und eröffnet somit Sozialpädagogen die Möglichkeit eines weiterführenden Universitätsstudiums (M.A.) auch außerhalb des Bereiches der Pädagogik. Sehr gute Englisch-

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kenntnisse sind jedoch empfehlenswert, über 90 Prozent der Studenten kommen aus den USA und das Programm ist auf entsprechendem Niveau gehalten. Diskussionen in der Klasse erfordern nicht nur sehr gute Sprachkenntnisse, sondern auch ein Verständnis des US-amerikanischen Akzentes und die Bereitschaft neben 20 Stunden Universität mindestens die gleiche Zeit mit der Vorbereitung des Unterrichts, dem Anfertigen von Präsentationen und Hausarbeiten sowie dem Lesen von englischsprachigen Artikeln zu verbringen. Das amerikanische System, an dem israelische Universitäten orientiert sind, unterscheidet sich von dem deutschen System dadurch, dass meistens statt Examen Hausarbeiten angefertigt werden, die im Stil eines Essays geschrieben werden. Wenn man aber bereit ist, sich auf das Studium einzulassen, bietet es einzigartige Möglichkeiten, motivierte und qualifizierte Professoren und Mitstudenten sowie die Erfahrung, mit Studenten aus acht Ländern (in diesem Jahr aus den USA, Israel, Marokko, Deutschland, Slowakei, Österreich, Indien, Kanada) zu studieren und zu diskutieren. Die persönliche Atmosphäre der kleinen Klassen und die gute Betreuung durch die Professoren ermöglicht es, jeden Studenten individuell zu betreuen. Zudem ermöglicht ein Leben in Israel, inmitten der Veränderungen im Nahen Osten einen einzigartigen ganzheitlichen Zugang zu dem Studienfach. Es ist Teil des sozialen Lebens in Beer Sheva, sich am Schabbat-Abend zu „Topfparties“ zu treffen, jeder kocht etwas, und es wird gemeinsam gegessen und gefeiert. Da am Schabbat keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren, ist es nicht schwer, sich dieser Kultur anzupassen: Wenn man bis Punkt 16 Uhr nicht den letzten Zug nach Tel Aviv genommen hat, hat man die Clubszene am Wochenende verpasst. Wenn man jedoch den Zug erwischt hat, sieht die Sache schon anders aus: Tel Aviv ist eine brodelnde, moderne Großstadt, die dennoch den orientalischen Charakter nicht verloren hat. In den Gassen von Florentin, einem heruntergekommenen, aber wunderschönen alten Viertel im Norden der Stadt mit Häusern aus der britischen Mandatszeit, kennt jeder jeden. Man spricht auf der Straße mit den Nachbarn, schaut auf einer Party vorbei, die nachmittags bei lauter Techno-Musik im zweiten Stock eines Wohnhauses startet, und hört dem Hupen der Autos zu. Hupen ist nämlich auch ein Teil der Israelischen Kultur. Hupen: gerne, laut und vor allem dann, wenn es keinen Sinn macht. Wenn es Abend wird, geht man in eins der vielen Cafés im Nachalat Binjamin, der Fußgängerzone Tel Avivs, hört einer Jazz Band zu, schlendert über den Markt oder beobachtet die Straßenkünstler und Akrobaten. Nachts

beginnt dann das Problem: Trance Party in Jaffa, wo der Freund eines Freundes einen Freund hat, der jemanden kennt, der auflegt, und man deshalb unbedingt dort hin muss, Trance Clubs im Zentrum, die berühmt für ihre gute Stimmung sind, oder eine Privatparty mit Barbecue in Herzliah. Am besten alles, was bedeutet, dass man auf der ersten Party bleibt, aber allen zusagt hat, dass man später vorbeikommt. Um diese Aktivitäten zu koordinieren, benötigt man das wichtigste Utensil israelischer Kultur: ein Handy. Im Jahre 2006 wird das aber nicht mehr am Ohr getragen, weil das Gesundheitsministerium eine Warnung herausgegeben hat, dass bei der durchschnittlichen Telefonatsdauer von 12 Stunden täglich bald alle Einwohner ihre Hirnzellen verlieren würden, Stattdessen trägt man es jetzt in der Tasche und führt imaginäre Selbstgespräche mit einem Headphone. Wichtiger ist aber, dass das Handy (hebr.: „Pelefon“ von Päh = Mund und Phone) mindestens alle fünf Minuten mit der neuesten Melodie klingelt, am besten während einer Vorlesung, was selbst den Professoren häufig passiert. Doch an einem Tag des Jahres steht selbst Tel Aviv still: an Yom Kippur, dem wichtigsten Feiertag im Jüdischen Kalender. Dieser Tag beginnt für mich im Haus eines Freundes mit einem Abendessen vor Sonnenuntergang, denn der jüdische Tag beginnt am Abend („Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“ [Genesis 1, 5]). Zusammen mit allen Freunden essen wir, soviel wir können, wissend, dass ab jetzt 24 Stunden Fasten folgen, ohne Trinken, ohne Essen und bei 30 Grad Außentemperatur. Nach dem Essen beginnt die Synagoge und nachts beginnt ein einzigartiges Schauspiel: sämtlicher Verkehr auf den Straßen steht still, alle Menschen sind auf der Straße, Kinder fahren mit Skateboard und Fahrrad über mehrspurige Straßen, Menschen gehen spazieren, reden, treffen alte Freunde und sind bis zum Morgengrauen unterwegs. Kein Auto fährt, kein Restaurant hat geöffnet und Elektrizität, auch Fernsehen ist nicht erlaubt (was nicht bedeutet, dass es nicht getan wird). Zuhause angekommen, versucht man möglichst lange zu schlafen, wissend, dass der nächste Tag am schwersten ist. Auch wenn die eigentliche Bedeutung des Tages wohl nicht darin gelegen hat, ihn möglichst schlafend zu verbringen, ist das doch im Jahre 2005 die Art, wie israelische Studenten die Einhaltung der Gebote und den Wunsch, das Fasten leichter zu machen, in Einklang bringen. Auf dem Rückweg nach Beer Sheva mache ich einen kleinen Abstecher in die Altstadt mit einem Freund, der vor fünfzehn Jahren aus Russland eingewandert ist, und dennoch immer noch als russisch bezeichnet wird. Er zeigt mir die russische Subkultur in Israel. Es gibt eige-

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ne russische Läden, in denen nicht-koscheres Fleisch, Adventskalender und tanzende Plastikweihnachtsmänner im Angebot sind. Auch sogenanntes „White Meat“ – der israelische Ausdruck für das Tabu-Wort „Schweinefleisch“– kann man hier kaufen. Für mich ist es ein Ausflug zurück nach Europa. Ich finde dort deutsche RamaMargarine und Sauerkrautkonserven. Später gehen wir in eine Kneipe, die gestaltet ist wie ein osteuropäisches Schloss, eine Speisekarte auf Russisch anbietet und aus einem Fernseher der Ecke russisches MTV abspielt. Die abgeschottete Kultur der Russen in Israel ist allerdings nicht ganz freiwillig geschehen. Nach der Ankunft in Israel fanden sich viele Russen zwar der wirtschaftlichen Misere der UdSSR entkommen, als Neueinwanderer jedoch diskriminiert in einer Gesellschaft, die sie selbst als weniger entwickelt ansahen. Viele der Einwanderer kamen aus angesehenen Berufen, waren hoch gebildet und mussten in einer Kultur des Nahen Osten in einfachen Berufen arbeiten. Zudem empfanden sie Israel als laut, primitiv und zurückgeblieben. Israelis wiederum haben bis heute Vorurteile gegenüber Russen. Die traditionelle Rollenverteilung in der israelischen Gesellschaft empfand Russinnen, die in der Sowjetunion oftmals gleichberechtigt gearbeitet und gelebt hatten, als zu freizügig, und Russen gelten bis heute als Wodka trinkende, unreligiöse „Andere“.

Fakultät für Sozialwissenschaften, ist die erste Frau ihres Stammes, die an einer Universität studiert. Dies verdankt sie einer Kombination von Intelligenz, Willen und einer Familie, die sie unterstützt: „Ich wusste immer, dass ich studieren würde. Die Tatsache, dass bisher keine Frau meines Stammes zur Universität ging, machte dieses Ziel umso wichtiger für mich. Meine Familie, speziell mein Vater, unterstützt mich dabei, und ich hoffe, dieser kleine Schritt wird ein Beispiel für andere junge Mädchen sein … Viele der älteren Menschen in meiner Gemeinschaft sind immer noch skeptisch gegenüber universitärer Erziehung, speziell für Mädchen; sie befürchten, dass sie fremder Kultur ausgesetzt werden und sich von ihren Familien und ihrer Kultur entfernen“ (Abu-Mdiam 2005, 11). Iman betont jedoch, dass dieses in ihrem Fall nicht geschehen sei und sie im Gegenteil ihre Kultur und Familie während

Die Förderung der Integration von Beduinen an der Ben-Gurion Universität, Beer Sheva Im Süden Israels, in der Wüste Negev, leben etwa 150.000 Beduinen (7), meist in traditionellen Stämmen und zur Hälfte in nicht anerkannten, inoffiziellen Siedlungen lebend. Höhere Erziehung ist heute ein wertvolles soziales Symbol in der arabischen Gesellschaft, auch für Frauen, obgleich ein Abitur für Männer immer noch als wichtiger angesehen wird (Stendel 1996, 64). Zur Förderung der Integration der Beduinen errichtete die Universität im Jahre 1998 das Zentrum für Beduinen Studien und Entwicklung (8) (Center for Bedouin Studies and Development). In diesem Jahr hatten nur 21 Beduinen ein Studium angeschlossen. Sechs Jahre später, unter dem Einfluss zahlreicher Förderprogramme hatte sich diese Zahl verdreifacht, die Zahl weiblicher beduinischer Graduierter hatte sich gar vervierfacht. Das Zentrum entwickelte speziell auf die Bedürfnisse der Beduinen zugeschnittene Vorbereitungsprogramme, Seminare und Workshops, zudem wurden Stipendien speziell für weibliche Beduinen eingeführt. Im Jahre 2004 war schon die Hälfte der 424 beduinischen Studenten weiblich. Iman Abu-Mdiam, eine Studentin im dritten Jahr an der

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Die Ben-Gurion Universität

des Studiums mehr zu achten gelernt habe. Iman ist frisch verheiratet und betont: “Mein Ehemann unterstützt mich sehr in dem von mir gewählten Lebensweg und ich hoffe, unsere Kinder werden die neuen Möglichkeiten, die uns geboten werden (indem Beduinen am modernen Leben in Israel teilhaben können und es zum Nutzen ihrer eigenen Kultur einsetzen), zu ihrem Vorteil nutzen.“ (AbuMdiam 2005, 11) Die Beduinen haben zahlreiche Hürden zu bewältigen, wenn sie studieren wollen: Innerhalb ihrer Dörfer wird in arabischer Sprache unterrichtet, der Englischunterricht ist meist auf einem schlechteren Niveau als in den Städten,

und einige Kurse, wie z.B. fortgeschrittener Chemieunterricht wird nicht angeboten, da die notwendigen Labore fehlen. Zudem haben sie oft keine Computer zu Hause oder die Siedlungen haben Stromausfälle. Viele der Siedlungen sind weitab gelegen und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Die Universität begegnet diesen Schwierigkeiten mit speziell auf die Bedürfnisse der Beduinen zugeschnittenen Programmen: Studenten der Ben-Gurion Universität unterrichten Englisch an den Dorfschulen, eigene Busse holen die Studenten aus den Dörfern ab und bringen sie zurück, und die Universität richtete Computerräume ein, die Tag und Nacht geöffnet sind. Eine weitere Hürde sind die in Israel obligatorischen Aufnahmetests für angehende Studenten, die Allgemeinwissen in hebräischer Sprache abfragen, das an den Schulen in den Siedlungen zum Teil nicht gelehrt wird und arabische Mutersprachler zusätzlich benachteiligt. Um diesem Problem zu begegnen, richtete die Universität spezielle Aufnahmetests und Vorbereitungsprogramme für Beduinen ein, so z.B. die Möglichkeit, ohne einen Aufnahmetest das erste Jahr an der Universität nur die Hälfte der regulären Kurse zu belegen und die restliche Zeit von speziellen Tutoren unterstützt zu werden. Des Weiteren bietet die Universität einjährige Vorbereitungsprogramme an, in denen die Beduinen, teilweise gemeinsam mit israelischen Studenten, auf das Studium vorbereitet werden und fehlende Kenntnisse erwerben können. Im Gegensatz zu arabischen Israelis wohnen beduinische Studenten jedoch nicht im Wohnheim, da dies ein zu starker Bruch mit ihrer traditionellen Kultur wäre. Die Kontakte zu anderen Studenten sind auch begrenzt. Ein israelischer Student beschreibt es folgendermaßen: „Es gibt wenig Beziehung zwischen Israelischen Studenten und Beduinen. Innerhalb der Universität haben wir ein gutes Verhältnis, verbringen die Pausen zusammen, aber außerhalb der Uni treffen wir uns kaum. Ich habe einige Beduinen als Freunde, die mich auch immer wieder einladen, sie zuhause zu besuchen und ihre Gastfreundschaft kennen zu lernen, war aber noch nie dort, weil ich nicht weiß, wie ich nachts aus der Siedlung wieder zurückkommen soll.“ (9) Das Verhältnis zwischen arabischen Israelis und Beduinen beschreibt er als distanziert, da die moderneren arabischen Studenten sich für etwas Besseres halten als die Beduinen, die immer noch in erster Linie der „muruah“ – den Werten des eigenen Stammes – und der „asabiya“ – der Loyalität zum Stamm – verbunden seien. Zudem beschreibt er das Problem, dass die Beduinen sich bereits

im 1948er-Krieg loyal gegenüber Israel verhalten und gegen arabische Palästinenser gekämpft haben. 1948 trat ein Beduinenstamm der „Pal Heib“ (Pal = Einheit, Heib = vom Stamme ) Einheit bei, einer beduinischen Kampfeinheit die den israelischen Palmach ( Einsatztruppe) unterstützte. Auch heute kämpfen Beduinen im Negev in der Israelischen Armee, insbesondere als Spurensucher und Grenzposten zu Gaza. Beduinen, die sich selbst als Araber und Palästinenser bezeichnen, fühlen sich dennoch in erster Linie ihrem Stamm gegenüber verpflichtet, und wenn das Stammesoberhaupt entscheidet, dass es dem Stamm unter israelischer Herrschaft besser ergehen würde als unter Palästinensischer verhält sich der Stamm loyal gegenüber Israel. Ein Problem für weibliche Beduinen stellt nach Aussage des Studenten, der zusammen mit Beduinen studiert, die traditionelle Rolle der Frau in der arabischen Gesellschaft dar. Die Frau hat passiv zu sein, jegliche Aktivität, wie lautes Lachen oder ein Unterbrechen eines Mannes in der Diskussion in der Klasse, kann nur ihre Ehre verletzten, sie aber nicht aufwerten (siehe oben). Daher schwiegen beduinische Studentinnen meist im Unterricht. Ein Verhalten, das zwar ihren traditionellen Rollen entspreche, aber von Professoren als mangelnde Beteiligung gedeutet werde. Ein seltsames Phänomen hat sich an der Ben-Gurion Universität an Freitagen entwickelt. An diesem meist unterrichtsfreien Tag treffen sich beduinische Studentinnen und Studenten in den Fluren eines Gebäudes der Universität, um ungestört miteinander zu reden. Da Beduinen immer noch innerhalb der eigenen Chamulla (Großfamilie) heiraten und diese Heiraten meist arrangiert sind, können sich hier Beduinen aus verschiedenen Stämmen ungestört treffen und erste Kontakte knüpfen. Das Programm zur Förderung weiblicher Beduinen ist noch zu neu, um den Einfluss auf das Leben und die Traditionen der Beduinen zu studieren, dieses Jahr schloss die erste Beduinen mit einem Diplom in Medizin ab. Es bleibt abzuwarten, wie diese veränderte Ausbildung und die Kontakte zur israelischen Kultur sich auf die sozialen Strukturen innerhalb der Familien auswirken. Die Ben-Gurion Universität hofft, dass die Studentinnen, die immer noch sehr eng mit ihren Familien verbunden sind, in diese zurückkehren und dort als Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen und Lehrerinnen für eine Verbesserung der Situation ihrer Familien sorgen. Es ist jedoch zu erwarten, dass das Studium und die verbesserte Ausbildung auch die Stellung der Frau in dieser Gesellschaft verbessert.

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Anmerkungen (1) Die Bezeichnung Chabad geht zurück auf die Buchstaben Chocma, Binah und Daát, hebräische Begriffe die wörtlich übersetzt Weisheit, Verständnis und Wissen bedeuten. Diese Begriffe bezeichnen in der Kabbalah die zweite und dritte Sfirot sowie die Beziehung zwischen beiden und weisen auf eine stark kabbalistisch orientierte Ausrichtung dieser Gruppe hin. Die Chabad Bewegung, auch Lubawitsch genannt, ist eine der chassidischen Gruppierungen des orthodoxen Judentums. (2) Info: http://overseas.huji.ac.il/ (3) Wening im Interview mit der Autorin, 2005 (4) In einem Symposium zum Thema „Ehrenmorde”, abgehalten in Beer Sheva im Jahre 1983, schlug der israelische Regierungsberater für arabische Angelegenheiten, Nissim Kazaz, vor, ein Vergewaltigungsopfer solle ihren Vergewaltiger heiraten, keiner der Anwesenden schien geschockt (vgl. Hassan 1991, 71). (5) Stendel berichtet von einem Vorfall in Gaza, in welchem ein Mädchen nach ihrer Entlassung getötet wurde, weil sich das Gerücht verbreitet hatte, sie sei während der Verhaftung vergewaltigt worden (Stendel 1996, 73). (6) Info: http://www.bgu.ac.il (7) Die genaue Anzahl der Beduinen ist nicht bekannt, da viele in nicht anerkannten Siedlungen leben und vom israelischen Central Bureau of Statistics (CBS) nicht erfasst werden. Nach einer Statistik aus dem Jahre 2002 des Centers for Bedouin Studies and Development in Zusammenarbeit mit dem Negev Center for Regional Development leben etwa 150.000 Beduinen im Negev. (Quelle: The Center for Bedouin Studies and Development in Cooperation with the Negev Center for Regional Development 2004, Statistical Yearbook of the Negev Bedouin 2004, 170) (8) Info: http://www.bgu.ac.il/Bedouin (9) Menashe, G., Student der Nahostwissenschaften und Politik an der Ben-Gurion Universität im Interview mit der Verfasserin, 22.2.2006 Literatur Abu-Mdiam, I. (2005): Taking a Giant Step. In: Newsletter of the Center for Bedouin Studies and Development, vol. 5, Spring 2005 Al-Khalili, G. (1981): The Palestinian Woman and the Revolution. Acre, Al-Aswar Press The Center for Bedouin Studies and Development in Cooperation with the Negev Center for Regional Development (Hg.) (2004): Statistical Yearbook of the Negev Bedouin 2004. Jerusalem Deitch,I. und Keyser, J. (2003): Navigating between Israel’s religious and secular worlds means broken family ties and tough choices. In: Skagit Valley Herald, 17.5.2003 Hassan, M. (1991): Growing Up Female and Palestinian

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in Israel. In: Swirski, B. / Safir, M.: Calling the Equality Bluff: Women in Israel. New York, Pergamon Press Stendel, O. (1996): The Arabs in Israel. Brighton, Sussex Academic Press

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