Juni 2008

Nr. 11 / Juni 2008 Meine MEINUNG Dipl.-Ing. Helmut Echterhoff Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie Die Bauwirtschaft: Bauen ...
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Nr. 11 / Juni 2008

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MEINUNG Dipl.-Ing. Helmut Echterhoff Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie

Die Bauwirtschaft: Bauen in 5, 10, 20 Jahren – Zwischen Industrialisierung und Individualisierung, Strukturen und Herausforderung für die Bauindustrie Vortrag im Rahmen der Kongressmesse „Urban Solutions Berlin, bautec 2008“ am 21. Februar 2008 in Berlin

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Dipl.-Ing. Helmut Echterhoff

Die Bauwirtschaft: Bauen in 5,10, 20 Jahren – Zwischen Industrialisierung und Individualisierung, Strukturen und Herausforderung für die Bauindustrie „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Würden wir diesem Zitat des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt folgen, könnte ich meine Rede an dieser Stelle gleich wieder beenden. Andererseits: Wer als Unternehmer – auch als Bauunternehmer – keine Visionen hat, wird vermutlich seine Firma nicht dauerhaft am Markt halten können. Wenn wir darüber nachdenken, wie der deutsche Baumarkt und seine Strukturen in 20 Jahren aussehen können oder werden, müssen wir uns also einer Mischung aus statistischen Grunddaten, vorhersehbaren Trends, aber eben auch Visionen bedienen. Bauen ist kein Selbstzweck, es findet nicht im luftleeren Raum statt. Bauen wird von einer Vielzahl ökonomischer, sozialer, gesellschaftspolitischer, ökologischer und demografischer Rahmenbedingungen beeinflusst. Wenn Sie also von mir eine Auskunft zu der Frage erwarten, wohin sich der deutsche Baumarkt entwickeln wird, müssen wir uns zunächst um die zugrunde liegenden Trends kümmern. Aus meiner Sicht gibt es heute fünf Megatrends, die unser aller Leben in den nächsten 20 Jahren nachhaltig beeinflussen werden.

Demografie Wir werden älter, dies gilt nicht nur für uns als Individuen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft in Deutschland. Und wir werden weniger; nach einer neuesten Schätzung hatte Deutschland Ende 2007 noch 82,2 Mio. Einwohner. Bis zum Jahr 2030 soll diese Zahl nach den neuesten Vorhersagen auf 79,7 Mio. zurückgehen. Allerdings ist dazu eine jährliche Nettozuwanderung von 200.000 Per-

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sonen notwendig, eine Zahl, die wir bereits seit Jahren auch nicht annähernd erreichen. Von daher ist auch ein Rückgang auf 77 Mio. Einwohner denkbar. Weit bedeutungsvoller als dieser Rückgang ist allerdings die Alterung der Bevölkerung. 2005 war genau ein Viertel der in Deutschland lebenden Bevölkerung 60 Jahre und älter. Bis 2030 soll dieser Anteil auf 36 % steigen. Dies wird gravierende Auswirkungen auf unsere sozialen Sicherungssysteme, auf die Wohnungsnachfrage, die Gesundheitssysteme und viele andere Bereiche des täglichen Lebens haben.

Umwelt Der zweite Megatrend ist der Gesamtbereich der Umwelt. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, der Klimawandel ist da. Kyoto-Protokoll und Klimakonferenz in Bali sind mittlerweile auch für den viel zitierten Otto Normalverbraucher ein Begriff. Für uns alle, sei es als privater Verbraucher oder als Unternehmer, ist klar geworden, dass das Erreichen der Klimaschutzziele keine Kür, sondern unbedingt notwendiges Pflichtprogramm ist, wenn wir unseren Wohlstand dauerhaft erhalten wollen. Aber auch andere umweltschutzpolitische Ziele, seien es Abwasserentsorgung und Ressourcen schonende Wasserversorgung, Müllverbrennung und Altlastensanierung, Materialrecycling und Flächeninanspruchnahme durch Bauten, werden uns alle dauerhaft beschäftigen. Generell wird gelten: Die Einflussnahme des Umweltschutzes auf Produktion, Konsum und Freizeitverhalten in Deutschland wird in den nächsten 20 Jahren sogar eher noch zu- als abnehmen.

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Mobilität Wir alle haben uns in den letzten Jahrzehnten daran gewöhnt, dass der Verkehr scheinbar unaufhörlich zunimmt. Per Flugzeug, Schiff, Bahn oder Auto, die grenzenlose Mobilität bei der Beförderung von Personen und Gütern hat zu exorbitanten Wachstumsraten geführt. Zudem bezeugen uns alle vorliegenden Prognosen, dass sich diese Entwicklung – auch in Deutschland – in den nächsten Jahren nahezu ungebremst fortsetzen soll. Dies ist auch durch das Zusammenwachsen der europäischen Märkte bedingt. Außerdem liegt Deutschland im Schnittpunkt der Nord-Süd- sowie Ost-West-Verkehrskorridore durch Europa. Im Personenverkehr soll die Verkehrsleistung in Deutschland – gemessen in Milliarden Personenkilometern – bis 2025 nochmals um nahezu 20 % zulegen, im Güterverkehr sogar um 70 %. In beiden Bereichen soll das Wachstum auf der Straße am stärksten ausfallen. Allerdings mehren sich unter den Stichworten Lärmbelästigung, Flächenversiegelung, Kohlendioxyd-Ausstoß bereits heute die Widerstände gegen eine ungebremste Verkehrszunahme.

Globalisierung Wir alle haben in den letzten zehn Jahren die Entwicklung dessen, was man heute Globalisierung nennt, am eigenen Leib erfahren, im positiven wie im negativen Sinne. Neue Produktionsstandorte für Güter- und Dienstleistungen haben sich weltweit etabliert, neue potenzielle Wirtschaftsgiganten wie China oder Indien rücken auf den Weltmärkten vor. Produktion wird vielfach nicht mehr dauerhaft angesiedelt, sondern zieht scheinbar immer dahin um, wo der Faktor Arbeit gerade am billigsten ist. Das jüngste plakative Beispiel aus deutscher Sicht ist die Verlagerung der Nokia-Produktion von Bochum nach Rumänien. Die Globalisierung hat allerdings gerade für

Deutschland viele Vorteile gebracht. Nur sie ermöglichte es uns, „Exportweltmeister“ zu werden. Zudem nutzen auch viele deutsche Unternehmen, die höchst erfolgreich auf den Weltmärkten konkurrieren, in erheblichem Umfang die Möglichkeit, aus lohnkostengünstigeren Standorten im Ausland Vorprodukte zu beziehen und sie in Deutschland zu „veredeln“. Der generelle Trend zum Zusammenwachsen von Märkten, auch von Baumärkten, mit seinen positiven Seiten, aber auch mit seinen Schattenseiten, wird in den nächsten 20 Jahren anhalten.

Rohstoffe Der letzte von mir skizzierte Megatrend ist der weltweite Hunger nach Rohstoffen. Viele aktuelle Unternehmenszusammenschlüsse in diesem Bereich dienen nicht nur kurzfristigen unternehmenspolitischen Zielen, sondern auch oder sogar vor allem der langfristigen Sorge um den Erwerb von Rohstoffquellen. Nicht von ungefähr stehen dabei oft Unternehmen aus China und Indien auf der Bieterseite. Gerade diese Länder, an der Schwelle zur Industrienationen, verfügen nur über unzureichende eigene Rohstoffquellen und wollen sich durch die Übernahme von entsprechenden Firmen langfristig unabhängig machen. Deutschland, ein Land dessen Rohstoff vor allem im Humankapitalbereich liegt, wird vom weltweiten Hunger nach Rohstoffen aller Art langfristig erheblich betroffen. Die aktuellen Kapriolen der Rohstoffpreise, nicht nur im Energiebereich wie bei Erdöl und Gas, haben nicht nur kurzfristige Auswirkungen auf Unternehmensgewinne und die Kaufkraft der Verbraucher. Auch die Bauwirtschaft wurde vor allem 2006 und 2007 von stark steigenden Preisen für Vorprodukte wie Betonstahl oder Bitumen betroffen. Das Absichern und Managen von Preisschwankungen wird daher zukünftig zum Geschäft gehören.

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Auswirkungen der Megatrends auf die Nachfrageseite des deutschen Baumarktes

Einkommens der privaten Haushalte und die demografische Entwicklung. Daran wird sich grundsätzlich auch in den nächsten 20 Jahren nichts ändern.

Was bedeuten nun diese Megatrends für die Baubranche? Wie werden sie sich auf die Nachfrage nach Bauleistung in Deutschland und damit auf die Produktion der Branche auswirken?

Zwar habe ich bereits die Prognosen zitiert, nach denen die Einwohnerzahl in Deutschland langfristig deutlich zurückgehen wird. Allerdings wird sich die Zahl der privaten Haushalte in Deutschland noch bis zum Jahr 2020 weiter erhöhen und danach nicht so deutlich zurückgehen wie die Einwohnerzahl selbst. Daraus leite ich für die Zukunft folgende Trends ab:

Zumindest für die Hälfte des von mir beschriebenen 20-Jahreszeitraumes liefert das ifo Institut in seiner aktuellen Bauvorausschätzung den Versuch einer Antwort. Danach soll das reale Bauvolumen in Deutschland bis 2017 jährlich um 0,7 % zulegen. Das „stärkste“ Wachstum mit 0,9 % wird dabei noch im Wohnungsbau veranschlagt, der Wirtschaftsbau soll um 0,5 % und der Öffentliche Bau um 0,3 % jährlich zulegen. Allerdings haben wir alle in den letzten zehn Jahren schmerzlich erfahren müssen, dass Prognosen – vor allem im Langfristbereich – zum Teil nur „Wetten auf die Zukunft sind. Zuerst haben wir alle Dauer und Stärke der Baurezession in Deutschland unterschätzt, dann wollte zuerst niemand so recht an die Trendwende ab dem Jahr 2006 glauben. Sie werden daher sicherlich Verständnis dafür haben, dass ich an dieser Stelle nicht versuche, Ihnen für das Jahr 2028 Investitionsvolumina in Milliarden Euro zu nennen, sondern mich darauf beschränke, qualitative Trends aufzuzeigen. Eines allerdings soll an dieser Stelle vorn angestellt werden: Ohne ein Wirtschaftswachstum in Deutschland wird es auch kein Wachstum am Bau geben. Nur wenn es uns gelingt, die anhaltende Konjunkturschwäche der Jahre 2000 bis 2005 dauerhaft hinter uns zu lassen, wird auch die Produktion in der Bauwirtschaft langfristig im Trend zulegen.





Das Schwergewicht der Fertigstellungen wird weiterhin bei Ein- und Zweifamilienhäusern liegen, der Anteil des Geschosswohnungsbaus bei rund 40 %.



Die regionale Differenzierung im Neubau wird noch stärker ausfallen als in der Vergangenheit. Hauptsächlich Wachstumsregionen wie der Großraum Hamburg, die Rheinschiene sowie die Ballungsräume im Süden Deutschlands werden noch erheblichen Neubau sehen.



Der Anteil der Maßnahmen im Wohnungsbestand am Wohnungsbauvolumen, der derzeit bei 60 bis 65 % liegt, wird zukünftig noch weiter zunehmen.



Bei den Bestandsmaßnahmen werden wir zukünftig ein Übergewicht bei den energetischen Sanierungsmaßnahmen erleben, die – unabhängig von staatlichen Förderprogrammen – vor allem durch die im Trend steigenden Energiekosten erzwungen werden.



Wohnungsbau Langfristig bestimmten vor allem zwei Rahmenbedingungen die Nachfrage nach Wohnungsbauleistungen: Die Entwicklung des verfügbaren

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Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen wird sich – abgesehen von den natürlichen jährlichen Schwankungen – bei etwa 250.000 Einheiten einpendeln.

Der zweite Schwerpunkt der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen wird unter dem Stichwort „Barrierefreies Wohnen“ vorgenommen werden. Dies betrifft die notwendige Anpassung an die Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung.

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Mit Hinweis auf die „Versiegelung der Landschaft“ wird das Ausdehnen der Verdichtungsräume in die Fläche vermutlich deutlich abgebremst werden. Dafür werden wir viele Baulücken in den Städten selbst schließen.

Schwergewicht noch stärker bei den Bauten für den gesamten Dienstleistungssektor liegen. Dazu zählt vor allem die gesamte Logistikbranche, die mittlerweile Marktführer in Europa geworden ist. ■

Ein bedeutsames Marktfeld wird der Ersatz uneffektiver und Umwelt verschmutzender Kraftwerke sein; zudem werden wir erhebliche Stromerzeugungskapazitäten hinzu bauen müssen. Dies betrifft auch alternative Formen der Energiegewinnung, bei denen wir vor allem auf die Windenergie – und hier besonders in Windparks auf dem Meer – setzen.



Der Trend wird verstärkt zum Leasing von Wirtschaftsgebäuden anstelle des Eigenbaus gehen. Dies verkürzt die potenziellen Nutzungszeiten und sorgt in der Tendenz für erhöhten Neubaubedarf.



Der Deutschen Bahn AG ist es in den letzten Jahren gelungen, ihre Gütertransportleistung stark auszuweiten. Will sie weiter erfolgreich agieren und besteht politische Einigkeit, zumindest einen Teil des Gütertransportes von der Straße auf die Schiene zu verlagern, müssen langfristig die Investitionen in das Schienennetz ausgeweitet werden. Zudem müssen wir ernsthaft über den Neubau separater Schienengüterstrecken nachdenken.



Der Freizeitbereich wird in Zukunft als „Bauauftraggeber“ noch mehr an Bedeutung gewinnen. Ob Freizeitparks, überdachte Skihallen, Wellness-Hotels, Indoor-Großspielhallen in Verdichtungsräumen, der Trend zu einer alternativen Freizeitgestaltung abseits der etablierten Sportvereine wird weitergehen und für entsprechende Nachfrage sorgen.



Unter dem Stichwort „Betreutes Wohnen“ werden zukünftig vor allem private Investoren in Altenwohnanlagen mit kompletter Dienstleistungsstruktur für die Bedürfnisse älterer Menschen investieren. Zwar hat hier die überzogene

Wirtschaftsbau Lange galt für Deutschland der Spruch: Wächst das reale Bruttoinlandsprodukt über mehrere Quartale hinweg mit einer realen Rate von gut 2 %, zieht mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auch der Wirtschaftsbau nach. Zumindest in der Phase starker Wachstumsraten gegen Ende des letzten Jahrzehnts galt dieser Zusammenhang nicht mehr, die Schwäche hielt viel mehr noch bis 2005 an. Daher stellt sich die Frage: Ist das jetzige deutliche Wachstum des Wirtschaftsbaus nur ein „Strohfeuer“ oder aber dauerhaft angelegt? Zur Beantwortung dieser Frage sind vor allem zwei Faktoren von Bedeutung: Zum einen, ob es uns gelingt, dauerhaft Wachstumsraten des realen Bruttoinlandsproduktes von 2 bis 2,5 % zu erwirtschaften, die es uns ermöglichen würden, das Problem der Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Zum zweiten, ob im Zeitalter der Globalisierung und zusammenwachsender Märkte die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland weiter geht, oder ob es uns gelingt, mit qualitativ hochwertiger Produktion von Gütern und Dienstleistungen am Hochlohnstandort Deutschland dauerhaft auf den Weltmärkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch für den Wirtschaftsbau möchte ich meine Erwartungen für die Zukunft in Form qualitativer Trends formulieren: ■



Wir werden in den nächsten 20 Jahren im Trend reale Wachstumsraten der gewerblichen Bauinvestitionen erleben, diese werden allerdings das Niveau, das wir vor der Wiedervereinigung hatten, nicht mehr erreichen. Parallel zum anhaltenden Strukturwandel in der deutschen Wirtschaft wird zukünftig das

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Euphorie der letzen zehn Jahre deutlich nachgelassen, dennoch wird allein die demografische Entwicklung in diesem Sektor für eine stetig steigende Nachfrage sorgen.

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mehr erwarten lässt, werden wir mit Übergangslösungen arbeiten. ■

Öffentlicher Bau Von 1992 bis 2005 ist das Volumen der öffentlichen Bauausgaben um gut ein Drittel bzw. 13 Mrd. Euro zurückgegangen. Wenn auch das hohe Ausgangsniveau durch die Investitionen im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit überhöht gewesen sein mag, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass durch diese Investitionszurückhaltung von Bund, Ländern und Gemeinden ein riesiger Investitionsstau entstanden ist. Zwar erleben wir derzeit ein relativ deutliches nominales Wachstum der öffentlichen Bautätigkeit, es stellt sich aber die Frage, ob dies dauerhaft angelegt ist. Die langfristigen Entwicklungschancen des öffentlichen Baus in Deutschland werden vorrangig durch drei Determinanten bestimmt. Erstens: Wird es uns gelingen, durch ein stabiles Wirtschaftswachstum die Arbeitslosigkeit mit ihren hohen Kosten zurückzuführen und die Steuereinnahmen des Staates auf eine stabile Basis zu stellen? Zweitens: Wird die Politik den notwendigen Mut zum Umsteuern aufbringen, das heißt, werden wir die Konsum- und Sozialausgaben des Staates zumindest teilweise durch Investitionen ersetzen? Drittens: Wird es uns gelingen im Rahmen von Public Private Partnership-Modellen ausreichend privates Kapital für bislang als öffentlich bezeichnete Baumaßnahmen zu generieren? Auch für den öffentlichen Bau möchte ich nun einige Entwicklungslinien in Form von Trendaussagen skizzieren: ■

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Neue Baumaßnahmen der Öffentlichen Hand, sowohl im Hoch- wie im Tiefbau, werden zukünftig verstärkt unter dem Gesichtspunkt der langfristigen Nutzung getätigt. Da wo die Demografie langfristig keine entsprechende Nachfrage











Unter dem gleichen Gesichtspunkt werden wir auch eine flexiblere Planung und Nutzung öffentlicher Bauten erleben. Flexibler zum einem in zeitlicher Hinsicht, was auch für die Öffentliche Hand Leasing statt Eigenbau bedeuten kann. Flexibler aber auch hinsichtlich der Nutzung. Der Aspekt der Betriebskosten wird unter der Überschrift „Lebenszyklusbetrachtung“ stärker an Bedeutung gewinnen. Eine reine Konzentration auf den scheinbar günstigsten Baupreis unter Vernachlässigung des sehr viel größeren Kostenblocks des laufenden Betriebes wird der Vergangenheit angehören. Anstelle des Neubaus werden in einigen Regionen verstärkt auch Umwidmungen von Bestandsimmobilien stehen. Wir werden zwar nicht notwendiger Weise Kindergärten zu Altenheimen umbauen, aber die Demografie wird auch im öffentlichen Bau deutliche Spuren hinterlassen. Der Verkehrswegebau wird weiterhin – trotz unbestreitbarer Bedeutung für den Wirtschaftsund Logistikstandort Deutschland – unterfinanziert bleiben. Ausbaumaßnahmen sind politisch eher durchzusetzen als der Neubau. Die Kommunen und die Ver- und Entsorgungsunternehmen müssen ihr restriktives Investitionsverhalten bei der Leitungsinfrastruktur aus Gründen des Umweltschutzes und der Wirtschaftlichkeit aufgeben. Langfristig wird sich in Deutschland der PPP-Gedanke durchsetzen. Auch in Zeiten vermeintlich vollerer öffentlicher Kassen wird die Beteiligung Privater unter dem Druck zum effizienten Einsatz öffentlicher Mittel zunehmen.

Auswirkungen auf die Angebotsseite des Baumarktes Schon in den letzten 15 Jahren haben wir einen deutlichen Strukturwandel unter den Anbietern auf

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dem deutschen Baumarkt gesehen. Der Anteil der großen Unternehmen an der Bauproduktion in Deutschland ist deutlich zurückgegangen. Auch der bauwirtschaftliche Mittelstand hat hier „Federn lassen müssen“. Dafür haben diese Firmen verstärkt auf den Einsatz von Nachunternehmern – teilweise auch aus dem Ausland – gesetzt. Gleichzeitig haben die großen Baukonzerne ihr internationales Geschäft forciert. Auch die Fokussierung auf die Bausparten hat sich deutlich gewandelt. Der Anteil des Wohnungsbaus am Umsatz der größeren Bauunternehmen ging bis 2006 auf nur noch 7 % zurück, im bauwirtschaftlichen Mittelstand sind es noch 13 %. Diese Firmen konzentrieren sich mittlerweile nahezu ausschließlich auf Bauten für gewerbliche und öffentliche Auftraggeber. Auch hier stellt sich die Frage, setzt sich diese Entwicklung in der Zukunft fort?

werb wieder durch einen Qualitätswettbewerb zu ersetzen. Generell wird – auch auf der Nachfragerseite – das Qualitätsargument wieder an Bedeutung gewinnen. ■

Alle Formen von Dienstleistungen rund um das Bauwerk, werden an Bedeutung gewinnen. Erfolgreichen Firmen wird es auf diesem Weg gelingen, sich zumindest teilweise von der zyklischen Entwicklung des Baumarktes abzukoppeln und in ein vergleichsweise stabiles Geschäftsfeld hineinzuwachsen.



Der Druck ausländischer Niedriglohnanbieter auf den deutschen Baumarkt lässt partiell nach. Die Lohnspreizung zwischen Deutschland und den europäischen Nachbarländern, vor allem im mittel- und osteuropäischen Bereich, wird sich zwar langsam aber stetig verringern.



Unter dem Stichwort „Partnering“ werden Bauherren, Planer und bauausführende Wirtschaft zukünftig enger zusammenarbeiten. Die bisherige strikte Trennung zwischen Planung und Bauausführung birgt ein erhebliches Konfliktpotenzial zwischen den Vertragsparteien, das wir uns langfristig nicht mehr erlauben können.



Langfristig benötigen wir auch eine neue Gewichtung dessen, was ich unter „fairer Risikoverteilung“ verstehe. Viele Bauunternehmen haben unter dem Druck der Marktverhältnisse Risiken wie z.B. das Genehmigungsrisiko, das Vollständigkeitsrisiko für Auftraggeberunterlagen, das Baugrundrisiko oder das Bestandsrisiko übernommen, die von ihnen nicht zu beherrschen waren. Damit ist allen am Bauprozess Beteiligten Schaden entstanden. Die Unternehmen der deutschen Bauindustrie werden dies zukünftig ablehnen.



Die Baufirmen werden zukünftig Wertemanagementsysteme einführen müssen. Dazu werden wir gemeinsame Leitlinien entwickeln, an denen wir unser Verhältnis zueinander im Wettbewerb, aber auch im Verhältnis zu unseren Kunden und

Für die Anbieterstruktur auf dem deutschen Baumarkt sehe ich mittel- bis langfristig folgende Entwicklungslinien: ■

Großfirmen – aber zunehmend auch Mittelständler – werden die internationale Geschäftstätigkeit ausbauen; die großen Firmen durch weltweite Übernahmen, Mittelständler vor allem durch Joint-Ventures mit Baufirmen in den MOELändern.



Bisher lose Zusammenschlüsse – zeitweilig in Form von Arbeitsgemeinschaften organisiert – werden zukünftig fester; in ein solches Netzwerk werden wegen des Bedeutungsgewinns der Bestandsmaßnahmen auch Firmen des Ausbaugewerbes einbezogen werden.



Die enge Konzentration der Firmen des Bauhauptgewerbes auf den Neubau wird zumindest teilweise aufgeweicht. Der Nachfragewandel erzwingt auch eine Ausdehnung der Geschäftstätigkeit auf den Bestand.



Unter der Bedingung, dass die Baufirmen endlich einmal langfristig denken und handeln, kann es gelingen, den vorherrschenden Preiswettbe-

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Lieferanten messen lassen wollen. Schließlich verlangen immer mehr private und öffentliche Auftraggeber den Nachweis eines solchen Wertemanagements als Voraussetzung zur Zulassung zur Ausschreibung oder als Element der Lieferantenklassifizierung. All dies wird dazu führen, dass sich auf dem deutschen Baumarkt zukünftig hauptsächlich vier Typen von Bauunternehmen behaupten können: ■

Größere Baufirmen, die ich eher als „Baumanagementfirmen“ bezeichnen würde. Diese konzentrieren sich auf eine gute Organisation, haben Spezialisten für das Projektmanagement, bieten alle Arten von Dienstleistung rund um das Bauwerk an und haben nur noch einen relativ geringen Anteil an eigener Bauproduktion.



Lokal- oder Regionalmatadoren: Diese verfügen in ihrer Kommune bzw. im engeren oder weiteren Umland über eine starke Stellung, die sich auch auf Netzwerke sowie die Einbindung anderer Firmen (z.B. aus der Baustoffproduktion) in die Wertschöpfungskette ergibt. Diese Firmen werden auch weiterhin über einen hohen Anteil an eigener Bauproduktion verfügen.



Der dritte Typus werden Spezialisten – vor allem im Mittelstand – sein, die sich auf einem hohen technischen Niveau bewegen. Sie arbeiten zumeist überregional, zeichnen sich durch eine hohe Innovationsfähigkeit aus und konzentrieren sich mit einer eigenen Kernbelegschaft vor allem auf anspruchvolle Bauleistungen.

Herausgegeben vom: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. Hauptabteilung Volkswirtschaft, Information und Kommunikation Kurfürstenstraße 129, 10785 Berlin Tel. 030 21286-0, Fax 030 21286-189 E-Mail [email protected] www.bauindustrie.de

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Das Bauhandwerk – also die Firmen mit bis zu 20 Mitarbeitern, vielleicht auch 50 Mitarbeitern – haben inhabergeführt bei kundenfreundlicher und qualitätsorientierter Leistung sowohl im kleinen Neubau als auch in der Renovierung weiterhin gute Chancen.

Schlussbemerkungen Nichts ist so sicher wie der Wandel. Dies gilt auch – oder vor allem – für das Bauen und allen daran Beteiligten. Schon in den letzten 15 Jahren haben wir erlebt, wie scheinbar fest gefügte Strukturen aufgebrochen und in Frage gestellt worden sind. Neue Märkte – geografisch wie inhaltlich – haben sich aufgetan, neue Wettbewerber sind auf den Plan getreten und neue Regeln eingeführt worden. Nur wer diesen Wandel beherrschen kann, wird als Unternehmer langfristig auf dem Markt erfolgreich agieren können. Dies gilt auch für die Zukunft. Unabhängig davon, ob und in welchem Ausmaß die von mir skizzierten Trends eintreten werden, ist eines klar. Die Baumärkte, lokal, regional oder europaweit werden sich fortlaufend im Umbruch befinden. Auf diese Herausforderungen müssen wir alle reagieren. Die Politik, die gefordert ist, geeignete Rahmenbedingungen zu setzen. Die Bauauftraggeber, die ihre Wünsche in Einklang mit den technischen Möglichkeiten und den vorgegebenen Rahmenbedingungen bringen müssen. Wir Bauunternehmer, die auf allen Stufen des Planungs- und Bauprozesses Antworten auf die Fragen der Zukunft liefern müssen.