Systembiologie in der Nephrologie

Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie ÖGN P.b.b. GZ 02Z031654 M, Benachrichtigungspostamt 1080 Wien ...
Author: Dörte Feld
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Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie

ÖGN

P.b.b. GZ 02Z031654 M, Benachrichtigungspostamt 1080 Wien

Falls unzustellbar, bitte retour an: MEDMEDIA Verlag, Alser Straße 21/8, 1080 Wien

10. Jahrgang / Nr. 4 / 2007

Systembiologie in der Nephrologie MedMedia Medical Opinion Network

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EDITORIAL

Prim. Univ.Prof. Dr. Rainer Oberbauer

Systembiologie in der Nephrologie Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser!

iese Ausgabe von NephroScript widmet sich der Systembiologie von Nierenerkrankungen. Der Begriff wurde vor kurzem in die Molekularbiologie eingeführt und soll durch Integration von Ergebnissen aus vielen verschiedenen Gebieten wie Genetik, Bioinformatik, Biostatistik, Pathway-Analysen, klinischer Epidemiologie und einigen mehr komplexe biologische Prozesse beschreiben. Dies ist absolut notwendig, um unsere derzeitige naive Sicht der genetischen Grundlagen von Erkrankungen zu erweitern und oft wahrscheinlich auch zu revidieren.

Um das breite Spektrum von genetischer Assoziation zu NierenBiomarkern bis zu Transcriptomics zu spannen, habe ich mehrere namhafte Experten auf diesen Gebieten eingeladen, um gemeinsam dieses NephroScript für Sie zu verfassen.

Besonders im Bereich von Erkrankungen mit niedriger Prävalenz und langsamer Progredienz wie bei Nierenerkrankungen ist eine reproduzierbare Identifikation von molekularen Markern für intrinsische Nierenschäden schwierig. Ich bin aber davon überzeugt, dass uns in den nächsten Jahren eine Art validiertes „Troponin T der Niere“ zur Verfügung stehen wird. Warum sich die Identifikation eines Nierenbiomarkers so schwierig gestaltet, wird ebenso in diesem Heft besprochen wie die derzeit brandaktuellen genomweiten Methoden zur Identifikation von Genotyp-Phänotyp-Assoziationen (der „Omics“-Hype).

Mit besten Grüßen

D

Ich hoffe, Sie finden die einzelnen Artikel interessant und bekommen so eine bessere Einschätzung, was in den nächsten Jahren die Forschungspipeline in Richtung klinischer Applikation verlassen wird und so unseren beruflichen und eventuell auch privaten Alltag revolutionieren wird.

Ihr

Prim. Univ.Prof. Dr. Rainer Oberbauer

IMPRESSUM Verlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Nephrologie, Prim. MR Dr. Reinhard Kramar, 3. Interne Abteilung, Klinikum Kreuzschwestern Wels und ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander R. Rosenkranz, Klinische Abteilung für Nephrologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Innsbruck. Chefredakteur: Prim. Univ.Prof. Dr. Rainer Oberbauer, 3. Interne Abteilung mit Schwerpunkt Nephrologie, Krankenhaus der Elisabethinen, Linz. Anzeigen/Organisation: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Alser Straße 21/8, 1080 Wien, Tel.: 01/407 31 11. Projektleitung: Friederike Maierhofer. Produktion: Alexandra Kogler. Redaktion: Susanne Hinger, Peter Lex. Layout/DTP: Martin Grill. Lektorat: Peter Lex. Druck: Bauer Druck, Wien. Druckauflage: 8.300 Stück im 2. Quartal 2007, geprüft von der Österreichischen Auflagenkontrolle. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift ist zum Einzelpreis von Euro 6,50 plus Mwst. zu beziehen. Grundsätze und Ziele von NephroScript: Information für nephrologisch interessierte Krankenhaus- und niedergelassene Ärzte. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Herausgeber und Medieninhaber übernehmen dafür keine Gewähr. Literatur zu den Fachbeiträgen bei den jeweiligen Autoren. Allgemeine Hinweise: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche und/oder wissenschaftliche Meinung des jeweiligen Autors wieder und fallen somit in den persönlichen Verantwortungsbereich des Verfassers. Mit „Freies Thema“ gekennzeichnete Beiträge sind entgeltliche Einschaltungen gem. § 26 Mediengesetz und fallen in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Auftraggebers; sie müssen nicht die Meinung von Herausgeber, Reviewer oder Redaktion wiedergeben. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Medieninhaber und Herausgeber keinerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler.

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INHALT 03 03 05 06

Editorial

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Systembiologische Ansätze zur Identifikation von Biomarkern mit klinischer Relevanz Dr. Bernd Mayer, Dr. Arno Lukas

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Der „Omics“-Hype Dr. Paul Perco, Dr. Hendrik Koller

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Systembiologie in der Nephrologie Dr. Alexander Kainz, Dr. Christoph Schwarz

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Genomics und Systembiologie bei chronischer Niereninsuffizienz Dr. Michael Rudnicki, Univ.-Prof. Dr. Gert Mayer

Impressum Seite der Gesellschaft Genetische Epidemiologie in der Nephrologie Prim. Univ.Prof. Dr. Rainer Oberbauer

EXPERTENFORUM: Rapamune® – Erfahrungsberichte/Therapiemanagement

ANMELDUNG: Klinische Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universität Innsbruck z. Hd. Herrn ao. Univ.-Prof. Alexander R. Rosenkranz, 6020 Innsbruck, Anichstraße 35 Tel.: +43/512/504-25857 oder E-Mail: alexander.rosenkranz@ i-med.ac.at

NEPHROLOGIE INNSBRUCK

„STATE OF THE ART“ 2008 Veranstalter:

Zeitpunkt: Ort:

Klinische Abteilung für Nephrologie Medizinische Universität Innsbruck ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander R. Rosenkranz 12.–13. September 2008 5081 Neu-Anif Salzburg

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SEITE DER GESELLSCHAFT Auf dem eingeschlagenen Weg weiter Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der diesjährigen Generalversammlung in Mautern wurde ich zum Vorsitzenden der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie gewählt und folge damit Herrn Univ.-Prof. Dr. Gert Mayer, der über 2 Jahre mit großer Umsicht die Gesellschaft geleitet hat, nach. Für seine zahlreichen erfolgreichen Initiativen und seinen unermüdlichen Einsatz sei ihm an dieser Stelle aufrichtig gedankt. Weiterentwicklung der Arbeitsgruppen: In seiner ersten Sitzung unter meinem Vorsitz hat der Vorstand beschlossen, je einen Vertreter der verschiedenen bereits etablierten Arbeitsgruppen in den Vorstand zu kooptieren. Ziel ist dabei, die Arbeitsgruppen durch eine direkte Einbindung optimal zu unterstützen. Die Ergebnisse der Arbeitskreise sollen dann auch schriftlich gefasst und einem breiteren Publikum zur Verfügung gestellt werden. Wir hoffen auf viele Ergebnisberichte im bereits bewährten Medium NephroScript. Ausbildung zum Nephrologen: Die Nephrologie steht in den kommenden Jahren vor einer besonderen Herausforderung. Im Bestreben einer EU-konformen Vereinheitlichung der Ausbildung innerhalb Europas wurde von der Generalversammlung der ÖGIM der De-facto-Beschluss gefasst, alle Teilgebiete der inneren Medizin zu Sonderfächern zu erheben. Dies bedeutet, dass die derzeit 9 bestehenden Teilgebiete der inneren Medizin zu Sonderfächern werden. Damit wäre es theoretisch möglich, die Ausbildung zum Nephrologen innerhalb von 6 Jahren nach der Promotion abgeschlossen zu haben. Gleichzeitig kommen jedoch von unseren Vertretern in der Ärztekammer Signale, dass es nicht vorstellbar ist, für alle Sonderfächer in der freien Praxis eine Zulassung zu erreichen. An sich sollte es Aufgabe unserer Kammervertreter sein, uns in diesem Anliegen optimal zu unterstützen. Es wird in der Zukunft die Aufgabe des Vorstandes und der Mitglieder der Arbeitsgruppen sein, hier die Interessen unserer Gesellschaft prominent und durchschlagskräftig zu vertreten. Ich rufe hier auch vor allem die betroffenen Mitglieder auf, sich entsprechend einzubringen. Herausforderung steigende Patientenprävalenz: Diese Aktivität erscheint unbedingt notwendig, wenn man sich die zukünftige Entwicklung der nephrologischen Patientenzahlen vor Augen hält. Zahlreiche epidemiologische Untersuchungen der letzten Zeit ergeben ein langsames Stagnieren der Inzidenz (Anzahl der Neuerkrankungen) der terminalen Niereninsuffizienz bei ungebrochener Zunahme der jährlichen Prävalenz (Patienten mit bestehender Erkrankung). Gesundheitspolitisch ist

Prim. Dr. Reinhard Kramar

die Zunahme der Prävalenz einer chronischen Erkrankung der entscheidende kostentreibende Faktor, da sich daraus die aufzuwendenden Ressourcen ergeben. Die jährliche Zuwachsrate der zu versorgenden Patienten liegt derzeit bei etwa 5–6 %. Dies bedeutet eine besondere Herausforderung für Betreuende und auch Kostenträger, zumal viele bestehende Einrichtungen den Plafond ihrer Möglichkeiten erreicht haben (siehe aktuelle Debatte um die Gebietskrankenkassen). Deckelung der Ersatzkosten gefährdet Strukturoptimierung: Es ist eine wesentliche Aufgabe der Gesellschaft, bei der Festlegung der erforderlichen Strukturen mit den Entscheidungsträgern zusammenzuarbeiten und Lösungen im Konsens zu erreichen. Dabei müssen wir den Entscheidungsträgern klar machen, dass die Behandlung niereninsuffizienter Patienten in der gesamten Komplexität eine ärztliche Aufgabe ist und diese Behandlung grundsätzlich auf „sonder“-fachärztlichem Niveau zu erfolgen hat. Die erforderlichen Strukturen wurden bereits in den letzten Jahren erarbeitet und werden derzeit von den Entscheidungsträgern im Land hinsichtlich der Umsetzbarkeit geprüft. Die Deckelung der Ersatzkosten im ambulanten Bereich, unter die auch die Nierenersatztherapie fällt, hat die Auslagerung der Behandlung in den niedergelassenen Bereich weitgehend blockiert, obwohl eine derartige Umschichtung von Behandlungskapazitäten aus dem stationären in den niedergelassenen Bereich wünschenswert wäre. Um die Qualität der nephrologischen Versorgung in Österreich auf internationalem Niveau zu halten, ist es erforderlich, über das Bundesland verteilt Referenzzentren einzurichten, die im personellen Bereich so auszustatten sind, dass eine Patientenversorgung rund um die Uhr auf fachärztlichem Niveau gewährleistet ist. Eine optimale fachärztliche Versorgung ist auch erforderlich, wenn wir in Zukunft eine Ausweitung der Peritonealdialysebehandlung oder der Heimhämodialyse anpeilen. Wir erhoffen, dass die Mitglieder unserer Gesellschaft den Vorstand bei den geplanten Aktivitäten weiterhin tatkräftig unterstützen.

Prim. Dr. Reinhard Kramar, Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie

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Genetische Epidemiologie in der Nephrologie Prim. Univ.Prof. Dr. Rainer Oberbauer 3. Interne Abteilung mit Schwerpunkt Nephrologie, Krankenhaus der Elisabethinen, Linz

enetische Epidemiologie stellt einen neuen Zugang dar, um komplexe (Nieren-)Erkrankungen zu verstehen. Im Gegensatz zur klassischen Epidemiologie, die durch die 3 Ds definiert wird (Determinants and Distribution of Disease), untersucht die genetische Epidemiologie nicht die Assoziation von Umweltfaktoren mit einer Erkrankung, sondern Variationen des genetischen Codes (der DNA) als Risikofaktor für einen Phänotyp. Um diese Übersichtsarbeit besser verstehen zu können, möchte ich auf die Tabelle verweisen, in der gängige Begriffe im Bereich der Genetik erklärt werden.

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Die ersten Genotyp-Phänotyp-Assoziationen wurden 1990 publiziert, auf dem Gebiet der Nephrologie und Nierentransplantation sind die ersten Arbeiten um 1995 veröffentlicht worden. Diese Arbeiten haben sich mit der Assoziation von einzelnen Nukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphism – SNP), meist im ACE-Gen, und der Verschlechterung der Nierenfunktion beschäftigt. In den darauf folgenden Jahren ist es förmlich zu einer Explosion an publizierten Studien mit signifikanten Assoziationen gekommen. Obwohl es einige solide Beispiele von robusten und validierten, d. h. unabhängig replizierten Assoziationen gibt, konnte die Mehrzahl der positiven Assoziationen nicht wiederholt werden. Wie ist das möglich und wie haben die Herausgeber der guten internationalen Fachzeitschriften darauf reagiert?

Potenzielle Probleme bei genetischen Assoziationsstudien 1. Publikations-Bias Die Mehrzahl der akademisch tätigen Wissenschafter benötigt für ihr berufliches Weiterkommen Publikationen. Da negative Assoziationsstudien von guten Journalen meist nicht angenommen werden, besteht ein deutliches Übergewicht der Publikationen mit positiven Ergebnissen. Die Herausgeber hochklassiger Journale haben nun ein Moratorium für einfache Assoziationsstudien mit geringer Probandenzahl beschlossen, bis die Assoziationsdaten durch entsprechende Versuche auch kausal bewiesen wurden. Dies macht Sinn, da in den

letzten Jahren die medizinischen Journale mit einer Unzahl von SNPPhänotypstudien zugemüllt wurden. Ähnlich wie bei klinischen Studien fanden jene Assoziationsstudien mit der kleinsten Fallzahl die stärkste Assoziation bzw. den größten Effekt.

Prim. Univ.Prof. Dr. Rainer Oberbauer

2. Subgruppen-Analyse und Selektionsbias Da die genetischen Assoziationsstudien retrospektiv durchgeführt werden, ist die A-priori-Klassifikation des „Outcomes“ bzw. Phänotyps entscheidend. Es ist sonst nur ein Frage der Phantasie des Untersuchers, welche Subgruppe er als „Endpunkt“ wählt. Wenn zum Beispiel keine Assoziation von Nephropathie zu einem SNP in einer Studie gefunden wurde, könnte man ja weiter untersuchen, ob nicht ein Unterschied (eine Effektmodifikation) bei Frauen und Männern oder Rauchern und Nichtrauchern oder Hypertonikern und Normotonikern, Alten und Jungen etc. zu finden ist. Diese Subgruppenanalyse ist nicht zulässig, wird aber leider oft durchgeführt und auch publiziert. 3. Statistische Wahrscheinlichkeit, eine (oder keine) Assoziation zu finden Im Zuge des HapMap-Projekts wurde beschrieben, dass im humanen Genom etwa 10 Millionen SNPs existieren, von denen derzeit nur von ganz wenigen bekannt ist, ob sie pathologisch relevant sind. Wie bei klassischen klinischen Studien, wo eine Adjustierung des Fehlers erster Ordnung (alpha) bei mehrmaligem Testen durchgeführt werden muss, ist dies bei etwa 10 Millionen SNPs im humanen Genom noch wichtiger. Ohne Adjustierung würde man zufällig etwa 200.000 statistische Zusammenhänge finden, wenn alpha mit < 0,05 angenommen wird (Fehler erster Ordnung). Andererseits ist das Fehlen „statistischer Power“ bei Erkrankungen, die durch Allelheterogenität verursacht sind, eine mögliche Erklärung für uneinheitliche Ergebnisse verschiedener Studien (Fehler zweiter Ordnung). Allelheterogenität bedeutet, dass viele Allele in einem Gen mit einer Krankheit assoziiert sind („linkage dysequilibrium“).

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4. Effekt-Modifikation durch andere Faktoren, z. B. Epigenetik oder Umweltfaktoren 5. Fehlklassifikaton des Outcomes Da es sich meist um Case-Control-Studien handelt, wo das Ereignis bei Auswahl der Studienpopulation bereits eingetreten ist, sind diese Arbeiten besonders für einen Selektionsbias oder Fehler bei der Auswahl der Studien- bzw. Kontrollgruppe anfällig und werden als TROHOC-Studien bezeichnet (COHORT von rechts nach links gelesen). 6. Einfaches Studiendesign Da für die Durchführung einer genetischen Assoziationsstudie nur der Probandenphänotyp bekannt sein muss und die SNPs mittels PCR aus genomischer DNA aus dem peripheren Blut (PBMCs) bestimmt werden, kann diese Studienart von einer Vielzahl von Forschern (oft klinisch tätige Ärzte, die leicht Zugang zu Patientenblut haben) durchgeführt werden. Es ist nur eine Frage der statistischen Wahrscheinlichkeit, bei welchem SNP in welcher Patienten- oder Merkmalsubgruppe eine Assoziation zu finden ist. Für diese Form des multiplen Testens ist nur schwer zu adjustieren.

Strategien und Tools für genetische Assoziationsstudien 1. Analyse von Haplotypen statt SNPs Da die einzelnen Genloci nicht unabhängig voneinander, sondern meist größere Abschnitte von Genen vererbt werden („linkage dysequilibrium“), ist die Assoziation einzelner SNPs mit einer Erkrankung unwahrscheinlich. In der Analyse mittels Chi-Quadrat-Test wird dieser nicht unabhängigen Wahrscheinlichkeit nicht Rechnung getragen und die Rate an falsch positiven Ergebnissen (zufälligen Assoziationen) ist groß. Daher ist es sinnvoller und wahrscheinlich biologisch auch richtiger, einzelne Haplotypen mit Erkrankungen zu assoziieren und etwaige Variationen einzelner Nukleotide durch Sequenzierung dieser Haplotypen zu identifizieren. Weiters ist bei vielen großen und korrekt durchgeführten Assoziationsstudien zu beobachten, dass die Ethnizität der untersuchten Probanden einen Großteil der genetischen Variation erklärt. 2. Adäquate Probanden-/Patientenzahl In genetischen Assoziationsstudien, in denen ein SNP untersucht werden soll, der das Risiko einer Erkrankung um etwa 25 % erhöht (OR = 1,25), sind bei einer Power von 90 % und einem adjustierten alpha von 5 x 10–5 bei einer Allel-

Abb.: Zusammenstellung von „cutting edge tools“ für die Analyse von genomischen Daten auf dem NCBI-Server

frequenz von 30 % in der Kontrollgruppe etwa 5.000 Patienten und ebenso viele Kontrollen erforderlich. Die Effektgröße oder Odds-Ratio von 1,25 dürfte für die meisten SNPs eher die Obergrenze an wirklicher Assoziation darstellen, wie man nach Replikation von vielen kleinen Studien zum Beispiel über die Assoziation des ACE-I/D-Polymorphismus und Herzerkrankungen gesehen hat (Keavney B. et al., Lancet 2000, 355:434–42). 3. Vermeidung des „Publication Bias“ Da negative Studien meist nicht in Journalen publiziert werden, entstand ein Übergewicht an positiven Assoziationsstudien. Um dieses Problem zu lösen, wäre ähnlich wie die Registrierung von klinischen Studien eine webbasierte Datenbank von genetischen Assoziationsstudien einzurichten, die diese Ergebnisse nach Prüfung von Qualitätskriterien speichert. Erfreulicherweise erfolgt dies gerade, wie im Folgenden dargestellt ist. 4. Verwendung großer Daten- und Tool-Repositorien Mit der explosionsartigen Vermehrung der biologischen Daten, die durch High-Throughput-Analysen generiert werden, ist es nur mit entsprechenden bioinformatischen 

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Tabelle: Definition von häufig gebrauchten Begriffen in der Genetik Allele: Beschreibt einen Genlokus, je ein Allel wird von Mutter und Vater vererbt. Epigenetics: Änderungen im Genexpressionsmuster (Transkriptom), die nicht auf genetisch kodierte (auf der DNA) Algorithmen zurückzuführen sind. Exon: Die nach dem „Splicen“ der RNA für Proteine kodierende RNA-Sequenzen. Die nicht kodierenden Sequenzen (Introns) verlassen üblicherweise die transkribierte RNA, bevor diese als Messenger-RNA (mRNA) für Proteine kodiert. Genom: Die gesamte kodierte Erbinformation der DNA (als Basenpaare). Rezent wurde allerdings entdeckt, dass viele nicht-kodierende DNA-Sequenzen wesentliche Funktion als Transkriptionsfaktoren besitzen. Diese können auch innerhalb eines Gens sitzen. Genotyp: Die Zusammensetzung der DNA-Basen, im Gegensatz zum Phänotyp, dem äußeren Erscheinungsbild eines Individuums. Haplotyp: Ist die Kombination von mehreren Allelen oder Genloci. Diese können gemeinsam vererbt werden und befinden sich somit im „linkage dysequilibrium“. Das HapMap-Projekt hat herausgefunden, dass ein SNP (Single Nucleotide Polymorphism oder Variante in einer einzelnen Base) aller etwa 500 Basen ausreicht, um das ganze Genom eines Individuums eindeutig zu identifizieren. Diese DNA-Varianten heißen tagSNPs. Haplotypen können mehrere Varianten von Basenzusammensetzungen aufweisen, die gemeinsam vererbt wurden. In diesem Fall spricht man von Polymorphismen im Haplotyp-Block. Hardy-Weinberg-Equilibrium: Ist das Verhältnis von Allelfrequenz im untersuchten Genotyp einer Population. Unter einigen Voraussetzungen (z. B. zufällige Reproduktion etc.) kann angenommen werden, dass sich homogene Populationen im HW-Gleichgewicht befinden. Das HWE erklärt, warum rezessive Allele im Laufe der Evolution nicht verschwunden sind. Linkage Dysequilibrium: Wenn Allele öfter zusammen vererbt werden, als dies zufällig passieren würde. Microarrays: Meist wenige Zentimeter große Plattformen, auf der eine große Anzahl an DNA-Sequenzen (oft das

Werkzeugen möglich, diese Daten sinnvoll und verständlich aufzubereiten. In Laufe der letzten Monate und Jahre ist eine Vielzahl von frei verwendbaren webbasierten Tools entstanden, die auf der Website des NCBI zu finden und zu verwenden sind (Abbildung 1). Die Besprechung all dieser Werkzeuge und Programme würde den Rahmen dieser Übersicht

gesamte Genom) gespottet ist. D. h. mit einer einzigen Bestimmung lässt sich entweder das gesamte Transkriptom oder die genomische DNA-Sequenz bestimmen (siehe auch SAGE). Phänotyp: Beschreibt die physischen Charakteristiken eines Individuums. Diese Charakteristiken werden vom Genotyp und von nicht-genetischen Faktoren (z. B. Umweltfaktoren) bestimmt. Polymorphismus: Der Mensch besitzt etwa alle 300 Basen eine Variation in seiner DNA in dem Sinn, dass beide Allele in einem SNP (mit einer Frequenz von mehr als 1 %) vorkommen. Im gesamten Genom sind somit etwa 10 Millionen Polymorphismen zu finden. Welcher davon für welche Erkrankung von Bedeutung ist, konnte bisher nur bei ganz wenigen eindeutig identifiziert werden. Diese Polymorphismen liegen meist nicht in Kodierungsregionen und variieren relativ stark zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen. Neben isolierten („single“) Variationen können auch mehrere Nukleotide mehrfach als Wiederholung hintereinander vorkommen („repeats“ als Tandems oder Triplets etc.) oder mehrere hintereinander fehlen. Manche nennen diese Abschnitte INDELS für „Insertion and Deletion of multiple sequential nucleotides“. Die funktionellen Auswirkungen sind für die meisten Polymorphismen noch nicht bekannt. SAGE – Serial Analysis of Gene Expression: Dies ist eine PCR-basierte Technik, mit der man wie mit Microarrays das gesamte Transkriptom analysieren kann. Im Vergleich zu Arrays ist diese Methode/Technik zeitaufwändiger, aber auch sensitiver. SNP – Single Nucleotide Polymorphism: Dies ist eine isolierte Variabilität eines Nukleotids an einem Genlocus. Im humanen Genom existieren etwa 10 Millionen SNPs. Transkriptome: Alle in RNA umgeschriebene Sequenzen eines Individuums zu einer bestimmten Zeit. SAGE-Analysen bestimmen üblicherweise das Transkriptom, d. h. die Kopieanzahl jedes transkribierten RNA-Moleküls. tag-SNPs: Diese SNPs kennzeichnen eindeutig bestimmte DNA-Loci (Haplotypen). Siehe HapMap-Konsortium-Publikationen (The International HapMap Project. Nature 2003; 426(6968):789–96).

bei weitem sprengen, daher möchte ich nur vier dieser Programme kurz vorstellen. SNP Function Portal (https://portal.ncibi.org): Diese Applikation der Universität Michigan ermöglicht in silico die funktionelle Annotierung von verschiedenen rezenten geno- 

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mischen und HapMapII-(tagSNP)-Daten, um jeden funktionellen und genetischen SNP zu identifizieren. Das Portal liefert außerdem die genaue chromosomale Lokalisation und findet konservierte Elemente. Cytoscape (http://www.cytoscape.org/): Entstand aus einer Kooperation von vielen hochkarätigen Universitäten und kommerziellen Firmen, die eine bioinformatische OpenSource-Software entwickelten, mit der molekulare Netzwerkanalysen und Geninteraktionen visualisiert und analysiert werden können. GenePattern (http://www.broad.mit.edu/cancer/software/ genepattern/): Aus dem berühmten Broad-Institut entstand ein Softwaretool für die effiziente Analyse von multidisziplinären Wissenschaftsprogrammen, die neue Daten online integrieren kann und somit immer auf dem letzten Stand der genomischen Forschung ist. dbGaP – database of Genotype and Phenotype (http:// www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query/Gap): Diese Datenbank wurde vom NCBI entwickelt, um die Ergebnisse von genetischen Assoziationsstudien allen Anwendern rasch und validiert zur Verfügung zu stellen.

Beispiele rezenter Studienkonsortien zur Erforschung genetischer Risikofaktoren von Nierenerkrankungen Die diabetische Nephropathie ist das klassische Beispiel, wo der genetische Hintergrund neben gut etablierten Verhaltensund Umweltfaktoren eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und Progredienz der Erkrankung spielen dürfte. Genetische Risikofaktoren der Nephropathie beim Typ-1Diabetiker werden vom GoKinD-Konsortium erforscht (http://www.jdrf.org/index.cfm). GoKinD ist das Akronym für „Genetics of Kidneys in Diabetes“. Im Rahmen dieses Konsortiums wurden 615 Patienten mit ESRD, 328 Diabetiker mit Proteinurie und 946 normalbuminurische Kontrollpatienten genotypisiert. Erste Ergebnisse genetischer Hotspots für die Nephropathie des Typ-1-Diabetikers werden voraussichtlich in den nächsten Monaten publiziert werden. Genotypische Studien zur Erforschung der Nephropathie des

Typ-2-Diabetikers werden derzeit vom FIND-Konsortium durchgeführt (http://www.niddk.nih.gov/patient/find/find.htm). FIND steht für „Family Investigation of Nephropathy and Diabetes“. In der ersten rezenten Publikation von 1.227 Studienteilnehmern aus 378 Familien aus Europa und Amerika und der Verwendung von 404 Mikrosatellitenmarkern konnten robuste genetische Assoziationen mit der Nephropathie gefunden werden. Die beste Evidenz für genetische Risikofaktoren wurde an den Loci 7q21.3, 10p15.3, 14q23.1 und 18q22.3 gefunden (Iyvengar S.A. et al., Diabetes 2007; 56:1577–1585). Neben der Erforschung des genetischen Hintergrunds diabetischer Komplikationen werden bei Patienten mit terminaler Eigennierenerkrankung nach Nierentransplantation vor allem Genotyp-Phänotyp-Assoziationsstudien auf dem Gebiet der Pharmakokinetik und -dynamik von immunsuppressiven Regimen durchgeführt. Ein aktiv beforschtes Gebiet ist außerdem die Auswirkung des Genotyp-Matchings von Organspender und -empfänger auf die Transplantatfunktion. Hier sind die Ergebnisse aber wegen der meist geringen Studiengröße noch sehr heterogen und nicht validiert.

Zukunftsaussichten Derzeit werden die ersten kommerziell erhältlichen genomweiten SNP-Plattformen von den Firmen Affymetric und Agilent sowie Applied Biosystems und anderen zu akzeptablem Preis angeboten und es finden schon die ersten Studien auf nephrologischem Gebiet statt. Durch die große Anzahl gleichzeitig durchgeführter Bestimmungen ist eine adäquate statistische Auswertung außerordentlich wichtig, um Publikationen von falschen Assoziationen zu verhindern. Neben der Testung von SNPs ist auch die Bestimmung der „copy number“ möglich. Die Chance, dass durch Multiplikation oder Deletion von größeren DNA-Abschnitten (etwa über einer Kilobase) auch funktionelle Änderungen auftreten, ist groß, wenn auch die Variabilität zwischen verschiedenen ethnischen Populationen gesunder Menschen oft noch größer ist. Generell gilt, dass viele Studienergebnisse immer in Zusammenhang mit dem ethnischen Hintergrund der Studienpopulation gesehen werden müssen. Eine Extrapolation der Ergebnisse auf andere Populationen ist meist nicht zulässig. ■

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Systembiologische Ansätze zur Identifikation von Biomarkern mit klinischer Relevanz Dr. Bernd Mayer1, 2, Dr. Arno Lukas1 1 2

emergentec biodevelopment GmbH, Wien, Institut für Theoretische Chemie, Wien

Biomarker und Nierenerkrankungen Verfahren zur verbesserten Identifikation von Biomarkern zur weiteren Charakterisierung von Nierenerkrankungen haben in den letzen Jahren einen massiven Aufschwung erlebt1–3. Ein Vertreter dieser neuen Generation an Markern ist das Protein NGAL Dr. Bernd Mayer (Neutrophil Gelatinase-associated Lipocalcin) im Kontext der Schwere der Nierenerkrankung bei proteinurischen Patienten4, zusammen mit IL-18 im Kontext der Post-Transplant-Nierenfunktion5 sowie im Rahmen des akuten Nierenversagens6. Breit angelegte prospektive Tests erheben derzeit die klinische Relevanz dieses Markers. Eine Grundlage dieser Erfolge in der Identifikation von neuen Biomarkern ist der wesentliche Fortschritt in der experimentellen Herangehensweise: die „Omics“-Technologien7, 8. Ein Meilenstein des Omics-Ansatzes war die Sequenzierung des humanen Genoms im Zuge des Human Genome Projects und die Veröffentlichung der ersten Daten im Jahr 2000. Dieses methodische Gerüst einer datengetriebenen Forschung hat die Molekularbiologie wesentlich beeinflusst9. Eine langjährige Entwicklung, beginnend mit Mendels Entdeckung der Gesetzmäßigkeiten der Vererbung, der Identifikation der DNA als zentraler Speicher der Erbinformation, der Entschlüsselung des genetischen Codes sowie der Entwicklung von rekombinanten Technologien in einer hochautomatisierten Form erreichte somit ein wesentliches Ziel und der Begriff „Genomics“ wurde etabliert. In der Zwischenzeit wurde eine substanzielle Anzahl weiterer Genome teilweise oder vollständig sequenziert10, 11, und diese Entwicklungen erlauben Interspezies-Vergleiche auf genomischer Ebene („comparative genomics“). Die Funktion einer substanziellen Zahl an Genen und deren Produkten konnte abgeklärt werden, aber auch Änderungen der genomischen Information wie Polymorphismen konnten spezifisch mit Erkrankungen – auch der Niere12 – in einen Kontext gesetzt werden.

Neben Genomics wurden in den letzten Jahren weitere Hochdurchsatzverfahren zur zellweiten Analyse spezifischer Komponenten entwickelt: Transcriptomics13 betrachtet die Fülle an Transkriptionsprodukten und erlaubt somit die Analyse der differenziellen Genexpression, Proteomics14 versucht Äquivalentes auf Ebene der Proteine, Metabolomics15 Dr. Arno Lukas bestimmt Metaboliten auf qualitativer und quantitativer Ebene – und dies ist nur ein Auszug an Omics-Ansätzen. All diesen Verfahren gemeinsam ist die parallele Erhebung einer großen Zahl an individuellen Messgrößen, und dementsprechend ein Aufaggregieren massiver Datensätze. Um diese experimentellen Rohdaten einer Auswertung zugänglich zu machen, mussten Datenmanagementlösungen16, wie auch Datenaufbereitung und statistische Analysen entwickelt beziehungsweise an die biologischen Datenstrukturen angepasst17 sowie entsprechende Standards wie MIAME (Minimum Information About a Microarray Experiment) etabliert werden18. Die aus den einzelnen Betrachtungsebenen gewonnenen Rohdaten und darauf fußende statistische Ergebnisse wurden weiterführend mit entsprechenden bioinformatischen Methoden bewertet, um deskriptive Ergebnisse zu erhalten: Ein Beispiel sei hier der Vergleich von Proben zu zwei Patientengruppen, und daraus folgende Listen an differenzialregulierten Genen, Listen an Proteinen mit geänderter Konzentration etc. Diese Ergebnisse wurden bezogen auf die Analysefragestellung (beispielsweise der Vergleich der differenziellen Genexpression der Transplantnieren von Lebendund Todspendern hinsichtlich der Rate an Post-TransplantNierenversagen als klinische Fragestellung) verwendet, um neue Hypothesen zu generieren und diese weiterfolgend experimentell zu überprüfen19. Omics-getriebene Forschung brachte somit einen Paradigmenwechsel von einer hypothesengetriebenen (reduktionistischen) Herangehensweise (aus gesicherten Ergebnissen 

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wird eine gezielte Hypothese weiterentwickelt und experimentell überprüft) hin zu einem explorativen (Hypothesen generierenden) Ansatz. Ein Versprechen des explorativen Ansatzes im Rahmen von Omics ist, auf Grund der breiten Betrachtung molekularbiologischer Vorgänge völlig neue Einblicke in die Pathogenese von Erkrankungen auf zellulärer Ebene zu erhalten. Erklärtes Ziel ist nun diese auf Basis von Omics identifizierten neuen Hypothesen mit der eigentlichen (klinischen) Fragestellung in einen kausalen Kontext zu setzen. Hier muss beispielsweise eine Brücke zwischen einem Genexpressionsprofil, gewonnen aus Biopsiematerial, und einer klinischen Observablen (wie einer verminderten Nierenfunktion) geschaffen werden. Gelingt dieser Übertrag, kann das klinische Bild in weiteren Details auf zellulärer Ebene erklärt werden, und dies bietet die Grundlage, um in einem weiteren Schritt Biomarker für neue diagnostische und therapeutische Ansätze abzuleiten20–22. Eine Grundproblematik von individuellen Omics-Ansätzen in der explorativen Hypothesengenerierung ist evident: Die getrennte Analyse auf einer singulären Ebene von zellulären Effektoren (Gene oder Transkripte oder Proteine) ist per se suboptimal: Statistisch signifikante Änderungen auf transkriptioneller Ebene (beispielsweise identifiziert durch statistische Analyse der differenziellen Genexpression) können (aber müssen nicht zwingend) eine Konsequenz auf Ebene des Proteoms bewirken – und selbst falls beide Ebenen verschränkt werden können, muss dieses Ergebnis weder eine kausale noch assoziativ korrekte Hypothese bezogen auf die eigentliche phänomenologische Observable, i. e. das klinische Bild, erlauben. Eine naheliegende Verbesserung der effektiven Bewertung von Omics-Daten ist die integrative Verschneidung und kohärente Analyse der vollen Omics-Basis – Gene, Transkripte, Proteine, Metaboliten etc. –, um daraus anstelle von deskriptiven Listen von Genen oder Transkripten oder Proteinen kontextsensitive Modelle aus Prozessen und Interaktionen von Genen mit Transkripten und Proteinen zu gewinnen. Die auf derartigen biologischen Modellen fußenden Hypothesen versprechen eine direktere Kausalität mit dem untersuchten klinischen Bild und dementsprechend eine verbesserte Identifikation von klinisch relevanten Biomarkern für Diagnostik und Therapie. Dieser integrative Ansatz wird in der Systembiologie vorgeschlagen.

Konzepte der Systembiologie Systembiologie23–25 als eigener methodischer Ansatz wird seit 2005 massiv propagiert, ist aber ob der theoretischen Basis seit geraumer Zeit Grundlage der Systemtheorie und Complexity

Abb. 1: (A) Elemente einer systembiologischen Analyseplattform im Wechselspiel mit experimenteller Validierung: Heterogene Omics-Daten werden zusammen im Kontext aus molekularbiologischen Datenbanken in einem zentralen Datenmanagementsystem verschnitten. Analyselogiken unter Verwendung von Statistik, Data-Mining und Computational Reasoning extrahieren aus dem molekularbiologischen Fundament im Kontext gegebener klinischer Daten krankheitsassoziierte biologische Modelle. Kernkomponenten dieser Modelle werden einer experimentellen Validierung zugeführt. (B) Gegenüberstellung der Ergebnisstruktur einer Omics-Auswertung mit dem Resultat einer Auswertung auf Grundlage der Systembiologie. Omics generieren bioinformatisch annotierte Ergebnislisten (beispielsweise eine gereihte Liste an Genen, die in der vergleichenden Analyse der Proben von zwei Patientengruppen einen statistisch signifikanten Unterschied in der Expression zeigen), wohingegen die Systembiologie ein kausales Interaktionsmodell als differierendes Modell im Gruppenvergleich generiert.

Science26, 27. Weiters sind seit einigen Jahren Arbeiten aus dem Bereich Bioinformatik eine ‚„Näherung“ an einen vollintegrierten systembiologischen Ansatz – und zumindest zwei Datenebenen (beispielsweise differenzielle Genexpression und Proteomics) fließen in eine integrierte Analyse ein28, 29. Unsere Arbeitsgruppe hat beispielsweise einen Analyseablauf unter Einbezug von Genomics, Transcriptomics und Proteomics erarbeitet und auf eine Reihe von Fragestellungen im Rahmen von Nierenerkrankungen angewendet8, 19, 30, 31. Dieser Analyseablauf verfolgt jedoch eine sequenzielle Verschneidung von Daten entsprechend dem allgemeinen biologischen Modell als Grundlage (von Gen zu Transkript zu Protein) und kann somit nicht uneingeschränkt dem integrativen Ansatz der Systembiologie zugerechnet werden kann32. Aus dem Spektrum an Definitionen der Systembiologie erachten wir folgende Elemente als wesentlich: 1. Einbezug der 

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ID1 Genomics Transcriptomics Proteomics Interactions Classifications Location ...

ID2 Genomics Transcriptomics Proteomics Interactions Classifications Location ...

IDn IDm

IDn Genomics Transcriptomics Proteomics Interactions Classifications Location ...

IDm omics data

IDn omics data

Abb. 2: (A) Datenstruktur von molekularbiologischen Objekten charakterisiert durch zugehörige Geninformation, Regulationsmechanismen auf transkriptionaler Ebene, Referenzgenexpression, Proteininteraktion, Lokation und funktionale Klassifizierung. Rund 30.000 derartiger Objekte sind nach derzeitigem Datenstand zur Beschreibung der humanen intrazellulären Prozesse vonnöten. (B) Kontextgraph auf Basis der Referenzdaten. Knoten referenzieren auf Objekte, Kanten bezeichnen Interaktionen und Abhängigkeiten. Diese wiederum errechnen sich aus den wechselseitigen Verschneidungen der Informationen der Objektstrukturen, wie in (A) angegeben. (C) Schematische Darstellung der Änderung eines Referenznetzwerks unter Einbezug von Analysedaten („omics data“): Auf Grund des Einbezugs eines Omics-Datensatzes (beispielsweise aus dem Vergleich der Genexpression aus Proben von zwei Patientengruppen) ändert sich die Verknüpfung von Elementen, i. e. ein funktionaler Kontext wird geändert. Die Anzahl an beteiligten Knoten, Kanten, aber auch die gesamte Topologie der Interaktionen kann beeinflusst werden.

breitestmöglichen Datenbasis zur Beschreibung der zellulären Events, 2. direkter Einbezug der experimentellen/klinischen Parameter, 3. Ableitung von qualitativen oder quantitativen Modellen aus einer integrativen Analyse der zellulären und klinischen Daten, und 4. iteratives Wechselspiel mit experimenteller Hypothesenvalidierung. Abbildung 1A zeigt schematisch diese Kernkomponenten. Die wesentliche Verbesserung einer integrativen Bewertung der vollen Omics-Bandbreite beruht auf einem Abgleich der Daten zu den Effektoren auf den verschiedenen Ebenen intrazellulärer Prozesse und somit zu einem Erkennen von Hypothesen, die auf Grundlage der Betrachtung einer einzelnen intrazellulären Ebene nicht transparent geworden wäre. Noch wesentlicher ist aber die mögliche Reduktion der falsch positiven Hypothesen, da in erzielten Modellen eine durchgehende Plausibilität der Kausalität ausgehend von Genen,

Transkripten, Proteinkonzentrationen und dem klinischen Bild gegeben sein soll. Abbildung 1B stellt die Ergebnisse aus einer singulären Omics-Analyse einem systembiologischen Resultat gegenüber. Ein zumindest teilweiser gerichteter Graph der Kausalitätskette, wie in Abbildung 1B dargestellt, ist jedoch ein qualitatives und somit statisches Modell und erlaubt daher per definitionem keine Simulation der zeitabhängigen Dynamik von intra- und interzellulären Prozessen. Erst eine zeitabhängige Simulation erlaubt jedoch die vollständige Validierung einer Hypothese im Wechselspiel mit experimenteller Validierung33 – und ist somit das große Ziel der Systembiologie. Um einen derartigen Schritt zu realisieren, müsste jedoch eine quantitative Beschreibung der zellulären Dynamik betrieben werden34 – wobei Omics im Regelfall rein statische Daten liefern. Um dem eigentlichen Ziel der Systembiologie gerecht zu werden – und somit Hypothesen auch quantitativ zu untermauern –, müssen noch entsprechende experimentelle Verfahren entwickelt werden, um in Hochdurchsatz dynamische Daten generieren zu können. Aus unserer Sicht bieten aber auch Modelle statischer Natur wesentliche Vorteile im Vergleich zu rein deskriptiven Ergebnislisten.

Realisierung einer systembiologischen Auswertung Eine Reihe an methodischen Ansätzen zur Implementierung einer systembiologischen Strategie der Datenbewertung wurden vorgeschlagen, von deskriptiven Ansätzen wie STRING35 bis hin zu quantitativer Modellbildung wie dem „electronic cell“-Projekt (E-Cell)36. Grundlage einer systembiologischen Analyse zwecks Ableitung eines qualitativen Modells eines gegebenen klinischen Bildes ist eine breite Datenbasis bestehend aus zwei Bereichen: 1. Abbildung des Referenzsystems, und 2. Abbildung des Analysesystems. Das Referenzsystem unserer Arbeitsgruppe hält beispielsweise Information zu den kodierenden Teilen des humanen Genoms, der genspezifischen Transkriptionsfaktoren, die (nieren-)gewebespezifische Normalgenexpression und (soweit verfügbar) relative Proteinkonzentration, sowie bekannte Proteininteraktionen, sowie weitere Kenngrößen zu Proteinen wie deren intrazellulärer Lokation und annotierten Funktion. Diese Daten sind teilweise in Public-Domain-Datenbanken verfügbar (NCBI, National Center for Biotechnology Information; Expasy, European Bioinformatics Institute) oder müssen aus eigenen Experimenten oder bioinformatischen Routinen abgeleitet werden37. Ohne Frage ist erst ein Bruchteil der eigentlich gewünschten Information

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tatsächlich verfügbar, jedoch befindet sich die Informationsanreicherung in biologischen Datenbanken weiter in einer exponentiellen Wachstumsphase und verbessert somit kontinuierlich die Grundlagen systembiologischer Analysen. Die Summe an vorhandener, aber heterogener Information wird in einem relationalen Datenmanagementsystem entsprechend abgelegt und verschnitten (Abbildung 1A), um daraus eine Objektdefinition von Effektoren zu etablieren (Abbildung 2A). Jedes Objekt beschreibt somit eine funktionale Einheit, charakterisiert durch vorliegende und eindeutig referenzierbare Omics-Daten auf Gen-, Transkript- und Proteinebene. Auf dieser Grundlage können die Objekte wechselseitig in Beziehung gesetzt werden, und daraus resultiert ein kontextsensitiver Graph (Interaktionsnetzwerk, Abbildung 2B). Interaktionen zwischen Objekten dieses Graphen leiten sich algorithmisch aus einer Kombination von statistischen Überlegungen verschränkt mit biologischen Regeln ab: Korrelation der Genexpression, gemeinsame Module of Ebene der transkriptionalen Kontrolle, bekannte Interak-

tion auf Proteinebene, gerichtete Kanten (kausale Abläufe) aus Stoffwechselwegen oder Signaltransduktionskaskaden, etc. Ein derart abgeleiteter Graph auf Basis eines Gesamtsystems von z. B. 30.000 Objekten zur Beschreibung eines humanen zellulären Systems dient als statisches Referenznetzwerk, und dieses wird in einem 2. Schritt mit Daten des eigentlichen Analysesystems (beispielsweise dem spezifischen differenziellen Genexpressionsprofil bezogen auf eine definierte klinische Fragestellung) überlagert. Aus dieser Überlagerung des Referenzsystems mit den Daten des Analysesystems und einer darauf basierenden algorithmischen Neubewertung der wechselseitigen Interaktionen können Änderungen in spezifischen Interaktionen des Referenzgraphen resultieren (Abbildung 2C) – und diese Änderungen sind das Resultat einer systemweiten Betrachtung aller Interaktionen im gegebenen Graph. Nun werden diese Änderungen auf Ebene der Interaktionsgraphen bezogen auf das gegebene klinische Bild analysiert und nicht, wie bei entsprechender Omics-Analyse des gegebenen Datensatzes nur die statistische Signifikanz der Änderung von einzelnen Objekten. Die Vorteile dieses systembiologischen Zuganges sind vielfach: Die rein statistische Bewertung eines gegebenen Omics-Datensatzes mit dem Resultat einer kontextlosen Liste an Genen/Proteinen wird abgelöst durch die systemweite Bewertung der kausalen Konsequenzen der durch den OmicsDatensatz induzierten Änderungen im gesamten Kontextgraphen. Das Resultat ist daher selbst ein Teilgraph (siehe Abb. 2C). Dieser Teilgraph kann nun auf seine Plausibilität im Zusammenhang mit dem klinischen Bild geprüft werden, und bei positiver Bewertung können aus diesem Teilgraphen Biomarker abgeleitet und validiert werden.

FOTO: SPL/PICTUREDESK.COM

Systembiologie im Bereich Biomarkeridentifikation Omics als Grundlage zur Identifikation von Biomarkern zu renalen Erkrankungen ist bereits breit vertreten und Kandidaten sind in verschiedenen Stadien experimenteller Validierung1–3, 7, 12, 19, 21, 22, 30, 31. Die Anzahl an applikationsnahen Studien hinsichtlich des Einsatzes von systembiologischen Auswertungen im Bereich Biomarkerentwicklung zu renalen Erkrankungen ist derzeit noch überschaubar. Dies liegt vor allem an der kurzen Historie von Omics selbst, aber auch an der konzeptuellen Komplexität der Systembiologie. Die Standardisierung der Datengrundlagen39 sowie das Erarbeiten von Analysekonzepten40 stehen derzeit im Vordergrund. Eine Reihe sehr rezenter Studien zur Anwendung von Systembiologie zur Analyse 

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renaler Erkrankungen sind bereits verfügbar29, 41, weiterführende experimentelle Validierungen von neuen Markerkandidaten sind, auch unter Einbezug unseres Analyseansatzes, derzeit am Laufen. Erst die experimentellen Ergebnisse der kommenden Jahre werden die effektive Validität eines systembiologischen Ansatzes zur Identifikation von Biomarkern mit klinischer Relevanz zeigen. ■

7 Thongboonkerd V., Proteomics in nephrology: current status and future directions. Am

J Nephrol 2004; 24:360-378 8 Rudnicki M., Eder S., Perco P., Enrich J., Schreiber K., Koppelstätter C., Schratzber-

9 10 11 12

Literatur 1 Perco P., Pleban C., Kainz A., Lukas A., Mayer B., Oberbauer R., Gene expression and biomarkers in renal transplant ischemia reperfusion injury. Transplant Int 2007; 20:2-11 2 Perco P., Pleban C., Kainz A., Lukas A., Mayer B., Oberbauer R., Protein biomarkers associated with acute renal failure and chronic kidney disease. Eur J Clin Invest 2006; 36:753-763 3 Niwa T., Biomarker discovery for kidney diseases by mass spectroscopy. J Chromatogr B Analyt Technol Biomed Life Sci 2007; Epub ahead of print 4 Bolignano D., Coppolino G., Campo S., Aloisi C., Nicocia G., Frisina N., Buemi M., Urinary Neutrophil Gelatinase-Associated Lipocalcin (NGAL) is associated with severity of renal disease in proteinuric patients. Nephrol Dial Transplant 2007; ahead of print 5 Parikh C.R., Jani A., Mishra J., Ma Q., Kelly C., Barasch J., Edelstein C.L., Devarajan P., Urine NGAL and IL-18 are predictive biomarkers for delayed graft function following kidney transplantation. Am J Transplant 2006; 6:1639-1645 6 Mishra J., Dent C., Tarabishi R., Mitsnefes M.M., Ma Q., Kelly C., Ruff S.M., Zahedi K., Shao M., Bean J., Mori K., Barasch J., Devarajan P., Neutrophil gelatinaseassociated lipocalcin (NGAL) as a biomarker for acute renal injury after cardiac surgery. Lancet 2005; 365:1231-1238

13 14 15 16 17

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2008

Das Team von NephroScript bedankt sich bei seinen Autoren und Kunden für die gute Zusammenarbeit und wünscht ein erfolgreiches neues Jahr 2008.

37 38 39

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ger G., Mayer B., Oberbauer R., Meyer T.W., Mayer G., Gene expression profiles of human proximal tubular epithelial cells in proteinuric nephropathies. Kidney Int 2006; 72:325-335 Collins F.S., Green E.D., Guttmacher A.E., Guyer M.S., A Vision of the Future Genomics Research. Nature 2003; 422:835-847 Levy S. et al., The diploid genome sequence of an individual human. PLOS Biology 2007; 5: e254 Gibbs R.A. et al., Genome sequence of the Brown Norway rat yields insight into mammalian evolution. Nature 2004; 428:493-521 Buraczynska M., Jozwiak L., Ksiazek P., Borowicz E., Mierzicki P., Interleukin-6 gene polymorphism and faster progression to end-stage renal failure in chronic glomerulonephritis. Transl Res 2007; 150:101-105 Hu Y.F., Kaplow J., He Y., From traditional biomarkers to transcriptome analysis in drug development. Curr Mol Med 2005; 5:29-38 Weissinger E.M., Mischak H., Application of proteomics to posttransplantational follow-up. 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Der „Omics“-Hype Dr. Paul Perco, Dr. Hendrik Koller 3. Interne Abteilung mit Schwerpunkt Nephrologie, Krankenhaus der Elisabethinen, Linz, und Medizinische Universität Wien

napp sechs Jahre seit der Sequenzierung des humanen Genoms im Jahr 2001 (Venter J.C. et al., Science 2001; 291(5507):1304–51,) hat es gedauert, bis die Sequenz eines einzelnen Individuums, nämlich jene Craig Venters, veröffentlicht worden ist (Levy et al., PLoS Biol 2007; 5(10):e254). Dies stellt einen weiteren Meilenstein in der biomedizinischen sowie molekularbiologiDr. schen Forschung dar und bringt uns Hendrik Koller einen weiteren Schritt näher zur personalisierten Medizin. Waren es im Jahr 2001 noch mehrere Individuen, aus denen die humane Sequenz zusammengebaut wurde, gelang es in etwa 4 Jahren, die Sequenz von Craig Venter zu sequenzieren. Mittlerweile ist der mit 10 Millionen Dollar dotierte „Archon X PRIZE for Genomics“ für jenes Forscherteam ausgeschrieben, dem es gelingt, 100 humane Genome innerhalb von 10 Tagen mit einer geringeren Fehlerrate als 0,001 % für nicht mehr als 10.000 US-$ pro Genom zu sequenzieren. Ganze Geschäftsmodelle drehen sich mittlerweile um die Sequenzierung einzelner Individuen, wie die Gründung der Firma 23andMe (http://23andme.com/) gezeigt hat.

K

Das Ende 2003 gegründete ENCODE-Konsortium (Encyclopedia of DNA Elements) hat sich nun zur Aufgabe gesetzt, sämtliche funktionalen Elemente im humanen Genom zu identifizieren und zu entschlüsseln. In der initialen Phase testeten 35 Forschergruppen über 200 experimentelle sowie computerbasierte Methoden zur Charakterisierung von definierten Regionen einer Gesamtlänge von circa 30 Megabasenpaaren, das ungefähr einem Prozent des gesamten humanen Genoms entspricht. Unlängst wurden die ersten bedeutenden Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht (Birney E. et al., Nature 2007; 447 (7146): 799–816). Die Kernaussagen des Manuskripts sind wie folgt: • Das humane Genom wird nahezu durchgehend transkribiert.

• Eine Vielzahl von nicht-proteinko dierenden Transkripten wurde identifiziert. • Eine Reihe von neuen Transkriptionsstarts wurde lokalisiert. • Regulatorische Sequenzen sind symmetrisch um Transkriptionsstarts verteilt. • Chromatin-Zugänglichkeit und Histon-Modifikationen sind eng an transkriptionelle Aktivität Dr. gekoppelt. Paul Perco • Ungefähr 5 % aller Basen stehen unter evolutionärem Druck in Säugetieren. • Zahlreiche funktionale Elemente scheinen keinem evolutionären Druck in der Entwicklung der Säugetiere ausgesetzt gewesen zu sein. Neben der Explosion an Sequenzdaten und deren funktionaler Analyse wurde eine simultane Betrachtung von zellulären Prozessen durch die „Omics“-Revolution ermöglicht. Hochdurchsatzverfahren wie zum Beispiel genomweite Mikroarrays erlauben die Erhebung eines breiten Spektrums an Daten und Information zu differenzieller Genexpression („Transcriptomics“), zu Proteinkonzentration („Proteomics“) sowie einer Vielzahl an weiteren Daten wie der Lokalisation von Proteinen, deren Interaktionen („Interactomics“) und daraus abgeleiteten funktionalen Netzwerken. Tabelle stellt einen Auszug der gängig verwendeten Datenbanken in der biomedizinischen Forschung dar. Die Systembiologie (siehe zum Beispiel Evanko D., Nat Methods 2006; 3:964–965) versucht nun diese diversen Datenquellen in einen integrierten Kontext zu setzen, um aus dieser umfassenden Datenflut konklusiv die in diversen pathologischen Zuständen involvierten Prozesse zu erkennen, um in weiterer Folge neue klinische Ansätze im Bereich Diagnostik (Biomarker), aber auch in der Therapie zu finden. Immer mehr entfernt man sich von der Betrachtung auf Einzelmolekülebene hin zu Netzwerken und Signaltransduktionskas- 

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Tabelle: Häufig verwendete genomische und proteomische Datenbanken Datenbankname Stanford Microarray Database (SMD) Gene Expression Omnibus (GEO) Array Express Tissue Microarray Database (TMA) National Center for Biotechnology Information Gene Ontology Online Mendelian Inheritance in Man (OMIM) JASPAR TRANSFAC Online predicted human interaction database Kyoto Encyclopedia of Genes and Genomes Reactome miRBase

Webseite genome-www5.stanford.edu/ www.ncbi.nlm.nih.gov/geo/ www.ebi.ac.uk/arrayexpress/ genome-www.stanford.edu/TMA/ www.ncbi.nlm.nih.gov/ www.geneontology.org/ www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?db=OMIM jaspar.genereg.net/ gene-regulation.com/pub/databases.html ophid.utoronto.ca/ www.genome.jp/kegg/ www.reactome.org microrna.sanger.ac.uk/sequences/

kaden, um die Zusammenhänge in pathologischen Prozessen aufzuklären. Eine rezente Arbeit eines Forscherteams der Universität San Diego, Kalifornien, zeigt Ergebnisse dieses integrativen Analyseverfahrens anhand der Klassifizierung von Patientinnen mit Brustkrebs. Mit Hilfe von Genexpressionsdaten, Informationen zu Protein-Protein-Interaktionen sowie funktionaler Annotation, die vom Gene-OntologyKonsortium zur Verfügung gestellt wird, ist es gelungen, Netzwerkmodule, bestehend aus 5 bis 12 Proteinen, zu identifizieren, die eine genauere Differenzierung zwischen Metastasengewebe und Gewebe des Primärtumors zulassen (Chuang et al., Mol Syst Biol 2007; 3:140). Weiters konnte die Gruppe zeigen, dass einige im Tumorfall relevante Gene durch die Verschneidung der drei Datenquellen gefunden wurden, die bei einer separaten Betrachtung der drei Datensätze unter der statistischen Detektionsgrenze lagen. Ähnlich der Taxonomie, die größtenteils auf Sequenzvergleichen ribosomaler RNA basiert, sind im Moment Bestrebungen im Gange, Krankheiten systematisch basierend auf genetisch relevanten Faktoren einzuteilen (Loscalzo et al., Mol Syst Biol 2007; 3:124). Goh und Kollegen verwendeten Daten aus der OMIM-Datenbank, in der Assoziationen zwischen Genen und Krankheiten gehalten sind, und konnten zeigen, dass jene Gene, die in ähnlichen Erkrankungen eine Rolle spielen, auch eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, dass deren Proteine miteinander wechselwirken (Goh et al., PNAS 2007; 104(21):8685–90). Weiters konnten die Forscher zeigen, dass in Erkrankungen involvierte Proteine im kompletten Interaktom (Gesamtheit aller Protein-Protein-Interaktionen) kaum zentrale Positionen besetzen, sondern eher in der Netzwerkperipherie gefunden werden. Dies macht evolutionär Sinn, da Fehlfunktionen zentraler Proteine oft-

mals letal verlaufen. Die Daten belegen weiters, dass wir beginnen müssen, nach krankheitsassoziierten funktionalen Modulen zu suchen, und stellen einen Grundstein zur molekularen Klassifizierung von Erkrankungen dar. Unsere Arbeitsgruppe hat im Laufe der letzten Jahre einen Analyseablauf eingerichtet, um speziell im Bereich der Nierenerkrankungen sowie Nierentransplantationen solche funktionalen molekularen Module zu identifizieren, um 

Abb.: Subnetzwerk differenzial regulierter Gene, die mit schlechtem Ausgang bei Nierentransplantation assoziiert sind

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frühzeitige Diagnosen zu erstellen sowie verbesserte Therapien zu entwickeln (Perco P. et al., Electrophoresis 2006; 27:2659-2675). Eines dieser Module, das in Abbildung dargestellt ist, dreht sich um eine Reihe von Proteinen, die bei der Immunantwort und inflammatorischen Prozessen, Aktivierung des Komplementsystems sowie transkriptioneller Aktivierung eine Rolle spielen und mit der Nierenfunktion nach erfolgreicher Nierentransplantation assoziiert sind. Ein Großteil dieser Gene ist stärker exprimiert in jenen Spenderorganen, die ein Jahr nach der Transplantation eine stark reduzierte glomeruläre Filtrationsrate und somit eine schlechtere Nierenfunktion aufweisen (Kainz et al., Transplantation 2007; 83(8):1048–54).

Basierend auf diesen Daten wird im Moment von unserer Gruppe eine Multicenterstudie mit dem Ziel koordiniert, zu zeigen, dass die Unterdrückung inflammatorischer Prozesse in Transplantspenderorganen mit Kortikosteroiden zu einer verbesserten Nierenfunktion und einem längeren Überleben des Spenderorgans führt. Die Verschneidung von klinischen sowie molekularen Daten wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Die Beispiele in diesem Artikel sollen demonstrieren, dass durch die Fülle an Daten und deren Analysen bessere Prognosen oder frühzeitigere Diagnosen bis hin zu optimierten Therapieregimen ermöglicht werden. ■

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Systembiologie in der Nephrologie Dr. Alexander Kainz, Dr. Christoph Schwarz 3. Interne Abteilung mit Schwerpunkt Nephrologie, Krankenhaus der Elisabethinen, Linz

möglich wurde. Außerdem wurden eigene Sprachen für die Systembiologie entwickelt (SBML, CellML), die einen Austausch der Erkenntnisse zwischen den einzelnen Arbeitsgruppen ermöglichen9, 10.

Was ist Systembiologie? In der Systembiologie wird versucht, komplette biologische Systeme zu beschreiben. Sie fasst die Daten aus den „Omics“-Disziplinen (siehe Artikel von Paul Perco und Hendrik Koller) zusammen und versucht daraus das Modell eines speziellen Ablaufs in der Zelle bzw. in Zellsystemen zu erstellen. Im Gegensatz zu den statischen „Omics“-Disziplinen ist die Systembiologie also dynamisch.

Anwendungen Dr. Alexander Kainz

Vor dem „Zeitalter“ der Systembiologie wurden die Genome oder Proteome getrennt für sich alleine analysiert. Da nicht nur innerhalb der Gesamtheit der Gene oder Proteine Regulationen stattfinden, sondern auch zwischen den beiden Systemen, waren die daraus resultierenden Aussagen beschränkt. Diese Regulationsmechanismen unterliegen vor allem Umweltbedingungen, dem Alter des Organismus bzw. der Zelle und anderen zeitlich abhängigen Faktoren. Kitano hat den Unterschied zwischen Systembiologie, Genom und Proteom mit dem Bauplan für ein Flugzeug verglichen1: Genom und Proteom sind die Bauteile. Doch ohne den Plan (= die Systembiologie), wie die Bauteile zusammengesetzt werden müssen, hat man noch lange kein Flugzeug. Als einer der ersten, die an eine Systembiologie dachten, kann der 1901 in Wien geborene Austrokanadier Ludwig von Bertalanffy bezeichnet werden. Er begründete im Jahr 1945 die generelle Systemtheorie2, 3. 1952 folgten Alan L. Hodgkin und Sir Andrew F. Huxley mit dem ersten mathematischen Modell einer Nervenzelle, wofür sie 1963 den Nobelpreis erhielten4. Doch die Systembiologie, wie wir sie heute verstehen, wurde erst mit der Entwicklung der Hochdurchsatztechnologien wie der automatischen Sequenzierung, DNAMicroarrays und Proteinchips möglich5–7. Um die Systembiologie wirklich einsetzen zu können, benötigt man weiters die effiziente Integration der biologischen Daten mit der vorhandenen Literatur8, was erst durch entsprechende Entwicklungen in der Computertechnologie

In der Nephrologie wird die Systembiologie zur Aufdeckung von physioDr. logischen und pathophysiologischen Christoph Schwarz Vorgängen verwendet. Aus diesen Erkenntnissen sollen mögliche neue Therapieansätze bzw. die Erkennung von neuen Biomarkern gelingen. Diese Ansätze wurden vor allem in der Transplantationsmedizin in die Tat umzusetzen versucht. So wurde in einer Studie, die Lebend- und Leichenspendernieren miteinander verglichen hat, festgestellt, dass jene Gene, die im Stoffwechsel für den oxidativen Stress und die Immunantwort verantwortlich sind, bei den Leichenspendern stärker exprimiert waren als bei den Lebendspendern11. Diese Zellregulationen waren klinisch mit einem vermehrten Auftreten von akutem Nierenversagen nach Transplantation korreliert und wurden dem proinflammatorischen Status des hirntoten Spenders zugeschrieben12 (Abb. 1). Eine daraus abgeleitete Hypothese, dass diese Zellreaktion durch eine immunmodulierende Therapie des Spenders positiv verändert werden könnte, wird derzeit in einer randomisierten Multicenter-Studie evaluiert. Das Genexpressionsmuster der Spenderniere korreliert nicht nur mit der frühen Transplantatfunktion, sondern kann auch etwas über die Funktion der Niere ein Jahr nach der Transplantation aussagen. In mehreren Analysen unserer Arbeitsgruppe wurde beobachtet, dass Gene für Signaltransduktion und Immunantwort in der Gruppe mit der schlecht funktionierenden Niere (niedrige glomeruläre Filtrationsrate) stärker exprimiert wurden11–13. Mittels mathematischer Methoden erfolgte eine Verknüpfung unserer Genomanalyse mit biologisch relevanten Datenbanken, um so genannte ProteinProtein-Interaktionsnetzwerke zu erstellen (Abb. 2). Diese Netzwerke stellen die tatsächlichen Interaktionspartner von 

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Nach: Kainz et al.11

Abb. 1: Schematische Darstellung eines DNA-Microarrays mit hybridisierter und fluoreszenzmarkierter Proben- bzw. Standard-RNA. Die Farbe gibt die Expression der Probe versus Standard an. In diesem Bild ist die deutliche Trennung der beiden Gruppen Lebendspender (im Dendrogramm blau) und Leichenspender (im Dendrogramm rot) auf Grund der Gene zu erkennen.

einzelnen Proteinen dar. Durch die Zusammenführung mehrerer Analysen lassen sich damit Genprodukte finden, die im Ergebnis einer einzelnen Analyse nicht enthalten, aber trotzdem biologisch relevant sind. In dem Protein-Protein-Interaktionsnetzwerk fanden sich zum Beispiel Gene wie STAT1 (Signal Transducer and Activation of Transcription 1) und E2F1 (ein Transkriptionsfaktor), die beide auch bei anderen Nierenerkrankungen (z. B. interstitielle Fibrose) eine Rolle spielen (Abb. 2). Auf Grund der Vernetzung lässt sich schließen, dass zwischen den Genen eine Koregulation besteht. Ein anderes Modell des akuten Nierenversagens und dessen Regeneration wurde in einem Tiermodell ebenfalls systembiologisch analysiert. Ausgangspunkt war hier unter anderem die Transplantationsmedizin mit der Fragestellung, wie die verbleibende Niere nach Lebendspende die Funktion der fehlenden Niere langfristig übernehmen kann14. Es wurde in einem Rattenmodell untersucht, wie sich eine Ureterobstruktion oder eine Uninephrektomie auf die kontralaterale Niere auswirkt15. In beiden Fällen kommt es zu einer Suppression von wachstumsinhibierenden Faktoren und damit indirekt zur Einleitung der Organhypertrophie. Diese Stoffwechselwege sind in beiden Modellen über ähnliche Transkriptionsfaktoren reguliert. Weiters konnten aufgrund des unterschiedlichen Genexpressionmuster zwischen dem Hydronephrose- und Nephrektomiemodell über die mögliche Auswirkung der erhaltenen Perfusion im Hydronephrosemodell auf die Transportprozesse in der kontralateralen Niere Aussagen getroffen werden. Nach der Nierentransplantation kommt es in einem nicht unerheblichen Anteil zu Abstoßungsreaktionen. Diese werden zurzeit nur aufgrund der histologischen Veränderungen entsprechend der BANFF-Klassifikation therapiert. Das oft unterschiedliche klinische Ansprechen der Abstoßungsreak-

tion auf eine idente immunsuppressive Therapie bei gleicher histologischer Klassifikation weist bereits auf die Heterogenität der Abstoßungsmechanismen hin. In einer Analyse von Sarwal und Mitarbeitern konnten einige dieser Unterschiede „systembiologisch“ nachgewiesen werden. So war vor allem die Infiltration der Transplantatbiopsie mit CD20+-Zellen mit einer steroidresistenten Abstoßung assoziiert16. Die molekularen Heterogenitäten, welche auch bei chronischer Transplantatnephropathie gefunden werden können, stellen die Basis für neue Diagnostiken und Therapieansätze dar. Im Allgemeinen bieten somit die systembiologischen Analysen die Möglichkeit, das Verständnis über Regulationsmechanismen (sowohl physiologische als auch pathologische) zu 

Abb. 2: Protein-Protein-Interaktionsnetzwerk von Genprodukten in der Gruppe der schlecht funktionierenden Niere, deren Interaktionspartner bekannt sind. Graue Kreise sind bekannte Interaktionspartner. Das Netzwerk zeigt, dass die gefundenen Proteine miteinander interagieren13.

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vertiefen. Vor allem für die Entdeckung von neuen Biomarkern können solche Netzwerke von Nutzen sein. In der Nephrologie würde sich anbieten, einen Biomarker für die Nierenfunktion zu suchen, der die Aussage von Kreatinin ergänzt oder gar ersetzt17. In diesem Fall machen jedoch die Nebenbedingungen, die für einen solchen Marker gelten, Schwierigkeiten. Der Marker sollte möglichst rasch beim Nierenversagen mit einer Änderung reagieren und zweitens muss er von der Niere ausgeschieden werden, so dass keine Gewebsprobe für die Untersuchung notwendig ist.

Zusammenfassung Die Systembiologie in der Nephrologie hilft uns die komplexen Zusammenhänge und Abläufe verschiedener Nierenerkrankungen zu erkennen und zu verstehen. In der Praxis werden die Erkenntnisse daraus sowohl die Diagnose als auch die Therapie von Nierenerkrankungen in Zukunft erheblich beeinflussen. ■

Literatur: 1 Kitano H., Systems biology: a brief overview. Science 2002; 295 (5560):1662 2 Bertalanffy L., Zu einer allgemeinen Systemlehre. Blätter für Deutsche Philosophie 1945; 18 (3/4) 3 Bertalanffy L., Zu einer allgemeinen Systemlehre. Biologia Generalis 1949; 19 (1):114 4 Hodgkin A.L., Huxley A.F., Movement of sodium and potassium ions during nervous activity. Cold Spring Harb Symp Quant Biol 1952; 17:43 5 Brown P.O., Botstein D. Exploring the new world of the genome with DNA microarrays. Nat Genet 1999; 21 (1 Suppl):33 6 Pandey A., Mann M., Proteomics to study genes and genomes. Nature 2000; 405 (6788): 837 7 Hood L., Galas D., The digital code of DNA. Nature 2003; 421 (6921):444 8 Birney E., Clamp M., Hubbard T., Databases and tools for browsing genomes. Annu Rev Genomics Hum Genet 2002; 3:293 9 Hucka M., Finney A., Bornstein B.J. et al., Evolving a lingua franca and associated software infrastructure for computational systems biology: the Systems Biology Markup Language (SBML) project. Syst Biol (Stevenage) 2004; 1 (1):41 10 Kitano H., Standards for modeling. Nat Biotechnol 2002; 20 (4):337 11 Kainz A., Mitterbauer C., Hauser P., et al., Alterations in gene expression in cadaveric vs. live donor kidneys suggest impaired tubular counterbalance of oxidative stress at implantation. Am J Transplant 2004; 4 (10):1595 12 Hauser P., Schwarz C., Mitterbauer C. et al., Genome-wide gene-expression patterns of donor kidney biopsies distinguish primary allograft function. Lab Invest 2004; 84 (3):353 13 Kainz A., Perco P., Mayer B., et al., Gene-expression profiles and age of donor kidney biopsies obtained before transplantation distinguish medium term graft function. Transplantation 2007; 83 (8):1048 14 Krohn A.G., Ogden D.A., Holmes H., Renal function in 29 healthy adults before and after nephrectomy. Jama 1966; 196 (4):322 15 Hauser P., Kainz A., Perco P. et al., Transcriptional response in the unaffected kidney after contralateral hydronephrosis or nephrectomy. Kidney Int 2005; 68 (6):2497 16 Sarwal M., Chua M.S., Kambham N. et al., Molecular heterogeneity in acute renal allograft rejection identified by DNA microarray profiling. N Engl J Med 2003; 349 (2):125 17 Perco P., Pleban C., Kainz A. et al., Protein biomarkers associated with acute renal failure and chronic kidney disease. Eur J Clin Invest 2006; 36 (11):753

Ankündigung 7. Nephrologisches Seminar in Wels Datum:

11. 1. 2008, ab 15:00 Uhr bis 12. 1. 2008, ca. 16:00 Uhr

Ort:

Festsaal, Klinikum Kreuzschwestern Wels GmbH, Grieskirchnerstraße 42, 4600 Wels, Österreich

Thema:

„Update – Peritonealdialyse“. Das Seminar wird die aktuellen Probleme bei Peritonealdialyse wie „Leben mit PD“, „Optimale bis ausreichende Qualitätssicherung und -kontrolle“, „PD-Technik – Komplikationen und Leitlinien“ und eine Sitzung über „PD – Warum? Wann? Wann nicht?“ umfassen. Komplettiert wird das Seminar durch eine Round-Table-Diskussion über spezielle Patientengruppen und deren Bedürfnisse bei Peritonealdialyse. Als besonderer Gast hat Prof. Norbert Lameire aus Gent, Belgien, zugesagt.

Information: Weitere Informationen auf unserer Website www.nephrovilava.net bzw. bei Univ.-Doz. Dr. Friedrich Prischl, 3. Interne Abteilung/Nephrologie, Klinikum Kreuzschwestern Wels GmbH, Grieskirchnerstraße 42, A-4600 Wels. Tel.: +43/7242/415 2174, Fax: +43/7242/415 3993, oder E-Mail: [email protected]

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Genomics und Systembiologie bei chronischer Niereninsuffizienz Dr. Michael Rudnicki, Univ.-Prof. Dr. Gert Mayer Klinische Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universität Innsbruck

ie Prävalenz der chronischen Niereninsuffizienz wird in verschiedenen Industriestaaten mit ca. 5–10 % der Gesamtbevölkerung angegeben. In einer erst kürzlich publizierten Auswertung der NHANES-Studien aus den Jahren 1988– 1994 und 1999–2004 konnte jedoch gezeigt werden, dass die Prävalenz aller Stadien der chronischen NierenDr. insuffizienz (1–4) in den letzten JahMichael Rudnicki ren von 10,0 auf 13,1 % der amerikanischen Bevölkerung gestiegen ist1. Dieser Anstieg ist zum Teil durch die erhöhte Inzidenz diabetischer und hypertensiver Nephropathie erklärbar. Obwohl hinlänglich bekannt ist, dass eine strenge Blutdruckeinstellung und die Verwendung von ACE-Hemmern (ACE-I) und/oder AngiotensinRezeptorblockern (ARB) bei proteinurischen Nierenerkrankungen die Progression der Erkrankung verlangsamt, kommt es bei vielen Patienten trotzdem zur Abnahme der glomerulären Filtrationsrate und schließlich zur terminalen dialysepflichtigen Niereninsuffizienz, d. h. es gibt weitere noch unbekannte Progressionsfaktoren bzw. Regelkreise, die unabhängig von der Proteinurie zur Progression führen. Obwohl die chronische Niereninsuffizienz eine relativ häufige Erkrankung ist, stehen uns nur limitierte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Außerdem existieren neben dem Ausmaß der Proteinurie und dem Erfolg einer antihypertensiven Therapie keine validen Biomarker, deren Expression es uns erlauben würde, das Progressionsrisiko eines individuellen Patienten abzuschätzen. Hier stellen Genomics/Transcriptomics und die systembiologische Aufarbeitung der Ergebnisse ein wichtiges Werkzeug dar, um neue pathogenetische und/oder nephroprotektive Mechanismen zu erkennen. Die biologische Funktion einzelner Zellen, Zellverbände und ganzer Organe wird durch das simultane Zusammenspiel einer Unzahl verschiedener Faktoren bestimmt. Die Funktion dieser Faktoren wird u. a. direkt oder indirekt durch Veränderungen in der Genexpression bestimmt. Obwohl RNA- und Proteinkonzentrationen nicht immer direkt korrelieren, gibt es trotzdem gute Gründe für die Messung individueller RNA-Transkripte: 1. Hochlei-

D

stungsproteinmessung (Proteomics) ist zurzeit (noch) aufwändiger als RNA, 2. RNA- und Proteinmessungen sind nicht als „entweder-oder“ zu sehen, sondern sind zueinander komplementär (z. B. Microarrays J RealTime-PCR J Immunhistochemie) und 3. ist es durchaus als legitim anzusehen, dass ein bestimmter Signaltransduktionsweg aktiviert wird, Univ.-Prof. Dr. wenn die RNA-Spiegel der daran beGert Mayer teiligten Gene bei einer bestimmten Erkrankung erhöht oder erniedrigt sind2. Was sind die Charakteristika der Anwendung von Genomics bei chronischer Niereninsuffizienz? Obwohl in einigen Experimenten die globale Genexpression in Leukozyten chronisch nierenkranker Patienten untersucht wurde3, stellt nach wie vor die Analyse der Transkription im Nierengewebe den Goldstandard dar. RNA kann prinzipiell aus Gefrierschnitten routinemäßig entnommener Nierenbiopsien in guter Qualität gewonnen werden4. Cohen et al. haben zudem die Verwendung eines kommerziell erhältlichen RNase-Inhibitors bei Nierenbiopsien validiert5. Dadurch bleiben DNA und RNA in sehr guter Qualität erhalten, was sowohl die Probengewinnung als auch den Transport und die Lagerung dieses sensiblen Materials deutlich vereinfacht. Die Genexpressionsanalyse in der Niere wird durch die heterogenen Kompartimente erschwert. Selbst wenn einzelne Glomerula mikrodisseziert werden, so tragen Zellen wie Podozyten, Endothelzellen und Mesangialzellen zum Signal bei, so dass es fast unmöglich wird, das Genexpressionsmuster einer bestimmten Zelle zuzuordnen. Das Gleiche gilt für das Tubulointerstitium, das ja aus den unterschiedlichen Segmenten und dementsprechend verschiedenen Tubuluszellen, Fibroblasten, Endothelzellen und evtl. eingewanderten Leukozyten gebildet wird. Um das Genexpressionssignal einer bestimmten Zelle zuzuordnen, stellt die Laser-Capture Microdissection (LCM) eine praktikable Methode dar, die von unserer Arbeitsgruppe bei der Isolation von proximalen Tubuluszellen aus den Nierenbiopsien chronisch Nierenkranker angewandt wurde6. Bei dieser Methode werden ca. 500 bis 1.000 Zellen isoliert entsprechend 1–5 ng totaler RNA.

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Da diese Menge natürlich für jedes Microarray-Experiment, aber auch für die meisten Real-Time-PCR-Experimente zu wenig Material darstellt, muss die RNA einer linearen Amplifikation unterzogen werden, was nach Applikation statistisch validierter Filterkriterien zu keiner Verzerrung der Ergebnisse führt7. Schließlich werden nach der Microarray-Hybridisierung die differenziell regulierten Gene identifiziert und es können die üblichen systembiologischen Analysemethoden angewandt werden. Die einzelnen Arbeitsschritte sind in der Abbildung dargestellt. Eine der ersten Arbeiten zur Genexpression und Systembiologie bei IgA-Nephropathie (IgAN) wurde von Yano et al. publiziert8. Durch Korrelation der Genexpression von Leukozyten und Nierenbiopsien von Patienten mit IgAN konnte ein interaktives Netzwerk verschiedener Interleukine dargestellt werden mit einer prominenten Expression von Interferon gamma (IFN-gamma) und IFN-abhängigen Interleukinen im Nierengewebe und in den Leukozyten. Peterson et al. untersuchten die globale Genexpression in mikrodissezierten Glomerula von Patienten mit Lupus-Nephritis WHO III/IV9. Die Autoren kamen zu mehreren interessanten Ergebnissen: (i) Die Genexpression korrelierte kaum mit der histologischen Einteilung in fokale/diffuse proliferative Lupus-Nephritis. (ii) Es zeigte sich eine sehr starke interindividuelle Variabilität zwischen den einzelnen Patienten, die Unterschiede zwischen einzelnen Glomerula aus ein und derselben Biopsie waren jedoch nicht sehr ausgeprägt. (iii) Es wurden 4 große Gen-Cluster identifiziert, nämlich ein BZell-Cluster, ein myelomonozytärer Gencluster, ein Fibrose/Matrixprotein-Gencluster und ein Cluster mit Typ-IInterferon-induzierbaren Genen. (iv) Der Fibrose/Matrixprotein-Gencluster korrelierte mit Glomerulosklerose und schlechter klinischer Prognose, während die Expression von Typ-I-Interferon-induzierbaren Transkripten mit einem niedrigen Ausmaß an Glomerulosklerose und mit einem benignen klinischen Verlauf der Lupus-Nephritis korrelierte. Interessanterweise war die Expression von TGF- in allen Lupus-Proben niedriger als in den Kontrollproben. Schmid et al. untersuchten die Genexpression im mikrodissezierten Tubulointerstitium bei diabetischer Nephropathie10. Mit Hilfe der Pathway-Analyse konnten die Autoren zeigen, dass bei Diabetikern mit einem progressiven Verlauf der Nephropathie der Nuclear-Factor-B-Signaltransduktionsweg (NFB) – einer der wichtigsten transkriptionellen Aktivierungswege bei Inflammation – aktiviert war. Die Analyse der Promoter-Regionen der NF-B-Zielgene identifizierte das NFB-Modul NFKB_IRFF_01 als möglicherweise verantwortlich für die inflammatorische Stress-Antwort bei progressiver diabetischer Nephropathie. Die Projekte unserer Arbeitsgruppe konzentrieren sich auf die transkriptionelle Antwort von proximalen Tubuluszellen bei Patienten mit proteinurischen Nephropathien. In einem kürzlich abgeschlos-

Nach der Mikrodissektion der proximalen Tubuluszellen wird RNA isoliert, die für gewöhnlich zwei Runden linear amplifiziert wird, bevor die Hybridisierung auf cDNA- oder Oligonukleotid-Microarrays erfolgt. Danach erfolgt die Analyse der differenziell regulierten Gene (z. B. stabile vs. progressive Patienten; oder gesunde Kontrollen vs. proteinurische Patienten). Schließlich erfolgt eine systembiologische Analyse der Genexpressionsergebnisse unter Zuhilfenahme der Pathway-Analyse, von Protein-Protein-Netzwerken und -Interaktionen oder der Transkriptionsfaktor-Bindungsstellen-Analyse. Die Ergebnisse werden wiederholt mittels Real-Time-PCR validiert. Die Expression bestimmter regulatorisch wichtiger Kandidatengene wird auf der Proteinebene mittels Immunhistochemie oder Imunfluoreszenz überprüft.

Abb.: Schema einer Genomics-Analyse aus proximalen Tubuluszellen

senen Projekt haben wir mit Hilfe der LCM-Tubuluszellen aus Gefrierschnitten von Patienten mit proteinurischen Nephropathien (Minimal Change Disease, primäre FSGS und IgAN) isoliert6. Nach RNA-Isolation, Amplifikation und Microarray-Hybridisierung wurden die Genexpressionsprofile systembiologisch analysiert. Dabei zeigte sich eine Aktivierung von Pathways verantwortlich für Zellproliferation, Zellzyklus-Kontrolle, Zelldifferenzierung, Signaltransduktion (Wnt), Immunantwort, intrazellulären Transport und Proteinabbau (Ubiquitin) sowie Metabolismus. Auf der anderen Seite waren mehrere Gene, die bei der Zelladhäsion eine Rolle spielen, signifikant hinunterreguliert, was mit einer beginnenden epithelial-mesenchymalen Transition und Fibrose kompatibel ist. Interessanterweise war der TGF--Antagonist Bone Morphogenetic Protein 7 (BMP-7) im Patientengewebe stark überexprimiert, was auf das Vorhandensein eines endogenen tubuloprotektiven Mechanismus hindeuten könnte. In unserer rezenten Arbeit haben wir die Korrelation der Genexpressionsprofile von proximalen Tubuluszellen mit 

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dem klinischen Verlauf untersucht11. Dabei konnte in progressiven Patienten eine signifikante Überexpression von Genen gezeigt werden, die in den PDGF-, VEGF/Hypoxieund p53-Pathways involviert sind. Obwohl mehrere Hypoxie-Gene als hochreguliert identifiziert wurden, zeigte sich jedoch interessanterweise eine verminderte Expression von VEGF-A, das ja als potenter Wachstumsfaktor für Gefäße (z. B. peritubuläre Kapillaren) unentbehrlich ist. Dieses Missverhältnis von Aktivierung der Signaltransduktionskaskaden einerseits und Herunterregulation eines Hauptzielgens andererseits zeigt die Stärken von Genomics und Systembiologie auf, denn nur durch die gleichzeitige Analyse der Expression von Tausenden von Genen ist es möglich, ganze Pfade und vor allem deren hypothetische Vernetzung sichtbar zu machen. Auf dem ASN-Kongress 2007 in San Francisco präsentierte Berthier et al. globale Genexpressionsergebnisse aus Glomerula und dem Tubulointerstitium von Patienten mit IgAN12. In den Glomerula waren Interferon-, LeukozytenExtravasation-, Antigen-Präsentation-, Integrin-, Ephrin-Rezeptor- und NK-Zell-Signaltransduktions-Pathways überrepräsentiert, während im Tubulointerstitium EGF-, Jak/Stat, PPAR- und IL-2-Pathways als überexprimiert identifiziert wurden. Durch hierarchisches Clustern konnten die glomerulären und die tubulointerstitiellen Genexpressionsprofile in jeweils zwei Hauptgruppen unterteilt werden, die sich v. a. in den Gerinnungs-, Hypoxie-Signaltransduktion-, Interferon- und EGF-Pathways unterschieden. Cohen et al. konnten mit Hilfe von Genomics, Systembiologie und Promoter-Analyse einen bisher unbekannten Regelkreis in Glomerula identifizieren13. Durch vergleichende Genomik wurde im Promoter des Schlitzmembran-Proteins Nephrin eine phylogenetisch konservierte Sequenz identifiziert, die auch im Promoter des Tight-Junction-Proteins Zonula Occludens-1 (ZO-1) vorhanden ist. Eine genomweite Analyse sagte die Präsenz eines bisher im Glomerulum unbekannten Proteins voraus: Cadherin 5. In humanen Glomerulopathien konnte dann eine Koregulation von Nephrin, ZO-1 und Cadherin 5 erfolgreich nachgewiesen werden. Eine besondere Anwendung von „Omics“-Methoden und Techniken liegt in der Entdeckung neuer Moleküle (Biomarker), die zur Diagnosestellung und Prognosebeurteilung verwendet werden könnten. Perco et al. haben den Stand der Biomarkerforschung beim akuten Nierenversagen und bei chronischer Niereninsuffizienz in einem rezenten Review zusammengefasst14. Unsere Arbeitsgruppe untersucht zurzeit die Expression von Genen und Proteinen, die für sekretorische Proteine kodieren und eine differenzielle Regulation zwischen gesunden Kontrollpersonen und Patienten oder zwischen Patienten mit verschiedenen Krankheitsverläufen zeigen. Henger et al. präsentierten auf dem ASN-Kongress 2007 ein Set von 40 mRNA-Transkripten, die mit Hilfe von Microarrays im Tubulointerstitium identifiziert worden

waren und deren Expression mit dem Abfall der GFR in verschiedenen Nephropathien (diabetische und hypertensive Nephropathie, IgAN, Minimal-Change-Nephropathie) korrelierte15. Nach Validierung der Genexpression in größeren Patientenpopulationen wäre es natürlich von Vorteil, die Biomarker-Kandidaten auf Proteinebene im Nierengewebe, Serum und/oder Harn nachzuweisen.

Zusammenfassung Genomics können bei chronischer Niereninsuffizienz erfolgreich angewandt werden. Es können sowohl das ganze Nierengewebe als auch mikrodissezierte Kompartimente wie z. B. proximale Tubuluszellen mit Hilfe von Microarrays analysiert werden. Eine weiterführende systembiologische Analyse ist besonders hilfreich bei der Entdeckung von bisher unbekannten Regelkreisen. Ebenso können Biomarker zur diagnostischen und prognostischen Evaluierung identifiziert werden. ■ Literatur: 1 Coresh J., Selvin E., Stevens, L.A., Manzi J., Kusek J.W., Eggers P., Van Lente F., and Levey A.S., Prevalence of chronic kidney disease in the United States. JAMA 2007; 298:2038-2047 2 Liang M., Cowley A.W. Jr., Hessner M.J., Lazar J., Basile D.P., and Pietrusz J.L., Transcriptome analysis and kidney research: toward systems biology. Kidney Int 2005; 67:2114-2122 3 Preston G.A., Waga I., Alcorta D.A., Sasai H., Munger W.E., Sullivan P., Phillips B., Jennette J.C., and Falk R.J., Gene expression profiles of circulating leukocytes correlate with renal disease activity in IgA nephropathy. Kidney Int 2004; 65:420-430 4 Tanji N., Ross M.D., Cara A., Markowitz G.S., Klotman P.E., and D’Agati V.D., Effect of tissue processing on the ability to recover nucleic acid from specific renal tissue compartments by laser capture microdissection. Exp. Nephrol 2001; 9:229-234 5 Cohen C.D., Frach K., Schlondorff D., and Kretzler M., Quantitative gene expression analysis in renal biopsies: a novel protocol for a high-throughput multicenter application. Kidney Int. 61:133-140. 6 Rudnicki,M., Eder,S., Perco,P., Enrich,J., Scheiber,K., Koppelstatter,C., Schratzberger,G., Mayer,B., Oberbauer,R., Meyer,T.W. et al 2007. Gene expression profiles of human proximal tubular epithelial cells in proteinuric nephropathies. Kidney Int 2002; 71:325-335 7 Rudnicki M., Eder S., Schratzberger G., Mayer B., Meyer T.W., Tonko M., and Mayer G., Reliability of t7-based mRNA linear amplification validated by gene expression analysis of human kidney cells using cDNA microarrays. Nephron Exp. Nephrol 2004; 97:e86-e95 8 Yano N., Endoh M., Nomoto Y., Sakai H., Fadden K., and Rifai A., Phenotypic characterization of cytokine expression in patients with IgA nephropathy. J Clin Immunol 1997; 17:396-403 9 Peterson K.S., Huang J.F., Zhu J., D’Agati V., Liu X., Miller N., Erlander M.G., Jackson M.R., and Winchester R.J., Characterization of heterogeneity in the molecular pathogenesis of lupus nephritis from transcriptional profiles of laser-captured glomeruli. J Clin Invest 2004; 113:1722-1733 10 Schmid H., Boucherot A., Yasuda Y., Henger A., Brunner B., Eichinger F., Nitsche A., Kiss E., Bleich M., Grone H.J. et al., Modular activation of nuclear factor-kappaB transcriptional programs in human diabetic nephropathy. Diabetes 2006; 55:2993-3003 11 Rudnicki M., Perco P., Enrich J., Eder S.H.D.B.A., Wiesinger M., Schramek H., Mayer B., Oberbauer R., and Mayer G., Differential transcriptional activation of proximal tubular epithelial cells in stable and progressive human proteinuric nephropathies. Submitted manuscript. American Society of Nephrology Annual Meeting 2007 12 Berthier C.C., Eichinger F., Henger A., Boucherot A., Vidooshi G.M., Rastaldi M.P., Grone H.J., Cohen C.D., and Kretzler M., Towards a Molecular Classification of IgA Nephropathy: Transcriptional Profile Based Segregation of IgA Biopsies. American Society of Nephrology Annual Meeting 2007 13 Cohen C.D., Klingenhoff A., Boucherot A., Nitsche A., Henger A., Brunner B., Schmid H., Merkle M., Saleem M.A., Koller K.P. et al., Comparative promoter analysis allows de novo identification of specialized cell junction-associated proteins. Proc Natl Acad Sci USA 2006; 103:5682-5687 14 Perco P., Pleban C., Kainz A., Lukas A., Mayer G., Mayer B., and Oberbauer R., Protein biomarkers associated with acute renal failure and chronic kidney disease. Eur J Clin Invest 2006; 36:753-763 15 Henger A., Eichinger F., Berthier C.C., Shedden K., Woolf P., Koraishy F., Boucherot A., Cohen C.D., Nelson R.G., and Kretzler M., Using mRNA Expression Profiles of Renal Biopsies for Prediction of GFR in Renal Disease. American Society of Nephrology Annual Meeting 2007

An den Vorstand der

Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie Sekretariat: Klinische Abteilung für Nephrologie, Universitätsklinik für Innere Medizin A-6020 Innsbruck, Anichstraße 35, Fax: +43 (0) 512 – 504 DW 25857

Ich ersuche um Aufnahme in die Österreichische Gesellschaft für Nephrologie als

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