Geisteswissenschaft

Peter Johr

Krieg - Ernstfall im Kopf !? Gedanken zur psychologischen Kriegsvorbereitung

Wissenschaftlicher Aufsatz

Dipl.-paed. Peter Johr

Krieg - den Ernstfall im Kopf !? Gedanken zur psychologischen Kriegsvorbereitung Vorbemerkung 1. Das Post-Traumatische-Belastungs-Syndrom - PTBS 2. Belastungsereignisse im Krieg - Schlussfolgerungen 3. Bundeswehr und psychologische Kriegsvorbereitung 4. Psychologische Kriegsvorbereitung - Resilienz und Vulnerabilität 5. Systematische Vorbereitung - Sich vorbereitet fühlen 6. Methodische Aspekte - Adaptation der Psyche - Desensibilisieruung 7. Modifizierung der Verhaltenstherapie / Desensibilisierung - Skizzierung Nachbemerkung Weiterführende Literatur Zum Autor

Backnang, 07/2012

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Vorbemerkung Als ich mich vor geraumer Zeit mit der „Entstehung von Schizophrenien“ beschäftigte, stieß ich auch auf das Thema „Posttraumatisches Belastungssyndrom“ - kurz PTBS. Bei Internetrecherchen eröffneten sich für mich zunächst merkwürdige Artikel wie: „Ein Psychiater für 4500 Soldaten“ (Süddeutsche.de, 24.09.2009) „Mangel an ATN: Truppenpsychologen und Fachärzte für Psychiatrie fehlender Bundeswehr - im Einsatz und daheim“ (Soldatenglück.de, 24. September 2009), „Soldaten im Ausland - Stress-Syndrom bei Bundeswehr nimmt zu“ (RP online, 24.09.2009), „Seit Jahren kritisiert der Wehrbeauftragte des Bundestages die Situation der Sanitätsoffiziere in der Bundeswehr. Der Truppe fehlen 600 Ärzte. In der Führung des Sanitätsdienstes tat sich bisher: fast nichts“ (Ärzte Zeitung, 6.4.2010 - zitiert von www.springermedizin.de), „PTBS-Risiko in Afghanistan sechs bis zehnfach erhöht - Rund 300 Bundeswehrsoldaten erkranken jährlich“ (Bundestherapeutenkammer - www.bptk.de, 08. April 2011), „Traumatisierte Soldaten - Bundeswehr fehlen Psychiater“ (Ärzte Zeitung, 28.05.2010; aerzteblatt, 20.05.2010), „MitteldeutscheZeitung: Streitkräfte - Bundeswehr erkennt Fälle der Posttraumatischen Belastung nur schleppend an“ (fair-NEWS.de, 11.01.2011), „Operation Seelenfrieden“ (Zeit online, 16.11.2011), „Bundeswehr fehlen Psychiater“ (Spiegelonline, 22. November 2010; Zeit online, 22.11.2010), „Traumatisierte Soldaten - Alleingelassen mit dem Krieg“ (Zeit online, 07.03.2011), So viele traumatisierte Soldaten wie nie“ (Zeit online, 19.01.2012).

Merkwürdig für mich deshalb, weil mir dafür einfach die Vorstellung fehlte. Nämlich, dass in einem so bedeutendem Bereich wie die Landesverteidigung, es möglich geworden ist, dass PsychiatrieFachärzte und Psychologen für die Truppenbetreuung fehlen sollen. Aber das nur am Rande. Was mich andererseits viel mehr bewegt, ist der Umstand, dass das PTBS in der Bundeswehr erst sehr spät ernsthaft thematisiert wurde - obwohl seit 1996 Angaben über PTBS-Erkrankte in der Bundeswehr existieren. (vgl.: Deutsche Kriegsopferfürsorge - DKOF, 20.01.2012; fair-NEWS.de. 11.01.2011) Die Bemühungen um die Hilfe für die PTBS-erkrankten Bundeswehrangehörige sind in Gang gekommen. Beispiel dafür ist die öffentliche Thematisierung, die der seinerzeitige Verteidigungsminister zu Guttenberg angeschoben hat. Ebenso die Einrichtung des Psychosozialen Netzwerkes (PNS), der begonnene Ausbau des Berliner Traumazentrums, die Internet-Hilfsangebote (z.B. PTBS-Hilfe - www.ptbs-hilfe.de) aber auch die Aufstellung des PTBS-Beauftragten des Verteidigungsministeriums. Erwartungen an zügige Fortschritte dürften angesichts der o.g. Nachrichten allerdings gedämpft bleiben. Bei den derart gestiegenen Zahlen von PTBS-erkrankten Bundeswehrangehörigen gewinnen zwar effiziente Behandlungen und Hilfestellung stärkere Aufmerksamkeit aber zwangsläufig auch deren Prävention. Dazu gehört, dass die Politik den Sinn einer Armee, die Konsequenzen für deren Aufstellung und für deren Ausbildung sehr ernst nimmt: Vorbereitung von Menschen auf kriegerische Auseinandersetzungen.

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Der Fall des „Eisernen Vorhangs“ hat daran nichts geändert. Der Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan hat uns das schmerzlich vor Augen geführt. Und ich erinnere mich daran, wie mit Beginn dieses Einsatzes, sich die Politik um die Bezeichnung ‘Krieg’ bzw. ‘Kriegerische Auseinandersetzung’ gedrückt hat - bis zu dem Zeitpunkt, wo die Nachrichten über die Verwicklung der dortigen Bundeswehreinheiten in Gefechtshandlungen mit Toten und Verwundeten mehr und mehr wurden. Wenn Politik auf diese Weise versucht, zu verdrängen, hat sie den grundlegenden Sinn einer Armee verkannt. Und für mich liegt es in der Vorstellung, dass das Wirkungen auf das Innenleben der Bundeswehr, seiner personellen und technischen Ausstattung sowie Ausbildung hatte, insbesondere mit Blick auf Krieg und Gefecht. (vgl.: „Kritik an Bundeswehr-Ausbildung: Billig-Training vor dem tödlichen Einsatz“, Spiegelonline, 06.04.2010) Danach zu urteilen, stellt sich die Frage, ob die im Rahmen der Bundeswehrreform wiederholte Feststellung, dass der neue Auftrag der Bundeswehr nach außen ‘kämpfen’ bedeutet, den Menschen in Uniform wirklich unter die Haut geht? Sinngemäß dazu stellt der damalige General Naumann klar, dass dieses Kämpfen höchste physische und psychische Anstrengungen erfordert sowie Gefahr für Körper und Leben darstellt. Und wörtlich: „Wir werden bei diesen Einsätzen auch Verluste hinnehmen müssen.“ (zitiert aus: Lothar Schröder „Bundeswehrreform. Der Krieg ist der Ernstfall“, UTOPIE kreativ, Heft 138, April 2002, S. 339) „Ein Hauptbestandteil der psychologischen Vorbereitung der Soldaten auf den Krieg sollen deshalb Kampf, Leid und Elend, Verwundung und Tod sowie Waffeneinsatz gegen Menschen sein.“ (Lothar Schröder „Bundeswehrreform. Der Krieg ist der Ernstfall“, UTOPIE kreativ, Heft 138, April 2002, S. 339) Angesichts dessen, dass nicht selbst erlebter Krieg mit all seinen Folgen und Umständen wie Verwundete, Tote, Zerstörung, Verluste, Angst und Panik u.a.m. die Vorstellungskraft dieser Menschen überfordert, muss gerade die Ausbildung von Soldaten dem vollstens Rechnung tragen. Das Kernstück einer psychologischen Kriegsvorbereitung dürfte demnach die kriegsnahe Ausbildung sein. Mit den Worten von Moltke: „Die Vorbereitung zur Schlacht ist ... der Hauptauftrag der militärischen Ausbildung.“ (zitiert aus: Lothar Schröder „Bundeswehrreform. Der Krieg ist der Ernstfall“, UTOPIE kreativ, Heft 138, April 2002, S. 340) Möglicherweise auch ein Schlüsselbeitrag für die Prävention von PTBS.

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