KONJUNKTURTENDENZEN Arbeitsauftrag

KONJUNKTURTENDENZEN Arbeitsauftrag Worum es geht Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco ist das Kompetenzzentrum des Bundes für die wichtigsten Fr...
Author: Volker Bäcker
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KONJUNKTURTENDENZEN Arbeitsauftrag

Worum es geht Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco ist das Kompetenzzentrum des Bundes für die wichtigsten Fragen der Wirtschaftspolitik. Vierteljährlich wird die aktuelle Lage der Wirtschaft detailliert untersucht und eine neue Konjunkturprognose für das laufende und das nächste Jahr erstellt.1 Die Winterprognose ist am 13. Dezember 2011 mit einer Pressemitteilung präsentiert worden.2 Sie wird in einer ausführlichen Publikation zur schweizerischen und internationalen Wirtschaftslage, den «Konjunkturtendenzen», dokumentiert. Diese Publikation ist im Internet frei zugänglich. Das Seco fasst die aktuelle Analyse und Prognose jeweils auf einer Seite zusammen, unter dem Namen «Konjunkturtendenzen auf einer Seite». Im vorliegenden Arbeitsauftrag wird diese Seite abgedruckt, ergänzt mit Verständnis- und Vertiefungsfragen.

Die Schweiz als kleines, international verflochtenes Land wird stark von der weltwirtschaftlichen Konjunktur beeinflusst. Deshalb stellt das Seco zuerst die Lage der Weltwirtschaft dar. Im zweiten Teil wird die Schweizer Wirtschaft untersucht und die neueste Konjunkturprognose vorgestellt. Im dritten Teil werden Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung und der Prognosen erläutert. Jede Ausgabe des Arbeitsauftrags zu den «Konjunkturtendenzen» enthält ferner ein Vertiefungsthema, ebenfalls ergänzt mit Verständnis- und Vertiefungsfragen. In der vorliegenden Ausgabe behandelt das Vertiefungsthema «Euroraum: Zuspitzung der Schuldenkrise und zunehmende Belastung der Konjunktur». Die aktuellen Konjunkturtendenzen sind frei verfügbar unter: www.seco.admin.ch  Dokumentation  Publikationen und Formulare  Regelmässige Publikationen  Konjunkturtendenzen

Konjunkturtendenzen Winter 2011/2012 Weltkonjunktur

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Die internationale Konjunktur präsentiert sich gegen Ende 2011 in fragiler Verfassung. Vor allem in Europa schlägt die Verunsicherung an den Finanzmärkten über die Bewältigung der Staatsschuldenkrise zunehmend negativ auf die Konjunktur durch. Dies, weil immer mehr Euroländer notgedrungen eine betont restriktive Finanzpolitik 3 verfolgen und ausserdem das gesunkene Wirtschaftsvertrauen die private Investitions- und Konsumnachfrage dämpfen könnte. Unter der Annahme, dass eine unkontrollierte Ausbreitung der Schuldenkrise vermieden werden kann und sich die angespannte Situation an den Finanzmärkten im nächsten Jahr allmählich beruhigt, sollte sich die Wirtschaft im Euroraum langsam wieder erholen. Vergleichsweise weniger schwach als in der EU, wenn auch nicht rosig, ist die Wirtschaftslage in anderen Weltregionen. So konnte die stotternde Konjunktur in den USA nach der Jahresmitte wieder Tritt fassen, während sich die japanische Wirtschaft erwartungsgemäss von der Natur- und Atomkatastrophe des Frühjahrs 2011 erholt. Die Schwellenländer erscheinen – trotz unverkennbarer Abkühlung – relativ robust und dürften weiterhin eine positive Rolle für die Weltwirtschaft spielen.

Neben dem Seco veröffentlicht eine Reihe weiterer Institutionen und Firmen Konjunkturprognosen für die Schweiz, u.a. BAK Basel Economics, Institut CREA de macroéconomie appliquée, Credit Suisse CS, Internationaler Währungsfonds IWF, Konjunkturforschungsstelle der ETH KOF, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD, Schweizerische Nationalbank SNB, UBS, Zürcher Kantonalbank ZKB. Siehe Beitrag in der Mittagsausgabe der «Tagesschau» vom 13.12.2011 (videoportal.sf.tv/sendungen). Die Finanzpolitik umfasst alle Massnahmen zur Steuerung der Einnahmen und Ausgaben des Staates. Mit einer restriktiven Finanzpolitik verringert der Staat seine Ausgaben und erhöht die Steuern. Diese Massnahmen führen zu einer Verbesserung der finanziellen Lage des Staates. Es wird ein ausgeglichenes Staatsbudget angestrebt. Der Staat muss sich dann nicht weiter verschulden und kann einen allfälligen finanziellen Überschuss für den Schuldenabbau verwenden.

Version Januar 2012

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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Weltkonjunktur: Verstehen a. Die internationale Konjunktur ist Ende 2011 von grosser Unsicherheit geprägt. Die Eurozone ist dafür die Hauptursache. Weshalb?

Die Staatsschuldenkrise in Europa verunsichert die Finanzmärkte und verschlechtert die konjunkturellen Aussichten für die Eurozone. Dies insbesondere, weil immer mehr Euroländer notgedrungen eine betont restriktive Finanzpolitik verfolgen.

b. Wie sieht die Situation in den anderen Weltregionen aus?

In den USA, Japan und China ist die konjunkturelle Situation etwas besser.

c. Inwiefern ist die japanische Wirtschaft in einer besonderen Situation?

Japan muss die negativen Folgen der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe sowie die Atomkatastrophe von Fukushima vom Frühling 2011 überwinden.

d. Welche zentrale Annahme bezüglich der Eurozone liegt der Seco-Prognose für das nächste Jahr zugrunde?

Voraussetzung dafür, dass die Seco-Prognose für den Euroraum ungefähr so eintrifft, ist, dass eine weitere Verschärfung der Schuldenkrise im Euroraum vermieden werden kann und sich die angespannte Situation an den Finanzmärkten im nächsten Jahr allmählich beruhigt.

Weltkonjunktur: Vertiefen e. Was wird unter einer «restriktiven Finanzpolitik» verstanden?

Bei einer restriktiven Finanzpolitik lässt der Staat seine Ausgaben weniger schnell wachsen oder fährt seine Ausgaben sogar zurück. Alternativ dazu oder zusätzlich spricht man auch von einer restriktiven Finanzpolitik, wenn Steuern erhöht werden. Die finanzielle Lage eines Staates verbessert sich, wenn er weniger ausgibt und/oder mehr einnimmt.

Version Januar 2012

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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f. Warum sind immer mehr Euroländer gezwungen, eine restriktive Finanzpolitik anzuwenden?

Die Eurostaaten erhöhten zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise und zur Rettung ihrer Banken in den Jahren 2008 bis 2010 die Staatsausgaben stark. Einzelne Staaten (insbesondere in Südeuropa) hatten schon vorher über längere Zeit über ihren Verhältnissen gelebt und mehr ausgegeben als eingenommen. Die Gläubiger sind nur noch einverstanden, weitere Staatspapiere zu kaufen, wenn deren Rendite höher liegt. Eine restriktive Finanzpolitik ist in diesen Ländern notwendig, um die Staatsschuldenlast abzubauen und damit das Vertrauen der Finanzmärkte wiederzuerlangen (Vgl. auch das Vertiefungsthema ab Seite 7). g. Welchen Einfluss hat die restriktive Finanzpolitik auf die Konjunktur im Euroraum?

Eine restriktive Finanzpolitik führt zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und dadurch zur Verringerung der Staatseinnahmen, was das Schuldenproblem sogar verschärfen kann. FOLIEN ZUM THEMA FOLIE 5: Bruttoinlandprodukt international (Abb. 1) FOLIE 7: Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich (Abb. 3) FOLIE 10: Geldpolitische Leitzinsen (Abb. 6) FOLIE 36: Exogene Annahme für die Prognose (Tabelle 3, S. 27)

Schweizer Wirtschaft

Version Januar 2012

In der Schweiz hat sich die bis Mitte Jahr noch solide Konjunktur im Herbst deutlich abgekühlt. Die ungünstige Kombination aus schwächerer Weltkonjunktur und dem immer noch hoch bewerteten Franken hinterlässt unübersehbare Bremsspuren bei den Exporten und den Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen. Die Wechselkursuntergrenze der SNB hat die Währungssituation für die Unternehmen zwar stabilisiert und dadurch leicht entschärft. Allerdings ist der Franken auch beim gegenwärtigen Kursniveau (rund 1,23 CHF/EUR) noch sehr hoch bewertet und drückt auf die internationale Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Unternehmen. Vor dem Hintergrund der bis zuletzt weiter verschlechterten Stimmungsindikatoren zeichnet sich für den kurzfristigen Ausblick (Winter 2011/2012) eine sehr schwache – allenfalls für einzelne Quartale sogar leicht schrumpfende – Wirtschaftsentwicklung ab. Die Indikatoren weisen aber nicht auf einen krisen haften Konjunktureinbruch wie Ende 2008 nach der Pleite der USInvestmentbank Lehman Brothers hin. Aufgrund der schlechteren Konjunkturlage in der EU und der entsprechenden Wirkungen auf den Schweizer Exportsektor erachtet es die Expertengruppe als wahrscheinlich, dass die Konjunkturdelle in der Schweiz etwas ausgeprägter ausfällt, als in der letzten Prognose (September 2011) erwartet. Die BIP-Wachstumsprognose für 2012 wird leicht, auf 0,5% (bisher 0,9% ) gesenkt. Die grundsätzliche Einschätzung der September-Prognose wird jedoch beibehalten und geht nicht von einem starken Einbruch aus. Ab dem zweiten Halbjahr 2012 sollte die Wirtschaft langsam wieder Fahrt aufnehmen, sodass sich das BIP-Wachstum 2013 auf 1,9% beschleunigen sollte. Die Arbeitslosigkeit dürfte sich 2012 als Folge des Konjunkturtiefs vorübergehend spürbar erhöhen. Die Expertengruppe geht davon aus, dass die (saisonbereinigte) Arbeitslosenquote von derzeit 3,0% im nächsten Jahr kontinuierlich bis auf einen Höchststand von 3,9% Ende 2012 steigen wird, ehe sie im Verlauf von 2013 allmählich wieder sinken dürfte. Im Jahresdurchschnitt bedeutet dies Arbeitslosenquoten von 3,1% für 2011, 3,6% für 2012 sowie 3,7% für 2013.

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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Schweizer Wirtschaft: Verstehen a. Beschreiben Sie die wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz im Herbst 2011.

In der Schweiz kühlte sich die Konjunktur im dritten Quartal deutlich ab.

b. Mit welcher Entwicklung wird für den Winter 2011/2012 gerechnet (kurze Frist)?

Die Schweizer Wirtschaft wird kurzfristig – im 4. Quartal 2011 und im 1. Quartal 2012 – nur schwach wachsen; eine leicht schrumpfende Wirtschaftsleistung wird nicht ausgeschlossen. Eine schwere Rezession (d.h. ein tiefer Einbruch der Wirtschaftsleistung mit stark steigender Arbeitslosigkeit wie in der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008) ist jedoch wenig wahrscheinlich.

c. Welcher Wirtschaftsverlauf wird für die Jahre 2012 und 2013 erwartet?

Ab dem 2. Halbjahr 2012 sollte die Wirtschaft langsam wieder an Fahrt gewinnen. Übers ganze Jahr 2012 rechnet das Seco mit einem BIP-Wachstum von 0,5%. Für das Jahr 2013 wird ein Wachstum von 1,9% vorausgesagt.

d. Wie wird sich die Arbeitslosigkeit im Prognosezeitraum entwickeln?

Die Arbeitslosigkeit wird sich als Folge des Konjunkturtiefs vorübergehend spürbar erhöhen. Die Arbeitslosenquote dürfte von 3,0% im Herbst 2011 auf knapp 4,0% Ende 2012 steigen. Im Jahr 2013 dürfte sie wieder leicht sinken, auf voraussichtlich 3,7%.

Schweizer Wirtschaft: Vertiefen e. Welche Ursachen für die konjunkturelle Abschwächung in der Schweiz werden im Text aufgeführt? Wie wirken sie sich aus?

Die Verschlechterung der Schweizer Konjunktur hat zwei Ursachen: die Abschwächung der Weltkonjunktur (und damit eine sinkende Nachfrage nach Schweizer Exportgütern) sowie den starken Schweizer Franken (der die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Exporte erschwert). Beide Ursachen wirken gleichzeitig und verstärken sich. Davon besonders betroffen ist der Exportsektor und sind Industrien, die Ausrüstungsinvestitionsgüter (wie Maschinen und Geräte) herstellen.

Version Januar 2012

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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f. Die Schweizer Nationalbank SNB legte im 6. September 2011 eine feste Untergrenze für den Euro-Wechselkurs von 1.20 CHF fest. Welchen Einfluss auf die Konjunktur hat diese Massnahme?

Die Einführung des Euro-Franken-Mindestkurses hat die extreme Aufwertung vom Sommer 2011 korrigiert und der Exportwirtschaft eine gewisse Planungssicherheit gebracht. Doch auch mit einem Eurokurs von etwas über 1.20 CHF bleibt der Franken stark und damit eine Belastung für weite Teile der exportorientierten Industrie und Teile des Detailhandels. Insbesondere Unternehmen in Bereichen, in denen die preisliche Wettbewerbsfähigkeit eine grosse Rolle spielt, schreiben deshalb vermehrt Verluste.

g. Neben den genannten aussenwirtschaftlichen Faktoren, die sich negativ auf die Aussichten der Schweizer Konjunktur auswirken, gibt es binnenwirtschaftliche Faktoren, die sich günstig auf die Konjunktur auswirken. Welche könnten dies sein?

Die Schweizer Binnennachfrage wird vor allem durch drei Faktoren gestützt: das niedrige Zinsniveau, die solide Entwicklung der Realeinkommen und die nach wie vor starke Zuwanderung. Davon dürften vor allem Branchen wie Bauwirtschaft, Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung profitieren. FOLIEN ZUM THEMA FOLIE 7: Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich (Abb. 3) FOLIE 18: Schweiz, reales Bruttoinlandprodukt (Abb. 14) FOLIE 19: Entwicklung des BIP gemäss Produktionsansatz (Tab. 1) FOLIE 21: Entwicklung des BIP gemäss Verwendungsansatz (Tab. 2) FOLIE 34: Arbeitslosigkeit Schweiz (Abb. 28) FOLIE 37: Schweiz, konjunkturelle Frühindikatoren (Abb. 30) FOLIE 38: Konjunkturprognose Schweiz (Tab. 4)

Risiken

Die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der europäischen Schuldenkrise stellen eindeutig das grösste Konjunkturrisiko dar. Zentrale Voraussetzung für einen glimpflichen Konjunkturverlauf (international wie in der Schweiz) ist, dass es nicht zu einer grossflächigen internationalen Bankenkrise kommt. Denn dies hätte potenziell gravierende Auswirkungen auf die Realwirtschaft (z.B. durch eine ausgeprägte Kreditverknappung für Unternehmen). Umgekehrt dürfte sich eine nachhaltige Vertrauensberuhigung an den Finanzmärkten deutlich positiv auswirken. Zum einen würde die Schweizer Wirtschaft von der damit verbundenen Aufhellung der Konjunkturaussichten im Euroraum profitieren. Zum anderen könnte es zu einer Tieferbewertung des Frankens kommen (wegen nachlassender Safe-Haven-Effekte 4), was dazu beitragen würde, die schwierige Wechselkurssituation für die Schweizer Unternehmen zu entspannen.

Risiken: Verstehen a. Nennen Sie den zurzeit wichtigsten Unsicherheitsfaktor für die Schweizer Konjunktur.

Solange keine nachhaltige Lösung für die europäische Staatsschuldenkrise gefunden wird, bleibt der Ausblick für die Schweiz extrem unsicher. Eine Verschärfung der Lage in der Eurozone (in Form einer grossflächigen internationalen Bankenkrise) hätte schwerwiegende Konsequenzen für die Schweizer Wirtschaft. 4

Das Vertrauen in die Schweizer Volkswirtschaft ist traditionell sehr gross, der Schweizer Franken gilt als sichere Währung. Dies führt in Zeiten internationaler wirtschaftlicher und politischer Krisen (bzw. steigender Risiken und Unsicherheiten) zu einer steigenden Nachfrage nach Anlagen in Schweizer Franken; der Aufwertungsdruck nimmt zu.

Version Januar 2012

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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KONJUNKTURTENDENZEN Arbeitsauftrag

b. Welche Folgen hätte eine nachhaltige Vertrauensberuhigung an den Finanzmärkten für die Schweizer Wirtschaft?

Die europäische Konjunktur würde anziehen, was sich bald positiv auf die Nachfrage nach Schweizer Exportgütern auswirken würde. Die Wechselkurssituation für die Schweizer Unternehmen würde sich entspannen.

Risiken: Vertiefen c. Warum kann eine Bankenkrise negative Auswirkungen auf die anderen Sektoren einer Volkswirtschaft haben?

In einer Krise sind die Banken vorsichtig bei der Gewährung von Krediten. Oft sind sie gezwungen, die Kreditvergabe einzuschränken; es kommt zu einer sogenannten «Kreditklemme». Nimmt die Kreditvergabe der Banken ab, investieren Unternehmen weniger und die privaten Haushalte konsumieren weniger. Als Folge geht die Produktion von Gütern und Dienstleistungen zurück, Arbeitsplätze werden abgebaut. Auf diese Weise kann sich eine Bankenkrise über die gesamte Wirtschaft ausbreiten und es kommt zu einer Rezession.

d. Zur Schwächung des Frankens stellt die Schweizerische Nationalbank SNB der Volkswirtschaft seit Sommer 2011 sehr viel Geld zu sehr tiefen Zinsen zur Verfügung. Diese Politik hat auch ihre problematischen Seiten. Welche könnten dies sein?

Es besteht das Risiko, dass die Kreditbedingungen im Inland zu locker sind, was den Anreiz bietet, zu hohe Risiken einzugehen. Gefährdet ist insbesondere der Schweizer Immobiliensektor.5 Mittelfristig besteht zudem die Gefahr steigender Inflation.

e. Die Inflation ist gegenwärtig negativ (im Oktober 2011 –0,1%, im November 2011 –0,5%6). Steuert die Schweiz auf eine Deflation zu?

Wird der Franken aufgewertet, verbilligen sich die Importe. Eine Frankenaufwertung hat deshalb eine dämpfende Wirkung auf die Inflation in der Schweiz. Negative Inflationsraten über ein paar Monate sind freilich noch keine Deflation. Von Deflation wird dann gesprochen, wenn auf breiter Ebene und für längere Zeit die Preise sinken und im Zug dessen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zusammenbricht. Ein solches Szenario ist für die Schweiz – ausser im Fall einer Eskalation der Lage in der Eurozone – wenig wahrscheinlich. FOLIEN ZUM THEMA FOLIE 5: Bruttoinlandprodukt international (Abb. 1) FOLIE 7: Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich (Abb. 3) FOLIE 10: Geldpolitische Leitzinsen (Abb. 6) FOLIE 16: Nominaler Wechselkurs (Abb. 12) FOLIE 17: Handelsgewichteter realer Wechselkurs (Abb. 13) FOLIE 36: Konjunkturprognose: exogene Annahmen (Tab. 3)

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Vgl. die Konjunkturtendenzen vom Sommer 2011 mit dem Vertiefungsthema «Gefahr einer Blasenbildung im Schweizer Bau- und Immobiliensektor?» auf iconomix.ch. Veränderung gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat.

Version Januar 2012

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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KONJUNKTURTENDENZEN Vertiefungsthema

«Euroraum: Zuspitzung der Schuldenkrise und zunehmende Belastung der Konjunktur» Der folgende Text ist ein Auszug aus den Konjunkturtendenzen Winter 2011/2012 des Seco.

Abbildung 1: Bruttoinlandprodukt

Index, real, 2000 = 100, saisonbereinigte Werte

Quellen: SECO, Eurostat, BEA, Cabinet Office

Euroraum Zuspitzung der Schuldenkrise ...

Die Staatsschuldenkrise im Euroraum hat sich trotz der umfangreichen Beschlüsse des EU-Krisengipfels von Ende Oktober (Schuldenschnitt für Griechenland, Rekapitalisierung Banken, weitere Erhöhung bzw. Hebelung des Rettungsschirms) bislang nicht wie erhofft beruhigt, sondern eher noch verschärft. Während Italien und Spanien weiterhin im Visier der Finanzmärkte blieben, griffen die Vertrauensverluste erstmals ansatzweise sogar auf Euro-Kernländer wie Frankreich über. Darüber hinaus belasten die erhöhten Ausfallrisiken für Staatsanleihen das ohnehin angeschlagene, da schwach kapitalisierte, Bankensystem im Euroraum enorm, was sich in vermehrten Krisensymptomen – unter anderem erschwerten Refinanzierungsmöglichkeiten am Interbankenmarkt – manifestierte.

... eine zunehmende Belastung für die Konjunktur

Je länger die von der Schuldenkrise ausgehende Verunsicherung der Finanzmärkte andauert, desto stärker ist mit negativen Auswirkungen auf die realwirtschaftliche Konjunktur zu rechnen. Erstens nehmen die restriktiven Impulse von der Finanzpolitik auf die Konjunktur im Euroraum immer mehr zu, weil neben den anfänglichen Krisenländern (Griechenland, Portugal, Irland) nunmehr auch grössere Länder wie Italien, Spanien und Frankreich unter dem Druck der Finanzmärkte (d.h. steigenden Finanzierungskosten) zu verstärkten Budgetkonsolidierungsmassnahmen (staatlichen Ausgabenkürzungen bzw. Steuererhöhungen) gezwungen sind. Zweitens kann die erhöhte Unsicherheit die Investitions- und Konsumnachfrage im privaten Sektor hemmen (z.B. durch Verschiebung oder Stornierung von Investitionsprojekten). Drittens besteht die Gefahr, dass die Liquiditäts- und Solvenzprobleme vieler Banken im Euroraum zu einer Einschränkung ihrer Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte führen könnte (sogenannte Kreditklemme).

Version Januar 2012

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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KONJUNKTURTENDENZEN Vertiefungsthema

Euroraum an der Schwelle zur Rezession

Die konjunkturelle Situation hat sich bereits deutlich verschlechtert, auch wenn die Wirtschaft im Euroraum im 3. Quartal 2011 nochmals leicht gewachsen ist (+0,2% im Vergleich zum Vorquartal). Die ausgeprägte Abwärtsdynamik vieler Stimmungsindikatoren seit dem Sommer deutet aber auf ein sehr schwaches 4. Quartal mit voraussichtlich schrumpfender Wirtschaftsaktivität hin. Es besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der gesamte Euroraum – und nicht bloss wie bisher die hauptbetroffenen Krisenländer wie Griechenland oder Portugal – in eine leichte Rezession abrutscht.

Euroländer unterschiedlich von der Verschlechterung betroffen

Auch wenn die konjunkturelle Verschlechterung alle Länder im Euroraum betrifft, gibt es beim Ausmass erhebliche Länderunterschiede. Insbesondere die deutsche Wirtschaft scheint sich den Indikatoren zufolge (z.B. Ifo-Geschäftsklima) bislang noch relativ gut behaupten zu können, was Hoffnungen nährt, dass eine Rezession vermieden werden kann und es «nur» bei einer starken Konjunkturabkühlung bleibt. Akut ist die kurzfristige Rezessionsgefahr demgegenüber insbesondere in Italien, aber auch in Frankreich und in Spanien. Diese Länder haben im Vergleich zu Deutschland wesentlich grössere Probleme und entsprechenden Anpassungsdruck bezüglich Verschuldung (staatlich und privat) sowie Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen. Kein Licht am Ende des Tunnels gibt es nach wie vor für Griechenland und Portugal, für die wohl auch 2012 nochmals starke Wirtschaftsrückgänge zu erwarten sind. Die Probleme im Euroraum belasten auch die Wirtschaft Grossbritanniens, die bereits unter dem forcierten Schuldenabbau im privaten und öffentlichen Sektor leidet. Auch hier sind die Konjunkturperspektiven sehr verhalten, und es besteht Rezessionsgefahr.

Vertiefungsthema: Verstehen

a. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des realen BIP für die Schweiz, den Euroraum, die USA und Japan. Vergleichen Sie die BIP-Entwicklung für den Euroraum mit derjenigen der Schweiz und der USA.7

Alle drei Wirtschaftsräume wurden Mitte 2008 bis Mitte 2009 von der Finanz- und Wirtschaftskrise stark getroffen; das BIP brach ein. Ab Mitte 2009 setzte der Erholungsprozess ein, das BIP nahm wieder zu. Am raschesten erholte sich die Schweiz (wo der Einbruch zudem am moderatesten ausfiel), am langsamsten im Euroraum. Hier hatte das BIP auch Ende des 3. Quartals 2011 noch nicht das Niveau von vor der Finanzkrise erreicht.

b. Welche Massnahmen zur Lösung der Schuldenkrise hat der EU-Gipfel im Oktober beschlossen?

Die Schulden von Griechenland sollen zu einem massgeblichen Teil geschnitten und die europäischen Banken mit zusätzlichem Eigenkapital ausgestattet werden. Der Euro-Rettungsschirm soll ausgebaut werden.

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Japan wird hier nicht diskutiert, weil die aktuelle japanische Entwicklung aufgrund der Tsunami- und Atomkatastrophe vom Frühjahr 2011 nur bedingt mit den anderen Ländern verglichen werden kann.

Version Januar 2012

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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KONJUNKTURTENDENZEN Vertiefungsthema

c. Welche Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben die Beschlüsse des EU-Gipfels gehabt?

Die Beschlüsse haben die Finanzmärkte nicht besänftigt. Nach dem Gipfel war erstmals auch Frankreich von Vertrauensverlusten betroffen.

d. Beschreiben Sie, wie sich die Schuldenkrise ausbreitet und die Wirtschaft der Euroländer belastet. (Tipp: Im Text werden drei Entwicklungen aufgeführt.)

Folgende drei Entwicklungen werden im Text genannt: a) Immer mehr auch grössere Euroländer wie Italien, Spanien und Frankreich sind unter dem Druck der Finanzmärkte gezwungen, ihre Schulden abzubauen. Höhere Steuern und Rückgang der staatlichen Nachfrage belasten die Konjunktur. b) Die allgemeine Verunsicherung beeinträchtigt das Wirtschaftsklima. Investitions- und Konsumnachfrage im privaten Sektor gehen zurück. c) Die Probleme im Bankensektor führen zu einer Einschränkung der Kreditvergabe der Banken an Unternehmen und private Haushalte (sogenannte Kreditklemme).

e. Beschreiben Sie die Folgen der Schuldenkrise für die Konjunktur im Euroraum.

Im Herbst 2011 ist die Wirtschaft im Euroraum zwar noch leicht gewachsen. Ab dem 4. Quartal 2011 und für das Jahr 2012 wird jedoch mit einem noch schwächeren Wachstum gerechnet; das Abgleiten in eine leichte Rezession ist nicht auszuschliessen.

f. Die einzelnen Länder im Euroraum haben unterschiedliche Perspektiven. Beschreiben Sie diese.

Am besten sind die Prognosen für Deutschland. Hier wird nur mit einem Rückgang der Konjunktur, aber keiner Rezession gerechnet. Schlechter sind die Aussichten für Italien, Frankreich und Spanien, wo mit einer Rezession zu rechnen ist. In Portugal und Griechenland wird sich der bereits stattfindende Wirtschaftsabschwung fortsetzen.

Vertiefungsthema: Vertiefen

g. Welche Möglichkeiten hat ein Staat, seine Aufgaben zu finanzieren?

Ein Staat hat zwei Möglichkeiten, seine Ausgaben zu finanzieren: über Steuern oder über Schulden.

h. Wie verschuldet sich ein Staat? Wer sind die Kreditgeber?

Ein Staat verschuldet sich, indem er mit Obligationsanleihen Kredite aufnimmt. Eine Obligation (auch Bond genannt) ist ein Wertpapier, mit dem die Schuld des Kreditnehmers (hier der Staat) gegenüber dem Kreditgeber festgeschrieben wird. Eine Obligation hat i.d.R. eine feste Laufzeit und fixe Zinsen. Käufer von Staatsobligationen sind vorwiegend Banken, Anlagefonds und Versicherungen (und über Ersparnisse, Lebensversicherungen und Altersversicherungen indirekt auch die privaten Haushalte). Sie erhalten dafür Zinsen und nach Ablauf der Schuld ihr Geld zurück.

Version Januar 2012

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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KONJUNKTURTENDENZEN Vertiefungsthema

i. Wann zahlt ein Staat mehr, wann weniger für seine Kredite?

Ein Staat mit hoher Kreditwürdigkeit bzw. in guter finanzieller Verfassung zahlt weniger für seine Kredite. Wächst demgegenüber bei den Kreditgebern die Sorge, ob sie ihr Geld jemals zurückerhalten, fangen sie an, höhere Zinsen zu verlangen (Risikoprämie). Staaten in einer schlechten finanziellen Verfassung haben deshalb höhere Finanzierungskosten.

j. Warum betrifft die Schuldenkrise (bisher) nur Länder der Eurozone?

Einige Länder der Eurozone haben – in der Einschätzung der Finanzmärkte – an Wettbewerbsfähigkeit eingebüsst (zu hohes Preis- und Lohnniveau). Sie weisen hohe Leistungsbilanzdefizite auf. Deshalb wird für die Zukunft eine schwächere Wirtschaftsentwicklung und eine geringere Fähigkeit, die Schulden zu bedienen, erwartet. In einer Währungsunion kann die Wettbewerbsfähigkeit nicht über die Abwertung der eigenen Währung wiederhergestellt werden. Dies kann nur über eine (interne) Deflation (Abnahme der Preise) erreicht werden. Eine solche kann nur über eine restriktive Finanzpolitik und eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung erreicht werden.8

k. Warum sind steigende Zinsen für ein Land wie Italien ein Problem? Warum kann davon die ganze Eurozone betroffen sein?

Steigen die Zinsen für italienische Staatsobligationen, wird es für Italien immer kostspieliger, neue Kredite aufzunehmen oder bestehende zu erneuern; die Finanzierungskosten steigen. Im Extremfall ist Italien nicht mehr in der Lage, neue Schulden aufzunehmen oder bestehende zu erneuern. Italien muss dann den Bankrott erklären. Im Fall von Italien als drittgrösster Volkswirtschaft der Eurozone wäre eine Rettung durch andere Euroländer analog zu Griechenland aussichtslos; Italien ist schlicht zu gross. Die Folgen für das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem der Eurozone wären gravierend (grossflächige internationale Bankenkrise, Verstaatlichung von weiten Teilen des Bankensektors, Explosion der Staatsverschuldung, schwere Rezession). l. Warum kauft nicht einfach die Europäische Zentralbank EZB die Schulden von Italien (was zu sinkenden Zinsen bzw. Finanzierungskosten für Italien führen würde)?

Eine Zentralbank kann die Zinsen durch Vermehrung der Liquidität höchstens temporär tief halten. Spätestens wenn sich die expansive Geldpolitik in höheren Preisen (Inflation) bemerkbar macht, steigen die Zinsen (Fischer-Effekt). Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass Hyperinflationen meist die Folge des Versuchs waren, eine Staatsverschuldung durch eine Zentralbank zu finanzieren. Selbst wenn die Zentralbank die Zinsen permanent tief halten könnte, würde es sich um eine Symptomtherapie handeln. Damit wäre die Wettbewerbsfähigkeit, die Leistungsbilanz und die Fähigkeit, die Schulden zu bedienen, nicht wiederhergestellt. Deshalb – und umso mehr als ihr Risiko nicht einmal mit höheren Zinsen entgolten wird – werden Sparer und Finanzintermediäre (Banken, Versicherungen) ihren Kaufstreik an Staatspapier weiterführen. Das Schuldenproblem bliebe ungelöst. FOLIEN ZUM THEMA FOLIE 11: CDS-Preise Südeuropa und Irland (Abb. 7) FOLIE 12: CDS-Preise Osteuropa (Abb. 8) FOLIE 13: CDS-Preise Kernländer (Abb. 9) FOLIE 14: Renditen für langfristige Staatsanleihen (Abb. 10) FOLIE 15: Aktienmärkte (Abb. 11)

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Vgl. den iconomix-Baustein «Europäische Währungsunion».

Version Januar 2012

Autor: Marcel Bühler, in Kooperation mit iconomix

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