5. Tagung der DGfGG 2009

M. Stavric

Intelligentes digitales Formen Stavrić Milena Institut für Architektur und Medien, TU Graz Das digitale Formen und Gestalten mit Oberflächen-Objekten (Surfaces) - vor allem im Bereich der Freiformgeometrien – verlangt eine andere Herangehensweise, als das Designen (Gestalten) mit StandardObjekten und Volumenkörpern (Solids). Die teils unkontrollierte Manipulation der Steuer- und Kontrollpunkte der Freiformen und Flächen, führt immer wieder zu zwar optisch passablen, aber strukturell und geometrisch falschen Ergebnissen. Diese Erscheinung beginnt schon in der Hochschulausbildung und zieht sich weiter hinaus bis in die Praxis. Nicht selten müssen z.B. architektonische Entwürfe von speziellen Büros überarbeitet und in eine konkrete, exakte und baubare Form gebracht werden. Dieser Beitrag zeigt anhand eines realen Beispieles, wie durch geometrisches Know-how, eine nahezu einwandfreie und angepasste Formgenerierung durchgeführt werden kann, die die zur Verfügung stehenden geometrischen Gestaltungsmöglichkeiten optimal einsetzt.

1. Modellieren 1.1 Solid Modellierung Heutzutage bieten CAD Programme verschiedene Möglichkeiten dreidimensionale Objekte in einem virtuellen Raum zu modellieren und zu visualisieren. Allgemein können wir sagen, dass CAD-Pakete versuchen der Logik der analogen Modellierungsmethoden zu folgen. Vorzugsweise bestehen die analogen Modellierungsmethoden aus der Bearbeitung massiver Materialien (Styropor, Holz, Metall, …) oder flächiger Materialien (Papier, Karton, Platten, …). Die analogen Verarbeitungsmethoden des Modellierens wie das Schneiden, Bohren, Fräsen können wir in der digitalen Welt mit den Boolesche Operationen (Vereinigung, Differenz oder Schnittmenge) und dem ebenen Schnitt von Solidkörpern übersetzen. Die virtuellen digitalen Modellierformen werden mittels CNC-Maschinen (3d Drucker, Laser Cutter, Fräse, …) in physikalische Formen umgewandelt. Die digitalen Fertigungen ersetzen mehr und mehr mit ihrer Präzision und Geschwindigkeit die feinsten traditionellen Handwerksarbeiten. 1.2. NURBS Modellierung Neben der erwähnten Solid-Modellierung, wurde in der digitalen Welt etwas später das Modellieren mittels NURBS (non-uniform rational B-splines) verwendet. Das Modellieren mit NURBS wurde in den 50-Jahren des letzten Jahrhunderts für die Autoindustrie und das Autodesign entwickelt. Jahrhunderte vorher können wir analoge Spuren dieser Modellierungsart im ältesten Handwerk: in der Töpferei finden. Es ist bekannt, dass wir bei Anwendung analoger Methoden, aus dem völlig flexiblen Material (Ton, Gips…) und mit dem „primitivsten“ und ältesten Werkzeug – der menschlichen Hand – verschiedenste Formen bekommen können. Diese Formen hatten ursprünglich die Funktion von Gefäßen und heute sind sie in verschiedensten Ausführungen und Funktionen vorhanden. In der digitalen Welt: NURBS Objekte sind mathematisch definierte Formen, die rationale Kurven und Flächen – von einfachen 2D Geometrie, wie Linien, Kreise oder Bögen, bis zu komplizierten 3D Freiformflächen- aufs Genauste modellieren und darstellen können. Den Prozess der Steuerung (Manipulation) sowie der Definition von „NURBS“ führt man auf die Verwendung von Kontrollpunkten zurück. Die Kontrollpunkte bestimmen die Kurven und Flächen und durch die Änderung ihrer Raumlage werden die Objekte manipuliert. Das große Potenzial beim Modellieren mit „NURBS“ liegt in ihrer flexiblen Änderung. 1.3 Parametrisches Modellieren In der Geschichte der Menschheit waren die Zahlen, nicht nur im primitiven Tauschhandel sondern auch immer ein großes philosophisches und religiöses Thema. Jedoch die Mathematik, als die Lehre von den Zahlen und deren Verhältnissen, hatte von den abstrakten Begriffen und ihren Zusammenhängen eine Sinfonie komponiert. Die Zahlen sind mit Hilfe der Geometrie sichtbar geworden, und es hat sich eine Verbindung mit der physikalischen Welt ergeben. Heute ermöglichen

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digitale Techniken und die Methoden der Visualisierung eine Modellierung anhand von mathematischen Funktionen und Abhängigkeiten. Bekannt als „Parametrisches Modellieren“ ist es schon als eine Methode des Entwurfes in der Architektur akkreditiert worden. Zahlreiche CADProgramme haben in den letzten Jahren neue Plug-Ins bekommen (AutoCAD bekam Revit, Rhinoceros bekam Grasshopper,…) und zur visuellen Unterstützung des parametrischen Modellierens beigetragen.

2. Intelligentes Modellieren - die Auswahl des richtigen Werkzeugs für das Modellieren Es gibt zahlreiche CAD-Programme, die unterschiedliche Kombinationen des oben genannten Modellierens offerieren. Nicht selten ist es der Fall, dass der Designer im kreativen Ablauf wegen der Möglichkeiten des Programms begrenzt ist. Daraus stellt sich die Frage, wie sehr sollten wir unsere kreative Arbeit wegen der momentanen Begrenzungen und Möglichkeiten der CAD-Programme einschränken. Alles leitet zur Tatsache über, dass es nicht nur ein ideales Programm gibt, worin alle Methoden vorkommen, sondern dass der Designer in der Praxis gezwungen ist, verschiedene Programme zu benutzen. Wir können nur mit einer richtigen Auswahl und Kombination der Programme, guter Kenntnis der Programmmöglichkeiten und deren Grenzen zu befriedigenden Modellierergebnisse kommen.

3. Skisprung Projekt Kollegen aus dem Forschungsprojekt „Skisprung“ (TU Graz, Institut für Navigation und Satellitengeodäsie) haben eine GPS-unterstützte Methode entwickelt, mit der das Training der Skispringer verbessert werden sollte. Ein Teil dieses Projektes bestand aus der Messung der Geschwindigkeit und der Bestimmung der Skisprungbahnen. Die GPS-Hardware für die Messungen und das Senden der Daten musste am Skispringer fixiert werden und gerade das Modellieren des Prototyp-Gehäuses für diese Hardware (Abb.1) wird in diesem Beitrag detailliert erläutert.

Abb. 1. GPS- Empfänger– und Sendermodul

3.1 Analyse der Gegebenheiten Vor der Modellierung wurde eine Analyse der Gegebenheiten gemacht und die günstigste Position für die Fixierung der Hardware am Skispringer ausgewählt. Aufgrund der Empfangsanalyse (Abb.2) wurde die Befestigung der Hardware auf dem Skisprunghelm ausgewählt. In Anbetracht der Skisprungsicherheitsnorm war es nicht möglich den bestehenden Skisprunghelm in der Struktur zu verändern, weder mit zusätzlichen Öffnungen noch mit weiteren Verbindungen (Abb.3). Die Aufgabe des Modellierens des Hardwaregehäuses wurde daher bedeutend umfassender, als zuerst vermutet.

Abb. 2: Lokalisierung des Skispringers über Konturmodelle

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Nach umfangreichen Analysen, wurden folgende Schlüsse gezogen: Das Gehäuse muss eine aerodynamische Form haben, die Schutz vor Witterungseinflüssen und den physikalischen Schutz bei einem eventuellen Absturz gewährt. Alle Hardwarekomponenten (Abb. 3) haben rechteckige Formen, und die aerodynamische Form des Gehäuses muss sich den schon vorgegebenen Dimensionen, der Form und deren Zusammenhängen anpassen. Das Gehäuse muss auf der äußeren Seite des Helmes mit einem speziellen Klebemittel befestigt werden. Die Antenne muss in horizontaler Lage und auf dem höchsten Punkt des Helmes platziert werden, wobei die obere Antennenfläche frei bleiben muss. Der Hard-Empfänger und der Datenlogger müssen vollkommen von den Witterungseinflüssen geschützt werden und es muss eine einfache Lösung für die zwei USB Verbindungen geben.

Abb.3. Der Skisprunghelm ( AT Skisprungsicherheitsnorm) und Hardwarekomponenten des GPS Empfängermoduls – Hardwarekomponenten: Hard Empfänger OEMV-2 mit Datenlogger, Einfrequenz GPS Antenne, Lithium-Polymer Akku

Das Gehäuse muss einen mobilen Charakter haben, sodass man eventuelle Änderungen und Fehler an der Hardware korrigieren kann. Die Elemente sollten symmetrisch aufgesetzt werden und der Prototyp des Gehäuses sollte so leicht wie möglich sein. Gerade die letzte Bedingung war der erste Schritt im Modellierungsprozess. 3.2 Modellierung Für die digitale Fabrikation des Prototypen wurde ein 3D-Printer (Dimension BST) ausgewählt, mit ABS-Kunststoff als Baumaterial. Diese Auswahl bot den notwendigen Schutz der Hardware. Die minimale Hüllendicke des Prototyps konnte 1,5 mm sein, und dadurch war es theoretisch möglich, ein leichtes Gehäuse zu bauen. Nach den Analysen folgerten wir, dass das künftige Gehäuse aus zwei Teilen bestehen und als Freiformfläche generiert werden musste. Der erste Teil - der Untersatz (unterer Teil) - musste mit dem Kleber mit dem Skisprunghelm verbunden werden und sollte Öffnungen für die Verbindungen mit dem oberen Gehäuse haben. Der zweite Teil, der die ganze Hardware trug, sollte mit dem Untersatz anhand von Schrauben verbunden werden (ermöglicht die Demontage). Der Prozess der Modellierung fing mit der Abtastung des Helmes mittels „ Microscribe 3D Scanner“ an (Abb. 4).

Abb.4. Microscribe 3D Scanner und der Helm mit dem ausgewählten relativen Koordinatensystem und den markierten Punkten für die Abtastung

Auf dem Helm, der aus verschiedenen Segmenten bestand, wurde ein relatives Koordinatensystem ausgewählt. Die einzelnen Segmente des Helmes bildeten homogene Flächenteile. Bei der Abtastung wurde nicht eine beliebige Punktwolke erzeugt, sondern nur Punkte auf den Randkurven der Segmente gewählt. Durch die Punkte wurden Interpolarenkurven gelegt und daraus mit verschiedenen

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Generierungsmethoden NURBS Flächen erzeugt (Abb.5). Diese Modellierungsmethode war so exakt, dass der geplante Untersatz präzise auf den Helm passte.

Abb. 5. Die abgetasteten Punkte und das flächige Model des Helmes

Der nächste Schritt bestand aus dem Modellieren der Hardwarekomponenten und ihrer Positionierung in Bezug auf die Helmfläche (Abb.6). Danach wurde das digitale Modell (Helm und Hardwarekomponenten) mit zwei zueinander orthogonalen Schnittsystemen geschnitten, und daraus die minimale Größe des Gehäuses bestimmt. Dieses wurde als aerodynamische Form modelliert, die das orthogonale Schnittsystem berührte. Sie bestand aus mehreren Flächensegmenten, die verschiedene geometrische Übergangsstetigkeiten besaß (von C0 bis C2). Die Antenne mit ihrem Ausgangskabel bekam eine eigene Vertiefung und die fertige Freiformfläche hatte eine minimale Sicherheitsdicke von 2 mm. Am virtuellen Modell wurden Öffnungen für die Verbindungen mit den Hardwarekomponenten gemacht und ein USB Ausgang freigelassen.

Abb. 6. Die Positionierung der Hardware, eine Hälfte des oberen Gehäuses mit Öffnungen für die Verbindungen mit der Hardware und der Untersatz mit den Öffnungen für die Verbindung mit dem oberen Gehäuse

Der Untersatz wurde mit der Berücksichtigung modelliert, dass die Verbindung mit dem oberen Teil nur am Rand und in der Form eines Us möglich wurde. Auf dem unteren Teil des Untersatzes wurden Nuten für die Schraubenköpfe gemacht (für die Verbindung mit dem oberen Teil). Diese Form ermöglichte ein kleines Gewicht des Teiles und eine große Kontaktfläche mit dem Kleber. Auf der Abb.7 ist im linken Teil das fertige virtuelle Modell und im rechten Teil der fertige Prototyp mit dem Helm dargestellt.

Abb. 7. Das virtuelle Modell und der fertige Prototyp

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4. Schlussbemerkungen Die digitalen Fertigungsmaschinen verlangen für den Fertigungsprozess geschlossene digitale Modelle ohne Überschneidungen der beteiligten Flächen. Diese Tatsache muss man vom Anfang des Modellierungsprozesses an beachten und sehr exakte Modellierungsarten für die Flächengenerierung wählen. Besonders die Thematik der Parallelfläche (Offset Surfaces) ist in allen CAD-Programmen problematisch und zurzeit gibt es keine automatisierte Lösung für dieses Problem. Will man eine reale Dimensionierung von Flächen erzeugen, muss man aber ihnen eine Dicke geben, das bedeutet ein Offset erzeugen. Es zeigt sich, dass profunde geometrische und mathematische Kenntnisse beim Generieren und Bearbeiten von Freiformflächen von großer Wichtigkeit und von Vorteil sind. Will man sich nicht der Beliebigkeit und dem Zufall beim Modellieren ausliefern, sind diese Kenntnisse wohl notwendig und unumgänglich.

Literatur [1] B. Wiesenhofer: Präzise Flugbahn- und Geschwindigkeitsbestimmung im Skisprungsport: AHORN 2008 – der Alpenraum und seine Herausforderungen im Bereich Orientierung, Navigation und Informationsaustausch. Salzburg am: 20.11.2008 [2] Rhinoceros, Nurbs modeling for Windows, Benutzerhandbuch, Robert Mcneelß Association, 2002

Anschrift des Autors: Dr. Milena Stavrić Institut für Architektur und Medien Fakultät für Architektur Technische Universität Graz Inffeldgasse 10/2 AT-8010 Graz

Email: [email protected]

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