IMMUNGLOBULINAPHERESE EINE UNVERZICHTBARE THERAPIEOPTION IN DER NEPHROLOGIE Kurt Derfler

Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien (Universitätskliniken) Univ. Klinik für Innere Medi zin III Klin. Abt. für Nephrologie und Dialyse Apheresesta...
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Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien (Universitätskliniken)

Univ. Klinik für Innere Medi zin III Klin. Abt. für Nephrologie und Dialyse Apheresestation 13H2 Währinger Gürtel 18-20 • A-1090 Wien Tel.: (1) 40400/4400 • Fax: (1) 40400/4499

IMMUNGLOBULINAPHERESE – EINE UNVERZICHTBARE THERAPIEOPTION IN DER NEPHROLOGIE Kurt Derfler Die Apheresetechnologie ermöglicht es, spezielle, als pathogen eingestufte Substanzen aus dem Blut zu eliminieren. Dieser relativ neue Therapieansatz hat in den letzten Jahren als eine zusätzliche Behandlungsoption enorm an Bedeutung gewonnen. Der ganz wesentliche Unterschiede zum häufig praktiziertem Plasmaaustausch (PA; das separierte Plasma wird zur Gänze verworfen und dadurch ist die kontinuierliche Substitution von Eiweislösungen wie Humanalbumin, aber auch von Fresh Frozen Plasma (FFP) erforderlich) ist, das bei der selektiven Elimination von Immunglobulinen keine Infusion von Eiweislösungen erforderlich ist. Dadurch ist bedingt, dass dieses Verfahren extrem nebenwirkungsarm ist. Der PA wird mit zunehmender Menge an ausgetauschtem Volumen immer ineffektiver, da zugeführtes Substituat wieder separiert und damit entfernt wird, während bei der Immunapherese eine fast lineare Elimination, bei fast unlimitiertem Plasmavolumen, erreicht wird. Das Schema beider Behandlungsverfahren ist in Abb.1+2 dargestellt.

Apherese Plasmapherese

Immunadsorption

Protein A Anti-Ig Globaffin

Pumpe

PlasmaSeparator

Plasma

Plasma, Albumin

Plasma- Plasma Separator

Adsorbiertes Plasma Ig Fraktion

Ziel: Elimination von Plasmabestandteilen

Ziel: Selektive Elimination von Immunglobulinen - Immunkompl.

Die Behandlungen werden primär über periphere Venen durchgeführt.

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Die Apheresetechnologie wurde primär zur Lipoprotein- (LDL) Apherese entwickelt. Dadurch konnten Patienten mit homozygoter und schweren Verlaufsformen der heterozygoten familiären Hypercholesterinämie durch wöchentliche extrakorporeale Therapie effizient von LDL-Cholesterin befreit werden und damit wurde eine drastische Reduktion kardiovaskulärer Komplikationen und dadurch eine Verbesserung des Überlebens gesichert. Für Autoimmunerkrankungen gibt es bis 1993 nur sporadisch Berichte über den Einsatz einer extrakorporealen Antikörper- (AK) Elimination mittels Säulen, die an ein Sepharosegel gebundenes Staphylokokken-Protein A (bindet Immunglobuline) als Ligand besitzen. NEPHROLOGIE 1993 wurde dann eine Studie mit neuen Immunoadsorbern begonnen. Diese wieder verwendbaren Säulen (bis zu 50x) besitzen als Ligand Schaf-AK gegen humanes Immunglobulin. Im Rahmen einer prospektiven, multizentrischen Studie wurden hochimmunisierte (HLA-AK hoch positiv, sensibilisiert durch vorhergehende Nierentransplantationen, Bluttransfusionen, Graviditäten), chronisch niereninsuffiziente Patienten(innen) vor und nach einer Transplantation mittels hoch frequenter Immunadsorption behandelt. Dadurch konnte sowohl das Problem, daß hochimmunisierte Patienten kaum eine Chance auf eine Transplantation haben (es kann kein geeignetes Spenderorgan gefunden werden) und daß nach einer Transplantation die Organe durch die zirkulierenden AK akut wieder abgestoßen werden, überwunden werden. Den negativen Einfluß von zirkulierenden HLAAntikörpern zeigte eine Untersuchung von Opelz (Abbildung 3)

Vorsensibilisierung und Transplantatüberleben

Cadaver donors Grafts surviving (%)

Grafts surviving (%)

100 90 80 70 60 50

P50% PRA

40 0 0

2

3

6

8

10

100

HLA-identical sibling donors

90 80

no PRA

70 60 50

P 75%; N=43 Prot-A vs IgG Survival Functions SÄULE

1,0

IgG PA IgG-censored PA-censored

Cum Survival

0,8

GRAFTSURVIVAL

0,6

0,4

0,2

0,0 0,00

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

FUP_years_NTX

5-Jahres Transplantatüberleben bei hochsensibilisierten Nierentransplantatempfängern unter Immunapherese (Wiener Kollektiv). In der Folge wurde die Immunapherese bei der humoralen Abstoßungsreaktion (ASR) therapeutisch eingesetzt und nach Publikation der Akaris Studie (Abb 5).

AKARIS Study – Outcome Pat Nr.

Group

2 4 5 7 9

IA IA IA IA IA

1 3 6 8 10

Contr. Contr. Contr. Contr. Contr.

IA Rescue

no yes yes yes

Tx-Function (Serum-Kr., mg/dl)

Bx

21d

6 Mo

24 Mo

Dialysis Dialysis Dialysis Dialysis Dialysis

1.3 2.2 1.6 2.9 4.9

1.5 2.7 1.2 Tod 1.2

2.3 1.9 1.7

Dialysis Dialysis Dialysis 5 Dialysis

Dialysis Dialysis Dialysis 1.6 Dialysis

Dialysis Dialysis Dialysis 1.6 Dialysis

Dialysis Dialysis Dialysis

1.2

Dialysis

Böhmig GA, Wahrmann M et al; Am J Transplant 2007;7:117-121 AKARIS = Acute Kidney Allograft Rejection Immunoadsorption Study

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In weiterer Folge wurde dann die Blutgruppen ungleiche Organtransplantation etabliert, wobei in Österreich erst in den letzten Jahren ein breiterer klinischer Einsatz der ABO-inkompatiblen Nierentransplantation erfolgte. Stellvertretend ffür die bis dato ausgezeichneten Erfolge der ABO-inkompatiblen / Lebendspender / Nierentransplantation stehen die Ergebnisse der Stockholm, Freiburg / Uppsala Transplantationszentren.

The Stockholm / Freiburg / Uppsala Experience • 60 konsekutive ABO-inkomp. TPLs • 27 A1, 24 B, 9 A2 Inkompatibilitäten • Zeitraum 2002-2007 • 1 Patient † (Clostr. Diff. Sepsis) • 1 TPL-Verlust Non-Compliance (22 Mo.) • 58 normale TPL-Funktion nach 1-60 Mo. • (Göteborg: 1 TPL-Verlust ohne Rituximab)

Tyden G et al, Implementation of a protocol for ABO-incompatible kidney transplantation – a three-center experience with 60 consecutive transplantations. Transplantation 2007;83(9): 1153-5.

Bereits 1994 wurden dann diese Immunadsorptionssäulen erstmals bei Autoimmunerkrankungen, die resistent auf die konventionelle medikamentöse Therapie waren, bzw. nur ein insuffizientes Ansprechen zeigten, eingesetzt. Die berichteten Behandlungserfolge führten rasch zu einer fulminanten Ausweitung der Indikationen. Die weltweit umfangreichsten Erfahrungen wurden bis Ende 2010 in Wien gesammelt, wo eine eigene, ausschließlich für diese Therapieform ausgerichtete Behandlungseinheit etabliert wurde. 2011 wurde, als Ausdruck der internationalen Anerkennung, der Weltkongress für Apherese an Wien vergeben. 2012 wurde an der Universität in Dresden die erste eigenständige Stiftungsprofessur weltweit besetzt. 2013 wurde die AAA (Austrian Apheresis Association) gegründet ! Die häufigsten Behandlungsindikationen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Daraus geht hervor, dass dieses Therapieverfahren heute multidisziplinär in der Medizin eingesetzt wird.

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Tablle 1 Durch kontrollierte Studien gesicherte und diskutierte Indikationen Dillatative Kardiomyopathie Pemphigus vulgaris (Konsensuspaper gemeinsam mit der dermatol.Ges.der BRD) Durch qualitativ hochwertige Fallserien gesicherte Indikationen Erworbene Hemmkörperhämophilie Hochsensibilisierte (teils Cross-Match positive) Transplantatempfänger prä- und post Transplantation Humorale Abstoßungsreaktion nach Transplantation solider Organe Diskutierte bzw. Indikationen die durch laufende Studien evaluiert werden Lupus erythematodes / Lupusnephritis Myasthenia gravis / Guillain-Barré Syndrom Immunvaskulitis – Thrombangitis obliterans Autoimmunhämolytische Anämie ITP (Immunthrombozytopenie) Good-Pasture Sy / Morbus Wegener Pulmonal arterielle Hypertonie Blutgruppen ungleiche Organtransplantation Hochsensibilisierte (teils Cross-Match positive) Transplantatempfänger prä- und post Transplantation

Der Wirkungsmechanismus der Immunapherese ist vordergründig auf die Elimination von pathogenen Antikörpern zurückzuführen. Es gibt aber auch zahlreiche Hinweise, dass zusätzlich eine Reihe von endogenen Reaktionen, wie die Induktion einer Immuntoleranz, für den Therapieerfolg verantwortlich sind. Dies konnte bei einer Reihe von Autoimmunerkrankungen gezeigt werden, wo es unter Immunapherese zu einem dauerhaftem Verschwinden der pathogenen Antikörper gekommen ist und damit eine Remission dieser Erkrankungen, trotz Reduktion bzw. teilweise sogar komplettem Absetzen der begleitendem Immunsuppression, erreicht werden konnte. Wir sind überzeugt, dass in den nächsten Jahren viele Indikationen durch klinische Studien gesichert werden und neue Indikationen für dieses therapeutische Verfahren hinzukommen. Bislang wird eine noch fulminantere Verbreiterung der klinischen Anwendung der Aphereseverfahren durch die hohen Therapiekosten und dem Fehlen von klinischen Studien behindert. Mit den kontinuierlich steigenden Behandlungszahlen in vielen Ländern konnten aber die Kosten bereits drastisch reduziert werden und in zunehmender Frequenz werden internationale Studien initiiert, sodaß wir überzeugt sind, dass Aphereseverfahren einen festen Platz im therapeutischen Instrumentarium des 21.Jahrhunderts erlangen werden.

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