Kirchweih 2012

Predigt / Kirchweih 2012 In einer katholischen Jugendzeitschrift konnte man vor einiger Zeit lesen: „Unsere Kirche ist ein Schlafwagen. Platzkarten gi...
Author: Kilian Vogel
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Predigt / Kirchweih 2012 In einer katholischen Jugendzeitschrift konnte man vor einiger Zeit lesen: „Unsere Kirche ist ein Schlafwagen. Platzkarten gibt es bei der Taufe. Kurze Kontrolle: Erstkommunion und Firmung. Dann ist Ruhe, man kann sichs gemütlich machen. Hauptsache, der da vorn in der Lok wacht, der macht es schon, da braucht man sich nicht drum zu kümmern. Gleichmäßig hört man es rumpeln bei der Fahrt, das ist der Fortschritt. Die Schaffner versehen diskret ihren Dienst, hauptamtlich, mit Taschenlampen; dafür werden sie ja bezahlt. Erfrischungen werden angeboten von ehrenamtlichen Helfern: Nein danke – nicht nötig. Spät in der Nacht geht kurz das Licht an im Abteil. Ein Konvertit oder so was sucht einen Platz; geht’s nicht auch leiser? Irgendwann hält der Zug auf einer Station. Verschlafen fragt einer, wo wir gerade sind. Ach, schon im 21. Jahrhundert?“ Der unbekannte Verfasser dieser Zeilen könnte vielleicht auch unsere Gemeinde und unser Kirchweihfest im Blick gehabt haben. Allerdings will er dann die Insassen des „Schlafwagens“ aufrütteln. In der Tat fahren heute viele im Schlafwagen, die Platzkarte – sprich der Taufschein – haben sie sich noch ausstellen lassen. Die kurze Kontrolle bei Erstkommunion und Firmung haben sie auch überstanden; die feierliche Trauung in der Kiche gehört zum Service – und jetzt geniessen sie die Ruhe. „Der da vorne auf der Lok wacht ja“- Hauptsache, er stört nicht. Auch die Hauptamtlichen sollen nicht das Licht einschalten, das blendet ja und bringt Unruhe; Taschenlampen genügen, dafür werden sie bezahlt. Falls man einmal von Ehrenamtlichen angesprochen wird heisst es :“Nein danke, nicht nötig.“ Und wenn dann einer

wirklich ernst macht, ein Konvertit oder jemand, der von Jesus und seiner Botschaft ergriffen ist, dann wird er gleuch zurückgepfiffen:“Gehts nicht auch leiser?“ Ab und zu fragt dann auch einer, wo wir gerade sind. „Ach, schon im 21. Jahrhundert?!“ Bilder und Vergleiche hinken manchmal, und ob dieses Bild realistisch ist, darüber können Sie auch geteilter Meinung sein. Aber festhalten können wir, dass für viele Christen, die getauft sind und nominell zur Kirche gehören, das Verhältnis zur Kirche eher gestört ist. Die Kirche sind „die da oben“ gemeint sind die Amtsträger in Rom, die Bistumsleitung; Leute, die weit weg sind, räumlich und auch geistig. Der Abstand zur Kirche, zur Gemeinde vor Ort, wird immer größer – und wir können beruhigt im Schlafwagen weiterfahren. Ja, und manche steigen dann auch ganz aus, weil die Fahrt zu unruhig wird oder das Ziel unklar erscheint. Miteinander Kirche sein setzt aber einen anderen Akzent. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sieht sich die Kiche als Volk Gottes. Jesus Christus ist es, der uns alle verbindet. So sind wir des Herrn Gemeinde, wie es in einem Kirchenlied heisst. Wir sollen zusammenwachsen zu einer Gemeinschaft, um miteinander Kirche zu sein. Sie gehören alle dazu, die Reichen und die Armen, wir alle sind Glieder am Leib Jesu. Wo dieses Volk Gottes, wo diese Gemeinde sich versammelt, dort ist Gott anwesend. So will er der Welt sein Heil schenken. Mit seinem Volk, mit seiner Kirche fängt Gott an. Und wer ist dieses Volk? Wir selber – jeder und jede von uns gehört dazu, hat gleichsam Sitz und Stimme. Jeder ist in der Taufe eingegliedert, jeder ist seit seiner Firmung „mündig“. Und Kirche lebt nur, wenn alle mitmachen. So trägt auch jeder Verantwortung und jeder hat das selbe Recht, seine Ideen und seinen Beitrag einzubringen. Zuerst wird das dort geschehen, wo Kirche vor Ort lebt: in unserer

eigenen Gemeinde, in Liebfrauen mit den vielen Teilgemeinden. Hoer kann Einsamkeit überwunden werden, wenn Menschen aufeinander zugehen. Hier können wir erfahren, dass wir nicht auf Kosten anderer leben, sondern für andere da sind. Denn wir erleben Menschen, die nicht fragen:“Was bekomme ich dafür?“, sondern einfach da sind und ihren Dienst, ihre Zeit, ihr Engagement anbieten. Da wird der Friedensgruß nicht nur beim Gottesdienst weiter gegeben, sondern im Alltag spürbar. So wird Miteinander in der Kirche deutlich, Volk Gottes erlebbar; nur so werden wir glaubwürdig für die Lauen, die Uninteressierten, für die im Schlafwagen. Ja, dann sind wir eine lebendige Kirche, eine lebendige Gemeinde, die auch den Menschen in unserer Umgebung etwas mitzugeben hat. Jedoch wirkt heute die Kirche oft als Institution schwach. Manche fragen sich, wer oder was daran schuld sei. Die einen meinen, die alten Männer der Kirche hätten unserer Zeit nichts zu sagen. Andererseits sagt auch die junge Generation nicht viel, beteiligen sich die Jungen nicht. Ob aber nun die Jungen nichts sagen oder die Alten nichts hören: die Frage der Schuld bringt nichts. Die Kommunikation zwischen den Generationen muss sich verbessern, weil sie einander viel zusagen haben. Sie müssen nicht einer Meinung sein, aber einander provozieren und einander weiterbringen auf dem Weg hin zu Gott. Genau dazu braucht es das Gespräch. Das größte Leiden der Kirche im Wohlstand, im Westen, ist sicher, dass diese Kommunikation schwach geworden ist. Sicher, unser deutsches Kirchensteuerwesen hat ns unabhängig gemacht, es ist auch gerecht und ermöglicht uns als Gemeinde, als Bistum, als Kirche in Deutschland vieles, seien es Schulen, Personalstellen, eine breite Gemeindetätigkeit. Aber die Kehrseite ist, dass wir wohl in manchen Dingen schon zu lau geworden sind, dass wir

sagen: Ich leiste ja schon meine Abgabe an die Kirche, sollen die dann mal was draus machen. Aber darüberhinaus brauchen wir auch das Engagement aller, die Ideen, Gedanken, die Glaubenskraft und Glaubenserfahrung des Volkes Gottes, denn wir alle sind in der Taufe zu Priestern, Königen und Propheten gesalbt. Wichtig ist der Dialog, meinetwegen auch der Streit, zwischen Jung nd Alt, zwischen Tradition und modernen Fragen. Wenn dieser Dialog wieder Dynamik bekäme, wäre ich glücklich. Dann könnten wir uns gegenseitig in der Liebe weiterbringen und wären auch liebenswürdig als Kirche, als Gemeinde. Wir würden spüren, dass wir in Gott so geborgen sind, dass wir uns in alle Themen, Aufgaben und auch in alle Konflikte hineinwagen können. Viele meinen, man solle doch in der Kirche nicht diskutieren, ja nicht streiten. Ich meine, der Disput, auch der Streit gehört dazu. Natürlich im Guten und um der Sache willen. Denn wir müssen ringen um den richtigen Weg, um den richtugen Platz der Kirche in der Welt von heute. Aber dies alles wohl wissend, dass wir in der Nachfolge Christi sind, dass wir alle in Gott geborgen sind und so die Einheit wahren müssen. Denn wenn wir dies nicht tun, ja wenn uns im Dialog die Liebe fehlt, dann haben wir uns wohl der Welt angeglichen. Die Situation der Kirche in Europa, vor allem im Westen, verlangt heute Entscheidungen. Das ist für viele recht schwierig geworden in einer Zeit und Gesellschaft, wo einem alles offen steht, in der ich mic mal so, mal so enscheiden kann, ohne große Konsequenzen eingehen zu müssen. Und es liegt an uns, dass wir uns als Christen, als Gemeinde immer wieder von neuem entscheiden. Auch heute morgen haben sie eine Entscheidung getroffen: Ja, ich möchte heute in die Kirche, zum Gottesdienst gehen. Möchte Gemeinschaft erfahren und zur Ruhe kommen. Das

ist heute, zu diesem Festgottesdienst, eine schöne und bereichernde Erfahrung. Es gibt aber auch Gemeinden, die vordergründig nur wenig zu jubeln haben: Ihre Kirche wird geschlossen, es gibt keinen Seelosorger mehr vor Ort, die nächste Gottesdienstmöglichkeit liegt 40 km entfernt, es gibt keine Kinder und Jugendlichen mehr in der Gemeinde. Vor allem in größeren Städten finden am Sonntag Gottesdienste statt, in denen die Kinder und Jugendlichen kaum noch anwesend sind. Bei uns merken wir zwar in der letzten Zeit, dass doch der Gottesdienst lebendig ist, dass Kinder zum Gottesdienst, zum RU, in den Kinderchor, zu Vorjugend,zur Erstkommunion gehen. Aber dennoch müssen wir feststellen, dass die kommende Generation meist fehlt oder sich wieder verabschiedet. Dafür können wir viele Gründe nenne, oft ganz praktische. Sicher, es gibt viele lebendige Gemeinden, auch wir gehören sicher dazu. Trotzdem können wir nicht übersehen, dass die Kirche in den letzten Jahren viele jungen Menschen verloren hat. Da dürfen wir uns fragen, wie wir sie wieder gewinnen können. Wo finden jungen Menschen jene Schätze, die sicher aus dem Leben von uns allen nicht mehr wegzudenken sind? Wo lernen sie zu beten, miteinander Abenteuer zu suchen, sich für soziale Aufgaben einzusetzen? Wo feiern sie Feste? Wo können Jugendliche sich im sozialen Gefüge ausprobieren, lernen, sich in der Gruppe zu verhalten, werden auch zu Führungspersönlichkeiten ausgebildet? Wo lernen sie, gute Freunde zu sein, Menschen, die ein Auge für die Not anderer haben? Und dann den Mut, Traurige oder Verlassene anzusprechen? Wo lernen sie Selbstbewusstsein? Wo lernen sie Gott kennen?Wo bekommen sie Bildungsangebote in der eigenen Religion, über die Bibel, über die Kirche, über unsere heutigen Aufgaben? Karl Rahner, ein großer Theologe und Konzilsteilnehmer,

nutzte oft das Bild von der Glut unter der Asche. In der heutigen Kirche hat sich recht viel Asche über den Kohlen angehäuft, dass wir vielleicht manchmal rat- und hilflos werden könnten. Wie können wir die Asche entfernen, so dass die Flamme der Liebe neu aufflackern kann? Zunächst müssen wir nach diesem Feuer suchen. Wo sind die Menschen, die helfen wie der gute Samariter? Die glauben wie der römische Hauptmann? Die begeistert sind wie Johannes der Täufer? Neues versuchen wie Paulus? Vertrauen wie Maria Magdalena? Wir sollten wieder zur Glut durchdringen, und wie das gelingen kann zeigt uns heute auch Jesus. Manches gehört immer wieder erneuert, manches gehört „rausgeschmissen“, manches auch einfach gereinigt, damit es wieder strahlen kann in unserer heutigen Zeit. Um nichts anderes geht es im Evangelium des Kirchweihfestes, der sogenannten Tempelreinigung. Jesus macht auch hier gleichsam einen gründlichen Kirchenputz, um wieder die Glut unter der Asche zu heben, wieder zum Kern durchzudringen. Doch geht es ihm nicht nur um den Tempel aus Steinen, ganz deutlich spricht er im zweiten Teil des Evangeliums ja vom Tempel seines eigenen Leibes. Und die Lesung übersetzt uns dieses Bild in unser Leben, wenn es heisst: Ihr seid eine königliche Priesterschaft, ein heiliges Gottesvolk, der Ort, an dem Gottes Gegenwart und Liebe spürbar sein sollen, damit Leben und Heilung in die Welt hineinkommen kann. Und dann lassen wir uns zu lebendigen Steinen zu einem geistigen Haus aufbauen. Dann können wir Heimat sein für die Menschen unserer Zeit, könenn gemeinsam auf dem Weg sein als pilgerndes Volk Gottes, dann bleiben wir dynamisch und sind in der Nachfolge Jesu, indem wir die frohe Botschaft durch unser Leben, unser Gemeindeleben, ja durch das ganze kirchliche Wirken der Welt verkünden.