Interaktionen von Sport und Schlaf

Interaktionen von Sport und Schlaf Annmarie Kramer, Dr. med. Interaktionen von Sport und Schlaf SANA-Klinikum Berlin-Lichtenberg 10365 Berlin, Fanni...
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Interaktionen von Sport und Schlaf

Annmarie Kramer, Dr. med.

Interaktionen von Sport und Schlaf SANA-Klinikum Berlin-Lichtenberg 10365 Berlin, Fanningerstr.32 Tel. 030.55185054 [email protected]

Foto: www.sportfotos-berlin.com, mit freundlicher Genehmigung.

Der folgende Beitrag trägt einige Erkenntnisse zusammen, inwieweit sich sportliche Tagesaktivität und Schlafqualität gegenseitig beeinflussen. Dabei wird einerseits darauf eingegangen, wie guter oder schlechter Schlaf sportliche Leistungen beeinflussen kann und andererseits, wie sportliche Aktivität Schlafparameter modifizieren kann. Die Thematik wird mit folgender Gliederung bearbeitet: • • • •

Reduzierte Schlafquantität und -qualität beeinträchtigen die sportliche ­Leistungsfähigkeit. Schlafverlängerung kann die sportliche Leistungsfähigkeit steigern. „Training“ im Schlaf. Sportliche Aktivität beeinflusst die Schlafparameter. 71

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Reduzierte Schlafquantität und -qualität beeinträchtigen die sportliche Leistungsfähigkeit Will man sich der Bedeutung des Schlafes für den Menschen nähern, hat man dies traditionell über die Folgen des Schlafentzugs getan. Es gibt viele Studien, die unter den Bedingungen eines partiellen oder totalen Schlafentzugs eindrucksvoll eine Einschränkung der kognitiven Funktionen (Reaktionszeit, Lern- und Gedächtnisaufgaben), der Stimmung, aber auch der physischen Leistungsfähigkeit belegen, insbesondere bei Aufgaben, die Genauigkeit und Ausdauer erfordern. Insofern ist eine Einschränkung der sportlichen Leistungsfähigkeit bei Schlafmangel unstrittig[1–3]. Neben den Aspekten der Schlafquantität spielen auch jene der Schlafqualität eine Rolle. Zahlreiche anekdotische Beschreibungen berichten über schlechten Schlaf vor wichtigen Wettkämpfen bzw. auch über Leistungsversagen aufgrund schlechten Schlafes in der Nacht vor dem Wettkampf. Wenngleich es dazu keine Schlaflaborstudien gibt, weiß man aus Schlaflaborstudien zu anderen „Real-life-StressSituationen“, dass das Korrelat der eingeschränkten Schlafqualität vor allem in einer Erhöhung der Einschlaflatenz sowie in einer Häufung von nächtlichem und frühmorgendlichem Erwachen liegt[4]. Es gibt diverse Fragebogenstudien zum Thema Schlaf vor Wettkämpfen, die aufzeigen, dass Schlafprobleme bei Athleten vor Wettkämpfen relativ häufig sind und dass Athleten nur über wenige oder unzureichende Strategien im Umgang mit Schlafproblemen vor einem Wettkampf verfügen. Hier wird ein sportpsychologischer Interventionsbedarf gesehen. Die Annahme, dass der gestörte Schlaf sich deutlich auf die Leistungsfähigkeit am nächsten Tag auswirkt, muss mittels Studien weiter objektiviert werden[5, 6]. Hinsichtlich des Ausmaßes an Schlafproblemen vor wichtigen Wettkämpfen ist bekannt, dass Mannschaftssportler besser schlafen als Athleten aus Individualsportarten. Dies korreliert auch mit der Tatsache, dass Athleten aus Einzelsportarten generell mehr Wettkampfangst als Mannschaftssportler verspüren. Im Team lastet der Leistungsdruck offensichtlich nicht auf einem allein; auch ist bei Mannschaftssportarten eine viel höhere Wettkampffrequenz (oft jedes Wochenende); so dass die Sportler dann routinierter mit Wettkampfsituationen umgehen[7, 8].

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Ein weiterer Aspekt sind Modifikationen der sportlichen Leistungsfähigkeit durch abrupte Änderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus durch Jetlag-Einflüsse. Die normalerweise optimale Abstimmung aller Körperfunktionen (u. a. Temperatur und endokrine Funktionen) auf den Schlaf-Wach-Rhythmus wird bei Ortswechseln mit Zeitzonenverschiebung desynchronisiert und benötigt ein gewisses Zeitfenster für eine Resynchronisation. Nach derzeitigen Erkenntnissen ist es aus sportmedizinischer Sicht sinnvoll, vor entscheidenden Wettkämpfen (z. B. Olympiade) mindestens 1 Tag pro Stunde Zeitzonenverschiebung vorher anzureisen.

Leistungsfähigkeit

Jetlag-Einflüsse kommen auch zum Tragen durch tageszeitliche Schwankungen der physischen Leistungsfähigkeit (Abb.1). Treffen Mannschaften aus unterschiedlichen Zeitzonen aufeinander, hat eine Mannschaft, deren Spieler sich zum Zeitpunkt des Spieles auf einem physiologischen „peak“ befinden, tendenziell höhere Erfolgsaussichten auf einen Sieg[9].

Uhrzeit Abb. 1

Physiologische Leistungsbereitschaft des Menschen in Abhängigkeit von der Tageszeit.

Schlafverlängerung kann die sportliche Leistungsfähigkeit steigern Zu den Auswirkungen verlängerten Schlafes auf die sportliche Leistungsfähigkeit gibt es wenige Studien und inkonsistente Resultate; insofern besteht der Bedarf an weiteren Studien zu diesem Thema. Die meisten vorhandenen Studien kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass zusätzlicher Schlaf diversen Körperfunktionen nützt. Eine Studie an gesunden Studenten hat bei einer 4-tägigen Schlafverlängerung auf 10 h/d bereits deutliche positive Effekte auf die Stimmung sowie eine verkürzte Reaktionszeit gemessen[10]. 73

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Eine Studie bei den Mitgliedern eines Basketballteams, die über 5–7 Wochen solange wie irgend möglich geschlafen haben, minimal jedoch 10 h im Bett verbrachten, zeigte sich nach diesem Zeitraum im Vergleich zur „baseline“ eine Zunahme der Schnelligkeit, eine Zunahme der Wurfgenauigkeit, eine signifikant bessere Reaktionszeit sowie eine signifikant bessere Stimmung[11]. In diesem Sinne ordnet sich entsprechend Abb.2 der Schlaf als Einflussfaktor auf die sportliche Leistungsfähigkeit ein, was im allgemeinen Trainingsmanagement unbedingt berücksichtigt werden sollte.

Training psychische Verfassung

circadianer Rythmus

Kondition

sportliche Leistungsfähigkeit

Ernährung Abb.2

Schlaf

(direkt sowie indirekt über positive mentale Effekte)

Einflüsse auf sportliche Coaching

Leistungsfähigkeit „Training“ im Schlaf

Abb. 3

Krafttraining ist leider nicht durch Schlaf ersetzbar. Schlaf hat jedoch einen positiven Effekt auf die motorische Gedächtniskonsolidierung. Foto links: A. Kramer, Berlin. Mit freundlicher Genehmigung. Foto rechts: www.sportfotos-berlin.com, mit freundlicher Genehmigung. 74

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Wer eine neue Bewegung erlernt und nach der Lernphase schläft, beherrscht die Bewegung nach dem Schlaf stabiler und besser als jemand, der nach dem Lernen nicht geschlafen hat[8, 12, 14]. Bei polysomnografischen Messungen hat sich gezeigt, dass die Konsolidierung von motorischen Gedächtnisinhalten je nach „Lernstadium“ im REM-Schlaf bzw. im Stadium N2 erfolgt: Handelt es sich um den Neuerwerb von sequentiell strukturierten motorischen Aufgaben, kommt es zur Aktivierung des cortico-cerebellären Systems, das an den REM-Schlaf gekoppelt ist. Bei der Konsolidierung bereits bekannter Bewegungsstrukturen wird hingegen das cortico-striatale System aktiviert, welches an N2 gekoppelt ist[15].

Sportliche Aktivität beeinflusst die Schlafparameter Bereits eine einmalige akute körperliche Belastung (z. B. nach einer schweren Trainingseinheit) verändert den Schlaf in der darauffolgenden Nacht: Subjektiv wird der Schlaf als tiefer erlebt; objektive Messungen zeigen eine Zunahme der Gesamtschlafzeit und des Tiefschlafs, eine Verkürzung der Einschlafzeit sowie eine relative Verkürzung des REM-Schlaf-Anteils. Die Effektstärke ist bei gesunden Schläfern jedoch klein bis moderat[7]. Beim Vergleich von Sportlern und Nichtsportler zeigen die Daten, dass geringere körperliche Aktivität mit mehr Schlafproblemen assoziiert ist. Eine große Studie mit Schlaftagebüchern hat gezeigt, dass Athleten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe eine bessere subjektive Schlafqualität, eine kürzere Einschlafdauer und weniger Schlafunterbrechungen aufweisen[7, 16]. Die Effektgröße sportlicher Aktivität auf den Schlaf ist bei Personen mit Schlafproblemen größer als bei guten Schläfern. Eine Interventionsstudie bei Insomniepatienten hat einen deutlichen Effekt auf insomnische Beschwerden bereits durch drei einstündige Nordic-Walking-Einheiten pro Woche erbracht[7]. Moderate körperliche Aktivität gilt mittlerweile als eine sichere, günstige und einfache Behandlungskomponente der Insomnie.

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Zusammenfassung Sport und Schlaf beeinflussen sich gegenseitig. Sowohl eine gute Schlafqualität und -quantität als auch die Berücksichtigung tageszeitlicher Schwankungen der physischen Leistungsfähigkeit sind ein relevantes Potential für sportlichen Erfolg. Moderate sportliche Aktivität ist ein Potential für einen guten Schlaf. Literatur

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