Psychiatrie und Ethik: Eine spannungsreiche, aber unverzichtbare Beziehung

Psychiatrie und Ethik: Eine spannungsreiche, aber unverzichtbare Beziehung Paul Hoff Fortbildungsveranstaltung Ethik in der Psychiatrie Luzerner Psyc...
Author: Eugen Dittmar
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Psychiatrie und Ethik: Eine spannungsreiche, aber unverzichtbare Beziehung Paul Hoff

Fortbildungsveranstaltung Ethik in der Psychiatrie Luzerner Psychiatrie 19. März 2015

Agenda • Psychiatrie – ein Fach mit vielen Facetten • Sensibilisierung für ethische Fragen: Erwünschte „Nebenwirkung“ des KESR • Autonomie, Urteilsfähigkeit, Diagnose • Zwang in der Psychiatrie: Verboten, erlaubt, geboten? • Résumé

Agenda • Psychiatrie – ein Fach mit vielen Facetten • Sensibilisierung für ethische Fragen: Erwünschte „Nebenwirkung“ des KESR • Autonomie, Urteilsfähigkeit, Diagnose • Zwang in der Psychiatrie: Verboten, erlaubt, geboten? • Résumé

Die „zwei Gesichter“ der Psychiatrie „Heilkunst“ • Subjekt • Individuelles Vorgehen • Reproduzierbarkeit weniger wichtig • Primat des Qualitativen • Enge Vernetzung mit allen Humanwissenschaften

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„Wissenschaft“ • Objekt • Gesetzmässiges Vorgehen • Reproduzierbarkeit entscheidend • Primat des Quantitativen • Enge Vernetzung mit den Naturwissenschaften, vor allem der Biologie

Klassiker der „Antipsychiatrie“

Angst 1896

Edvard Munch 1863 - 1944

(2000)

Values-Based und Evidence-Based medicine/practice: Eine notwendige Ergänzung

CUP 2012

Agenda • Psychiatrie – ein Fach mit vielen Facetten • Sensibilisierung für ethische Fragen: Erwünschte „Nebenwirkung“ des KESR • Autonomie, Urteilsfähigkeit, Diagnose • Zwang in der Psychiatrie: Verboten, erlaubt, geboten? • Résumé

KESR stimuliert die Debatte zu ... • Zwang im Gesamtgebiet der Medizin z.B. Überarbeitung der SAMW-Richtlinien

• Zwang in der Psychiatrie, im Lichte von - Recovery / Empowerment / peer involvement - Identitätsfragen der beteiligten Berufsgruppen

• Schnittstellenproblemen Klinik / Praxis / Wohneinrichtung („geeignete Einrichtung“)

• Patientenverfügungen • ...

Agenda • Psychiatrie – ein Fach mit vielen Facetten • Sensibilisierung für ethische Fragen: Erwünschte „Nebenwirkung“ des KESR • Autonomie, Urteilsfähigkeit, Diagnose • Zwang in der Psychiatrie: Verboten, erlaubt, geboten? • Résumé

Medizinethische Grundprinzipien (nach Beauchamp & Childress, 2009)

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• Respekt vor der Autonomie des/der Patienten/-in • Gebot, nicht zu schaden • Gebot, zum Wohl des/der Patienten/-in zu handeln • Gebot der fairen Verteilung von Nutzen, Risiken und Kosten im Gesundheitswesen

Autonomie ↔ psychische Erkrankung (I) • «Autonomie» als bloss theoretischer Rahmen ist in der Medizinethik ungenügend. Gerade in der Psychiatrie braucht es die Adaptation auf die konkrete Situation der betroffenen Person. (Beispiel: «shared clinical decision making»)

Autonomie ↔ psychische Erkrankung (II) • Diese personenzentrierte Anpassung des Autonomiekonzeptes wird heute meist als «assistierte Autonomie» bezeichnet. Sie hat auch zum Ziel, die Häufigkeit von Zwangsmassnahmen zu verringern.

Urteilsfähigkeit (I) - aus der Sicht des Psychiaters -

• Urteilsfähigkeit, als Voraussetzung der Handlungsfähigkeit, ist als zentraler Rechtsbegriff auch im medizinischen Kontext von hoher Bedeutung. • Kernelement ist die Fähigkeit, eine Situation korrekt aufzufassen, zu verstehen und sinnvolle Konsequenzen aus ihr zu ziehen.

Urteilsfähigkeit (II) - aus der Sicht des Psychiaters -

• Bezüglich Vorhandensein oder Fehlen eine absolute Grösse. Eine Person ist in einer konkreten Entscheidsituation entweder urteilsfähig oder urteilsunfähig.

• Bezüglich des Sachverhaltes, um den es geht, eine relative Grösse. Eine leicht demente Person kann urteilsunfähig mit Blick auf eine komplexe Finanztransaktion sein, zugleich (!) aber urteilsfähig mit Blick auf eine Zahnextraktion.

Urteilsfähigkeit (III) - aus der Sicht des Psychiaters -

• Psychopathologischer Befund, spezielle Erhebungsbögen und Angaben von Angehörigen sind wesentliche Entscheidkriterien. • Unmittelbare Rückschlüsse von der psychiatrischen Diagnose auf die Urteilsfähigkeit sind in keinem Fall zulässig (gilt auch für gravierende Diagnosen wie Schizophrenie oder Alzheimer-Demenz).

Urteilsfähigkeit (IV) - aus der Sicht des Psychiaters -

• Bei urteilsfähigen Personen ist eine Zwangsbehandlung („Behandlung ohne Zustimmung“) grundsätzlich unzulässig. • Bei urteilsunfähigen Personen ist sie unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich zulässig und ethisch vertretbar, aber keineswegs automatisch qua Urteilsunfähigkeit.

Was kann eine psychiatrische Diagnose nicht leisten?

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• Vollständige „Erklärung“ einer psychischen Krankheit • Unmittelbare therapeutische Konsequenzen • Entscheidungshilfe im wissenschaftlichen Methodenstreit • Unmittelbare Übersetzbarkeit in Rechtsbegriffe und ethische Normen

Agenda • Psychiatrie – ein Fach mit vielen Facetten • Sensibilisierung für ethische Fragen: Erwünschte „Nebenwirkung“ des KESR • Autonomie, Urteilsfähigkeit, Diagnose • Zwang in der Psychiatrie: Verboten, erlaubt, geboten? • Résumé

„Zwang“ - ein heterogenes Feld • Einweisung, Rückbehaltung gegen den Willen • Behandlung gegen den Willen • „Freiheitseinschränkende Massnahmen“ • Einige Grauzonen, zum Beispiel ... ... wenn, dann-Verknüpfungen ... psychologischer Druck ... indirekter Zwang

Ein Dilemma … • Mit Berufsrolle schwer vereinbar, aber oft … • … typische Notfallsituationen mit dringendem Handlungsbedarf • Ambivalente Einstellung der Gesellschaft zur Psychiatrie - Delegation von heiklen Problemen an die Psychiatrie und zugleich - Misstrauen gegenüber der Psychiatrie

… und eine Herausforderung • Anspruch des Pat. auf Behandlung, auch wenn krankheitsbedingt nicht oder eingeschränkt urteilsfähig • Rechtlich Behandlungspflicht (ärztliche Garantenstellung) • Aufbau einer tragfähigen Beziehung trotz diametral unterschiedlicher „Interessen“

Im Kontext des neuen KESR (Januar 2013): Vollständige Revision der Richtlinien «Zwangsmassnahmen in der Medizin» Neufassung geht jetzt in die (fach-)öffentliche Vernehmlassung

Agenda • Psychiatrie – ein Fach mit vielen Facetten • Sensibilisierung für ethische Fragen: Erwünschte „Nebenwirkung“ des KESR • Autonomie, Urteilsfähigkeit, Diagnose • Zwang in der Psychiatrie: Verboten, erlaubt, geboten? • Résumé

Résumé (I) ▶ Ethische Fragen und Abwägungen sind notwendige Elemente jeder psychiatrischen Tätigkeit. ▶ Dies kann nicht konfliktfrei sein, im Gegenteil: Oft muss zwischen fast gleichwertigen, sich aber wechselseitig ausschliessenden Zielen ausgewählt werden.

Résumé (II) ▶ Ethische Fragen müssen konsequent (auch) innerhalb der Psychiatrie diskutiert werden. Sie können nicht vollständig an «die Ethiker» delegiert werden. ▶ Alle in der Psychiatrie tätigen Berufsgruppen sollten das KESR „instrumentalisieren“, um eine fundierte und nachhaltige Debatte über Autonomie und Zwang zu fördern.

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