ullstein bild/Konzept und Bild

Zentralasien rückt weltweit ins Blickfeld der Brennstoffverbraucher – im Bild ein Ölbohrturm in der Nähe von Beschkent. Eine Analyse des Versorgungspotenzials und der Förderprognosen zeigt, dass die Region noch einige Jahrzehnte lang Erdöl und -gas, Kohle und Uran mit steigender Tendenz liefern wird. Die fossilen Ressourcen der Region könnten einen Beitrag zur Diversifizierung der europäischen Energie-Importe leisten. Kohle wird allerdings eher vor Ort verbraucht werden, Uran primär nach Russland ausgeführt. Ihren wachsenden Bedarf an Energieträgern wird die Europäische Union (EU) kaum in Zentralasien decken können. Will sie überhaupt von der Absteckung neuer Claims auf dem umkämpften Rohstoffmarkt profitieren, stellt dies erhöhte Anforderungen an eine einheitliche und effektive europäische Energie-Außenpolitik.

Die Rohstoffe Zentralasiens – Vorkommen und Versorgungspotenzial für Europa Die Energie- und Rohstoffversorgung der Europäischen Union (EU) hängt in hohem Maße von Importen ab. Während um die Jahrtausendwende ca. 47 Prozent der benötigten Ressourcen eingeführt wurden, soll laut Europäischer Kommission dieser Anteil bis 2030 auf nahezu 65 Prozent steigen. Dabei wird die Importabhängigkeit bei Erdöl fast vier Fün�el und bei Erdgas ungefähr 70 Prozent erreichen. Hierbei ist Russland der wichtigste Lieferant. Angesichts der Auseinandersetzungen um Russlands Erdgasexporte in die Ukraine zu Beginn 2006, nach Weißrussland am Ende des Jahres und kurzfristiger Unterbrechungen der Erdöllieferungen durch Weißrussland wenige Zeit später verstärkte sich in Europa die Diskussion darüber, ob die Abhängigkeit von Russland nicht zu hoch sei, und welche Konsequenzen sich für eine gemeinsame europäische EnergieAußenpolitik ergäben. In diesem Zusammenhang wurde auch vermehrt die Frage gestellt, inwieweit Lieferungen aus Zentralasien einen Beitrag zur Diversifizierung der europäischen Versorgung leisten können. Aus rohstoffwissenscha�licher Perspektive ist es sinnvoll, unter Zentralasien mehr als die fünf südöstlichen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu verstehen. Gerade Erdöl und -gas lagern vor allem im Kaspi-Raum, so dass neben Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgisistan und Tadschikistan auch Aserbaidschan sowie die unmi�elbar an das Kaspische Meer angrenzenden russischen Republiken Dagestan und Kalmükien sowie das Gebiet um Astrachan zu berücksichtigen sind. Der Iran, der auch an das Kaspische Meer grenzt und ebenfalls im Überfluss mit diesen Ressourcen gesegnet ist, wurde nicht einbezogen, da seine Vorkommen überwiegend in der Region des Persischen Golfes lagern. Das Gebiet nimmt etwa drei Prozent der weltweiten Landfläche ein, wovon allein zwei Dri�el auf Kasachstan als flächenmäßig größtes Land entfallen. Gleichzeitig lebt hier nur ein Prozent der Weltbevölkerung: Auch weil der Eigenbedarf gering ist, können die betroffenen Länder Rohstoffe exportieren. 225

II. Strukturen und Lebenswelten

Rohstoffversorgung Europas Die Entwicklung der europäischen Wirtscha� basiert in hohem Maße auf einer reibungslosen Energie- und Rohstoffversorgung. 2006 verbrauchten die Staaten der EU 765 Megatonnen (Mt) Mineralölprodukte. Auf die fünf größten Verbraucher (Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien) entfielen nahezu drei Fün�el. Nur knapp ein Dri�el des benötigten Erdöls (ca. 242 Mt) stammten aus eigener Förderung. Wichtigste europäische Förderländer waren Norwegen mit ca. 130 Mt und Großbritannien mit fast 71 Mt. Von dem nach Europa importierten Öl stammten annähernd 44 Prozent aus den Ländern der Gemeinscha� Unabhängiger Staaten (GUS), 24 Prozent aus dem Nahen Osten und etwa 21 Prozent aus Afrika. Im Jahr 2006 erreichte der europäische Erdgasverbrauch ca. 564 Mrd. m³. Die fünf größten Verbraucherländer (Deutschland, Großbritannien, Italien, Niederlande und Frankreich) verbrannten mit ca. 373 Mrd. m³ annähernd zwei Dri�el des Gesamtverbrauchs. Die eigene Förderung von knapp 316 Mrd. m³ konnte den Bedarf nur zu etwa 56 Prozent decken. Wichtigste Förderländer waren Norwegen (87 Mrd. m³), Großbritannien (84 Mrd. m³) und die Niederlande (78 Mrd. m³). Die Erdgas-Importe stammten zu fast 60 Prozent aus Russland, zu 30 Prozent aus Nordafrika und zu sechs Prozent aus Nigeria. Der Großteil des Erdgases gelangte per Pipeline nach Europa; 23 Prozent des Importgases wurden als verflüssigtes Erdgas (Liquified Natural Gas, LNG) transportiert. Im Jahr 2006 wurden in der EU-25 bei einer Eigenförderung von nahezu 258 Mt Steinkohle-Einheiten (SKE, gebräuchliche Energiemaßeinheit: 1 t SKE = 29,3 x 109 Joule) ca. 458 Mt SKE Kohle verbraucht. Wichtige Lieferländer sind Südafrika, Kolumbien, Australien und Russland. Im Bereich der Kernenergie liegt der jährliche Bedarf Europas bei ungefähr 340 Mt SKE (= 22 500 t Uran), der fast vollständig über Importe gedeckt wird. Die Kaspische Region lieferte im Jahr 2006 lediglich Erdöl. Hier waren insbesondere Kasachstan und Aserbaidschan und in geringerem Maße Turkmenistan beteiligt. Deutschland bezog z.B. im Jahr 2006 7,6 Mt Rohöl (sieben Prozent der Importe) aus Kasachstan und 1,9 Mt (1,7 Prozent) aus Aserbaidschan. Bei Erd226

Die Rohstoffe Zentralasiens

gas strömten Ende 2006 erste Lieferungen aus Aserbaidschan in die Türkei. Die EU erwartet bis zum Jahr 2030 in ihrem Basis-Szenario für die EU-25 nur bei Erdgas eine bedeutende Steigerung des Verbrauchs um bis zu 140 Mt. Bei Erdöl, Kohle und Kernenergie wird lediglich mit geringfügigen Veränderungen gerechnet. Trotzdem lässt sich angesichts der rückläufigen Eigenförderung ein deutlicher Anstieg der Importabhängigkeit bei Energierohstoffen absehen. Angesichts dessen stellt sich die Frage, aus welchen Quellen dieser Bedarf zukün�ig gedeckt werden kann. Welche Rolle können die Länder Zentralasiens dabei spielen?

Das Potenzial der Energierohstoffe Energierohstoffe spielen für die Region eine herausragende Rolle. Sie bilden nicht nur die Basis der eigenen Versorgung, sondern stellen für Länder wie Aserbaidschan, Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan eine wichtige Devisenquelle dar. Zu den führenden Produzenten gehören Kasachstan bei Uran, Kohle und Erdöl, Usbekistan bei Uran und Erdgas sowie Turkmenistan bei Erdgas.

Platzierung auf der weltweiten Energie-Rangliste Reserven

Förderung

Erdöl Erdgas Kohle

Uran

Erdöl Erdgas Kohle

Uran

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37

7

Quelle: BGR-Datenbank B 1.23, Stand 2006. Länderkürzel = Internationale KfZ-Kennzeichen 227

II. Strukturen und Lebenswelten

Infolge der vergleichsweise hohen Reserven und durch den Ausbau der Infrastruktur mit Anbindung an die internationalen Märkte wird der Anteil dieser Länder an der Förderung und dem Export in den kommenden Jahren noch zunehmen. Mit ca. 8,2 Gigatonnen (Gt) Erdöl und Kondensat sowie ungefähr 12,6 Bill. m³ Erdgas stammen etwa vier bzw. sechs Prozent der Weltbestände aus Zentralasien. Dies entspricht etwa dem Dreifachen der europäischen Öl- und dem Doppelten der europäischen Gasreserven. Bezüglich ihrer Vorkommen sind Kasachstan und Aserbaidschan bei Erdöl sowie Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan und Aserbaidschan bei Erdgas auf der Energielandkarte nicht mehr wegzudenken. Reserven, Förderung und Verbrauch von Erdöl und -gas Erdöl (in Mt) RUS* AZ KZ KS TJ TM UZ Gesamt

Res. 1600 1350 4800 5 2 250 175 8182

Förd. Verbr. 4,7 – 32,3 4,8 65,0 10,0 0,1 0,6 – 0,3 8,4 4,7 5,4 7,4 115,9 27,8

Erdgas (in G.m³) Res. 3150 1330 3400 6 6 2832 1841 12 565

Förd. Verbr. 12,0 – 5,7 8,8 32,4 17,8 – 0,7 – 0,6 63,0 16,6 59,7 50,1 172,8 94,6

Quelle: BGR-Datenbank B 1.23, Stand 2006 *(Kaspi-Anrainer)

Mit Werten von 7,8 Gt für Erdöl sowie 14,3 Bill. m³ für Erdgas entfallen 5,5 Prozent der weltweiten Erdöl- bzw. 17,5 Prozent der -gasressourcen auf die Region. Zentralasien kennzeichnet eine Reihe großer Sedimentbecken, die teilweise mit über 15 Kilometer mächtigen Ablagerungsschichten aufgefüllt sind wie das Nord- und Südkaspische Becken. Dadurch bestehen günstige Bedingungen für die Bildung und Erhaltung von Erdöl- und Erdgaslagerstä�en. Von den Sedimentbecken sind für das »Schwarze Gold« das Nord-, 228

Die Rohstoffe Zentralasiens

Süd- und Mi�elkaspische, für Erdgas das Amudarja-, Nord- und Südkaspische Becken von herausragender Bedeutung. Hier befinden sich die großen Vorkommen, die den Großteil der Förderung ausmachen. Die zentralasiatische Region zählt neben den USA (Pennsylvania), Rumänien, Polen und Deutschland zu den ältesten Erdölregionen der Welt. Eine Pionierrolle spielte Aserbaidschan, wo bereits Mi�e des 19. Jahrhunderts Erdöl gefördert wurde und das an der Wende zum 20. Jahrhundert diesbezüglich weltweit führend war. Auch Kasachstan blickt auf eine über hundertjährige Ausbeutung des Rohstoffes zurück. Allerdings stieg die Gesamtförderung in der Region lediglich in den 1970er-Jahren über 50 Mt an. Nachdem infolge des Zerfalls der Sowjetunion die Menge zurückgegangen war, setzte Mi�e der 1990er-Jahre ein kontinuierlicher Anstieg ein, der sich in den letzten Jahren deutlich steigerte. Internationale Konsortien entwickelten das Tengis-Feld in Kasachstan und die Feldergruppe Aseri-Tschirag-Guneschli in Aserbaidschan. Im Jahre 2006 kamen mit ca. 116 Mt Erdöl ungefähr drei Prozent der Weltförderung aus dem zentralasiatischen Raum. Die Prognosen gehen von einem weiteren Anstieg der Fördermenge aus. Hier erwarten Kasachstan (65 Mt) sowie Aserbaidschan (32 Mt) mit der Entwicklung besagter Feldergruppen bedeutende Zuwächse. Für das Jahr 2020 wird mit einem Au�ommen von etwa 230 Mt gerechnet. Bei der Erdgasförderung begann Mi�e der 1960er-Jahre mit der Erschließung des Gasli-Feldes in Usbekistan ein rasanter Anstieg, ein Jahrzehnt später folgte Turkmenistan, das 1989 sein Maximum mit ca. 90 Mrd. m³ (Platz 3 im Weltvergleich) erreichte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion ging die Menge vor allem in Turkmenistan drastisch zurück. Das Land stellte vor dem Jahrtausendwechsel seine Lieferungen an die Ukraine ein, nachdem diese mit ihren Zahlungen in Rückstand geriet, und fand mit Ausnahme geringer Exporte in den Iran keine zahlungsfähigen Abnehmer mehr. Erst seit 2000, als die Lieferungen an die Ukraine wieder aufgenommen wurden, steigt die Förderung in Turkmenistan erneut an. In Kasachstan trug die Entwicklung des Karatschaganak-Feldes zu einer deutlichen Aufwärtsentwicklung bei. 229

II. Strukturen und Lebenswelten

ullstein bild/Konzept und Bild

Zentralasien lieferte 2006 mit ca. 176 Mrd. m³ Erdgas sechs Prozent der Weltförderung. Wichtige Förderländer sind Turkmenistan und Usbekistan, die sich Plätze unter den zwölf weltweit führenden Produzenten teilen. Die Prognosen gehen wie beim Erdöl von einem weiteren Ansteigen der Förderung in allen Ländern aus. Im Jahr 2020 soll ein Niveau von annähernd 325 Mrd m³ erreicht werden. Hierfür sind die Erschließung und der weitere Ausbau neuer Felder, insbesondere der »Supergiants«, von Bedeutung. Das betri� in Russland das Astrachan-Feld sowie in Kasachstan das Karatschaganak-Feld und in Aserbaidschan das Feld Schah Denis. Aber auch das vor Kurzem entdeckte Erdgasfeld Südjolotan im Osten Turkmenistans könnte zu dieser Kategorie gehören.

Erdöllagerstätte Shakarbulak bei Guzar. Hier wird Erdgas aufbereitet, das als Begleitprodukt der Ölförderung entsteht.

Die zehn Raffinerien der Region verfügen über eine jährliche Verarbeitungskapazität von etwa 70 Mt. Sie befinden sich auf unterschiedlichem technologischem Niveau. Einige Anlagen sind bereits auf neuestem technischem Stand, bei anderen ist die Modernisierung im Gange. Mit knapp 28 Mt verbrauchten die Länder des zentralasiatischen Raumes im Jahr 2006 nur 230

Die Rohstoffe Zentralasiens

knapp ein Viertel des geförderten Erdöls, bei Erdgas entsprach die selbst verbrannte Menge einem Anteil von 53 Prozent. In den meisten Staaten der Region liegt der Erdgasanteil am primären Energieverbrauch mit teilweise über 50 Prozent überdurchschni�lich hoch. Die Erdölexporte aus Zentralasien erreichten im Jahr 2006 knapp 68 Mt, die vorwiegend in Staaten außerhalb der GUS (vgl. Info-Kasten auf S. 79) flossen. Kasachstan (52 Mt) und Aserbaidschan (13 Mt) nahmen hierbei die beiden Spitzenplätze ein. Bei Erdgas betrugen die zentralasiatischen Exporte annähernd 70 Mrd. m³, davon gingen fast 92 Prozent (64 Mrd. m³) in andere Länder der GUS. Größter Exporteur war Turkmenistan mit etwa 48 Mrd. m³. Die restlichen acht Prozent gingen in Länder außerhalb der GUS beispielsweise in den Iran. In den kommenden Jahren ist mit dem weiteren Ausbau der Förderung und auch mit deutlichen Zuwächsen bei den Exporten zu rechnen. Nach wie vor werden Russland bzw. die Ukraine als Hauptabnehmer für Erdgas au�reten. So schloss Gazprom mit Turkmenistan Lieferverträge, die bis 2010 auf 80 Mrd. m³ ausgeweitet werden sollen. Geringere Mengen bezieht die Föderation aus Usbekistan. Mit der Aufnahme der Erdgaslieferungen aus dem aserbaidschanischen Schah-DenisFeld gelangt erstmals Erdgas aus dem zentralasiatischen Raum nach Europa. Allerdings ist das Potenzial dieser Lieferungen begrenzt und nicht vergleichbar mit den turkmenischen Exporten. Großes Interesse an Erdgas aus Zentralasien zeigt China, das mit Turkmenistan einen Liefervertrag schloss. Ähnliche Absichten bestehen gegenüber Kasachstan. Zu den potenziellen Rohsto�unden zählen auch Pakistan und Indien, womit ein We�lauf um das zentralasiatische Erdgas vorprogrammiert ist.

Transportinfrastruktur Der Export der zentralasiatischen Ressourcen war bis Mi�e der 1990er-Jahre nur über das russische Pipelinenetz möglich, was den Zugang zu den Weltmärkten weitgehend verwehrte. Erstmals umgingen die Erdgaspipeline von Korpeje (Wes�urkmenistan) nach Kurt Kui (Nordiran), die Ende 1997 in Betrieb ging, und die Erdölpipeline von Baku nach Supsa (Georgien) am 231

II. Strukturen und Lebenswelten

Schwarzen Meer, die im April 1999 ihren Dienst aufnahm, russisches Territorium. Von besonderer Bedeutung für den Export von Erdöl sind die 2003 in Betrieb genommene Pipeline des Kaspischen Pipeline Konsortiums vom Tengis-Feld in Kasachstan an den russischen Schwarzmeerhafen Noworossisk und die BTC-Pipeline (Baku–Tiflis–Ceyhan) vom aserbaidschanischen Baku bis an den türkischen Schwarzmeerhafen Ceyhan, die 2005 in Betrieb ging und das Erdöl der Feldergruppe Aseri-Tschirag-Guneschli transportiert. Damit steht eine Kapazität von über 100 Mt pro Jahr in westlicher Richtung zur Verfügung – mit Optionen zur Erweiterung. Das Transportvolumen über das Schwarze Meer steht und fällt gegenwärtig noch mit der Durchlassfähigkeit des Bosporus. Aber mit dem beschlossenen Bau einer Pipeline von Burgas (Bulgarien) nach Alexandroupolis (Griechenland), der geplanten Schaffung einer Verbindung von Konstanza (Rumänien) zum italienischen Adriahafen Triest und der möglichen Nutzung der Leitung Odessa–Brody in der Ukraine für den Transport zur Druschba-Pipeline und dann weiter nach Europa, gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Erweiterung. Auch die Nutzung des zentralrussischen Netzes steht im Raum. Aber auch aus östlicher Richtung (China) steigt die Nachfrage nach Erdöl aus der zentralasiatischen Region und nach entsprechenden Transportmöglichkeiten. So ging Mi�e 2006 das erste, östliche Teilstück der Kasachstan–China-Pipeline von Atasu nach Alaschankou mit einer Kapazität von 10 Mt pro Jahr ans Netz. Damit kann kasachisches, aber auch westsibirisches Erdöl direkt in die Volksrepublik transportiert werden. Mit der Fertigstellung des westlichen Teilabschni�es in den nächsten Jahren besteht dann auch ein Zugang zu den reichen Förderfeldern im Westen Kasachstans. Geringere Mengen fließen über Iran – im Tauschgeschä� (Swap) wird kasachisches und turkmenisches Erdöl in den Norden des Landes gepumpt und dafür iranisches Erdöl am Persischen Golf zum Export bereitgestellt. Der Bau einer Pipeline durch Iran – als wirtscha�lich günstigste Variante – scheiterte bisher am Widerstand der USA. Ebenso unsicher erscheint das Projekt einer Leitung, die Turkmenistan über Afghanistan mit Pakistan und dem Arabischen Meer verbindet. 232

picture-alliance/dpa/Ustinenko

Die Rohstoffe Zentralasiens

Bau der über tausend Kilometer langen kasachischen Pipeline von Atasu nach Alaschankou, die Öl in Richtung China transportieren soll.

Die wichtigsten Erdgaspipelines laufen gegenwärtig noch in Richtung Russland. Die Pipeline Zentralasien–Zentrum führt aus dem Amudarja-Becken bis nach Moskau. Die Hauptschlagader für den Export wird gegenwärtig renoviert. Vereinbarungen zwischen den Präsidenten Russlands, Kasachstans und Turkmenistans über den Bau einer Kaspischen Gaspipeline zielen darauf ab, zentralasiatisches Gas über russisches Gebiet nach Europa zu leiten. Präsident Dmitri Medwedjew gab Ende 2008 endgültig grünes Licht für den Bau, die geplante Durchsatzkapazität der Leitung beträgt bis zu 30 Mrd. m3 aus Turkmenistan und etwa 10 Mrd. m3 aus Kasachstan. Mit der erwähnten Pipeline Korpeje–Kurt Kui von Turkmenistan in den Iran entstand 1997 die erste Möglichkeit, Gas in ein anderes Land als Russland zu exportieren. Von Bedeutung für Europa ist die Ende 2006 fertiggestellte BTE-Pipeline (Baku–Tiflis– Erzurum) von der aserbaidschanischen Hauptstadt nach Anatolien, die parallel zur BTC-Pipeline verläu�. Zum Weitertransport bis Mi�eleuropa ist die Nabucco-Pipeline vorgesehen, die von der Türkei über den Balkan bis nach Wien verlaufen soll. Auf diesem Weg könnte auch iranisches Erdgas transportiert werden. 233

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Erdölreserven und -pipelines in Zentralasien

Tschu 1 Gurgutli S 2 Kirpitschli yrd a 3 Kadym 4 Dengis 5 Semantepe Schymkent Issyk6 Urtabulak BISCHKEK Kul 7 Schurtan KIRGISISTAN a n 8 Gadschak T i e n s c h 9 Südjolotan/Osman TASCHKENT 10 DauletabadMingbulak Donmes

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234 Süd

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II. Strukturen und Lebenswelten

Die Rohstoffe Zentralasiens

Eine Reihe anderer Pipelineprojekte, die in den 1990er-Jahren im Gespräch waren, sind ad acta gelegt worden. Die Idee einer Transkaspischen Gaspipeline von Turkmenistan durch das Kaspische Meer, über Aserbaidschan und Georgien bis in die Türkei gewann nicht an Konturen. Gründe waren u.a. Streitigkeiten zwischen Aserbaidschan und Turkmenistan über die jeweiligen Anteile an der Gesamtmenge und letztlich die Ausbeutung des Schah-Denis-Feldes. Eine angedachte Verbindung von Turkmenistan nach Pakistan und möglicherweise bis Indien über Afghanistan kam aufgrund der unsicheren Lage in Afghanistan ebenfalls nicht voran, obwohl die Regierungen der beteiligten Länder nach wie vor an den Plänen festhalten. Mehr Erfolg verspricht dagegen die im Bau befindliche Pipeline von Turkmenistan nach China über Usbekistan und Kasachstan mit Anbindung an die chinesische West-Ost-Pipeline, deren zweiter Strang gegenwärtig auch gebaut wird.

Kohle Kasachstan gehört zu den zwölf weltweit führenden Ländern bei den Reserven und der Förderung von Kohle. Der Anteil Zentralasiens an den Weltreserven beträgt bei Hartkohle 1,2 Prozent und liegt bei Weichbraunkohle mit 1,3 Prozent etwas höher. In der Region gibt es zwei große und eine Reihe kleinerer Kohlebecken. Fast 90 Prozent der Reserven entfallen auf Kasachstan, der Rest lagert vorwiegend in Usbekistan. Nach dem Zerfall der UdSSR ging die Kohleförderung deutlich zurück, konnte sich aber in den letzten Jahren stabilisieren. Im Jahr 2006 wurden in der Region 93,5 Mt Hartkohle und 3,1 Mt Weichbraunkohle produziert, was 1,7 bzw. 0,3 Prozent der Weltförderung entsprach. Während die Weichbraunkohle unmi�elbar vor Ort verstromt wird, muss die Hartkohle teilweise über beträchtliche Entfernungen – meist per Eisenbahn – zu den Verbrauchern gelangen. Wichtigster Kohleproduzent ist Kasachstan, das einen Teil seiner Kohle (ca. 26 Mt) nach Russland exportiert. 2006 wurden in der Region 72,4 Mt Kohle verbraucht, davon gut 96 Prozent Hartkohle. Der Anteil am primären Energiever235

II. Strukturen und Lebenswelten

Kohlereserven, -produktion und -verbrauch in Mt Res. AS 1 KZ 8000 KJ 192 TJ 2 TM – UZ 1000 Region 9195 Global 736 112

Hartkohle Förd. Verbr. – – 93,0 68,3 0,3 0,8 < 0,1 0,1 – – 0,1 0,1 93,5 69,3 5356,4 5340,4

Weichbraunkohle Res. Förd. Verbr. – – – – 4,9 2,9 812 0,1 0,3 1 – – – – – 3000 3,0 2,8 5841 8,1 5,9 223 262 955 945

Quelle: BGR-Datenbank B 1.23, Stand 2006

brauch ist bis auf 49 Prozent in Kasachstan – im Vergleich dazu in Deutschland 24 Prozent – gering.

Kernbrennstoffe Kasachstan und Usbekistan gehören zu den zehn führenden Ländern bei den Reserven und der Förderung von Uran. Die sicher nachgewiesenen Vorräte, die bei einem Aufwand von weniger als 40 US-Dollar pro Kilogramm gewonnen werden können, betragen in der Region ca. 339 Kilotonnen (kt) Uran. Dies sind 17 Prozent der Weltreserven. Hiervon entfallen über 80 Prozent auf Kasachstan, der restliche Anteil auf Usbekistan. Der Großteil der Bestände lagert in Zentralkasachstan in den Uranprovinzen Schu-Sarysu und Syrdarja. Geringe Mengen befinden sich im Norden des Landes bei Kokschetau. Usbekisches Uran findet sich in der Kysylkum-Wüste. Lediglich Kasachstan und Usbekistan fördern gegenwärtig noch den Rohstoff; bis Anfang der 1990er-Jahre tat dies auch Kirgisistan. Der Abbau wurde hier jedoch aus Kostengründen eingestellt. Ähnlich wie bei den anderen Energieressourcen ging auch bei Uran die Förderung nach dem Zerfall der Sowjetunion zurück, steigt aber seit 1997 – insbesondere in Kasachstan – wieder an. Im Jahr 2006 betrug die Produktion in der Region ca. 7,5 kt, das entspricht knapp 18 Prozent der Weltproduktion. Das radio236

Die Rohstoffe Zentralasiens

aktive Metall wird mi�els einer Säure (z.B. Schwefelsäure) aus dem Boden gespült (In-Situ-Laugung, ISL). Die Urangewinnung befindet sich überwiegend in staatlicher Hand. Kasatomprom in Kasachstan sowie das Bergbau- und Metallurgie-Kombinat Nawoi in Usbekistan beherrschen die Produktion. Russland engagiert sich im Uranerzbergbau und bei Au�ereitungswerken in Kasachstan (Lagerstä�e Saretschnoje, metallurgisches Kombinat Ulba in Ust-Kamenogorsk), Usbekistan (Nawoi) und Kirgisistan (Kombinat in Kara-Balta), da sein Lagerstä�enpotenzial für die Deckung des eigenen Bedarfs und der Exporte nicht ausreicht. Alle Länder planen eine Erweiterung der Produktionskapazitäten. So peilt Usbekistan bis 2020 eine Erhöhung der Förderung auf 3000 t an. Kasachstan will die Leistung bei etwa 5300 t halten und nach neuesten Meldungen sogar weiter heraufsetzen, um bis 2010 zum weltgrößten Uranproduzenten aufzusteigen. In diesem Fall würde die Fördermenge dann deutlich über 10 kt liegen, und Zentralasien wäre die führende Förderregion der Welt. Das vor Ort au�ereitete Uran wird überwiegend in den Norden exportiert, dort angereichert und zu Brennelementen verarbeitet. Kasachstan schloss mit Russland ein Abkommen zum gemeinsamen Bau einer Anreicherungsanlage in Angarsk (Ostsibirien). Zentralasien selbst verfügt nicht über eigene Kernkra�werke.

Uranreserven, -produktion und -verbrauch in t Reserven

Ressourcen

Förderung

Kasachstan

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1 347 259

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1 730 495

12 849 420

41 267

Regional Global

Quelle: Uranium 2005. Resources, Production and Demand. Nuclear Energy Agency, Paris 2006, Stand 2005.

237

II. Strukturen und Lebenswelten

Das Potenzial an mineralischen Rohstoffen Neben den Energieträgern lagert in Zentralasien eine breite Pale�e mineralischer Rohstoffe. Zum einen nichtmetallische Deckgebirgsrohstoffe wie Salze, aber auch Baurohstoffe und hochmineralisierte Wässer (Jod, Brom) in den an das Kaspische Meer angrenzenden Flachlandregionen. Die gering entwickelte Infrastruktur und die weit entfernten Verbraucher machen deren Erschließung wirtscha�lich bislang allerdings nur wenig a�raktiv. Die großen Grundgebirgseinheiten im Osten Usbekistans und Kasachstans (Tienschan-Faltenzone, Ostkasachische Region) und des südlichen Ural bindet eine außerordentlich große Vielfalt mineralischer Rohstoffe: Eisenerz, Stahlveredler, Bauxit, Buntmetalle, Edelmetalle, seltene Metalle, Phosphorit und andere nichtmetallische Rohstoffe. Dieses Potenzial lässt Kasachstan und auch Usbekistan in die Rolle von Bergbauländern mit Weltgeltung aufsteigen. Kasachstan liegt unter den Top Ten der Produzenten von Uran, Chromit, Vanadium, Zink, Bauxit, Silber, Schwerspat, Asbest und Bor. Usbekistan gehört bei der Förderung von Gold und Wolfram zu den wichtigen Ländern. Diese Rohstoffe spielen in der Wirtscha� dieser Länder somit eine ähnlich bedeutende und zum Teil bedeutendere Rolle als die Kohlenwasserstoffe. Entsprechend groß ist auch das Interesse ausländischer Investoren für die Bergbauindustrie, vor allem bei der Jagd nach Gold, Chrom, Kupfer und Aluminium. Bezogen auf die deutschen Importe im Jahr 2005 sind Kasachstan bei Silber (31 Prozent der Importe; Rang 1), Ferrochrom (7,8 Prozent; 3) und Zinnabfall und -schro� (5,2 Prozent; 6) sowie Usbekistan bei Selen (18,9 Prozent; 2) von Bedeutung.

Kün�ige Rohstoffproduktion und Export Seit Mi�e der 1990er-Jahre steigt die Produktion von Energierohstoffen kontinuierlich an. Dieser Trend dür�e sich fortsetzen, wenn auch mit unterschiedlichem Tempo. Bis zum Jahr 2020 wird bei der Förderung von Erdöl und -gas in etwa eine Verdopplung geschätzt. Bei Kohle und Uran erwarten Analysten eine – wenn auch geringere – Steigerung. Damit einher geht 238

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Erdgasreserven und -pipelines in Zentralasien

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Die Rohstoffe Zentralasiens

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239

II. Strukturen und Lebenswelten

Produktion von Rohstoffen und Exportpotenzial im Jahr 2020 Förderung Öl1 AS 55 KZ 130 TJ 50 UZ 8 Region 243

Gas2 Kohle1 25 – 50 100 130 – 80 – 285 100

Export Uran3 – 5,3 – 3,0 8,3

Öl1 45 110 40 -5 190

Gas2 15 30 110 20 175

Kohle1 – 30 – – 30

Quellen: Interfax Petroleum Report (verschiedene Ausgaben); Caspian Oil and Gas. The supply potential of Central Asia and Transcaucasia. IEA 1998 sowie eigene Schätzungen. (in Mt)

1

2

(in Mrd. m³)

3

(in kt)

eine starke Zunahme der Exportkapazitäten. Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es enormer Investitionen. Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) werden für den Zeitraum bis 2030 knapp 200 Milliarden US-Dollar benötigt – allein für den Ölsektor etwas mehr als die Häl�e. Diese Mi�el können die Länder der Region nicht allein au�ringen, und ausländische Investoren haben bereits Milliardensummen in Erdöl- und -gasprojekte investiert. Die erwartete europäische Nachfrage an Erdöl im Jahr 2020 dür�e deutlich höher sein als das Exportpotenzial aus den Ländern Zentralasiens. Darüber hinaus werden Rohstoffe der Region nicht nur nach Europa fließen. Eine zunehmende Nachfrage entsteht im asiatischen Raum – insbesondere China –, aber auch auf dem internationalen Markt. Das für Europa zur Verfügung stehende Exportvolumen bei Erdöl dür�e sich auf etwa 100-150 Mt belaufen. Bei Erdgas begann erst im Jahr 2007 der Export aus Aserbaidschan in die Türkei. Ausfuhren in weitere Länder Europas hängen vom Ausbau des Pipelinesystems, aber vor allem von der Nachfrage aus Russland und China ab. Letztendlich dür�e nur ein geringer Teil der zentralasiatischen Exporte für Europa zur Verfügung stehen: Im Jahr 2020 voraussichtlich nicht mehr als 50 Mrd. m³, d.h. nur ein Neuntel des europäischen Importbedarfs. Allerdings können Lieferungen nach Russland indi240

Die Rohstoffe Zentralasiens

rekt zur Sicherung der Erdgasversorgung der Europäischen Union beitragen. Damit dür�e auf längere Sicht die Abhängigkeit Europas von Erdöl- und Erdgasimporten aus Russland bestehen bleiben. Der zentralasiatische Raum kann einen gewissen Beitrag für die Sicherung der Versorgung leisten. Letztendlich wird der Nahe Osten mit seinen gewaltigen Kohlenwasserstoffvorkommen jedoch eine immer wichtigere Rolle spielen. Der Rohstoff Kohle wird vorwiegend für Zentralasien selbst sowie für die Russische Föderation als Importeur kasachischer Hartkohle relevant sein, jedoch kaum für Europa. Bei Uran steht eine Zunahme der Bedeutung zu erwarten, und Russland als Verarbeiter zentralasiatischer Uranerze könnte als zukün�iger potenzieller Lieferant auch für Europa weiter an Gewicht gewinnen. Die EU wird zukün�ig verstärkt Metallrohstoffe und einzelne Industriemineralien insbesondere aus Kasachstan einführen, während der überwiegende Teil der Nichtmetallrohstoffe wohl weiterhin überwiegend Verwendung in Zentralasien selbst findet. Außer Zweifel steht eine zunehmende Konkurrenz um die zentralasiatischen Rohstoffe. Dies macht neben einer aktiven und einheitlichen europäischen Rohstoffaußenpolitik auch das verstärkte Engagement deutscher und europäischer Firmen erforderlich. Hilmar Rempel, Sandro Schmidt, Ulrich Schwarz-Schampera, Simone Röhling und Klaus Brinkmann

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