MEDIATISIERUNG VON SPORT UND

c [D] 34,95/ c [A] 36,00 978-3-89899-929-8 Auch als E-Book erhältlich. www.dersportverlag.de ANDREAS HEBBEL-SEEGER, THOMAS HORKY & HANS-JÜRGEN SCHUL...
Author: Helmuth Abel
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c [D] 34,95/ c [A] 36,00 978-3-89899-929-8

Auch als E-Book erhältlich. www.dersportverlag.de

ANDREAS HEBBEL-SEEGER, THOMAS HORKY & HANS-JÜRGEN SCHULKE (HRSG.)

SPORT ALS BÜHNE

Medien prägen zunehmend Sportgroßveranstaltungen. Sie ermöglichen zeitgleiche Verbreitung ihrer aktuellen Durchführung (TV, New Media) und Vertiefung (Print, kulturelle Produkte), verändern mit medientechnologischen Innovationen die Inszenierung in Arenen und Medien. In der sozialwissenschaftlichen Diskussion wird dieser Prozess unter Konzepten wie „Sport der medialen Moderne“ und als „performative Wende“ gegenüber einer individualistischen „Erlebnisgesellschaft“ diskutiert. Das sportliche Geschehen wird im Schausport wie im Fitness- und Gesundheitssport mit der Bühnenmetapher interpretiert, d. h., die Beteiligten stehen in der Arena und auf der Tribüne miteinander im Dialog, inszenieren sich selbst für andere. Auch im wettkampffreien Sport inszenieren sich die Akteure medial, in semiotischen Bewegungsmustern, Bodyshaping, Haarstyling, Kleidung, Tatoos etc. Bühne und Tribüne verweben sich miteinander, Akteure und Zuschauer changieren in ihren Rollen (Spielerjubel, Verletzungsposen, Fangesänge, plakative Choreografien). Sport und Theater (Musical, Film) kommen sich näher mit fließenden Übergängen. Sportgroßveranstaltungen werden „Gesamtkunstwerke“, die neue Herausforderungen an Sportveranstalter wie die Branche der „Sportund Eventmanager“ stellen. Der Band beleuchtet diesen Prozess in 19 Beiträgen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven.

SPORT ALS BÜHNE MEDIATISIERUNG VON SPORT UND SPORTGROSSVERANSTALTUNGEN 15. HAMBURGER KONGRESS FÜR SPORT, ÖKONOMIE & MEDIEN 2015 ANDREAS HEBBEL-SEEGER, THOMAS HORKY & HANS-JÜRGEN SCHULKE (HRSG.)

TALKMEET INNOVATE

Inhalt

INHALT

Entwicklung und Ausblick – Statement zur Eröffnung des 15. Internationalen Sportkongresses Hamburg 18.6.2015 Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke, Prof. Dr. Thomas Horky & Prof. Dr. Andreas Hebbel-Seeger............................................................................... 14

1

Ideologie und Utopie – Olympia im Spielfilm Prof. Dr. Robert Gugutzer............................................................................................24

1.1 1.2 1.3

Soziologie des Sportfilms.......................................................................................................25 Olympia im Spielfilm – Chariots of Fire (GB, 1981)......................................................30 Fazit: Der olympische Sport als „Ideologie und Utopie“.............................................36 Literatur.......................................................................................................................................39

2

Mediatisierung des Sports Prof. Dr. Friedrich Krotz................................................................................................42

2.1 2.2 2.3 2.4

Einleitung: Der Wandel des Sports und seine Bedeutung.........................................43 Ein kurzer Abriss des Mediatisierungskonzepts............................................................ 44 Die mediatisierte soziale Welt des Fußballs....................................................................47 Mediatisierung und die sozialen Welten des Sports....................................................51 2.4.1 Gesundheit und Fitness.........................................................................................51 2.4.2 Mediatisierung der Fankultur ............................................................................53 2.4.3 Die Nutzung virtueller Inhalte ..........................................................................53 2.4.4 Medien als Sportvereine und Sportvereine als Medien............................ 54 2.4.5 Neue Sportler............................................................................................................55 2.4.6 Ergänzende Anmerkungen...................................................................................56 Schluss: Der beteiligte Dritte...............................................................................................56 Literatur.......................................................................................................................................59

2.5

5

SPORT ALS BÜHNE

3

Skandalisierung im Sport Anmerkungen zur Ambivalenz eines Phänomens Prof. Dr. Thomas Schierl...............................................................................................62

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Was versteht man unter einem Skandal bzw. unter Skandalisierung?.................. 64 Wieso skandalisieren die Medien?........................................................................................................... 65 Warum gibt es immer mehr Skandale, besonders auch im Sport?......................... 66 Nützliche (notwendige) Skandale und schädliche (schlechte) Skandale.......................68 Welche problematischen Folgen bzw. Effekte von Skandalen lassen sich ausmachen?.......................................................................................................................71 Was sind nun diese möglichen Folgen und Effekte, die problematisch und gesellschaftlich kaum wünschenswert sind?..................................................................72 Ein Fazit........................................................................................................................................78 Literatur.......................................................................................................................................79

3.6 3.7 4

Geschlechterverhältnisse und sportliche Leistung in den Printmedien Eine Bildanalyse der Olympischen Sommerspiele 2004 Athen – 2008 Peking – 2012 London Birgit Braumüller, Diana Emberger, Dr. Bettina Rulofs & Prof. Dr. Ilse Hartmann-Tews......................................................................................82

4.1 4.2

Ausgangslage........................................................................................................................... 83 Theoretischer Hintergrund................................................................................................... 84 4.2.1 (Sozial-)konstruktivistische Geschlechtertheorie im Sport....................... 84 4.2.2 System des medialen Kommunikationsprozesses....................................... 85 Aktueller Forschungsstand....................................................................................................87 4.3.1 Befunde zur Sportberichterstattung in der Tagespresse............................................................................................................... 88 4.3.2 Befunde zur Sportberichterstattung bei den Olympischen Spielen..... 89 4.3.3 Visualisierung der sportlichen Leistung in den Printmedien................... 90 Forschungsfragen und Design der Studie ......................................................................91 Empirische Befunde.................................................................................................................93 4.5.1 Umfang der Visualisierung...................................................................................93 4.5.1.1 Quantitative Repräsentanz von Sportlern/-innen im Längsschnitt..... 94 4.5.1.2 Geschlechterverteilung im deutschen olympischen Team....................... 94 4.5.1.3 Geschlechterverteilung beim nationalen Medaillenerfolg.......................95

4.3

4.4 4.5

6

Inhalt

4.6

4.5.2 Visualisierung und Thematisierung von Leistung und Erfolg................. 96 4.5.2.1 Situative Darstellung..............................................................................................97 4.5.2.2 Darstellung in sportlicher Aktion..................................................................... 98 4.5.2.3 Thematisierung von Leistung in der Bildunterschrift................................ 99 4.5.2.4 Leistungsbewertung in leistungsbezogenen Bildunterschriften..........100 Diskussion und Fazit............................................................................................................. 101 Literatur....................................................................................................................................104

5

Inszenierung eines kollektiven Rituals Das olympische Feuer als Symbol des Übergangs Jennifer Schröder.........................................................................................................110

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6

Ritualität und Theatralität der Olympischen Spiele...................................................112 Les Rites de Passage – Übergangsrituale......................................................................115 Die Eröffnungsfeier – ein kollektiver Übergang..........................................................119 Inszenierung des olympischen Feuers als Symbol des Übergangs....................... 125 Inszenierungsanalyse – olympisches Feuer London 2012...................................... 129 Fazit............................................................................................................................................ 136 Literatur.................................................................................................................................... 138

6

Akteur und Zuschauer im Wechselspiel – die Weltgymnaestrada als wettkampffreie Bühne sozialer Interaktion und Kommunikation Dr. Angela Wichmann................................................................................................ 144

6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7

Einleitung................................................................................................................................. 145 Grundlegendes zur Methodik............................................................................................ 147 Entwicklung und Wesen der Weltgymnaestrada.......................................................148 Die Teilnehmer als „Performer“......................................................................................... 150 Die Teilnehmer als Zuschauer............................................................................................ 151 Die Weltgymnaestrada als duales Erlebnis.................................................................. 155 Fazit............................................................................................................................................ 157 Literatur.................................................................................................................................... 158

7

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SPORT ALS BÜHNE

8

7

WERDER BEWEGT – LEBENSLANG Die CSR-Marke des SV Werder Bremen Klaus-Dieter Fischer..............................................................................................................160

8

Fußball für Menschen mit Sehbehinderung Wolf Schmidt................................................................................................................ 164

9

Das Sportabzeichen inklusiv: Organisation und Gestaltung der DOSB-Sportabzeichentour unter dem Aspekt inklusiver Teilhabe Prof. Dr. Manfred Wegner..........................................................................................172

9.1 9.2 9.3 9.4

Einleitung................................................................................................................................. 173 Das Deutsche Sportabzeichen (DSA)............................................................................. 174 Das Deutsche Sportabzeichen für Menschen mit Behinderungen...................... 175 Organisation der DOSB-Sportabzeichentour – inklusiv"........................................ 178 " Literatur....................................................................................................................................183

10

Vergleich und Anstoß. Nonverbale Kommunikation und spielerische Aktivierung von Menschen mit und ohne Behinderung Prof. Dr. Dietrich Milles, Dr. Ulrich Meseck & Joanna Wiese MA.................. 184



Literatur.................................................................................................................................... 195

11

Social Media bei den Olympischen Winterspielen 2014 – empirische Ergebnisse zur Twitter®-Nutzung durch deutsche Sportjournalisten Dr. Christoph Grimmer............................................................................................... 198

11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6

Einführung...............................................................................................................................199 Social Media und Sportjournalismus..............................................................................199 Empirische Untersuchung...................................................................................................201 Ergebnisse................................................................................................................................205 Diskussion................................................................................................................................ 215 Schlussbetrachtung............................................................................................................... 217

Inhalt

11.7 11.8 11.9

Einordnung der Ergebnisse................................................................................................. 219 Grenzen der Untersuchung................................................................................................220 Künftige Forschungslinien.................................................................................................. 221 Literatur....................................................................................................................................222

12

Medienereignis Olympische Spiele: Eine Bühne für Frieden und Verständigung Willi Lemke, Sonderberater des UN-Generalsekretärs für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden.................................................................... 224

13

Sportorganisationen unter Beobachtung: Die Olympiabewerbung Münchens 2018 in der Berichterstattung Jörg-Uwe Nieland, Holger Ihle & Jürgen Mittag................................................ 232

13.1 13.2 13.3

Einleitung ................................................................................................................................233 Forschungsstand und Relevanz........................................................................................234 Interessenvermittlung in der Zivilgesellschaft – neue Bedingungen für die Sportverbände..........................................................................................................235 Neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die Medialisierung des Sports...........................................................................................239 Münchens Olympiabewerbung: Forschungsinteresse und methodisches Vorgehen ....................................................................................................243 Berichterstattung über die Münchner Olympiabewerbung 2018 – ausgewählte Befunde..........................................................................................................245 Diskussion und Ausblick .................................................................................................... 251 Literatur....................................................................................................................................253

13.4 13.5 13.6 13.7 14

Social Networks als Kommunikationsinstrument im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen Christian Kempf.......................................................................................................... 258

14.1 14.2

Social Media – ein gesellschaftliches Phänomen......................................................259 Social Media im Marketingmix.........................................................................................260 14.2.1 Marktsegmentierung...........................................................................................260 14.2.2 Kommunikation als MarketingInstrument...................................................262

9

SPORT ALS BÜHNE

14.3

14.4

14.5 15

Hat die Mediatisierung des Fußballs einen Wandel der Publikumsstrukturen in Fußballstadien bewirkt? Oliver Fürtjes................................................................................................................ 284

15.1 15.2 15.3 15.4

Einleitung.................................................................................................................................285 Mediatisierung des Fußballs..............................................................................................286 Mediatisierung und Publikumswandel: Die kulturalistische Deutung................ 291 Mediatisierung und Publikumssimilarität: Die struktursoziologische Deutung.................................................................................294 Zur Relevanz der struktursoziologischen Deutung: Empirische Befunde zum Stadionpublikum..................................................................297 Schlussfolgerung und Ausblick: Was hat die Mediatisierung in sozialer Hinsicht bewirkt?...................................................................................................301 Literatur....................................................................................................................................302

15.5 15.6 16

10

14.2.3 Kommunikation von Sportgroßveranstaltungen................................................262 14.2.4 Social Media als Kommunikationsinstrument............................................262 Analyse des Nutzungsverhaltens von Social Media..................................................263 14.3.1 Generelles Nutzungsverhalten.........................................................................263 14.3.2 Nutzungsverhalten von Social Networks im Kontext von Sportgroßveranstaltungen................................................................................268 14.3.3 Abgeleitete Handlungsempfehlungen.......................................................... 271 Analyse der Social-Media-Kommunikation am Praxisbeispiel...............................273 14.4.1 Internationales Deutsches Turnfest 2013....................................................273 14.4.2 Social-Media-Aktivitäten des Turnfests........................................................ 274 14.4.2.3 Kommunikation via Social Media...................................................................276 14.4.3 Handlungsempfehlungen für das Turnfest..................................................277 14.4.3.2 Relevanz und Auswahl sozialer Netzwerke.................................................278 14.4.3.3 Inhaltliche Gestaltung........................................................................................279 Fazit und Ausblick.................................................................................................................280 Literatur....................................................................................................................................282

Eishockey als Randsportart in Deutschland – eine Untersuchung zum Problem von Sportarten in den Medien Julia Henys.................................................................................................................... 306

Inhalt

16.1 16.2 16.3 16.4 16.5 16.6 16.7 16.8

Sport und Medien..................................................................................................................308 Mediatisierungstreppe" nach Dohle " und Vowe...........................................................................................................................................................308 Eishockey..................................................................................................................................309 Die DEL...................................................................................................................................... 310 Mediale Präsenz von Eishockey.........................................................................................311 DEL Winter Game.................................................................................................................. 312 Mediatisierung im Eishockey............................................................................................. 313 Forschungsmethode............................................................................................................. 317 Literatur ...................................................................................................................................325 Verzeichnis der Internetquellen.......................................................................................325

17

Videodrohnen in der Eventkommunikation Prof. Dr. Andreas Hebbel-Seeger............................................................................ 326

17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 17.6

Einleitung.................................................................................................................................327 Technologie..............................................................................................................................328 Nutzung im Sport..................................................................................................................330 Eventkommunikation zu Hamburgs „Jahr des Wassersports 2014“.................... 331 Aerial Content in der Social-Media-Kommunikation................................................336 Zusammenfassung und Ausblick......................................................................................343 Literatur....................................................................................................................................344

18

Adlerauge statt Schiedsrichter? Entscheidungstechniken im Profifußball Thomas Hestermann.................................................................................................. 346

19

Das vereinseigene Fitnessstudio Ökonomische Chancen und Risiken Bachelorarbeit an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, Standort Hamburg



Studiengang: Medienmanagement mit Schwerpunkt Sport- und Eventmanagement von Merle Hoffmeister......................................................... 360

11

SPORT ALS BÜHNE

19.1 19.2 19.3 19.4 19.5 19.6 19.7

Was ist die Thematik der Arbeit?.....................................................................................361 Begründung des Themas....................................................................................................362 Warum ist das Thema für das Sportmanagement bedeutend? ...........................363 Erläuterung der Forschungsfrage.....................................................................................363 Forschungsvorhaben............................................................................................................365 Methodisches Vorgehen......................................................................................................367 Gesamtfazit.............................................................................................................................370 Literatur.................................................................................................................................... 371

Bildnachweis................................................................................................................................ 373

12

4 GESCHLECHTERVERHÄLTNISSE UND SPORTLICHE LEISTUNG IN DEN PRINTMEDIEN EINE BILDANALYSE DER OLYMPISCHEN SOMMERSPIELE 2004 ATHEN – 2008 PEKING – 2012 LONDON BIRGIT BRAUMÜLLER, DIANA EMBERGER, DR. BETTINA RULOFS & PROF. DR. ILSE HARTMANN-TEWS

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Geschlechterverhältnisse und sportliche Leistung in den Printmedien

4.1 AUSGANGSLAGE Die Einzigartigkeit der Olympischen Spiele zeigt sich in diversen Facetten und beeinflusst die mediale Berichterstattung. Die Gender Media Studies1 weisen in verschiedenen Studien auf geschlechtsbezogene Verzerrungseffekte in Mediendarstellungen hin, wobei mit Blick auf die Sportberichterstattung neben der Geschlechterordnung ebendiese Einzigartigkeit der Olympischen Spiele als Erklärungsansatz für geschlechtsdifferente mediale Darstellungsweisen dient. Seit der Neuzeit kontinuierlich ansteigend, waren bei den letzten Olympischen Sommerspielen 2012 in London ca. 11.000 Athleten und Athletinnen aus 204 Ländern vertreten; erstmalig wurden alle teilhabenden Länder auch von Athletinnen repräsentiert (DOSB, 2011). So hohe Teilnahmezahlen erreicht kein anderes Großereignis im Hochleistungssport 2, ebenso ist die Vielfalt der dargebotenen Sportarten und Disziplinen einzigartig. Vergleichbar zu anderen Sportevents ist die institutionelle Rahmung und das Leistungssystem, welches durch die binäre Handlungslogik von Sieg/Niederlage entlang sportartspezifischer Leistungskriterien geprägt ist (Bette, 1999). Das zentrale Motto der Olympischen Spiele, Ceitius, altius, fortius – schneller, höher, stärker, verkörpert den immanenten Aufforderungscharakter, nach Höchstleistung zu streben. Olympische Spiele sind, ähnlich wie Welt- oder Europameisterschaften, von hohem Nationalbewusstsein und Patriotismus geprägt, die wie ein Katalysator auf die Massenmedien wirken. Die Medien versuchen, mit ihrer Olympiaberichterstattung die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit adäquat zu erfüllen und berichten vor allem über (Miss-)Erfolge von nationalen Sportlern/innen. Die besondere Bedeutung der olympischen Wettkämpfe zeigt sich auch in der Wertigkeit eines Medaillenrangs.

1

Gender Media Studies als Zweig der Kommunikations- und Medienwissenschaften, die sich primär mit der Analyse der Bedeutung von Geschlecht in Prozessen öffentlicher und medialer Kommunikation beschäftigen (Lünenborg & Maier, 2013).

2

Olympische Winterspiele 2014 in Sotschi: 2.900 Athleten/-innen aus 88 Ländern, sieben Sportarten und 98 Disziplinen (DOSB, 2014).

83

SPORT ALS BÜHNE

Es scheint legitim, von einem weltweiten Hype um olympisches Gold zu sprechen, der sich in einer personenbezogenen Glorifizierung der Medaillenträger/-innen und einer massenmedialen Inszenierung als Helden/-innen der Nation ausdrückt. Die enorme gesellschaftliche Bedeutung der Olympischen Sommerspiele in den teilnehmenden Ländern lässt Journalisten/-innen rund um den Globus zu den jeweiligen Spielen reisen. 2012 waren etwa 30.000 Medienvertreter/-innen in London, um vor Ort von den Wettkämpfen zu berichten (iportale, 2012). Das immense internationale Medienaufgebot zeigt sich konkurrenzlos zu anderen Sportevents und kann als Alleinstellungsmerkmal der Olympischen Sommerspiele gewertet werden. In unserer Längsschnittstudie untersuchen wir die visuelle Inszenierung von Athleten und Athletinnen in zwei nationalen Printmedien während der Olympischen Sommerspiele 2004, 2008 und 2012. Die geschlechtsbezogene quantitative Repräsentanz und die bildliche Inszenierung der sportlichen Leistung sowie die begleitenden Bildunterschriften werden in diesem Beitrag behandelt und im Kontext der sozialkonstruktivistischen Perspektive diskutiert.

4.2

THEORETISCHER HINTERGRUND

Die Gender Media Studies gehen davon aus, dass die gesellschaftliche Geschlechterordnung durch die Massenmedien (mit-)konstruiert bzw. dekonstruiert wird. In einem ersten Schritt wird folglich die sozialkonstruktivistische Geschlechtertheorie im Sport kurz dargestellt und im zweiten Schritt das gesellschaftliche Teilsystem der Medien und der Prozess der massenmedialen Kommunikation beleuchtet.

4.2.1

(SOZIAL-)KONSTRUKTIVISTISCHE GESCHLECHTERTHEORIE IM SPORT

Der (sozial-)konstruktivistischen Perspektive zufolge wird die Geschlechterordnung kulturell geformt und in sozialen Klassifikationskategorien ausgedrückt. Dadurch entstehen unter anderem Differenzen und Hierarchien, die von einem binären Bewertungssystem geprägt sind. Im (Hoch-)Leistungssport nimmt der Körper der Athleten und Athletinnen

84

Geschlechterverhältnisse und sportliche Leistung in den Printmedien

eine zentrale Position ein und ist prädestiniert für eine binäre stereotype Zuschreibungspraxis für Mann und Frau/Sportler und Sportlerin. Die binäre Attribuierung charakterisiert Jungen bzw. Männer gemeinhin als rational, aktiv, stark und aggressiv und Mädchen bzw. Frauen als emotional, sozial orientiert, schwach und unterwürfig. Diese allgemeinen Stereotype werden durch verschiedene soziale Strukturen in der Gesellschaft und auch im Sport im Sinne von Doing Gender und Doing Hierarchy verstärkt, zugleich irritieren starke und erfolgsorientierte Spitzensportlerinnen immer wieder herkömmliche Weiblichkeitsstereotype (Hartmann-Tews, 2000; Athenstaedt & Alfermann, 2011). Dennoch halten sich auch im Sport geschlechtsstereotype Zuschreibungen und Konnotationen bestimmter Sportpraxen als weibliche Bewegungsform (bspw. Tanzen, Ballett) und Männersport (bspw. Fußball, Rugby) oder auch durch geschlechtsspezifische Praxisfelder, in denen im olympischen Wettkampfgeschehen ausschließlich Frauen (bspw. Synchronschwimmen, Rhythmische Sportgymnastik) oder in einzelnen Disziplinen nur Männer (bspw. Kanu-, Boxsport) zugelassen sind. Die Gender Media Studies richten das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse auf die Geschlechtercodierung im Prozess der medialen Kommunikation und deren Bedeutung für die (Re-)Produktion der Geschlechterordnung (Lünenborg & Maier, 2013). Auch die olympische Sportberichterstattung leistet einen Beitrag zur Realitätskonstruktion der Gesellschaft, beteiligt sich an der Produktion von Alltagskultur und damit auch an der (De-)Konstruktion von Geschlechterordnungen und Stereotypisierungen. Dabei wird die Abbildung der Realität als ein Medienkonstrukt verstanden, das bestimmten, aber veränderbaren Regeln und Selektionskriterien untersteht.

4.2.2

SYSTEM DES MEDIALEN KOMMUNIKATIONSPROZESSES

Wer die relevanten Akteure der Wissensvermittlung sind und welche Geltung ihnen obliegt, bringt Luhmann (1996, S. 9) auf den Punkt: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir über die Massenmedien.“ Als gesellschaftliches Teilsystem konstruieren die Massenmedien auf vielfältigen Kommunikationskanälen unser Verständnis, unsere Wahrnehmung und unsere Ansichten von Gesellschaft und wirken damit prägend auf unsere Kultur (Rawjee, Ramlutchman & Govender, 2011).

85

SPORT ALS BÜHNE

Die Massenmedien bringen Medienprodukte hervor, ihnen obliegt der sinnstiftende Charakter der Medienmaschinerie. Rulofs und Hartmann-Tews (2006) sprechen von einem komplexen Konstruktionsprozess mit Blick auf die kommunizierte Geschlechterordnung im Sport. In der Literatur wird vereinfacht ein Grundmodell mit vier Ebenen dargestellt: Produzierende (Agenturen, Redaktionen etc.), Rezipierende und das (Selbst-)Marketing der Sportler/-innen sind ebenso an der Konstruktion der Medienrealität beteiligt wie die Medienprodukte selbst (Lünenborg & Meier, 2013; Rulofs & Hartmann-Tews, 2006; Horky, 2001; Neumann-Braun, 2000). Die Konstruktionsverkettungen der vier Ebenen stehen in einem komplexen, durchlässigen, wechselseitigen Zusammenspiel; wer den Takt und damit auch die Inhalte der Medienprodukte maßgeblich bestimmt, ist nicht klar zu identifizieren. Die Medienproduzenten/-innen beziehen das Text- und vor allem das Bildmaterial in der Regel von einer geringen Anzahl von Agenturen/Redaktionen. Diese sind von Männern geleitet, von Sportjournalisten dominiert. Sportjournalistinnen sind klar unterrepräsentiert, wie im International Sports Press Survey 2011 bestätigt wird (Horky & Nieland, 2013). Bei den Olympischen Spielen wurden 2004, 2008, 2012 je ca. 300 Medienakkreditierungen in Deutschland vergeben, davon ca. 10-14 % an Journalistinnen3. Die Bilderagenda zu gestalten, obliegt aber nicht nur den Sportredaktionen, sondern auch Sportler/-innen haben die Gelegenheit, sich selbst in bestimmter, geschlechtsbezogener Art und Weise vor der Kamera in Szene zu setzen. Erste Studien über die Inszenierung in den sozialen Medien zeigen, dass die Selbstdarstellung entlang von Authentizität verläuft. Authentische Selbstdarstellungen umfassen u. a. Bilder aus dem Privatleben, bspw. Urlaubsschnappschüsse, Strandfotos, welche als sexuell aufgeladen interpretiert werden können (Trültzsch, 2011). In Bezug auf die Homepagedarstellung von Sportlern und Sportlerinnen zeigen sich keine Geschlechterdifferenzen bei der Präsentation sportlicher Leistungen (Pauli, 2008).

3

86

Auskunft durch den DOSB per Mail am 16.09.2015.

Geschlechterverhältnisse und sportliche Leistung in den Printmedien

Die Selbstinszenierung und die mediale Fremdinszenierung lässt sich jedoch nicht klar voneinander trennen, den Rezipierenden wird ein „multimediales Gesamtkunstwerk“ präsentieren (Rademacher, 1998, S. 24). Dabei orientieren sich die Sportmedien im Tagesgeschäft an den assoziierten Erwartungen der Medienrezipierenden, welche in der Literatur sportartenübergreifend als Männer identifiziert werden. Selbstverständlich richten sich die Massenmedien an diesem männlich geprägten Sportpublikum aus. Davon ist die tagesaktuelle Presse, mit einer immensen Dominanz der Fußballberichterstattung, sehr stark geformt. Die Publikumsagenda, also die Frage: Was möchte die Öffentlichkeit sehen/hören/lesen?, rückt bei der Olympiaberichterstattung jedoch in den Hintergrund, da sich die Möglichkeiten der massenmedialen Berichterstattung auf die Wettkampfarenen der Olympischen Sommerspiele reduzieren. Kein anderes Sportereignis steht im Zeitfenster der Olympischen Spiele für die Massenmedien zur Verfügung. Was und wie dann über die Olympischen Spiele berichtet wird, hängt wiederum stark von den journalistischen Annahmen über das Medienpublikum der Olympiaberichterstattung ab. Der Frauenanteil im Publikum der Olympischen Spiele ist höher als in der tagesaktuellen Berichterstattung und dies beeinflusst auch die redaktionelle Auswahl der einzelnen Olympiaereignisse und die Art und Weise der Berichterstattung (Hartmann-Tews & Rulofs, 2002; Daddario, 1998).

4.3

AKTUELLER FORSCHUNGSSTAND

Für unsere Forschung sind die mediale Repräsentanz der Geschlechter und die geschlechtsbezogenen Darstellungsweisen von sportlicher Leistungserbringung in der Bildsprache und den Bildunterschriften zentral. In den Gender Media Studies haben Untersuchungen der Sportberichterstattung in der Tagespresse eine lange Tradition; diese werden oft mit Studien über Großveranstaltungen verglichen. Einleitend werden deshalb ausgewählte Resultate der Tagespresse zur quantitativen Repräsentanz und zur Visualisierung von sportlicher Leistung behandelt und im Anschluss die Befunde zu den Olympischen Spielen diskutiert.

87

SPORT ALS BÜHNE

4.3.1

BEFUNDE ZUR SPORTBERICHTERSTATTUNG IN DER TAGESPRESSE

Internationale Forschungsbefunde der tagesaktuellen Printmedien (Text und Bild) weisen darauf hin, dass Athletinnen in den Medien dominant unterrepräsentiert sind. Markula, Bruce und Hovden (2010) weisen bei der Aufarbeitung des internationalen Forschungsstandes folgende Zahlen aus: Printmedien berichten zu 10 % und die TVBerichterstattung zu 5 % über Athletinnen; für Deutschland belegen eigene Erhebungen etwa 15 % in den Printmedien (Rulofs, Hartmann-Tews & Braumüller, 2014). Eine aktuelle britische Studie 4 (Packer, Geh, Goulden, Jordan, Withers, Wagstaff, Bellwood, Binmore & Webster, 2014) bestätigt Befunde, dass Frauen fast unsichtbar und randständig abgebildet werden; die Marginalisierungsthese hält sich hartnäckig im Forschungsdiskurs (Klein, 1986; Rulofs, 2003; Rulofs & Hartmann-Tews, 2006; Crossman, Vincent & Gee, 2010; Hartmann-Tews & Rulofs, 2011). Trotz steigender Sportpartizipation von Frauen im Breiten- und Leistungssport scheint eine gleichberechtigte Teilhabe in der Sportpresse (noch) nicht möglich. Die internationalen und nationalen Befunde zur Visualisierung der sportlichen Leistung verlaufen entlang traditioneller Geschlechternormen mit stereotypischen Charakterisierungen von Athleten und Athletinnen. Die Abbildungen von Frauen haben häufiger als die von Männern einen recht hohen Sex-Appeal-Level (Buysee & Wolter, 2013). Zwar ist die Darstellung von Athletinnen als Leistungsträgerinnen von einer Zunahme gekennzeichnet, allerdings ist die Inszenierung als körperlich attraktiv, schön und sexy immer noch signifikant häufiger bei Frauen, die Abbildung in aktiven Posen hingegen häufiger bei Männern zu finden (Klein, 1986; Duncan & Messner, 1998; Hartmann-Tews & Rulofs, 2003; Crossman et al., 2010; Hartmann-Tews & Rulofs, 2011). Die Befunde der tagesaktuellen Presse scheinen hilfreich bei der Einordnung der Befunde zur Repräsentanz von Sportlern/-innen und der Geschlechternormierung im Kontext der

4

88

Die Studie untersucht die britische tagesaktuelle Presse vor und nach den Olympischen Spielen in London: Die Spiele im eigenen Land hatten keinen positiven Effekt auf die Tagessportpresse, sondern führten zu einem kleinen Rückgang der Berichterstattung über Frauen.

Geschlechterverhältnisse und sportliche Leistung in den Printmedien

Olympischen Spiele. Dennoch ist ein Vergleich der tagesaktuellen Berichterstattung mit sportlichen Großereignissen mit Blick auf die eingangs dargestellte Einzigartigkeit der Olympischen Spiele kritisch zu hinterfragen.

4.3.2

BEFUNDE ZUR SPORTBERICHTERSTATTUNG BEI DEN OLYMPISCHEN SPIELEN

Die visuelle Berichterstattung der Olympischen Sommerspiele in den Printmedien ist in Deutschland bisher wenig erforscht (Pfister, 2007; Hartmann-Tews & Rulofs, 2010), wobei Schierl (2004) generell auf eine rudimentäre und wenig differenzierte Forschungslage der Bildkommunikation verweist und damit auch die nationale Forschungslücke bei den Sportbildern begründet. International haben Forschungen über die Geschlechterordnung in der Printberichterstattung von Olympischen Winter- und Sommerspielen eine lange Tradition, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der untersuchten Medienformate, inhaltlichen Schwerpunktsetzungen5, disziplinären Zugängen und methodischen Vorgehensweisen (Delorme & Testard, 2015; Delorme, 2014; Godoy-Pressland & Griggs, 2014; Hedenborg, 2013; Tolvhed, 2012; Poniatowski & Hardin, 2012; Rawjee et al., 2011; Eagleman & McNary, 2011; Bruce, Hovden & Markula, 2010; Shields, Gilbert, Shen & Said, 2004; Urquart & Crossman, 1999; Jones, Murrell & Jackson, 1999; Bachmann, 1998; Flatten & Matheson, 1997; Toohey, 1997; Lee, 1992; Duncan, 1990). Die große Heterogenität bei Inhaltsanalysen von Sportbildern macht einen Vergleich der Befunde nur bedingt möglich (Delorme, 2014). Dennoch können einige übergreifende Tendenzen und kontinuierliche Entwicklungen identifiziert werden. Im Zeitverlauf zeigt sich bis 2004 eine kontinuierliche Zunahme der medialen Repräsentanz von Sportlerinnen: von 1952-1980 erfolgte ein Anstieg von 15 % auf 29 % (Pfister, 1987) und bis 1996 in Atlanta eine weitere Zunahme auf 43 % (Vincent, Imwold, Johnson & Massey, 2003). Auch eine internationale Vergleichsstudie über 18 Nationen zu den Spielen 2004 in Athen konstatiert eine Tendenz in Richtung Schließung der Genderlücke mit einem Anteil von 45 % der Berichterstattung über Athletinnen,

5

Sexualisierung, Trivialisierung, Stereotypisierung etc.

89

SPORT ALS BÜHNE

belegt aber gleichzeitig große Differenzen zwischen den Nationen (Hovden & Hindenes, 2010). In Deutschland werden Sportlerinnen 2004 in Athen mit einem 45-%-igen Anteil in der deutschen Sportpresse abgebildet (Hartmann-Tews & Rulofs, 2010; Pfister, 2007). Während bis 2004 ein kontinuierlicher Anstieg in der medialen Repräsentanz zu verzeichnen ist, sind die Spiele 2012 von ambivalenten Entwicklungen geprägt: In Schweden zeigt sich bspw. eine Zunahme (Hedenborg, 2013), in Frankreich eine Abnahme bei der Berichterstattung über Sportlerinnen (Delorme & Testard, 2015) und in England eine ausgeglichene Geschlechterverteilung in der Berichterstattung (Godoy-Pressland & Griggs, 2014). Tendenziell legt der Forschungsstand nahe, dass die Verdrängung von Athletinnen aus der Medienrealität bei den Olympischen Spielen in vielen Ländern erstmal überwunden ist. Folgende Effekte werden in der Literatur als relevant für diese Entwicklung benannt: §§ Die Sportberichterstattung zu den Olympischen Spielen hängt primär von Leistung und Erfolg der (nationalen) Sportler/-innen ab, diese Orientierung wird nach Urquart und Crossman (1999, S. 198) als „Performance Bias“ bezeichnet. Erfolg wird dabei als Medaillenrang kategorisiert, der sich unabhängig von der traditionellen Geschlechterordnung in den Mediendarstellungen zeigt. §§ Die länderübergreifende Omnipräsenz der Medienanstalten wird als „Olympic Games Effect“ (Quin, Wipf & Ohl, 2010, S. 112) bezeichnet, welcher bei der Olympiaberichterstattung zu einer tendenziell geschlechtsunabhängigen Umsetzung der Systemlogik führt: Die Medien sind vor Ort und berichten über sportliche Erfolge, unabhängig vom Geschlecht.

4.3.3

VISUALISIERUNG DER SPORTLICHEN LEISTUNG IN DEN PRINTMEDIEN

Die Studienergebnisse zur Visualisierung von sportlicher Leistung verweisen darauf, dass sich die Medien lange an Mustern der Sexualisierung, Trivialisierung und Stereotypisierung von Athletinnen orientierten. Für die Olympischen Spiele 1984 konstatiert Duncan (1990) überwiegend stereotype Weiblichkeitssymbole in der bildlichen Inszenie-

90

Geschlechterverhältnisse und sportliche Leistung in den Printmedien

rung (Aussehen, Posen, Inaktivität); einige Jahre später zeigt sich bei den Olympischen Spielen 1996-2002 (Shields et al., 2004) und auch in der internationalen Vergleichsstudie über die Spiele 2004 (Bruce et al., 2010), dass sowohl bei Männern als auch bei Frauen vorrangig über Leistung berichtet wird. Aktuelle Veröffentlichungen zu London 2012 (Godoy-Pressland & Griggs, 2014; Delorme & Testard, 2015) weisen bei differenzierter Betrachtung Befunde auf, bei denen Sportler häufiger in Wettkampfsituationen und in aktiveren Posen abgebildet werden. Traditionelle Muster der Entsportlichung und Stereotypisierung von Athletinnen sowie die Fokussierung auf den passiven und außersportlichen Raum stellen aber keine zentralen Orientierungen mehr dar. Traditionelle Genderbotschaften scheinen nicht mehr unmittelbar und sichtbar an der Oberfläche der Olympiaberichterstattung zu liegen.

4.4

FORSCHUNGSFRAGEN UND DESIGN DER STUDIE

Unsere Studie legt den inhaltlichen Fokus auf die Quantität der medialen Berichterstattung und der Visualisierung von Leistung und Erfolg in zwei nationalen Tageszeitungen während der Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen, 2008 in Peking und 2012 in London. Die quantitative Repräsentanz von Sportlern und Sportlerinnen wird zusätzlich zur rein prozentualen Verteilung in das Verhältnis zur Anzahl an Teilnehmern/-innen sowie zum Medaillenerfolg gesetzt. Aus analytischer Perspektive liegt der Schwerpunkt auf Veränderungen im Zeitverlauf und Geschlechterdifferenzen bei den jeweiligen Olympischen Spielen. Die beiden zentralen Forschungsfragen lauten demzufolge: §§ Wie hat sich der Umfang der Visualisierung in der Olympiaberichterstattung in Bezug auf Sportler und Sportlerinnen entwickelt und gibt es einen Zusammenhang zu den Teilnahmequoten im deutschen olympischen Team und ihrem Medaillenerfolg? §§ In welchem Ausmaß und in welcher Weise werden sportliche Leistung und Erfolg in der visuellen Berichterstattung dargestellt und zeigen sich Geschlechter- und/oder Zeiteffekte?

91

SPORT ALS BÜHNE

Um das Spektrum deutscher Tageszeitungen zu berücksichtigen, fällt die Auswahl auf die BILD-Zeitung als Teil der Boulevardpresse und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) als Qualitätsmedium6. Die Vollerhebung der Zeitungsausgaben (Montag bis Samstag) umfasst auch die Vor- und Nachberichterstattung zu den Olympischen Spielen. Insgesamt entsteht damit eine Stichprobe von 2.424 Bildern, die Verteilung auf die drei Erhebungszeitpunkte ist in Tab. 1 dargestellt. Die Fotos wurden mittels einer standardisierten, quantitativen Inhaltsanalyse untersucht, die auf einer Untersuchung von Klein (1986) aufbaut und in eigenen Folgestudien durch weitere Kategorien ergänzt wurde (Hartmann-Tews & Rulofs, 2003; Hartmann-Tews & Rulofs, 2010). Neben formalen Aspekten der Bilder (Datum, Größe, Position etc.) werden im Kategoriensystem inhaltliche Dimensionen der bildlichen Inszenierung (bspw. Situation der Abbildung, Darstellung des Körpers, Sexualisierung) sowie die Bildunterschriften (Inhalte, Charakterisierungen der Sportler/-innen, Passung zum Bild etc.) berücksichtigt. In die Analyse wurden alle Bilder von Athleten/-innen aufgenommen, die an den jeweiligen Olympischen Spielen teilgenommen haben. Tab. 1: Datenerhebung und Stichprobe nach Erhebungsjahr

OS 2004 Athen

OS 2008 Peking

OS 2012 London

Zeitraum (Anzahl an Ausgaben)

7.8.20045.9.2004 (25)

1.8.200828.8.2008 (24)

20.7.201216.8.2012 (24)

Anzahl der Bilder

777 Bilder

876 Bilder

771 Bilder

Die Auswertung der quantitativen Daten erfolgt anhand von zwei analytischen Strängen: §§ Veränderungen über die Zeit (Zeiteffekte) – für beide Geschlechter zusammen sowie für Sportler und Sportlerinnen getrennt.7

92

6

Auflagestatistiken von überregionalen deutschen Tageszeitungen aus dem zweiten Quartal 2015: BILD-Zeitung auf dem ersten Rang mit einer verkauften Auflage von 2,2 Millionen und die FAZ auf dem dritten Rang mit rund 265.500 Exemplaren (IVW, 2015).

7

Im Folgenden notiert als Z (Zeiteffekt für gesamte Stichprobe), ♀ (Zeiteffekt für Sportlerinnen), ♂ (Zeiteffekt für Sportler).

Geschlechterverhältnisse und sportliche Leistung in den Printmedien

§§ Unterschiede zwischen Sportlern und Sportlerinnen (Geschlechtereffekte) – für den gesamten Längsschnitt sowie separat für die Erhebungszeitpunkte 2004, 2008 und 2012.8 Die empirische Auswertung basiert auf bivariaten Analysen mit prozentualen Verteilungen und entsprechenden statistischen Kennwerten9. Als Signifikanzniveau wurde für alle Berechnungen eine 5-%-ige Irrtumswahrscheinlichkeit gewählt (p < 0,05).

4.5

EMPIRISCHE BEFUNDE

Die Darstellung der empirischen Ergebnisse gliedert sich entsprechend der zwei zentralen Forschungsfragen in Umfang der Visualisierung und Visualisierung und Thematisierung von Leistung und Erfolg auf Bildern und in Bildunterschriften.

4.5.1

UMFANG DER VISUALISIERUNG

Aussagen bezüglich einer geschlechtsbezogenen Unter- oder Überrepräsentanz in der Sportberichterstattung werden vielfach über die rein quantitative Geschlechterverteilung beim Umfang der Texte und Bilder von Sportlern/-innen operationalisiert. Die Annahme einer 50:50-Gleichverteilung bei der quantitativen Repräsentanz von Athleten/-innen in der medialen Olympiaberichterstattung wirft jedoch methodische und inhaltliche Probleme auf (Delorme, 2014). Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird der Umfang der Visualisierung neben der prozentualen Verteilung im Folgenden zusätzlich mit Bezug auf zwei Referenzkategorien untersucht.

8

Im Folgenden notiert als G (Geschlechtereffekt für gesamte Stichprobe), G2004, G2008, G2012 (Geschlechtereffekt für Zeitpunkte).

9

Chi²-Signifikanzprüfung(Pearson/exakter Test nach Fisher); statistische Kennwerte für Korrelation: Phi/Cramer V.

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