EIN WEG ZUR INTEGRATION FREIWILLIGENTÄTIGKEIT VON MIGRANT/INNEN IN DER GESELLSCHAFT

EIN WEG ZUR INTEGRATION freiwilligentätigkeit von migrant/innen in der gesellschaft

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ÜBER DAS GIVE-PROJEKT

Das GIVE-Projekt (Grassroots Integration through Volunteering Experiences) ist eine von der Europäischen Union finanzierte Initiative, die bestrebt ist, durch eine Reihe von Aktivitäten Mechanismen für das Engagement von Migrant/innen in der Gesellschaft auszuarbeiten und zu stärken. Dies beinhaltet Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung sowie das zur Verfügung stellen von Informationen, Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen für potenzielle Freiwillige mit Migrationshintergrund, für Organisationen, die Freiwillige aufnehmen, für migrantengeführte Organisationen und für nichtstaatliche Organisationen. Das Hauptziel des GIVE-Projektes ist die Stärkung der Beteiligung von Migrant/innen am Gemeinschaftsleben sowie die Unterstützung bei der Schaffung integrativer Wohnviertel und bürgernaher Initiativen für die Teilnahme am Gemeinschaftsleben vor Ort. Das Programm soll durch eine öffentliche Sensibilisierungskampagne auch zu einer erhöhten öffentlichen Wahrnehmung von Migration und Diversität beitragen. Das Projekt wird in vier Städten bzw. Ländern entwickelt und getestet: Dublin (Irland), Den Haag (Niederlande), Wien (Österreich) und Ipswich (Vereinigtes Königreich).

Herausgeber: Internationale Organisation für Migration Länderbüro Wien Nibelungengasse 13/4 1010 Wien Telefon: +43 1 585 33 22 Fax: +43 1 585 33 22 30 E-Mail: [email protected] Website: www.iomvienna.at Zusammengestellt und herausgegeben von: Itayi Viriri, Barbara Salcher und Philipp Baader Gestaltung: Designworks (Irland) Druck: Designworks (Irland)

Dieses Handbuch wurde mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union erstellt. Die hier zum Ausdruck gebrachten Ansichten können jedoch in keinster Weise als die offizielle Meinung der Europäischen Union gewertet werden. © Copyright 2013. Internationale Organisation für Migration Kein Teil dieses Handbuches darf ohne schriftliche Erlaubnis des Herausgebers in irgendeiner Weise elektronisch oder mechanisch reproduziert oder übermittelt werden, einschließlich Fotokopieren, Aufzeichnen oder Speichern und Abrufen in Datenspeicherungsanlagen. Davon ausgenommen sind Kurzzitate in Kritiken. Die Informationen in diesem Handbuch werden nach Treu und Glauben zur Verfügung gestellt. Wir sind mit größtmöglicher Sorgfalt vorgegangen, um sicherzustellen, dass die Informationen richtig und auf dem neuesten Stand sind. Die IOM und das GIVE-Projekt übernehmen jedoch keinerlei Verantwortung für Fehler und Auslassungen beim Inhalt dieses Handbuches. Jede Person, die auf Informationen aus diesem Handbuch in Verbindung mit Rechtsangelegenheiten zurückgreift, hat diese Nutzungsbedingungen zu akzeptieren und kann die IOM oder das GIVE-Projekt nicht für die Verwendung, den Missbrauch dieses Handbuches oder jegliche andere darin enthaltene Information haftbar machen.

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INHALTSVERZEICHNIS

DANKSAGUNGEN

DANKSAGUNGEN

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LISTE DER ABKÜRZUNGEN DEFINITIONEN CHARTA FÜR FREIWILLIGENTÄTIGKEIT GRUNDSÄTZE DER FREIWILLIGENTÄTIGKEIT ZEHN TIPPS FÜR DAS EINSTELLEN UND AN WERBEN VON FREIWILLIGEN

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Hintergrundinformationen und Statistiken (Österreich)

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 ANDBUCH: für Organisationen, die Freiwillige mit H Migrationshintergrund suchen

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HANDBUCH: FÜR MIGRANT/INNEN, DIE SICH FREIWILLIG ENGAGIEREN MÖCHTEN

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An erster Stelle möchte die Internationale Organisation für Migration den Fördergebern des GIVE-Projektes ihren herzlichen Dank aussprechen: der Europäischen Union und den Co-Fördergebern, dem österreichischen Bundesministerium für Inneres, dem Dublin City Council und PEP (Participation Emancipation Professionals), die das Projekt mitfinanzieren. Wir sind den Mitarbeiter/innen des internationalen Lenkungsausschusses des GIVE-Projekts für ihre wichtigen und wertvollen Beiträge zu der Erstellung dieses Handbuches zu tiefem Dank verpflichtet. Mitglieder des internationalen Lenkungsausschusses sind: Theodora Suter, Itayi Viriri*, Kasia Zukowska (Marzia Baldassari), Peter Szlovak und Fidele Mutwarasibo (Irland); Barbara Salcher* und Philipp Baader (Österreich); Adri Zagers* und Fatos Ipek-Demir (Niederlande) und Christopher Gaul* (Chiara Gnoli), Piotr Sadowski und Gauri Desai (Vereinigtes Königreich).

Besonderer Dank gebührt auch dem Forschungsteam des GIVE-Projektes, bestehend aus Carmen Frese (Irland), Hannah Schrems (Österreich), Ruth Grove-White (Vereinigtes Königreich) und Arend Ode/Regioplan (Niederlande), dessen Forschungstätigkeit handfeste empirische Daten für die Erstellung dieses Dokuments lieferte. Dank gilt auch der Caritas Graz für die Bereitstellung wichtiger Informationen, die bei der Erstellung dieses Handbuches eine zentrale Rolle spielten.

(*IOM-Mitarbeiter/innen in den vier Teilnehmerstaaten des GIVE-Projektes)

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LISTE DER ABKÜRZUNGEN

CHARTA FÜR FREIWILLIGENTÄTIGKEIT RECHTE DER FREIWILLIGEN MITARBEITER UND MITARBEITERINNEN

EU MS: EU-MITGLIEDSSTAATEN GIVE:

Grassroots Integration through Volunteering Experiences



Das Recht zu wissen, ob und wie sie ausgewählt werden

IOM:

Internationale Organisation für Migration



DEFINITIONEN Ehrenamt: Das Ehrenamt hat sich im Hinblick auf Rahmenbedingungen, Funktionen, Bereiche und Aufgaben stark verändert. Der Begriff wird, aufgrund seiner Geschichte, mehrheitlich mit gewählten, ernannten oder bestellten Posten in Verbindung gebracht, die innerhalb entsprechender Organisationen wie Vereinen, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und Dachverbänden vergeben werden. Allerdings wird die Bezeichnung „ehrenamtlich“ in zahlreichen Organisationen ganz generell und damit auch für ausführende Tätigkeiten verwendet. DRITTSTAATSANGEHÖRIGE: Drittstaatsangehörige sind alle Personen, die keine Staatsangehörigen von Staaten des europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz sind. Dieser umfasst die Europäische Union sowie Island, Liechtenstein und Norwegen. Freiwilligentätigkeit: Der in der deutschen Sprache weitaus jüngere Begriff „Freiwilligenarbeit“ entspricht der wörtlichen Übersetzung des englischen Ausdrucks „voluntary work“ bzw. „volunteer labour“. Innerhalb der Europäischen Union und im Rahmen der offiziellen Mitteilungen in Brüssel hat sich der Begriff „Freiwilligentätigkeit“ etabliert, der sich an dem englischen „Volunteering“ orientiert.

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Das Recht, eine sinnvolle Arbeit zu erhalten

D  as Recht auf Erstattung aller während der Freiwilligentätigkeit entstehenden Ausgaben





Das Recht zu wissen, was man von ihnen erwartet

D  as Recht, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen





Das Recht, eine adäquate Schulung zu erhalten

D  as Recht auf faire Behandlung und Nicht-Diskriminierung





Das Recht auf Dankbarkeit und Anerkennung für ihren freiwilligen Beitrag

D  as Recht auf sichere Arbeitsbedingungen einschließlich Versicherungsschutz





Das Recht, Betreuung und Unterstützung zu erhalten



Das Recht, bei der Arbeit etwas für das Leben zu lernen

D  as Recht, über die Organisation als Ganze informiert zu werden und die Möglichkeit zu erhalten, selbst in dieser aktiv mitzuwirken





Das Recht zu wissen, an wen man sich bei Problemen wenden kann

D  as Recht, „Nein“ zu sagen und die Organisation ohne Schuldgefühle zu verlassen

PFLICHTEN DER FREIWILLIGEN MITARBEITER UND MITARBEITERINNEN – Die Pflicht, die Werte und Ziele der Organisation zu respektieren

–D  ie Pflicht, auf hohem Niveau zu arbeiten

– Die Pflicht, Engagement zu zeigen

–D  ie Pflicht, im Fall von Problemen ehrlich zu sein

– Die Pflicht, zuverlässig zu sein und die Organisation bei Dienstausfall rechtzeitig zu informieren – Die Pflicht, pünktlich zu sein – Die Pflicht zur Teilnahme an den grundlegenden Schulungsund Beratungskursen

–D  ie Pflicht zur Wahrung der Geheimhaltung –D  ie Pflicht, die Organisation zu verlassen, wenn man von der Organisation dazu aufgefordert wird oder man keine Freude mehr an der Freiwilligentätigkeit hat

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RECHTE DER ORGANISATION

PFLICHTEN DER ORGANISATION

GRUNDSÄTZE DER FREIWILLIGENTÄTIGKEIT



D  as Recht, Freiwillige mit bestimmten Talenten und Fähigkeiten zu suchen

–  Die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die freiwillige Tätigkeit eine positive Erfahrung darstellt



D  as Recht, nur Freiwillige auszuwählen, die ihre jeweilige Aufgabe auch erfüllen können



Die Pflicht, gleichen Zugang für alle zu gewährleisten und niemanden zu diskriminieren



D  as Recht, eine Freiwilligenvereinbarung aufzusetzen



Die Pflicht, klare Rollen für Freiwillige zu definieren

Freiwilligentätigkeit hilft der Gemeinschaft und den Freiwilligen





D  as Recht festzulegen, auf welche Weise bestimmte Aufgaben zu erledigen sind

Die Pflicht, über Richtlinien und Verfahren für Freiwillige zu verfügen

Freiwilligentätigkeit ist unbezahlt



Die Pflicht, den Freiwilligen alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen

Freiwilligentätigkeit geschieht stets aus freiem Willen



Die Pflicht, den Freiwilligen zur Verfügung zu stehen



Die Pflicht, bei Bedarf Schulungen anzubieten

Freiwilligentätigkeit ist für BÜRGER/INNEN eine legitime Art und Weise, an den Aktivitäten ihrer Gemeinschaft teilzunehmen



Die Pflicht, den Freiwilligen mit Dankbarkeit und Wertschätzung zu begegnen



Das Recht, Engagement zu fordern



Das Recht, Zuverlässigkeit zu fordern



Das Recht, Pünktlichkeit zu fordern



D  as Recht, Freiwillige zur Beendigung ihrer Mitarbeit aufzufordern, wenn deren Beteiligung das Erreichen der Ziele der Organisation behindert

–  Die Pflicht, für Versicherungsschutz zu sorgen –  Die Pflicht, die Freiwilligen über eine eventuelle gesetzliche Haftung zu informieren

AUFBAU

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Die Pflicht, für Betreuung und Unterstützung zu sorgen



Die Pflicht, anfallende Ausgaben zu erstatten



Die Pflicht, für eine sichere Arbeitsumgebung zu sorgen

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Freiwilligentätigkeit ist ein Mittel für Einzelpersonen oder Gruppen, sich mit menschlichen, ökologischen und sozialen Bedürfnissen auseinander zu setzen. Freiwilligentätigkeit kann nur im gemeinnützigen Bereich geleistet werden Freiwilligentätigkeit ist kein Ersatz für bezahlte Arbeit Freiwillige können weder bezahlte Arbeitskräfte ersetzen, noch sind sie eine Gefahr für die Sicherheit der Arbeitsplätze bezahlter Mitarbeiter/innen Freiwilligentätigkeit respektiert die Rechte, Würde und Kultur anderer Freiwilligentätigkeit stärkt die Menschenrechte und Gleichheit aller Menschen

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ZEHN TIPPS FÜR DAS EINSTELLEN UND WERBEN VON FREIWILLIGEN

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ZEITLICHE RESSOURCEN!

LOB UND ANERKENNUNG!

Beginnen Sie mit einem vereinbarten, freiwilligen Engagement

Geben Sie positive Rückmeldungen

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FRAGEN SIE!

BEZIEHEN SIE ALLE PERSONENGRUPPEN MIT EIN!

KOMMUNIZIEREN SIE!

TEAMWORK ZÄHLT!

Die Menschen warten darauf, gefragt zu werden

Frauen und ältere Menschen interessieren sich häufiger für Freiwilligentätigkeit

Verwenden Sie zum Anwerben und Informieren Ihre Vereinsdatenbank

Nutzen Sie die Möglichkeit der „Aufgabenidentifikation“, damit sich die Personen zielgerichtet und nach fester Zeitvorgabe engagieren

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LÖSEN SIE DIE CLIQUE AUF!

ENTSCHEIDEN SIE SINNVOLL!

ENGAGEMENT EHEMALIGER FREIWILLIGER!

ANERKENNUNG!

Denken Sie über den inneren Mitarbeiter/innenkreis hinaus

Suchen Sie die passenden Talente für die jeweilige Aufgabe

Erstellen Sie Pläne für ehemalige Mitarbeiter/innen und Freiwillige

Führen Sie Regelungen ein, nach denen Freiwillige, die sehr engagiert und eine Zeit hinweg Zeit für Ihre Organisation gearbeitet haben, besonderes Lob und große Anerkennung erhalten

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ABBILDUNG 1: BevÖLKERUNG AUSLÄNDISCHER HERKUNFT AM 1.1.2012

STATISTIKEN

Allgemeine Statistiken zur Migration in Österreich – 1  8% der österreichischen Gesamtbevölkerung hat einen Migrationshintergrund, das heißt, dass im Jahr 2012 1,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich lebten. Diese Kategorie umfasst Migrant/innen der ersten Generation (Menschen, die außerhalb Österreichs geboren wurden) und Migrant/innen der zweiten Generation (Menschen, deren Eltern Migrant/ innen sind, aber in Österreich geboren wurden). – E  ine weitere wichtige Kategorie umfasst Menschen, die nicht im Besitz der österreichischen 8

Staatsbürgerschaft, aber in Österreich gemeldet sind. Diese macht 11,5% der österreichischen Bevölkerung aus und wächst stetig, wenn man die Zahlen aus den Jahren 2011 (928.000 Personen) und 2012 (971.000 Personen) vergleicht. – Über 40% aller Migrant/innen stammen aus EU-Mitgliedsstaaten (siehe Abbildung 1), der Großteil davon aus Deutschland (227.000), gefolgt von der Türkei (186.000), Bosnien und Herzegowina (133.000), Rumänien (75.000), Kroatien (70.000), Polen (63.000), Ungarn (46.000), der Tschechischen Republik (44.000) und Italien (30.000).

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Q.: STATISTIK AUSTRIA, Statistik des Bevölkerungsstandes

BILDUNG: Österreich erlebt zur Zeit einen starken Zustrom hochqualifizierter Migrant/ innen, die hauptsächlich aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten stammen (2004/2007). Ein Großteil von ihnen verfügt über einen Hochschulabschluss, was diesen Zustrom von früheren Zuwanderungsbewegungen (1960er-

Jahre) mit weniger qualifizierten „Gastarbeiter/innen“ unterscheidet (siehe Abbildung 2). Während in den 1970er-Jahren über 69% aller Migrant/innen nur die Pflichtschule besucht hatten, stieg die Zahl der Migrant/innen mit Hochschulabschluss nach Aufzeichnungen aus dem Jahr 2011 von 4% auf 19%.

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ABBILDUNG 2: Veränderung der Bildungsstruktur der 25-bis 64-jährigen Bevölkerung 1971-2011 nach Staatsangehörigkeit

HOCHSCHULBILDUNG/UNIVERSITÄT: Im Jahre 2011 studierten 59.000 Personen aus dem Ausland an österreichischen Universitäten. Dies ist ein leichter Anstieg im Vergleich zum Jahr 2010

ERWERBSBETEILIGUNG:

Q: STATISTIK AUSTRIA, Volkszählungen (1971 und 1991), Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2011, Jahresdurchschnitt über alle Wochen

Aus verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen sind Österreicher/innen breiter auf dem Arbeitsmarkt vertreten. 74% aller Österreicher/innen sind wirtschaftlich aktiv, gegenüber lediglich 65% aller Migrant/innen. Unter Berücksichtigung der Geschlechterverteilung sind Frauen

(54.000). Der Großteil stammt aus Deutschland (mit 38% aller ausländischen Studierenden), gefolgt von Italien (siehe Abbildung 3).

aus EU-Staaten und dem ehemaligen Jugoslawien in etwa so aktiv wie österreichische Frauen (64% gegenüber 69% der Österreicherinnen). Frauen türkischer Herkunft sind weniger häufig auf dem Arbeitsmarkt vertreten: insgesamt mit nur 45% (siehe Abbildung 4).

ABBILDUNG 4: ERWERBSTÄTIGENQUOTE 2011 NACH GESCHLECHT UND MIGRATIONSHINTERGRUND

Anteil der Erwerbstätigen an den Personen gleichen Geschlechts- und Migrationshintergrunds in %

ABBILDUNG 3: AUSLÄNDISCHE ORDENTLICHE STUDIERENDE AN ÖFFENTLICHEN UNIVERSITÄTEN IM WS 2010/11

Q: STATISTIK AUSTRIA, Hochschulstatistik

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Q: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2011, Jahresdurchschnitt über alle Wochen. — Bevölkerung in Privathaushalten

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STATISTIKEN ZUR FREIWILLIGENTÄTIGKEIT IN ÖSTERREICH

27,9% der Österreicher/innen über 14 Jahren üben für ca. 4,2 Stunden pro Woche eine formelle Freiwilligentätigkeit aus und 27,1% der Bevölkerung verrichtet für ca. 3,6 Stunden pro Woche eine informelle Freiwilligentätigkeit. Die Zahl der Männer mit einer formellen Freiwilligentätigkeit ist leicht höher als die der Frauen (58% gegenüber 42%). Im Bereich der informellen Freiwilligentätigkeit ist es umgekehrt (49% gegenüber 51%). Familienstand oder Alter (bis zu 69 Jahren) scheinen keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit freiwilliger Tätigkeit zu haben. Bildung hat einen signifikanten Einfluss auf Freiwilligenarbeit. Je höher der Bildungsstand einer Person, desto höher die Bereitschaft zu Freiwilligenarbeit.

Typische Einsatzgebiete Freiwilliger umfassen Kultur, Sport, Bildung, soziale Dienste, Religion, Umwelt und Gemeinschaftsarbeit sowie Hilfe bei Katastrophen. Die drei größten Organisationen, in denen Freiwillige mitarbeiten, sind die Freiwillige Feuerwehr, das Österreichische Rote Kreuz und die Caritas mit gemeinsam rund 330.000 formellen Freiwilligen. Dies zeigt, dass viele (soziale) Aktivitäten ohne Freiwillige nicht möglich wären, und dass deren Hilfe sehr geschätzt ist. Gleichzeitig gibt es erst seit Kurzem eine zuständige Interessensvertretung für Freiwillige. Seit dem „Internationalen Jahr der Freiwilligen“ im Jahr 2001 und besonders seit dem „Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit“ im Jahr 2011 kam es immer häufiger zu Diskussionen zu diesem Thema. Eine Interessensvertretung für Freiwilligentätigkeit und Freiwillige begann mit der Ausarbeitung eines konkreten Gesetzesvorschlags. Teil dieser Interessensvertretung sind 53 Mitglieder, bestehend aus Vertreter/innen der neun Bundesministerien, der neun Bundesländer, der österreichische Gemeindebund, einiger Gewerkschaften, Arbeitnehmer/innen Vertreter/innen und Freiwilligen-Organisationen.

Nichtösterreicher/innen sind bei der Freiwilligentätigkeit unterrepräsentiert: etwa 10% der österreichischen Bevölkerung (etwa 850.000) ist nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft, aber nur 7% der Freiwilligen sind Migrant/innen.

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PROFIL DER FREIWILLIGEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND IN ÖSTERREICH –  H  erkunftsland: hauptsächlich EU-Nachbarstaaten, Türkei und das ehemalige Jugoslawien (ohne Slowenien).

–  Größere Mitarbeit in informellen Organisationen. –  Österreicher/innen verrichten häufiger Freiwilligenarbeit als Migrant/innen. 61% der Österreicher/innen, gegenüber 56% EU-Bürger/innen, gegenüber 50% Türk/innen.

–  G  eschlecht: sowohl Männer, als auch Frauen, jedoch mehr Frauen aus der EU und dem ehemaligen Jugoslawien (ohne Slowenien) und mehr türkische Männer als türkische Frauen.

VERSCHIEDEN

ABBILDUNG 5: BETEILIGUNGSQUOTEN AN DER FREIWILLIGENARBEIT NACH GEBURTSLAND

TEILNAHME

Formelle und informelle Freiwilligenarbeit. Die Werte basieren auf den ungewichteten Daten des Mikrozensus (4. Quartal 2006) und dürfen nicht mit den gewichteten Werten anderer Kapitel verglichen bzw. interpretiert werden.) Quelle: Mikrozensus-Zusatzerhebung (2006); eigene Berechnungen

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INHALT HANDBUCH: FÜR ORGANISATIONEN

HANDBUCH

A. Einleitung

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B. Warum beziehen Organisationen Freiwillige mit ein?

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C. S  chritte, um ein Freiwilligenprogramm ins Leben

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zu rufen D. Vorteile  für Organisationen durch freiwillige

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Mitarbeiter/innen mit Migrationshintergrund E. S  o werben Sie um freiwillige Mitarbeiter/innen mit

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Migrationshintergrund F. Tipps für das Anwerben von Freiwilligen mit

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Migrationshintergrund

für Organisationen, die Freiwillige mit Migrationshintergrund suchen

G. Schulungen für Freiwillige mit Migrationshintergrund

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H. Bindung von Freiwilligen

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I. M  issverständnisse bezüglich Freiwilliger mit

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Migrationshintergrund J. Verständnis und Wertschätzung für kulturelle

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Vielfalt K. Interkulturelle Mediation

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L. Tipps zur interkulturellen Kommunikation

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M.Organisatorische Checkliste für kulturelle Vielfalt

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und kulturelles Bewusstsein

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A. EINLEITUNG Dieses Handbuch wurde erstellt, um jenen Organisationen Unterstützung zu bieten, die an der Einbindung von Freiwilligen mit Migrationshintergrund interessiert sind sowie jenen, die eine Stärkung der Diversität und des Kulturbewusstseins anstreben. Anfang 2012 machten Ausländer/innen einschließlich Personen mit Migrationshintergrund 11,5% der österreichischen Bevölkerung aus (etwa 970.000 Personen). Der projektbezogene nationale Bericht zur Situation der Freiwilligenarbeit in Österreich 2013 zeigt, dass sich Migrant/innen weniger in den formellen Freiwilligensektor einbringen als österreichische Staatsbürger/innen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Migrant/innen weniger aktiv sind. Im informellen Sektor gibt es keine spürbaren Unterschiede zwischen Migrant/innen und Österreicher/innen. Freiwilliges Engagement von Migrant/innen kommt hauptsächlich im informellen Sektor oder innerhalb von Migrant/innen-Organisationen vor. Freiwilliges Engagement von Migrant/innen ist sehr wichtig, vor allem um soziale Ausgrenzung zu vermeiden. Es gibt viele Migrant/innenOrganisationen in Österreich, und die meisten von ihnen tragen zur Integration von Migrant/innen in die Aufnahmegesellschaft bei. Viele erreichen dies, indem sie Kontakte zu Einheimischen fördern, um die österreichische Kultur und auch Österreich selbst kennenzulernen, oder indem sie Deutschkurse anbieten. Viele Migrant/ innen engagieren sich informell in ihren großen Familien und sozialen Netzwerken und würden dies nicht unbedingt als freiwilliges Engagement bezeichnen. Daher ist es das Ziel des GIVE-Projektes, Organisationen, die Freiwillige mit Migrationshintergrund einbinden möchten, nützliche Informationen zur Verfügung zu stellen.

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B. WARUM BEZIEHEN ORGANISATIONEN FREIWILLIGE MIT EIN? Erfolgreiche Organisationen „beziehen Freiwillige mit ein“, statt sie „einzusetzen“. Es empfiehlt sich, dies bei jeglicher Kommunikation zum Ausdruck zu bringen und daran zu denken, dass Freiwilligenarbeit ein zweiseitiges Verhältnis ist, von dem sowohl die Freiwilligen, als auch die Organisation profitieren sollten. Das Bewusstsein um die Bereicherung Ihrer Organisation durch freiwillige Mitarbeiter/innen wird die Art und Weise bestimmen, wie Sie diese leiten und miteinbeziehen. GLAUBE AN IHRE AUFGABE F  reiwillige haben Ihre Organisation ausgesucht, weil ihnen etwas an Ihrer Arbeit gefällt. Organisationen und deren Auftraggeber/innen fühlen sich oft dadurch ermutigt, zu wissen, dass der/ die Freiwillige von sich heraus arbeiten möchte und nicht, um dafür bezahlt zu werden. ZUSÄTZLICHE HÄNDE  F  reiwillige sind das Lebenselixir und das Rückgrat vieler Organisationen, die ohne Freiwillige nicht bestehen könnten. Freiwillige helfen Organisationen durch eine Erweiterung der Leistungskapazitäten, sodass eine größere Anzahl von Personen

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erreicht werden kann; durch eine Ausdehnung der Betriebsstunden; oder durch eine Erweiterung des Leistungsangebots Ihrer Organisation. ZUSÄTZLICHE FÄHIGKEITEN Durch das Miteinbeziehen von Freiwilligen mit zusätzlichen Fähigkeiten zur Unterstützung und Ergänzung der Fähigkeiten bezahlter Mitarbeiter/ innen kann Ihre Organisation ihre Ziele noch wirksamer erreichen. Das Fachwissen der Freiwilligen kann für eine unterstützende Tätigkeit in der Personalverwaltung, beim Grafikdesign, für die Mitarbeit im Vorstand, eine Tätigkeit als Rezeptionist/in, als IT-Fachmann/frau, in der Buchhaltung oder als Elektriker/in wertvoll sein, die Liste ist endlos!

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SPEZIFISCHE BETREUUNG

F  EEDBACK ZUR ORGANISATION

Mitarbeiter/innen müssen ihre Zeit und ihre Fähigkeiten häufig zwischen vielen verschiedenen Aufgaben der Organisation aufteilen. Freiwillige können sich gezielt spezifischen Gruppen, Problemen oder Projekten widmen.

F  reiwillige Mitarbeiter/innen sind häufig weniger zurückhaltend, ihren Gedanken zu Organisationspraktiken Ausdruck zu verleihen als bezahlte Mitarbeiter/innen. Dies kann sehr hilfreich sein, um Informationen über Vorgangsweisen und Programme zu sammeln und diese für den späteren Erfolg ggf. zu ändern.

VIELFALT Freiwillige in Österreich kommen heutzutage aus allen Gesellschaftsschichten, verschiedenen Altersgruppen, Umfeldern und Kulturen. Durch das Miteinbeziehen Freiwilliger mit unterschiedlichem Hintergrund und mit ergänzenden Fertigkeiten kann eine Organisation lernen, an Herausforderungen auf kreative Art und Weise und mit einer frischen Perspektive heranzugehen. Das Miteinbeziehen Freiwilliger unterschiedlichster Herkunft stellt auch sicher, dass sich Ihre Botschaft innerhalb der Gesellschaft weiter verbreitet. GEMEINSCHAFTSGEIST Menschen aus der Umgebung, Schüler/innen, Studierende, Angestellte, Familien und Neuankömmlinge in die Arbeit miteinzubeziehen, ist eine großartige Möglichkeit, Kontakte zur örtlichen Gemeinschaft zu knüpfen, und zeigt die Verbundenheit Ihrer Organisation zu dieser. Die Mitarbeit von Freiwilligen stärkt Ihre Organisation nicht nur durch die eingebrachten Orts- und Sachkenntnisse, sondern bringt auch die Akzeptanz und Zugehörigkeit Ihres Projektes oder Ihrer Gruppe innerhalb der Gesellschaft zum Ausdruck.

B  OTSCHAFTER/INNEN IN DER GESELLSCHAFT I ndem Sie Freiwillige zur Teilnahme in Ihrer Organisation einladen, erweitern Sie Ihren Einflussbereich und verbessern den Kontakt zu breiten Teilen der Gesellschaft. Ihre freiwilligen Mitarbeiter/innen können auch in Gruppen innerhalb der Gesellschaft, in sozialen Netzwerken, Unternehmen, Bildungseinrichtungen usw. engagiert sein, wo sie mit Freude über die Arbeit Ihrer Organisation reden oder Kontakte knüpfen, die Sie für Ihre spätere Planung, für Spendenaktionen oder Initiativen nützen können.

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C. SCHRITTE, UM EIN FREIWILLIGENPROGRAMM INS LEBEN ZU RUFEN Wenn Sie ein Freiwilligenprogramm ins Leben rufen wollen, sollten Sie sich in erster Linie darüber im Klaren sein, warum Sie in Ihre Organisation Freiwillige miteinbeziehen möchten, um dann festzulegen, welche Ziele genau durch den Einsatz Freiwilliger erreicht werden sollen. Eine klare Sichtweise und das Verständnis, wie Freiwillige etwas zu Ihrer Organisation beitragen können, wird Ihnen dabei helfen festzulegen, wie Sie Freiwillige fortlaufend unterstützen, miteinbeziehen und leiten können. ANGESTELLTE MITEINBEZIEHEN  tellen Sie sicher, dass die Angestellten S in den Planungsprozess miteinbezogen werden, da diese Freiwilligen gegenüber eher aufgeschlossen sind, wenn sie von Anfang an involviert sind. Auch haben Angestellte häufig gute Ideen für die Mitarbeit von Freiwilligen, sei es bei der Durchführung eines bestehenden Projektes oder bei der Planung eines neuen Programmes, das sie gerne umsetzen möchten. BETRIEBSKOSTEN  a Freiwillige kostenlos ihre Zeit D zur Verfügung stellen, sollten sie idealerweise nichts aus eigener Tasche zahlen müssen. Falls möglich, ist es angebracht, ein eigenes Budget für die

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 täglichen Ausgaben wie beispielsweise Fahrtkosten und Mittagessen vorzusehen. Abhängig von der Aufgabe können u.a. folgende Kosten entstehen: Telefonanrufe, Schulungen, Konferenzen, Arbeitsgeräte und Versicherung. ROLLENBESCHREIBUNG FÜR FREIWILLIGE Eine Rollenbeschreibung für Freiwillige legt das Einsatzgebiet des/der Freiwilligen fest und ob diese/r in die Organisation passt. Sie klärt Erwartungen und vereinfacht den Anwerbungs- und Auswahlprozess stark, da mit Hilfe der Rollenbeschreibung festlegt werden kann, ob eine Person für die jeweilige Aktivität geeignet ist.

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RÄUMLICHKEITEN UND ARBEITSGERÄTE Es ist wichtig, dass Freiwillige genügend Platz zum Arbeiten haben. Abhängig von der Rolle/Position, können Telefone, ein Schreibtisch und ein Computer für die Arbeit erforderlich sein. WERBUNG Überlegen Sie, wie Sie den/die passende/n Kandidat/in für Ihre unbesetzte Freiwilligenstelle erreichen können. Wenn Sie z. B. eine/n Handwerker/in, eine/n Spengler/in oder eine/n Elektriker/in benötigen, könnte Ihnen eine Handwerker/ innen-Innung dabei helfen, Werbung für Ihre freie Stelle zu machen. Andere Beispiele für Werbung können Plakate an öffentlichen Orten, Zeitungsanzeigen, eine Schaltung im Lokalradio oder Aushänge am schwarzen Brett in Gemeindeämtern oder Kirchen sein.

Einzel- oder Gruppenschulung sein. Bedenken Sie bei der Planung Ihres Freiwilligenprogrammes, wie viel Zeit die Schulung beanspruchen wird und wer die Schulung leiten soll. B  ETREUUNG UND UNTERSTÜTZUNG E  benso wie bezahlte Mitarbeiter/innen benötigen Freiwillige regelmäßige Unterstützung und Betreuung. Jedem/r Freiwilligen sollte ein/e feste/r Betreuer/in zugewiesen werden. Einzelgespräche bieten eine Möglichkeit, Ihr Freiwilligenprogramm zu beobachten und zu evaluieren; zu besprechen, ob sich der/die Freiwillige in seiner/ihrer Rolle wohl fühlt; Feedback zu geben; Ziele festzulegen und über schwierige Situationen zu reden, bevor diese entstehen. „Buddy“Systeme, Gruppen zur Unterstützung Freiwilliger und gemeinsame Veranstaltungen können auch eine zentrale Rolle bei der Unterstützung Freiwilliger spielen.

AUSWAHL

ANERKENNUNG

Planen Sie, nach welchen Kriterien Sie zukünftige Freiwillige auswählen. Die Möglichkeiten reichen von informellen zu formellen Bewerbungsgesprächen, Bewerbungsbögen bis hin zur Prüfung der Referenzen. Denken Sie daran, dass je nach Rolle oder Aufgabe in Ihrer Organisation auch eine Strafregisterbescheinigung notwendig sein könnte.

Ü  berlegen Sie, in welcher Form Sie der Arbeit der Freiwilligen in Ihrer Organisation Anerkennung schenken möchten. Ein einfaches „Danke“ reicht häufig schon aus; ein kleines Zeichen wie eine Karte oder Schokolade können genauso wirksam sein wie größere Gesten (Auszeichnungen für Freiwillige oder Anerkennungsfeiern).

EINFÜHRUNG UND SCHULUNG  lle neuen Freiwilligen sollten an A ihrem ersten Tag eine Einführung erhalten. Ebenfalls sollten Freiwillige eine Schulung für ihre jeweilige Aufgabe erhalten. Dies kann eine EIN WEG ZUR INTEGRATION freiwilligentätigkeit von migrant/innen in der gesellschaft

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D. Vorteile für Organisationen durch freiwillige Mitarbeiter/ innen mit Migrationshintergrund Weltweit durchgeführte Forschungen, vor allem in multikulturellen Gesellschaften wie Australien oder Kanada, ergaben, dass die Leiter/ innen von Freiwilligenorganisationen folgende Vorteile der Miteinbeziehung von Freiwilligen mit unterschiedlichstem kulturellem Hintergrund festgestellt haben:



F  reiwillige mit Migrationshintergrund bringen potenziell nützliches Wissen über bestimmte Kulturen mit in die Organisation.



S  pürbare Verbesserung der organisatorischen und kulturellen Kompetenzen Ihrer Mitarbeiter/innen.





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F  reiwillige mit Migrationshintergrund sind Bindeglieder zwischen der Organisation und ihren jeweiligen Gemeinschaften. Dies ist vor allem für Organisationen von Vorteil, die in Diaspora-Gemeinschaften tätig sind oder dies für die Zukunft planen. S  ie helfen, den Freiwilligen-Pool zu vergrößern.



Sie bringen neue Perspektiven in die Organisation mit ein, wie zum Beispiel ein erhöhtes Bewusstsein für Lebensweise, Glauben und Werte anderer Kulturen. Dies erleichtert die Kommunikation und die Entwicklung von Programmen und verbessert die kulturelle Sensibilität bei der Erbringung von Dienstleistungen.



Sie verfügen über neue und vielfältige Lebenserfahrungen, von denen Ihre Mitarbeiter/innen und andere Freiwillige lernen können.



Sie bilden einen Pool von qualifizierten Kandidat/innen, die jederzeit unbesetzte Posten übernehmen können.



I hre Mitarbeit stärkt den gegenseitigen Respekt und das Verständnis für die breite österreichische Gesellschaft, was auch der gesamten Gesellschaft zu Gute kommt.



S  ie stärken und erleichtern die Entwicklung eines zugänglichen Freiwilligenprogrammes ohne Ausgrenzung - die Diversität der Gesellschaft wird widergespiegelt.

– Sie erhöhen die Wahrnehmung für die verschiedenen Kulturen innerhalb der Organisation sowie im Allgemeinen auch innerhalb der Gesellschaft. Dies hilft, negative Vorurteile abzubauen. –

Sie steigern die kulturelle Sensibilität und die Aufmerksamkeit für die Arbeit der Organisation.



Sie bringen Sprachkenntnisse in die Organisation mit ein, da sie für gewöhnlich neben Deutsch auch noch eine andere Sprache sprechen. Dies wiederum ermöglicht es der Organisation, besser mit Klient/innen aus verschiedensten Kulturen zu kommunizieren.

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E. SO GESTALTEN SIE FREIWILLIGENARBEIT FÜR MITARBEITER/INNEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND ATTRAKTIV Obwohl das Konzept der Freiwilligenarbeit in praktisch allen Kulturen der Welt vorkommt, ist in manchen Kulturen formelle Freiwilligentätigkeit nicht unbedingt anerkannt. In solchen Gesellschaften ist Mitarbeit und Hilfe ein elementarer Bestandteil des Lebens. Daher wird informelle Freiwilligenarbeit dort nicht als Freiwilligentätigkeit definiert. In einigen Kulturen ist das Annehmen freiwilliger Dienstleistungen negativ behaftet und wird als Betteln oder Bitten um Almosen betrachtet. Wie könnte man Freiwilligenarbeit attraktiv gestalten? – B  ieten Sie mehr Trainings und Schulungen für Freiwillige an, damit sich diese sicherer fühlen. –

D  ie Organisation hat den Freiwilligen eine sichere Grundlage und Unterstützung zu bieten und sicherzustellen, dass sie für alle Tätigkeiten der Freiwilligen die volle Verantwortung und Haftung übernimmt.



Die Organisation hat dafür zu sorgen, dass die Freiwilligen ihre Ausgaben nicht selbst tragen müssen.



Die Organisation hat den Freiwilligen ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einem besonderen Team zu vermitteln.



Die Freiwilligentätigkeit muss entsprechend anerkannt werden. Freiwillige müssen regelmäßig eine Anerkennung erhalten.

"Viele Migranten, die sich freiwillig engagieren möchten, um das System hier kennen zu lernen, verfügen über eher rudimentäre Deutschkenntnisse. Wir könnten das in einem Telefongespräch vor ihrer Ankunft im Zentrum feststellen und Dolmetscher für ihren Besuch bei uns kontaktieren. Jedoch ist es recht schwierig, solche Leute unterzubringen." Freiwilligenzentrum, Wien

"Ich habe mir die Zeitungen für Migranten unterschiedlicher Herkunft angesehen und dachte: OK! Sie werden nichts von uns mitbekommen, wenn wir Pressemitteilungen veröffentlichen, da diese über die APA [Austria Presse Agentur] und andere bekannte Medienkanäle laufen. Aber die Tatsache, dass Migranten ihre eigenen Medien haben, über die man sie erreichen kann, war mir neu." Vertreterin einer Freiwilligenorganisation, Wien

Freiwilligenzentrum, Wien 26

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Wie gestaltet man Freiwilligentätigkeit für Menschen aus kulturell vielfältigen Gemeinschaften in einer Organisation attraktiver? –

D  ie Organisation sollte Eigeninitiative zeigen und Informationsmaterial in kulturspezifischen und multikulturellen Gruppen verbreiten, indem sie sich zum Beispiel mit deren Organisationen, Verbänden und Gesellschaften vernetzt.



E  s sollte verstärkt die Kommunikation mit kulturspezifischen Medien und Geschäften gesucht werden.



D  ie Organisation sollte persönliche Informationsveranstaltungen in verschiedenen Sprachen für bestimmte Gruppen abhalten oder zumindest mehrsprachiges Informationsmaterial bereithalten.



Die Organisation sollte Personen bestimmen, vorzugsweise Freiwillige oder ehemalige Freiwillige, die neue Freiwillige mit Migrationshintergrund schulen und unterstützen.



Organisationen sollten Hilfestellung leisten, um Vertrauen zu fördern und Ängste auszuräumen.



Die Bedeutung der Freiwilligentätigkeit in Österreich sollte gut kommuniziert werden, indem man zum Beispiel den Wert der Freiwilligenarbeit in Österreich vermittelt.



Heben Sie die Vorteile der Freiwilligentätigkeit für Interessierte klar hervor (z.B. den Erwerb von Fähigkeiten und Berufserfahrung, Networking und das Knüpfen sozialer Kontakte).

"Eigentlich muss man nur Informationen (über Freiwilligenarbeit) verbreiten und eine Art Programm einrichten, vielleicht Sprachunterricht, wovon man profitieren kann, damit man nicht einfach nur kostenlos seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Man sollte über den Nutzen reden, damit der Freiwillige weiß, was er als Gegenleistung für seine Mitarbeit erhält."

F. TIPPS FÜR DAS ANWERBEN VON FREIWILLIGEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND Es kann für Organisationen, die bisher keine Erfahrungen interkultureller Art oder mit kultureller Vielfalt gesammelt haben, abschreckend wirken, lernen zu müssen, wie man am besten mit kulturell vielfältigen Gemeinschaften kommuniziert. Die folgende Liste von Vorschlägen liefert eine gute Grundlage für die Entwicklung eines attraktiven Anwerbungsprozesses für Freiwillige mit Migrationshintergrund. –  Die Organisation sollte die demographische Zusammensetzung vor Ort analysieren, um mehr über örtliche, ethnische und multikulturelle Gemeinschaften herauszufinden und Beziehungen zu diesen aufzubauen. Der beste Weg zu einer ersten Kontaktaufnahme mit diesen Gemeinschaften führt meist über wichtige Leiter/ innen der Gemeinschaft, Migrant/ innen-Zentren und Migrant/ innen-Hilfsgruppen. Leicht zugängliche Quellen wie die Statistik Austria zeigen auch, wo diese Gemeinschaften in Österreich für gewöhnlich zu finden sind. –

Freiwilliger mit Migrationshintergrund, Wien

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Es ist ratsam, von Beginn an eine/n gut integrierte/n Freiwillige/n mit Migrationshintergrund oder ein Team Freiwilliger aus unterschiedlichen kulturellen

Gruppen für die Organisation zu gewinnen, die bei der Entwicklung einer Freiwilligenstrategie mit Rücksicht auf kulturelle Unterschiede helfen. –

F  ür die Verbreitung von Informationen in unterschiedlichen Gemeinschaften ethnischer Minderheiten werden persönliche Gespräche allgemein als wirksamster Weg betrachtet. Häufig traut man einer „Person“ als Überbringer der Informationen mehr als einer „Institution“. Um das erforderliche Vertrauen zu gewinnen, gibt es keine besseren Botschafter/innen für Freiwilligenarbeit als die bereits aufgenommenen Freiwilligen mit Migrationshintergrund.

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“Wir wählen [Freiwillige] nicht aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder anderen Gründen aus. Jeder der helfen möchte, ist willkommen [...]. Wir denken mehr an Zielgruppen und spezialisieren uns nicht so sehr auf Migranten. Die melden sich ganz von selbst.” Vertreter einer Freiwilligenorganisation, Wien

– E  s ist sehr wichtig, Werbung für die örtlichen Möglichkeiten zur Freiwilligentätigkeit zu machen und allgemeine Informationen zur Freiwilligentätigkeit in den Lokalzeitungen ethnischer Gemeinschaften zu veröffentlichen. Mittlerweile gibt es in Österreich viele dieser Zeitungen, die innerhalb der Gemeinschaften ethnischer Minderheiten weite Verbreitung finden. Sie können auch in kulturspezifischen Lebensmittelgeschäften und anderen Unternehmen, die ethnische Minderheiten mit Lebensmitteln beliefern, werben. –

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Um mögliche Freiwillige mit Migrationshintergrund nicht unnötig abzuschrecken und ihre Einstellung leichter zu gestalten wird empfohlen, den Anwerbungsprozess für Freiwillige weitgehend zu vereinfachen. Dies könnte beispielsweise einen Abbau der bürokratischen Formalitäten beinhalten. Es lohnt sich, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke mit anderen Migrant/innenhilfsorganisationen aufzubauen, da diese bereits das Vertrauen von Migrant/ innengemeinschaften gewonnen haben.

W  enn möglich, empfiehlt es sich, Werbematerialien in die Sprache(n) der vor Ort vorhandenen ethnischen Minderheiten zu übersetzen.

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–  Die Definitionen und Konzepte für Freiwilligentätigkeit sind weltweit verschieden. Daher ist es wichtig, sich der verwendeten Sprache bewusst zu sein. Das Konzept der Freiwilligentätigkeit kann leicht unterschiedlich interpretiert und verstanden werden. Es gibt Alternativen, um klar und deutlich zu formulieren, was es heißt, als Freiwillige/r tätig zu sein. Zum Beispiel Formulierungen wie: „Hilf deiner Gemeinschaft“. Hierbei können die Leiter/innen von Migrant/innengemeinschaften oder Migrant/innenhilfsorganisationen der Organisation behilflich sein, indem sie wertvolles Feedback und Informationsmaterial aus einer nicht deutschsprachigen Perspektive zur Verfügung stellen.



E  s ist wichtig, daran zu denken, dass Freiwilligentätigkeit ein Drei-Wege-Prozess ist, bei dem der Organisation, dem/der Freiwilligen selbst und den Klient/innen bzw. Leistungsempfänger/innen geholfen werden soll. Daher ist es wesentlich, dass die Organisation ihr Angebot an Freiwillige klar darstellt und sicherstellt, dass die Werbung dies entsprechend vermittelt. Was der Organisation offensichtlich erscheint, kann für Menschen, die mit Ihren Aktivitäten nicht vertraut sind, weniger offensichtlich sein.

"Sie (die Migranten) benötigen Selbstwertgefühl, Motivation und das Vertrauen anderer. Sie fürchten sich. Sie bauen eine Mauer auf und verstecken sich ein Leben lang dahinter. Deshalb ist es wichtig, die Mauer zu durchbrechen, ihnen die Hand zu reichen und ihnen raus zu helfen." Freiwilliger mit Migrationshintergrund, Wien

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Außerdem zu beachten



– S  tellen Sie sicher, dass die Kultur der Organisation Diversität begrüßt und dafür offen ist. Dies sollten auch die organisatorischen Leitlinien und Verfahren widerspiegeln. –

 o nötig und möglich, sollte die W Organisation ihren bezahlten Angestellten und freiwilligen Mitarbeiter/innen eine Schulung zur interkulturellen Bewusstseinsbildung anbieten.



E  s sollte nicht davon ausgegangen werden, dass alle Kulturen gleich sind. Dies betrifft vor allem Geschlechterunterschiede.



G  ut etablierte Gemeinschaften unterscheiden sich von neuen, aufstrebenden Gemeinschaften durch die Probleme, mit denen sie konfrontiert sind, das Niveau der deutschen Sprache und ihre Erfahrungen mit der österreichischen Gesellschaft.



Es ist empfehlenswert, bei der Leitung und Unterstützung von Freiwilligen mit Migrationshintergrund flexibel zu sein. Das kann zusätzliche Unterstützung für Freiwillige, wie z.B. das Einführen eines Mentor/innen oder Buddy-Systems, beinhalten. Stellen Sie sicher, dass alle Freiwilligen in einer für sie passenden Rolle agieren und über eine deutlich formulierte Beschreibung mit vereinbarten Pflichten und Verantwortungsebenen dieser Rolle verfügen.

"Ich kenne Mädchen, die gut Deutsch sprechen, aber sie würden zum Arbeiten das Haus nicht verlassen. Sie scheinen verängstigt zu sein. Von der Perspektive einer Muslima betrachtet, fürchten sie, dass sie von der Gesellschaft aufgrund ihrer Kleidung oder Herkunft abgelehnt werden. Viele Muslimas wurden ihr ganzes Leben lang im Glauben aufgezogen, ihr Ehemann sei ihr „Beschützer“ und ihre „Welt“, besonders diejenigen, die mit ihren Ehemännern hier sind. Sie kommen hierher und hören von anderen: „ Geh' studieren, lern’ unsere Sprache, geh' arbeiten“. Das schüchtert sie ein, besonderes wenn es einen Ehemann gibt, der ihr keinen Mut macht. Wie kann man die Ehemänner erreichen? Das ist eine Herausforderung." Freiwillige mit Migrationshintergrund, Wien

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FALLBEISPIEL: Madina

VOLUNTEER BEI DER CARITAS

Ziele durchzusetzen und natürlich Gesundheit, um dem Erfolg einen Weg zu geben uns zu begegnen.

Ich heiße Madina, bin 22 Jahre alt und komme aus Tschetschenien. Hier meine Lebensgeschichte: Ich möchte gleich mit der Geschichte eines „Teenagers“ beginnen, als ich mit meiner Familie nach Österreich kam. Meine Kindheit, wie auch die von vielen anderen Tschetschen/innen in meinem Alter, verlief in einer Zeit, die in meinen Gedanken mit Unglück und Trauer gekennzeichnet ist, weshalb uns auch das Schicksal nach Österreich geführt hat. Darüber wurde viel geredet und gehört, aus diesem Grund würde ich mit meiner „story“ beginnen, die mit Oktober 2003 mit meiner Ankunft in Österreich beginnt. Anfangs war es wegen sprachlicher Barrieren schwer, sich in der Gesellschaft zurecht zu finden und sich selbst zu verwirklichen. Mit ein bisschen Mut und natürlich nicht ohne Unterstützung meiner Familie begann ich, den Bildungsweg hinauf zu gehen (und auch ein wenig zu stolpern) und schließlich zu meinem Traum zu gelangen, nämlich Rechtswissenschaft zu studieren. Bei der Caritas als „Volunteer“ zu arbeiten, war und ist Initiative zu ergreifen und Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln. Von Anfang an hatte ich Spaß dabei und überlege mir nun, ob ich vielleicht auch in dem Bereich in Zukunft weitermachen werde. Für die Zukunft wünsche ich mir und uns allen Erfolg, um unsere 34

G. SCHULUNGEN FÜR FREIWILLIGE MIT MIGRATIONSHINTERGRUND Es sollten für alle Freiwilligen Schulungen angeboten werden, damit diese ihren Dienst verrichten und in ihre persönliche Entwicklung investieren können. In einigen Fällen könnte es notwendig sein, dass die Schulung für eine Tätigkeit zwingend erforderlich ist.

Madina

Möchte ein/e Freiwillige/r beispielsweise bei einem Projekt mit Kindern und Jugendlichen mitarbeiten, sollte der/die Freiwillige zuvor eine Schulung über den Schutz von Kindern und Jugendlichen absolviert haben. In bestimmten Situationen kann es notwendig sein, Freiwilligen mit Migrationshintergrund auch andere Schulungen anzubieten, z.B. zum Verständnis der österreichischen Gesellschaft, Werte und Ethos der Organisation.

„Von Beginn hatte ich Spaß dabei und überlege mir, ob ich vielleicht auch in dem Bereich in Zukunft weitermachen sollte.“  

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Es ist wichtig und sehr zu empfehlen, allen Freiwilligen die gleichen Schulungsmöglichkeiten wie bezahlten Mitarbeiter/innen anzubieten, da beide in der selben Umgebung arbeiten und ähnliche Rollen übernehmen. Das hilft: –  den Freiwilligen ein Gefühl der Wertschätzung zu vermitteln; –  den Freiwilligen die Möglichkeit geben, sich genauso wie bezahlte Mitarbeiter/innen zu entwickeln;

–  ein Team-Gefühl herzustellen, indem bezahlte und unbezahlte Mitarbeiter/ innen gleichgesetzt werden; –  die einheitliche Qualität der Dienstleistungen zu gewährleisten; – gegenwärtigen Inhaber/innen eines Ehrenamtes sollen Kandidat/innen mit Interesse an der Übernahme ihrer Aufgabe nennen. Diese sollen andere über das Jahr verteilt miteinbeziehen, damit potenzielle Freiwillige unverbindlich lernen können, was diese Arbeit bedeutet.

"Ich kann mich nicht freiwillig für eine Organisation melden, wenn ich nicht weiß, was Freiwilligentätigkeit in dieser Organisation bedeutet. Ich brauche mehr als nur eine Einweisung, da ich mich noch nie in meinem Leben freiwillig engagiert habe und nicht aus einem österreichischen Kulturumfeld stamme. Ich weiß nicht, wie ich mich in meiner Rolle richtig verhalten soll, wenn ich vorher keine Schulung bekomme." Migrant ohne Freiwilligentätigkeit, Wien

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H. BINDUNG VON FREIWILLIGEN Ein Hauptgrund für das Verlassen von Freiwilligendiensten ist das Gefühl, nicht genügend Unterstützung zu erhalten. Es gibt einfache Maßnahmen, um diese Wahrnehmung zu verringern:

–  Stellen Sie sicher, dass eine Person damit beauftragt wird, sich um die Unterstützung der Freiwilligen zu kümmern (z.B. könnte dies ein/e Freiwilligenkoordinator/in sein, obwohl nicht jede Organisation über eine/n solche/n verfügt). Forschungsergebnisse zeigen, dass Freiwillige, die mit ihrer Tätigkeit zufrieden waren, sowohl Freiwilligenkoordinator/innen oder Verantwortliche für die Entwicklung der Freiwilligen als auch das Management als wichtigen Beitrag für ihre persönliche Entwicklung sehen. – Sorgen Sie dafür, dass Freiwillige mit Migrationshintergrund eine/n Ansprechpartner/in haben, dem/ der sie Probleme bezüglich der Freiwilligenarbeit anvertrauen können. Es ist sehr wichtig, dass diese Probleme von der Organisation ernst genommen werden und dass der/die Freiwillige zu den von ihm/ ihr angesprochenen Themen ein entsprechendes Feedback erhält.

– H  alten Sie wenn möglich einen Plan für die Nachfolge der Freiwilligen bereit, damit potenzielle neue Freiwillige Zeit bekommen, über ihre Verpflichtung nachzudenken. Im Idealfall können diese Personen dann ihren Vorgänger/innen bei der Arbeit über die Schulter schauen. – G  eben Sie den gegenwärtigen Freiwilligen regelmäßig die Möglichkeit, neue Freiwillige kennenzulernen. – B  itten Sie die gegenwärtigen Inhaber/innen eines Ehrenamtes, Kandidat/innen mit Interesse an der Übernahme ihrer Aufgabe zu nennen. Ermutigen Sie diese, andere über das Jahr verteilt miteinzubeziehen, damit potenzielle Freiwillige unverbindlich lernen können, was diese Arbeit bedeutet.

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– F  ühren Sie nach Möglichkeit ein Mentor/innen-System ein, da sich diese weltweit als sehr beliebt und wirksam erwiesen haben. Die Vorteile sind, dass die Tätigkeit von einem/r Mitarbeiter/in an den/die nächste/n weitergegeben wird, neue Freiwillige eingearbeitet und nicht ins kalte Wasser geworfen werden und es ein gewisses Maß an Kontinuität für den Verein gibt. Auch besteht hierdurch die Möglichkeit, die Tätigkeit erst einmal auszuprobieren, bevor sich der/die Freiwillige verpflichtet, und die Inhaber/innen des Ehrenamtes sind zufriedener, da sie die Herangehensweise ihrer Nachfolger/ innen vor der Weitergabe ihres Postens beeinflussen können.

Abschlussgespräche eignen sich gut, um herauszufinden, ob Probleme auftraten oder die Zusammenarbeit Ihrer Organisation mit Freiwilligen in bestimmten Bereichen einer Verbesserung bedarf. Ebenfalls kann dadurch der Nutzen von Freiwilligen beobachtet und deren Ansichten über folgende Punkte herausgefunden werden: – Die Art und Weise, wie sie behandelt wurden. – W  ie sie von anderen Mitarbeiter/ innen aufgenommen wurden. – Welche Schulung sie erhalten haben. – Ob sie sich geschätzt fühlten. – Was ihnen gefiel bzw. nicht gefiel. – W  ie man die Art und Weise ihrer Leitung verbessern könnte.

"Was Organisationen für Migranten tun können, ist, ihnen einen guten Anreiz zur Freiwilligentätigkeit bei sich zu bieten. Wenn Gemeinschaften wissen, dass man gute Arbeit für sie leisten kann... wäre es sehr gut, wenn diese die Freiwilligentätigkeit als Möglichkeit zum Sammeln von Erfahrungen und zum Verrichten einer guten Tat für ethnische Gemeinschaften „verkaufen“ würden." Freiwilliger mit Migrationshintergrund, Wien

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Allgemein: –  Abschlussgespräche können mit einem Fragebogen oder einem informellen Gespräch erfolgen, wobei Freiwillige ihre Meinung eher äußern, wenn ihre Gruppenleiter/innen nicht anwesend sind. – S  elbst wenn Freiwillige die Organisation aus persönlichen Gründen verlassen: Ein Einblick in ihre Erfahrungen wird Ihnen helfen, Einführung, Schulungen und die Leitung anderer Freiwilliger zu verbessern.

– E  s kostet sehr viel Zeit und Ressourcen, neue Freiwillige anzuwerben. Manchmal wird jedoch vergessen, dass man die Bindung der Mitarbeiter/innen verbessern könnte. – V  ersuchen Sie, die Verabschiedung so positiv wie möglich zu gestalten.

I. MISSVERSTÄNDNISSE BEZÜGLICH FREIWILLIGER MIT MIGRATIONSHINTERGRUND Organisationen denken zuweilen, dass beim Einsatz von Freiwilligen unterschiedlichster Herkunft zu viele Schwierigkeiten entstehen. Es folgen einige der häufigsten Bedenken und Wege, diese auszuräumen.

Menschen mit Migrationshintergrund möchten sich nicht für bekannte Organisationen freiwillig engagieren.

Checkliste für einen guten Abschluss:

Führen sie ein Abschlussgespräch. Erstellen Sie eine Kompetenz-Analyse mit einer Liste, der in Ihrer Organisation durch den/die Freiwillige/n erlernten Fähigkeiten, erreichten Ziele und gesammelten Erfahrungen. Fragen Sie den/die Freiwillige/n nach seinen/ihren Zukunftsplänen und verweisen Sie auf mögliche Anlaufstellen. Stellen Sie ein Zeugnis aus. Halten Sie eine Abschiedsfeier, wenn der/die Freiwillige damit einverstanden ist. Bieten Sie sich als Referenz an.

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–  Forschungsergebnisse aus aller Welt haben gezeigt, dass Freiwillige mit Migrationshintergrund häufig Wege suchen, mit größeren Gemeinschaften in Verbindung zu treten und Zugang zu neuen Fähigkeiten finden möchten. – Menschen mit Migrationshintergrund müssen möglicherweise ein bisschen mehr dazu ermutigt werden.

Die Mitarbeit von Freiwilligen mit Migrationshintergrund beansprucht die Ressourcen der Organisation zu stark.

–D  ie Organisationen sollten daran denken, dass die Schaffung eines Umfeldes, das Vielfalt begrüßt und durch organisatorische Richtlinien und Verfahren gestützt ist, eine Schlüsselkomponente bei der Leitung von Freiwilligen darstellt. –B  eziehungspflege – insbesondere der Austausch mit örtlichen Gemeinschaften (Bekannte lokale und Migrant/innenorganisationen) – ist wichtig, da viele bereits interne organisatorische Richtlinien und Verfahren zur Unterstützung und Leitung von Freiwilligen mit Migrationshintergrund entwickelt haben. Diese Organisationen sind möglicherweise dazu bereit, ihr Wissen mit anderen zu teilen und dieses Ihrer Organisation als Leitfaden für die Entwicklung eigener Richtlinien und Verfahren zur Verfügung zu stellen.

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Das Überwinden von Sprachbarrieren ist zu schwierig. Wie kommunizieren wir mit Freiwilligen mit Migrationshintergrund?

"Wir hören häufig, dass Menschen, die Migranten gegenüber mit Skepsis begegneten, von guten „Nachbarn“ (den guten Migranten) und „all den anderen“ (den schlechten Migranten) sprachen. Dies zeigt, dass Menschen ihre Meinung ändern, wenn sie sich besser kennen lernen. Sie werden erkennen, dass es zwar einen Unterschied zwischen ihnen gibt, aber auch eine gemeinsame Basis, auf der wir alle aufbauen. Ich denke, dass Freiwilligenarbeit und Organisationen einen Beitrag zur Integration leisten können und ein besseres Bild von Migranten und Aufnahmegesellschaft liefern." Mitglied einer politischen Interessensgruppe, Wien

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–  Die Organisation kann sicherstellen, dass mit Freiwilligen in der Orientierungsphase viele Gespräche geführt werden und genug Zeit investiert wird, um jeden Aspekt der Organisation, wie z.B. die internen Richtlinien und Verfahren, durchzugehen. Auch wenn es ratsam ist, Angelegenheiten auch in Schriftform zur Verfügung zu stellen, sollte man bedenken, dass Menschen unterschiedliche Bildungsgrade aufweisen. –  Es sollte auch bedacht werden, dass viele Menschen mit Migrationshintergrund zögern, viele Fragen zu stellen, da sie es möglicherweise als unhöflich erachten. Die Organisation sollte versuchen, das Verständnis der Freiwilligen durch Rückfragen zu testen und zu bestätigen.

–E  in weiterer Weg, mit Freiwilligen zu kommunizieren, könnte die Einbeziehung von Symbolen und/oder Grafiken in die Orientierungsphase sein, wie z.B. für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Ein Bild, das zeigt, wie man etwas richtig hochhebt, ist einfacher zu verstehen als eine Erklärung in Schriftform. –  Verwenden Sie einfaches Deutsch, verwenden Sie keine Fachsprache oder Abkürzungen. Die wichtigste Rahmenbedingung für die Grundlage jeder Kommunikation ist gegenseitiger Respekt.

Es bleibt anzumerken, dass Organisationen, die Freiwillige mit Migrationshintergrund wirksam miteinbeziehen, häufig erfolgreich sind, da sie: – M  igrant/innengemeinschaften in ihrer Umgebung kennen lernen. – Freiwillige aus diesen Gemeinschaften anwerben. – U  nterschiede erkennen und respektieren und selbst mehr über unterschiedliche Kulturen erfahren. – Ü  ber Richtlinien verfügen, die Diversität miteinschließen.

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"Generell mangelt es an Koordination. An den Schulen gibt es Klassen, wo der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund 80% beträgt. In anderen Klassen gibt es dagegen überhaupt keine Kinder mit Migrationshintergrund. Es besteht also eine Trennung, unabhängig davon, wo die Leute leben oder welche Schule sie besuchen. Dadurch werden keine positiven Ergebnisse erzielt, doch das muss die Gesellschaft noch lernen. Seitens der Politik wird daher Klarheit erwartet/gefordert. Die Medien helfen auch nicht weiter. (...) Was wäre Österreich ohne Menschen mit Migrationshintergrund? Es wäre schrecklich! Politik, Medien und auch Schulen können noch viel erreichen. Ich bin sicher, dass Bildung eine große Rolle spielen kann." Lokalpolitikerin, Wien

"[....] Für uns ist es sehr wichtig, dass junge Migranten sich aus eigenem Willen heraus für Freiwilligenarbeit engagieren und nicht, weil es die Voraussetzung für etwas anderes ist, wie z. B. dass der Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft direkt mit ihrem Engagement in einer Freiwilligenorganisation verbunden ist. Dieser Aspekt stößt bei uns auf starke Kritik, da es sich nicht mehr um freiwilliges Engagement handelt, sondern um eine auferlegte Tätigkeit." Vertreterin einer Freiwilligenorganisation, Wien

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FALLBEISPIEL: Laudatio Zhi-He XU

ÄLTEREN MENSCHEN HELFEN Die Tagesgruppe der Seniorinnen und Senioren in der Casalgasse der Lebenshilfe wird seit Oktober fast täglich von einem besonderen Menschen besucht. Dieser besondere Mensch hat einen langen Weg hinter sich, fast 8400km trennt die Casalgasse in Puntigam von seiner Heimatstadt Nanjing in China. Dennoch haben sie zusammengefunden, die kleine Gruppe der geistig oder körperlich beeinträchtigen älteren Menschen und der Diakon mit seiner sanften Stimme und den starken Armen. Gemeinsam verbringen sie den Tag, kochen gemeinsam, gehen spazieren oder basteln und musizieren.

Wenn die Beine oder Arme einmal nicht mehr so stark sind, er stützt, er trägt. Wenn man Unterstützung bei sanitären Belangen braucht, er ist zur Stelle. Die Seniorinnen und Senioren können sich auf ihn verlassen. Als ausgebildeter Pfleger mit dreijähriger Erfahrung in Kärnten, assistiert er bestimmt und professionell. Vor kurzem hat er mit seinem Geschichtsstudium an der Uni Graz begonnen, möchte aber weiterhin so oft wie möglich „seine“ Senioren und Seniorinnen besuchen. Denn, so wie er sagt:

"Ich liebe meine Bewohner da sie für mich ein Trost sind, für mich ist ihr Leben ein kostbares Geschenk. Für diese Bewohner ist mein Leben auch ein Geschenk, da ich ihnen helfen kann.“

J. VERSTÄNDNIS UND WERTSCHÄTZUNG FÜR KULTURELLE VIELFALT Kulturelle Diversität gibt es in der österreichischen Gesellschaft, sowohl hinsichtlich der kulturellen Vielfalt in Organisationen, als auch der Entwicklung und Verbesserung von Möglichkeiten der Freiwilligenarbeit. Das kann einen positiven Einfluss auf Gruppen ethnischer Minderheiten haben. – Organisationen, die an einer längerfristigen Mitarbeit Freiwilliger interessiert sind, sollten eine Person bestimmen, die bei der Ausarbeitung von Richtlinien und Vorgangsweisen mit Rücksicht auf unterschiedliche Kulturen behilflich ist. – Diese Richtlinien sollten auch Aussagen über die Wertschätzung von Vielfalt und den Einsatz der zur Förderung der Diversität nötigen Ressourcen seitens der Organisation enthalten. – Es ist wichtig, Partnerschaften zu Migrant/innenorganisationen und migrant/innengeführte Organisationen aufzubauen, die auf Anfrage interkulturelle Schulungen durchführen können.

–  Auch ist es wichtig, das interkulturelle Wissen neuer Freiwilliger zu nutzen. Dadurch fühlen sich die Freiwilligen von Beginn an gewürdigt und geschätzt. – E  s kann nützlich für die Organisation sein, generelle Aussagen über Diversität in organisatorischen Dokumenten einzuführen, damit dies rasch gängige Praxis wird. – D  ie Richtlinien sollten sich auf Diversität im Allgemeinen beziehen, statt auf kulturelle Besonderheiten einzugehen. Da Bedürfnisse und Sensibilität unterschiedlicher Kulturen stark variieren können, ist es möglicherweise ratsamer, Richtlinien und Verfahren bezüglich Diversität so allgemein und anpassbar wie möglich zu halten.

Herr Xu 46

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– Richtlinien und Verfahren, die andere Kulturen berücksichtigen, sollten in Entwicklung befindliche Dokumente sein, die man regelmäßig überarbeiten und aktualisieren kann.

Ein EU Bericht aus dem Jahre 2003 hebt die folgenden Vorteile für Organisationen hervor, die Zeit und Ressourcen in die Entwicklung aktiver Diversitätsrichtlinien investiert haben:

– A  nstieg des Ansehens der Organisation und Verbesserung der Darstellung nach außen. – Mehr Innovationen und Kreativität unter Angestellten und Freiwilligen. – Höheres Dienstleistungsniveau und zufriedenere Kund/innen. – A  rbeitskräftemangel konnte leichter überwunden werden.

–  Es half dabei, hoch talentierte Kräfte für Freiwilligentätigkeit oder eine bezahlte Beschäftigung zu gewinnen und zu binden.

– Geringere Fluktuation bei Arbeitskräften.

– G  esteigerte Motivation und Effizienz bei vorhandenen Angestellten und Freiwilligen.

– V  erbesserter Zugang zu neunen Marktsegmenten.

– S  tärkung verschiedener kultureller Werte innerhalb der Organisation.

– Verbesserte allgemeine Managementfähigkeiten.

– Geringere Fehlzeiten.

– Vermeidung von Prozesskosten.

"Viele Migranten kommen zu uns, um sich freiwillig zu engagieren, und sind sehr enttäuscht, wenn es fast keine Stellen für Freiwilligentätigkeit gibt, die zu ihren Kompetenzen oder Qualifikationen passen. Selbst wenn sie etwas Passendes finden, ist diese Aufgabe meistens recht einfach gestrickt und es bedarf nicht vieler Fachkenntnisse oder Qualifikationen, um diese auszuüben. Dann sind sie nicht an Freiwilligentätigkeit interessiert."

K. INTERKULTURELLE MEDIATION Eng verbunden mit dem Verständnis und der Wertschätzung kultureller Diversität ist die Praxis und Disziplin der interkulturellen Mediation. Sie ist ein dynamischer und fortlaufender Prozess, bei dem Dritte als kulturelle Vermittler zwischen zwei Parteien auftreten und dabei helfen, einander zu verstehen und zufriedenstellender zu interagieren. Kulturmittler/innen lösen Konflikte, die durch kulturelle Missverständnisse entstehen, bzw. helfen vor allem, diese zu vermeiden, und tragen zur Entstehung einer neuen sozialen Wirklichkeit bei.

Obwohl es in vielen Situationen nicht notwendig ist, kann es während des Einsatzes Freiwilliger mit Migrationshintergrund vorkommen, dass die Organisation eine/n Kulturmittler/in benötigt.

Mitarbeiter eines Freiwilligenzentrums, Wien

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Ziele der interkulturellen Mediation – Erleichterung der Kommunikation zwischen der Organisation und Freiwilligen mit Migrationshintergrund. – Unterstützung des gegenseitigen Verständnisses und der zufriedenstellenden Interaktion zwischen den Parteien. – U  nterstützung der Organisation beim Verständnis und der Wahrnehmung kulturspezifischer Praktiken. – A  ufbau einer vertrauensvollen und sicheren Beziehung zwischen Organisationen, Freiwilligen mit Migrationshintergrund und Dienstleister/innen.

– Unterstützung und Ermutigung der Freiwilligen mit Migrationshintergrund, ihre Ansichten und Bedenken zu äußern. – Hilfestellung für Freiwillige mit Migrationshintergrund, die Dienstleistungen der Organisation besser zu verstehen. – Schaffung eines Raum für gegenseitiges Verständnis, um potenzielle Konflikte zwischen Dienstleister/innen und Freiwilligen mit Migrationshintergrund zu vermeiden.

Verhaltenskodex EINES/EINER KULTURMITTLERS/KULTURMITTLERIN – Diskretion, Respektieren von Grenzen. – Neutralität. – U  nparteilichkeit (während des Gesprächs). – A  rbeit auf hohem Niveau (Mediationstechniken, professionelle Herangehensweise und Kulturbewusstsein). – Bereitstellung richtiger Informationen.

Kulturübergreifendes Arbeiten ist für viele Menschen eine neue Erfahrung. Interkulturelle Kommunikation kann dynamisch und kreativ sein. Manchmal kann sie jedoch aufgrund der Unfähigkeit, andere Menschen korrekt zu verstehen, eine Herausforderung sein. Das Aufbauen eines Verständnisses für Kultur, Kommunikations- und Verhaltensweisen anderer kann ein langwieriger Prozess der Verbesserung von Beziehungen sein und ist in einer interkulturellen Umgebung erfolgreicher.

– Respekt vor den kulturellen und religiösen Werten anderer. – Keine Ausnutzung der Befugnisse und Autorität. – A  ufbau einer vertrauensvollen und sicheren Beziehung zu Klient/innen und Dienstleister/innen. – Keine Annahme einer Bezahlung (in welcher Form auch immer) von den Klient/innen.

– K  ein Eingriff in die Arbeit der Dienstleister/innen. – A  blehnung von Fällen, wenn diese nicht professionell bearbeitet werden können.

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L. TIPPS ZUR INTERKULTURELLEN KOMMUNIKATION

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Auch wenn Sie sich nicht durch einen Stapel Bücher und Artikel gelesen und nicht an einem Workshop für interkulturelle Kommunikation teilgenommen haben, ist es möglich, wesentliche Grundprinzipien anzuwenden, um die eigene interkulturelle Kommunikation zu verbessern. Die folgenden Tipps zur interkulturellen Kommunikation sollen Menschen in internationalen oder multikulturellen Umgebungen ein paar grundlegende Einsichten zum richtigen Umgang mit Menschen anbieten, damit kulturelle Differenzen nicht zum Problem werden.

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SEIEN SIE GEDULDIG:

Die Arbeit in einem interkulturellen Umfeld kann frustrierend sein. Ziele können nicht immer zum erwarteten Zeitpunkt erreicht werden. Die Kommunikation kann ermüdend und das Verhalten unangemessen sein. Mit Geduld können Sie und andere solche Probleme bewältigen und Lösungen finden, wie ähnliche Vorkommnisse in Zukunft vermieden werden können.

ZEIT:

Nicht für jeden gilt die Aussage „Zeit ist Geld“. Sie sollten verstehen, dass bei vielen Menschen die Arbeit eine niedrigere und die Familie eine wesentlich höhere Priorität hat. Erwarten Sie nicht, dass Menschen ihre persönliche Zeit opfern, um Fristen einzuhalten. Es empfiehlt sich, stets ein wenig Zeitspielraum bei der Festlegung von Fristen einzuplanen.

STELLEN SIE REGELN AUF:

Manchmal kann es die Arbeit in einem interkulturellen Team erfordern, dass alle Beteiligten einen Schritt zurück gehen und einige Grundregeln aufstellen. Zum Beispiel: Wie gehen wir mit Pünktlichkeit, Meetings, Kommunikation, E-Mails, Unstimmigkeiten usw. um? Es ist stets eine gute Idee, Regeln nach Möglichkeit als Gruppe aufzustellen, statt sie einfach aufzuerlegen.

HUMOR:

In einer interkulturellen Umgebung können Witze falsch verstanden werden und sogar beleidigen. Seien Sie sich bewusst, dass es unterschiedliche Auffassungen von Humor gibt und Scherze und dergleichen in einer Geschäftsumgebung nicht immer willkommen sind.

ÜBERPRÜFEN SIE STETS:

Der einfachste Weg, negative Auswirkungen interkultureller Kommunikation zu minimieren, ist zu prüfen und nochmals zu überprüfen. Ob es nun darum geht, zu etwas zuzustimmen oder Anweisungen zu geben: In nur einer Minute kann überprüft werden, dass sich alle Parteien gerade auf die gleiche Sache konzentrieren, was später stundenlange Arbeit ersparen kann.

DENKEN SIE POSITIV:

Wenn es zu interkulturellen Problematiken kommt, vermeiden Sie Konflikte und schieben Sie niemandem die Schuld zu. Bleiben Sie positiv, analysieren Sie Problembereiche und arbeiten Sie im Team, um Strategien und Lösungen zu erarbeiten, die solche Fälle zukünftig verhindern.

SELBSTREFLEXION:

Ein/e gute/r interkulturelle/r Kommunikator/ in blickt nicht nur nach außen, sondern auch in sich selbst. Nehmen Sie sich Zeit, um über Ihre Kommunikation, Ihr Management und Ihre Art zu motivieren und zu reflektieren, und erkennen Sie, was Sie selbst verbessern können.

FRAGEN SIE:

Wenn Sie etwas nicht verstehen oder wissen möchten, warum sich jemand nach einem bestimmten Muster verhalten hat, fragen Sie einfach. Das Stellen von Fragen verschafft Klarheit, zeigt den/die Gefragte/n, dass Sie sie/ihn nicht verstanden haben und hilft, Ihr interkulturelles Wissen zu erweitern.

RESPEKT:

Respekt ist die Grundlage interkultureller Kommunikation. Durch das Zollen von Respekt ernten Sie Respekt und helfen dabei, offenere und fruchtbarere Beziehungen aufzubauen.

DAS GESCHRIEBENE WORT:

Manchmal können Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die Sprache besser lesen als sprechen. Daher ist es ratsam, sicherheitshalber alles niederzuschreiben.

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Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der interkulturellen Kommunikation und Arbeit in multikulturellen Umgebungen zeigen, dass kulturell vielfältig zusammengesetzte Arbeitsgruppen erfinderischer und dynamischer sind.

Dieses Potenzial kann jedoch nur dann genützt werden, wenn Unternehmen und Einzelpersonen sich mit dem Gebiet der interkulturellen Kommunikation als ernsthaftes Thema im Unternehmen befassen.

M. ORGANISATORISCHE CHECKLISTE FÜR KULTURELLE VIELFALT UND KULTURELLES BEWUSSTSEIN Besonders karitative und gemeinnützige Organisationen stellen sich kontinuierlich der Herausforderung, Menschen mit begrenzten Deutschkenntnissen eine Möglichkeit zur Mitarbeit anzubieten. Diese Organisationen wissen um die steigenden Bedürfnisse dieser vielfältigen Gemeinschaften. Aufgrund begrenzter Ressourcen fällt es ihnen jedoch schwer, deren Bedürfnisse zu erfüllen. Organisationen, die an der Aufnahme einer multikulturellen Komponente in ihr Freiwilligenprogramm interessiert sind oder Hilfe benötigen, um die Wirksamkeit ihres Freiwilligenprogrammes bezüglich neuer Freiwilliger mit schlechten Sprachkenntnissen zu prüfen, können auf Selbstbewertungsinstrumente zurückgreifen. Diese bieten einen Rahmen, um die Fähigkeit der Organisation, Freiwillige mit eingeschränkten Sprachkenntnissen aufzunehmen, zu bewerten und Vorschläge zu präsentieren, mit welchen Änderungen man den Bedürfnissen Freiwilliger mit Migrationshintergrund besser entsprechen könnte.

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Das folgende Selbstbewertungstool basiert auf dem der Organisation Volunteer Ottawa (www.volunteerottawa.ca) und kann von jeder Organisation verwendet werden, die herausfinden möchte, ob sie für die Mitarbeit von Freiwilligen mit Migrationshintergrund und Migrant/innengemeinschaften insgesamt bereit ist:

Jedes Gebiet der Selbstbewertung enthält eine Reihe an Fragen. Wählen Sie als Antwort, was am ehesten der Situation in Ihrer Organisation entspricht. Zum Beispiel: Erhalten Angestellte eine Form von Einweisung/Schulung für die Arbeit mit Freiwilligen? –  Wenn die meisten Angestellten Ihrer Organisation eine Einweisung/Schulung erhalten, antworten Sie mit JA. – Wenn nur wenige der Angestellten Ihrer Organisation eine Einweisung/Schulung erhalten, antworten Sie mit NEIN. Die Fragen werden unterschiedlich gewertet, um das Gewicht der einzelnen Themen widerzuspiegeln. Die Auswahl, 'Weiß ich nicht' erhält keine Bewertung. Bitte beantworten Sie diese Fragen trotzdem. Fragen, die mit 'Weiß ich nicht' beantwortet wurden, können Ihrer Organisation auf einfache Weise den Weg zu wichtigen Aspekten weisen, die man in Betracht ziehen sollte und die andernfalls vielleicht übersehen werden. Zur Selbstbewertung der Möglichkeiten in Ihrer Organisation müssen Sie auf alle Fragen eine Antwort finden. Nutzen Sie diesen Test als Checkliste. Zur Ermittlung der Gesamtpunkte zählen Sie die Ergebnisse der Spalten für JA und NEIN in den vier Abschnitten zusammen.

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DIE ANGESTELLTEN

JA

NEIN

WEISS ICH NICHT

DIE ORGANISATION

Gibt es Angestellte in Ihrer Organisation, die neben Deutsch noch

Sind Sie sich des demographischen Wandels Ihrer Region bewusst?

andere Sprachen sprechen?

Hat dieser Auswirkungen auf Ihre Organisation oder deren

NEIN

WEISS ICH NICHT

JA

NEIN

WEISS ICH NICHT

Dienstleistung?

Erhalten die Angestellten eine Form von Einweisung/Schulung für die Arbeit mit Freiwilligen?

Sind Ihre momentanen Klient/innen, Angestellten und Freiwilligen

Erhalten die Angestellten eine Einweisung/Schulung für die Arbeit in

repräsentativ für die Gesellschaft oder das Gebiet, auf dem Ihre

einem kulturell vielfältigen Umfeld?

Organisation tätig ist?

Erhalten die Angestellten eine Einweisung/Schulung, um sprachliche

Verfügt Ihre Organisation über Richtlinien gegen Rassismus bzw. für

Kommunikationsbarrieren zu überwinden?

gleichberechtigten Zugang?

DIE MÖGLICHKEIT ZUR FREIWILLIGENARBEIT AN SICH

JA

JA

NEIN

WEISS ICH NICHT

DAS FREIWILLIGENPROGRAMM

Wären Sprachkompetenzen in einer anderen Sprache als Deutsch

Ist der Prozess der Kontaktaufnahme/Anwerbung für potenzielle Frei-

von Vorteil?

willige mit eingeschränkten Deutschkenntnissen geeignet?

Würde der/die Freiwillige besonderes Fachwissen zur Verfügung

Ist der Aufnahmeprozess für Freiwillige mit eingeschränkter

stellen, das sonst nicht verfügbar wäre?

deutscher Sprachkompetenz geeignet?

Gibt es in der Abteilung/dem Bereich, wo der/die Freiwillige arbeiten

Ist die Einweisung für Freiwillige mit eingeschränkter deutscher

würde, Angestellte, deren Muttersprache nicht Deutsch ist?

Sprachkompetenz geeignet?

Gibt es in der Abteilung/dem Bereich, wo der/die Freiwillige arbeiten

Ist der Prozess der Eingliederung der Freiwilligen in die alltäglich-

würde, andere Freiwillige, deren Muttersprache nicht Deutsch ist?

en Arbeitsabläufe für Freiwillige mit eingeschränkter deutscher

Wäre es möglich, dem/der Freiwilligen die nötige Einweisung/Schu-

Sprachkompetenz geeignet?

lung zur Verfügung zu stellen, damit diese/r die einzelnen Aufgaben

Werden bei jeder Möglichkeit zur Freiwilligenarbeit routinemäßig die

seiner/ihrer Position erfüllen kann?

Anforderungen bezüglich der Sprachkompetenz festgelegt?

Würden die eingeschränkten Deutschkenntnisse des/der Freiwilligen

Würden die meisten Ihrer Klient/innen/Patient/innen Freiwillige mit

zu unverhältnismäßig viel zusätzlicher Arbeit für Angestellte oder

eingeschränkten Deutschkenntnissen akzeptieren?

anderer Freiwillige führen? Wären zusätzliche Ressourcen verfügbar, um die Tätigkeit des/der Freiwilligen zu unterstützen? Besteht große Gefahr, dass durch Kommunikationsfehler irreparable Schäden entstehen?

Wurden zuvor schon einmal erfolgreich Stellen mit Freiwilligen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen besetzt? Gibt es einen Vorgang, bei dem jedem/r Freiwilligen ein/e Kollege/in bzw. Mentor/in („Buddy“) zugewiesen wird? Wenn Sie auf einer Waage die Ressourcen für die Integration von Freiwilligen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen gegen die besonderen Vorteile, die durch die Arbeit dieser Freiwilligen entstehen, abwägen müssten, würden Sie die Investition als sinnvoll erachten?

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INHALT HANDBUCH: FÜR MIGRANT/INNEN

HANDBUCH

A. Einleitung

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B. Was ist Freiwilligentätigkeit?

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C. Gründe für Freiwilligentätigkeit

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D. Wie man sich in Österreich freiwillig engagiert

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E. W  ie findet man Möglichkeiten zur

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Freiwilligentätigkeit in Österreich F. Mögliche Einsatzgebiete für Freiwillige

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G. MÖGLICHE TÄTIGKEITEN FÜR FREIWILLIGE

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für Migrant/innen, die sich freiwillig engagieren möchten

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A. EINLEITUNG Dieses Handbuch wurde erstellt, um Menschen mit Migrationshintergrund, die Interesse an einer Freiwilligentätigkeit haben, Hilfestellung zu bieten.

Anfang 2012 machten Ausländer/ innen, inklusive Personen mit Migrationshintergrund 11,5% der österreichischen Bevölkerung aus (etwa 970.000 Personen). Der projektbezogene nationale Bericht zur Situation der Freiwilligentätigkeit in Österreich 2013 zeigt, dass sich Migrant/innen weniger in den formellen Freiwilligensektor einbringen als österreichische Staatsbürger/innen. Dies bedeutet jedoch nicht, das Migrant/innen weniger aktiv sind. Im informellen Sektor gibt es keine spürbaren Unterschiede zwischen Migrant/innen und Österreicher/ innen. Freiwilliges Engagement von Migrant/innen kommt hauptsächlich im informellen Sektor oder innerhalb von Migrant/innenorganisationen vor. Das freiwillige Engagement von Migrant/ innen ist sehr wichtig, vor allem um soziale Ausgrenzung zu vermeiden. Es gibt viele Migrant/innenorganisationen in Österreich, und die meisten von ihnen tragen zur Integration von Migrant/innen in die Aufnahmegesellschaft bei.

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Viele erreichen dies, indem sie Kontakte zu Einheimischen fördern, um die österreichische Kultur und auch Österreich selbst kennen zu lernen, oder indem sie Deutschkurse anbieten. Viele Migrant/innen engagieren sich informell in ihren großen Familien und sozialen Netzwerken und würden dies nicht zwingend als freiwilliges Engagement bezeichnen. Das Hauptziel des GIVE-Projektes ist die Stärkung der Beteiligung von Migrant/innen in Aspekte des Gemeinschaftslebens sowie die Unterstützung der Schaffung integrativer Wohnviertel und bürgernaher Initiativen für die Teilnahme vor Ort. Es wird erhofft und erwartet, dass das Handbuch des GIVE-Projektes Drittstaatsangehörige dazu ermutigt, sich freiwillig in den Gemeinschaften ihrer neuen Heimat zu engagieren, und dadurch die Integration erleichtert und verbessert wird.

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B. WAS IST FREIWILLIGENTÄTIGKEIT? Es gibt viele verschiedene Vorstellungen von Freiwilligentätigkeit, bei denen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielt. Anzumerken ist, dass Freiwilligentätigkeit unterschiedlich definiert werden kann:

1. Informelle Freiwilligentätigkeit D  ie meiste Freiwilligenarbeit wird in den Bereichen informelle Hilfe, Mitarbeit bei Kampagnen, Interessensvertretung und Aktivitäten zur Veränderung der Gesellschaft, Gemeinschaftsarbeit zur Bekämpfung von Armut, Benachteiligung und Ausgrenzung sowie in den Bereichen Kultur, Kulturerbe, Kunst und Sport geleistet. Den meisten Freiwilligen mit Migrationshintergrund ist diese Form der Freiwilligentätigkeit am ehesten vertraut.

2. Formelle Freiwilligentätigkeit Diese wird meist zum Anbieten von Hilfe durch gemeinnützige oder wohltätige Organisationen, Gemeinschaftsgruppen, Vereine oder staatliche Stellen für andere Menschen, die Umwelt oder sonstige Anliegen geleistet. Freiwillige sind Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, Altersgruppen und Lebenslagen. Was sie gemeinsam haben, ist der Wunsch, durch den Einsatz ihrer Zeit in ihrer Gemeinschaft - aber auch in ihrem eigenen Leben - etwas zu ändern. Freiwillige sind an nahezu jedem Aspekt der Gesellschaft beteiligt: In den Bereichen Gesundheit, Bildung, soziale Dienstleistungen, Jugend, Sport, Freizeit, Kultur, Kunst und Umwelt.

"Die Freiwilligenarbeit als Altenpflegerin in einem Altenpflegeheim hier in der Nähe hat mir geholfen besser zu verstehen, wie sich die österreichische Gesellschaft um ihre älteren Menschen kümmert. Wo ich herkomme, gibt es solche Einrichtungen nicht. Traditionell ist es aber die Aufgabe der Familie, sich um die Ältesten der Familie zu kümmern. Als ich mit der Freiwilligenarbeit begann, öffnete sich für mich das Tor zu einer völlig neuen Welt. Seitdem habe ich viel gelernt und denke über eine berufliche Laufbahn in diesem Bereich nach. Außerdem möchte ich an der Uni mehr über Pflege oder Pflegeberufe lernen." Freiwillige mit Migrationshintergrund, Wien

"Ich möchte Berufserfahrung sammeln, um nach der Uni leichter einen bezahlten Job zu finden. Ich weiß, dass ich während dieser Rezession nicht gleich nach der Uni einen Job finden werde. Deshalb engagiere ich mich freiwillig auf zwei sehr unterschiedlichen Gebieten, um so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln und meine Kompetenzen zu erweitern." Freiwilliger mit Migrationshintergrund, Wien

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C. GRÜNDE FÜR FREIWILLIGENTÄTIGKEIT Die folgende Checkliste hebt einige Beweggründe für Freiwilligentätigkeit hervor: – U  m der örtlichen Gemeinschaft oder der Gesellschaft, in die man aufgenommen wurde, etwas zurück zu geben. –

U  m wertvolle Schulungen und Berufserfahrung zu erhalten, die bei der späteren Suche nach einem bezahlten Beruf helfen können.



Um  eigene Interessen und Talente einzubringen.



U  m neue Kompetenzen zu erlangen und/oder neue Interessen zu entdecken.





Um neue Leute mit ähnlichen Interessen zu treffen.



Um mehr über einen Arbeitsbereich, für den man eine berufliche Laufbahn anstrebt, zu erfahren. 




Um Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen.



 m neue Freund/innen und Bekannte U kennenzulernen.



Um die örtliche Gemeinschaft besser kennenzulernen und sich schneller einzuleben.



Um ein/e aktive/r Bürger/in zu sein.



Um etwas zu bewegen.

U  m Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern.

"Ich habe mich in erster Linie zur Freiwilligentätigkeit entschlossen, weil sie ein perfekter Weg ist, Berufserfahrung zu sammeln. Je mehr ich mich in diesen Organisationen engagiere, desto besser schreitet meine persönliche Entwicklung voran. Außerdem macht es sich gut in meinem Lebenslauf." Freiwilliger mit Migrationshintergrund, Wien

"Es war unglaublich, wie einsam ich in meinen vier Wänden zuhause war... Meine einzige Chance war eine Freiwilligentätigkeit. Sie hat mir geholfen, offener zu werden und mich mit den Menschen in meiner neuen Heimat auseinanderzusetzen." Freiwilliger mit Migrationshintergrund, Wien

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FALLBEISPIEL: Herr Xu

ÄLTEREN MENSCHEN HELFEN

Herr Xu, seit 2003 in Österreich, ausgebildeter Diakon, dreijährige Erfahrung als Pfleger für behinderte Menschen in Köraus, Kärnten. Von Oktober bis Ende Dezember 2012 war Herr Xu 3-5 Tage pro Woche als freiwilliger Pfleger im Wohnhaus der Lebenshilfe in der Casalgasse für Menschen mit Behinderung tätig.

'Ich liebe meine Bewohner, da sie für mich ein Trost sind, für mich ist ihr Leben ein kostbares Geschenk. Für diese Bewohner ist mein Leben auch ein Geschenk, da ich ihnen helfen kann.“

Seit Jänner 2012 ist Herr Xu fast täglich in der Tagesgruppe für Senior/innen der Lebenshilfe in der Casalgasse und hilft auf vielfältige Weise. Zu seinen Aufgaben gehören:

D. WIE MAN SICH IN ÖSTERREICH FREIWILLIG ENGAGIERT Es gibt zahlreiche Wege, sich freiwillig zu engagieren und tausende Organisationen in ganz Österreich, die Helfer/innen suchen. Jedoch gibt es neben Ihren momentanen Verpflichtungen und Verantwortungen eine Vielzahl von Faktoren, die Ihre Entscheidung bezüglich der Art von Freiwilligentätigkeit beeinflussen können. Die folgenden Fragen sollen Ihnen dabei helfen, herauszufinden, was Sie gerne tun würden und wie viel Zeit Ihnen dafür zur Verfügung steht:

– Kund/innen mit Tee versorgen Zeitplanung und Einsatzort

– Gemeinsam kochen

–  Wie viel Zeit können Sie für Ihr freiwilliges Engagement entbehren? Es ist wichtig, dass Sie Ihre anderen Verpflichtungen wie z. B. die Familie und Ihre Arbeit nicht außer Acht lassen. Muten Sie sich nicht zu viel zu!

– Spazierengehen – Zu Ausflügen und Sport begleiten – U  nterstützen bei Mobilität und sanitären Belangen Zukunft: Geschichte studieren an der Karl-Franzens-Uni Graz und nebenbei weiter die Einrichtungen der Lebenshilfe besuchen.

–  Werden sich Ihre persönlichen Umstände in naher Zukunft vermutlich ändern?

Herr Xu

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–  Über welchen Zeitraum können Sie sich freiwillig verpflichten? Zum Beispiel für einen Tag, einen Monat, oder sechs Monate?

–F  ür einige Freiwilligenprojekte müssen Sie sich zu einem Mindestzeitraum verpflichten. Dies gilt es zu überprüfen, bevor Sie sich für ein Projekt entscheiden. –  Wie viel Zeit möchten Sie gerne mit Freiwilligenarbeit verbringen? Zum Beispiel einen Tag im Monat, eine Stunde die Woche oder mehr/weniger als das? –Z  u welchen Tageszeiten bzw. an welchen Wochentagen sind Sie verfügbar? –  Verfügen Sie über ein motorisiertes Transportmittel? Falls nicht, ist es einfach, Ihren Einsatzort über öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen?

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Auf welchem Gebiet möchten Sie sich freiwillig engagieren? – W  ie können Sie Ihrer Meinung nach am besten einen Beitrag leisten? – W  o liegen Ihre persönlichen Stärken und Interessen? –  Was machen Sie wirklich gerne? Viele Alltagskompetenzen können für das freiwillige Engagement von Nutzen sein. Vergewissern Sie sich, dass Sie keine Fähigkeit – wie Briefe schreiben, Dekorieren, Reden, Zuhören, Heimwerken, Auto fahren, Lesen, Einkaufen, Sport, Freizeit- und Outdooraktivitäten, Unterhaltung, gärtnern usw. – vergessen haben. – A  rbeiten Sie gern oder weniger gern mit Menschen zusammen?

– W  enn Sie gern mit Menschen zusammenarbeiten, bevorzugen Sie die Arbeit in Gruppen oder mit Einzelpersonen? – Bevorzugen Sie eine praktische Tätigkeit, z.B. mit Einsatz Ihrer Hände? – W  ürden Sie gern eine Tätigkeit ausüben, mit der Sie schon Erfahrungen gesammelt haben bzw. bei der Sie bereits erlernte Fähigkeiten einsetzen können? Oder würden Sie eine Herausforderung und etwas völlig Neues bevorzugen? – W  enn Sie mit Menschen zusammenarbeiten wollen, haben Sie eine besondere Gruppe von Menschen, mit der Sie gern zusammenarbeiten würden?

"Viele sind darüber schockiert, dass sie in ihrer Heimat die Universität besucht haben und dann niedere Tätigkeiten verrichten müssen, weil ihre Diplome nicht anerkannt werden oder das Anerkennungsverfahren zu lange dauert und sie deswegen trotzdem nicht angenommen werden." Freiwilliger mit Migrationshintergrund, Wien

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Fragen für Ihr erstes Treffen Das erste Treffen ist eine großartige Möglichkeit, mehr über die Organisation zu erfahren. Hier muss man sich noch zu nichts verpflichten und kann nach Belieben Fragen stellen. Überlegen Sie, ob die Tätigkeit etwas für Sie ist und ob sie Ihren Vorstellungen entspricht. Wenn Sie diese Frage mit Ja beantworten, schlagen Sie zu! Falls die Antwort Nein lautet, ist es besser, dies gleich zu wissen, als vorher Zeit zu verschwenden. – W  as genau werde ich tun?  Gehen Sie die Rollenbeschreibung der Organisation durch und finden Sie alles Notwendige über die einzelnen Aspekte dieser Arbeit heraus. – Wer  ... wird mein/e Vorgesetzte/r sein ... wird mit mir zusammenarbeiten ... ist mein/e Ansprechpartner/in, wenn ich überfordert bin? Für einige Tätigkeiten steht ein/e eigene/r Freiwilligenkoordinator/ in zur Verfügung, für andere wiederum nicht. Es ist also wichtig, herauszufinden, wer für Sie, den/ die Freiwillige/n, zuständig ist und mit wem Sie bei Antritt Ihrer Arbeit zusammenarbeiten werden. – W  ann ... beginne ich ... beginnt meine Schulung ... endet meine Tätigkeit ? Einige Tätigkeiten beginnen umgehend, für andere muss man erst einen Aufnahme- und Schulungsprozess durchlaufen. Dies sollten Sie in Erfahrung bringen, bevor Sie sich verpflichten.

– Wer  ... kümmert sich um die Versicherung ... zahlt meine Ausgagen? Bei wem beantrage ich Urlaub etc.? Es gibt keine definitive Antwort auf diese Fragen, da jede Organisation dies unterschiedlich handhabt. Klären Sie diese Punkte vorab mit der Organisation, um Bedenken auszuräumen. – Was  kann ich erwarten, sobald ich meine Tätigkeit aufgenommen habe? Als Freiwillige/r bieten Sie Ihre kostbare Zeit, Energie und Fähigkeiten unentgeltlich einer Organisation an. Es gibt einige grundlegende Dinge, die Sie von der Organisation erwarten sollten. So wie es auch einige Dinge gibt, die von Ihnen erwartet werden. – S  ich über die Erwartungen beider Seiten von Beginn an im Klaren zu sein, sorgt für gute Stimmung und eine angenehmere Zusammenarbeit!

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– S  chulung  S  tellen Sie sicher, dass Sie an allen relevanten Schulungen teilnehmen, damit Sie Ihre Tätigkeit wirksam ausüben können. Lassen Sie sich durch das Wort „Schulung“ nicht entmutigen. Es macht sich gut im Lebenslauf und Sie können Ihre Kompetenzen erweitern. – Chancengleichheit  Jeder sollte bei der Freiwilligenarbeit fair und gleich behandelt werden. Finden Sie heraus, ob Ihre Organisation über eine Richtlinie zur Chancengleichheit verfügt. – Unterstützung und Supervision O  rganisationen sollten eine/n feste/n Ansprechpartner/in für Sie bereithalten, der/die für Sie verantwortlich ist und mit dem/der Sie über Ihre Arbeit reden können. Wenn Sie kein persönliches Gespräch führen können, finden Sie heraus, ob Ihr/e Ansprechpartner/in per Telefon oder E-Mail erreichbar ist. Als Freiwillige/r haben Sie ein Recht auf angemessene Unterstützung bei Ihrer Tätigkeit.

Weitere Fragen Es folgen weitere Fragen, die Sie an die Organisation, in der Sie sich freiwillig engagieren wollen, stellen können. – W  ie sieht es mit der Versicherung aus? Sollte es bei Ihrer zukünftigen freiwilligen Tätigkeit notwendig sein, mit dem Auto zu fahren, muss dies der Versicherungsgesellschaft Ihrer Kfz-Versicherung gemeldet werden? – W  ie oft sollte man zur Freiwilligentätigkeit antreten und wie viele Stunden pro Einsatz? – W  ie viel Zeit wird die Freiwilligentätigkeit insgesamt beanspruchen? – W  em sagen Sie Bescheid, wenn Sie mal eine Woche nicht können? – Gibt es einen Mindestzeitaufwand, den Sie leisten müssen? (Einige Organisationen verlangen eine Verpflichtung für mindestens ein Jahr oder mehr.) – Ist eine Schulung nötig?

"Oft denke ich, dass es keinen Sinn ergibt (die Freiwilligentätigkeit), da ich selbst Hilfe benötige. Man ist sich nicht bewusst, dass man schon mit kleinen Gesten Freude bereiten kann. Ich glaube, dass viele nicht wissen, was ihnen die Freiwilligentätigkeit bieten kann. Sie sind nicht gut informiert und wissen nicht, was sie tun könnten. Sie wissen nichts über ihre persönlichen Potentiale." Freiwilliger mit Migrationshintergrund, Wien

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Fragen der Organisation Sobald Sie eine Organisation gefunden haben, für die Sie sich freiwillig engagieren möchten, wird diese einige Fragen stellen, um festzustellen, ob Sie der/die geeignete Freiwillige für die Organisation sind. Organisationen verwenden unterschiedliche Methoden, um herauszufinden, ob ein/e Freiwillige/r für ein bestimmtes Projekt geeignet ist. Zum Beispiel könnten Sie folgende Aufforderungen erhalten: – B  esuchen Sie die Organisation, sehen Sie sich um und sprechen Sie mit den Leuten. – F  üllen Sie ein Bewerbungsformular aus. – L  egen Sie einige Referenzen vor, bevor Sie mit der Freiwilligenarbeit bei der Organisation beginnen. – M  an kann Sie nach Ihren persönlichen Umständen fragen, da einige Organisationen Freiwillige über einen längeren Zeitraum benötigen. Da es für Freiwillige in Österreich keine gesetzliche Regelung zur Angabe von Alter, Gesundheitsdaten oder zur Vorlage von Strafregisterbescheinigungen gibt, liegt es bei der Organisation, diese Daten bei der Anwerbung abzufragen oder nicht. Einige Organisationen stellen persönliche Fragen und einige haben eine Altersgrenze für Freiwillige.

– Die Organisationen sind dazu berechtigt, Freiwillige, die in ihren Augen nicht für die Arbeit der Organisation geeignet sind, abzulehnen. – V  iele Organisationen verlangen von Anwärter/innen auf einen freiwilligenposten vor Arbeitsantritt Referenzen. Dies ist vor allem für Freiwillige mit Kontakt zu Kindern oder unterstützungsbedürftigen Erwachsenen der Fall. – Bei solchen Anfragen sollten Sie nicht misstrauisch werden. Diese Methode hat sich bewährt und jede/r Freiwillige muss die gleichen Fragen beantworten. Denken Sie daran, dass es im Interesse der Organisation und des/der Freiwilligen ist, dass beide zusammenpassen. – W  enn Sie nach Referenzen gefragt werden, sollten Sie überlegen, wer Sie gut kennt und wer bestätigen kann, dass Sie zuverlässig und vertrauensvoll sind. Eine Referenz ist eine Person, die Sie schon einige Zeit kennt und die nicht mit Ihnen verwandt ist. Dies könnte ein/e ehemalige/r Arbeitgeber/in oder beispielsweise jemand sein, für den Sie bereits freiwillig tätig waren.

FALLBEISPIEL: MADINA

VOLUNTEER BEI DER CARITAS

Lebensgeschichte: Ich bin in Tschetschenien geboren und habe dort die Volksschule besucht. Äußere Umstände in meiner Heimat gaben den Ausschlag, nach Österreich zu kommen, um mit meiner Familie einen neuen Start zu wagen. Meine Schulkarriere in Österreich hat mit der 1. Klasse Hauptschule angefangen. Nach der Hauptschule habe ich mich entschlossen, das BORG Dreierschützengasse zu besuchen. Nach vier Jahren habe ich maturiert und jetzt studiere ich Rechtswissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Meine Wünsche für die Zukunft sind, als erstes fertig studieren und ein Auslandssemester in Frankreich zu machen. Dann natürlich einen guten Job zu bekommen, wo ich die Ungerechtigkeit bekämpfen werde. Im Jahr 2011 habe ich die Möglichkeit bekommen, im SIQ (Sport - Integration - Qualifikation) mithelfen zu können, wo ich immer noch gerne dabei bin. Für mich war das eine Gelegenheit, Erfahrung zu sammeln. Außerdem freut es mich, dass ich mit Kindern arbeiten kann und dass ich für solche Organisationen wie SIQ nützlich sein kann.

– Wenn es sehr schwierig für Sie ist, eine Referenz zu finden, reden Sie darüber mit der Person, die Sie nach einer Referenz gefragt hat.

Madina

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E. Wie findet man Möglichkeiten zur Freiwilligentätigkeit in Österreich? Der beste und einfachste Weg, Möglichkeiten zur Freiwilligentätigkeit zu finden, ist ein Blick auf www.freiwilligenweb.at zu werfen. Die Webseite wurde vom österreichischen Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz im Rahmen des 2011 stattgefundenen „Jahres der Freiwilligentätigkeit“ der EU eingerichtet.

Die Mitglieder des Österreichischen Freiwilligenrates sind der Minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (als Vorsitzender), Delegierte aller relevanten Ministerien, der Österreichische Städtebund und der Gemeindebund, die Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innenorgansationen, Vertreter/innen aus der Agrarwirtschaft, Senioren- und Jugendvertreter/ innen sowie die Freiwilligensprecher /innen der im Parlament vertretenen politischen Parteien.

Weitere Mitglieder sind Vertreter/innen von Freiwilligenorganisationen aus allen Bereichen, in denen diese tätig sind, wie z.B. Sozialwesen, Familie, Frauen, Bildung, Kultur, Umwelt, Sport, Arbeit mit Behinderten. Alle Mitglieder werden für eine Dauer von fünf Jahren ernannt.

Die Webseite liefert eine Übersicht über Organisationen in ganz Österreich, die Möglichkeiten für eine Freiwilligentätigkeit anbieten. Zusätzlich können Sie die Datenbank nach Aktivitäten in Ihrer näheren Umgebung durchsuchen. Dort finden Sie auch nützliche Informationen zu Schulungen und Workshops für Freiwilligentätigkeit sowie über österreichische Richtlinien und Praktiken. Im Jahre 2012 wurde der Österreichische Freiwilligenrat ins Leben gerufen. Der Österreichische Freiwilligenrat dient als Forum für den institutionalisierten Dialog zwischen Zivilgesellschaft und Staat. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem die Beratung des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu Fragen bezüglich der Freiwilligenpolitik, die Förderung der Zusammenarbeit, Vernetzung und der Nutzung von Synergien in der Zivilgesellschaft/Freiwilligenorganisationen, die Abgabe von Empfehlungen für die Umsetzung und Verbesserung von Richtlinien für Freiwillige und die Mitwirkung beim Festlegen von Prioritäten sowie die Erstellung des österreichischen Freiwilligenberichts, der dem Parlament einmal pro Legislaturperiode vorgelegt wird.

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F. MÖGLICHE EINSATZGEBIETE FÜR FREIWILLIGE Neben dem oben beschriebenen Weg können Sie auf anderen Webseiten weitere Informationen über eine breite Palette von Möglichkeiten zur Freiwilligentätigkeit in der Europäischen Union (www.europa.eu/youth/volunteering_-_exchanges/ index_eu_de.html oder www.alliance-network.eu/) oder auf internationaler Ebene (unter www.globalvolunteernetwork.org/) einholen. Über diese Webseiten lassen sich unter anderem auch Sport- und Gemeindevereine finden. Im Allgemeinen sollten Möglichkeiten zur Freiwilligentätigkeit auf den folgenden sowie auch auf anderen Einsatzgebieten verfügbar sein: Suchterkrankungen und Therapien: Ursachenbekämpfung und passende Therapiemöglichkeiten für eine Vielzahl von Suchterkrankungen.

Bildung/Alphabetisierung: Gleicher Zugang zu Bildungsmöglichkeiten für alle.

Tiere: Tierschutz und Tiertraining

Notfall- und Rettungsdienste: Arbeit in Sanitäts- und Rettungsdiensten.

Kunst, Kultur & Medien: Mit Kreativität Menschen helfen, sich auszudrücken und Spaß zu haben.

Umwelt- und Naturschutz: Erhaltung unseres Natur- und Kulturerbes für zukünftige Generationen.

Pflege: Pflege von Kindern, älteren und pflegebedürftigen Menschen.

Familie/Kindererziehung: Mithilfe an einem breiten Spektrum von Familienangelegenheiten.

Kinder: Vom Spielen bis hin zu Spieltherapien. Gemeinschaftsentwicklung: Verbindungen knüpfen, um Gemeinschaften zu stärken.

Gesundheit/Krankenhäuser/Hospizen: Pflege und Trost für Patient/innen. Kulturerbe/Museen/Galerien: Förderung unseres Kulturerbes.

Kriminalität/Sicherheit: Schaffung einer sichereren Gesellschaft für alle.

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Obdachlosigkeit/Unterkünfte: Sicherstellen, dass jeder ein Dach über dem Kopf hat und Hilfe für Obdachlose oder Menschen am Rande der Obdachlosigkeit bereitstellen. Menschen- und Bürgerrechte/ Gleichberechtigung: Für die Würde und den Respekt jedes Einzelnen eintreten. Menschen mit geistiger Behinderung/ Lernbehinderung: Die Fähigkeiten anderer erkennen und stärken. Recht/Rechtshilfe/Gerechtigkeit: Unterstützung von Opfern durch das Rechtssystem. LSBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle and Transsexuelle): Einsatz für sexuelle Gleichberechtigung. Männergruppen: Die Fragen und Probleme von Männern. Geistige Gesundheit: Geistiges Wohlbefinden und Wege, dieses zu erreichen. Minderheiten: Besprechung von Rassismus und sonstiger Probleme ethnischer und kultureller Minderheiten. Ältere Menschen/Aktive Pensionist/ innen: Das Alter ist egal, solange man sich in passender Umgebung betätigen kann. Auslandshilfe/Entwicklungshilfe: Freiwilligentätigkeit im Ausland. Menschen mit körperlicher Behinderung: Bedürfnisse von Menschen mit körperlicher Behinderung erkennen und darauf eingehen, um gleichberechtigten Zugang zu Dienstleistungen zu verschaffen.

Politik: Wahrung der Demokratie. Häftlinge/Straftäter/innen/ Ex-Straftäter/innen: Auseinandersetzung mit dem Strafvollzug und dessen Folgen. Flüchtlinge/Asylwerber/innen: Hilfe zur Integration in die österreichische Gesellschaft und Respekt für kulturelle Vielfalt. Religion/Glauben: Unterstützen der Entwicklung und Durchführung glaubensbezogener Programme. Sensorische Beeinträchtigungen: Bedürfnisse von Menschen mit Sinnesbehinderung wie Blind- oder Taubheit erkennen und sicherstellen, dass die Gesellschaft diesen Bedürfnissen nachkommt. Soziale Eingliederung: Arbeit mit Menschen, die sich sozial ausgegrenzt fühlen. Sport/Outdoor-Aktivitäten: Förderung von Gesundheit, Fitness und Spaß. Arbeitslosigkeit: Behandlung der gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit in einem formellen Rahmen. Freiwilligentätigkeit und aktive Bürgerschaft: Teilnahme von Menschen an ihrer Gemeinschaft durch Freiwilligentätigkeit oder Wahlen. Frauengruppen: Die Fragen und Probleme von Frauen. Jugend: Jugendlichen bei der Entfaltung ihres Potenzials unterstützen.

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G. MÖGLICHE TÄTIGKEITEN FÜR FREIWILLIGE

More-Hollerweger, E. und Heimgartner, A. (2009): Freiwilliges Engagement in Österreich. 1. Freiwilligenbericht. Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Wien: BMASK, Abrufbar unter: http://www.bmask.gv.at/cms/site/attachments/3/4/0/CH0016/CMS1245323761951/ freiwilligenbericht.pdf Neighbours in Vienna (o. J.) Die Nachbarinnen. Abrufbar unter: http://www.nachbarinnen.at/

Weitere Informationsquellen zu Freiwilligenarbeit und Freiwilligen mit Migrationshintergrund in Österreich. Brickner, I./Der Standard (2013): Höchstrichter gegen Einbürgerungsstrenge, 29. März 2013, Der Standard. Abrufbar unter: http://derstandard.at/1363706501818/Hoechstrichter-gegen-Einbuergerungsstrenge Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (o. J.): Freiwilligenweb. Abrufbar unter: www.freiwilligenweb.at Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (2008a): Freiwilliges Engagement in Österreich. Zahlen-Daten-Fakten. Bundesminister Dr. Erwin Buchinger; Wien, 21. Jänner 2008, Pressemitteilung. Abrufbar unter: http://www.bmask.gv.at/cms/site/attachments/0/1/0/CH2174/CMS1218022135039/ presseunterlage_freiwilligenarbeit_21.1.08[1].pdf Gapp und Reinprecht, C. (2006): INVOLVE. Beteiligung von Drittstaatangehörigen an freiwilligem Engagement zur Integrationsförderung. Projektabschlussbericht. European Volunteer Center. Abrufbar unter: http://www.involve-europe.eu/pdf/INVOLVEreportDE.pdf

Österreichisches Parlament (2002): Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich. Vereinsgesetz 2002. 66. Bundesgesetz über Vereine. Abrufbar unter: http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/2002_66_1/2002_66_1.pdf Österreichisches Parlament (2012): Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich. Freiwilligengesetz. BGBl I Nr. 17/2012. 27. März 2012. Abrufbar unter: http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2012_I_17/ BGBLA_2012_I_17.pdf Österreichischer Integrationsfond (o. J.): Zusammen: Österreich. Abrufbar unter: http://www.zusammen-oesterreich.at/impressum/ Roiatti, G., Woppmann, A. und Trinklein, D. (2009) Austria [Republik Österreich] in: Spes (Hgg.): Volunteering across Europe. Organisations, promotion, participation. Greece, Hungary, Austria, Denmark, Cyprus. Bd. III: 97 - 146. Proloka Innsbruck. Abrufbar unter: http://www.spes.lazio.it/volontariatoeuropa/inglese/3_austria.pdf Reinprecht, C. (2009): „Freiwilliges Engagement und MigrantInnen/Migranten“ In: More-Hollerweger, E. und Heimgartner, A. (2009): Freiwilliges Engagement in Österreich. 1. Freiwilligenbericht. Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Wien: BMASK, S. 137 - 147 Abrufbar unter: http://www.bmask.gv.at/cms/site/attachments/3/4/0/CH0016/CMS1245323761951/ freiwilligenbericht.pdf

Gremel, M. (2013) Staatsbürgerschaftsnovelle: Großer Wurf sieht anders aus. Gastkommentar. 8. Februar 2013. Abrufbar unter: http://derstandard.at/1360161133353/Staatsbuergerschaftsnovelle-Ein-grosserWurf-sieht-anders-aus

Schneider U., Badelt C. und Hagleitner J. (2007): „Der Nonprofit Sektor in Österreich“, in (Badelt C. u. a.): Handbuch der Nonprofit-Organisationen. Strukturen und Management Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, S. 55-80.

Grilz-Wolf, M. und Strümpel, C. (2003): Bürgerschaftliches Engagement von MigrantInnen. Abschlussbericht Österreich. Wien: European Center for Welfare Policy and Social Research. Abrufbar unter: http://www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/pdf/mem_vol_ber.pdf

Shoaiyan, A. (2010): Integration junger Musliminnen und Muslimen durch Ehrenamt in gemeinnützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes. Ein Empfehlungsbericht. Wien: Österreichisches Rotes Kreuz. Abrufbar unter: http://www.roteskreuz.at/uploads/media/Integration_durch_Ehrenamt_Handbuch. pdf

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Statistik Austria (2008): Struktur und Volumen der Freiwilligenarbeit in Österreich. Bericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, und Konsumentenschutz. Abrufbar unter: www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/freiwilligenarbeit/index.html Staatssekretariat für Integration / Steuerungsgruppe des Nationalen Aktionsplans für Integration (o. J. a) Nationaler Aktionsplan für Integration. Indikatoren. Abrufbar unter: http://www.integration.at/fileadmin/Staatssekretariat/4-Download/NAP__ indikatoren.pdf http://www.integration.at/fileadmin/Staatssekretariat/4Download/NAP_ Massnahmenkatalog.pdf Staatssekretär für Integration (o. J. d): Nachrichten: Abrufbar unter: http://www.integration.at/news/migranten_duerfen_in_ganz_oesterreich_zur_ feuerwehr/ The World of NGOs (o. J.): Was bringt uns das neue Vereinsgesetz? Abrufbar unter: http://www.ngo.at/recht/aspekte_neu.htm Waldrauch, H. und Sohler, K. (2004) Migrantenorganisationen in der Großstadt. Entstehung, Strukturen und Aktivitäten am Beispiel Wiens. Wien: European Center Vienna Young Caritas (o. J.): Käfig League Abrufbar unter: http://wien.youngcaritas.at/news/kaefig_league/

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