Z Gerontol Geriat 37:56–62 (2004) DOI 10.1007/s00391-004-0168-7

U. M. Röhr-Sendlmeier S. Ueing

Images of the elderly in printed advertisements in a time change perspective n Zusammenfassung In einer inhaltsanalytischen Vergleichsstudie wird der Frage nachgegangen, wie sich das Altersbild in der Anzeigenwerbung seit den 70er Jahren verändert hat. Auf der Basis von 364 Anzeigen aus den Jahren 1999/2000 werden widersprüchliche Stereotypisierungen aufgewiesen: Anzeigen, die sich an alle Konsumenten richten, jedoch den älteren Menschen als Werbeele-

Eingegangen: 27. Juni 2003 Akzeptiert: 31. Juli 2003

Prof. Dr. Una M. Röhr-Sendlmeier ()) Sarah Ueing M. A. Psychologisches Institut Universität Bonn Römerstr. 164 53117 Bonn, Germany

ORIGINALARBEIT

Das Altersbild in der Anzeigenwerbung im zeitlichen Wandel

ment verwenden, vermitteln sowohl im Text als auch im Bild ein sehr positives Altersbild. Defizitäre Aspekte des Alters werden in erster Linie in Texten solcher Werbeanzeigen aufgegriffen, die sich direkt an ältere Menschen wenden; Altsein wird hier gleichgesetzt mit körperlichen Beschwerden und geistigem sowie seelischem Abbau. Auf die Abbildung kranker Menschen wird verzichtet, da Gesundheit, Leistungskraft und Aktivität als positive Orientierungsgrößen gelten. Der Vergleich mit zwei Studien aus den 1970er und 1980er Jahren zeigt, dass der Anteil der Anzeigen, welche negative Altersstereotype vermitteln, stark rückläufig ist, und dass Ältere heute äußerlich attraktiver, aktiver und sozial anerkannter dargestellt werden. Auch wenn sich das vermittelte Altersbild verbessert hat, sind die Alten – vor allem die älteren Frauen – in der Anzeigenwerbung immer noch deutlich unterrepräsentiert. n Schlüsselwörter Altersbild – Anzeigenwerbung – zeitlicher Wandel

n Summary This content analytical study investigates the changes of image of the elderly in printed advertisements. A total of 364 advertisements published in 1999 and 2000 involving elderly models were analyzed. A positive image of older age is generally transported in advertisements addressing all consumers, whereas physical and cognitive deficits occurring with age are expressed in some verbal elements of advertisements addressing primarily the elderly themselves. However, such deficits are not visually depicted, since health, full energy and activity provide positive orientation. Compared with advertisements in the 1970s and 1980s, the elderly are shown as more attractive, active and socially appreciated today. In spite of their improved image, the elderly, especially older women, are still not represented in printed advertisement in proportion to their number in the population. n Key words Image of the elderly – printed advertisements – time change

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U. M. Röhr-Sendlmeier und S. Ueing Das Altersbild in der Anzeigenwerbung

Fragestellung und Einleitung Die Zunahme der Anzahl und des Anteils alter Menschen an der Gesamtbevölkerung führt häufig zu Erwartungen und Befürchtungen nur schwer zu bewältigender Belastungen. So thematisieren die Medien vor allem die negativen Seiten der demographischen Entwicklung und verstärken das in der Gesellschaft vielfach vorhandene negative Fremdbild vom Alter. Stereotype Vorstellungen vom Alter beeinflussen das Verhalten der Mitmenschen den älteren Gesellschaftsmitgliedern gegenüber und auch das Selbstbild und das Verhalten älterer Menschen. Die dominierenden Altersbilder einer Gesellschaft bestimmen mit, „inwieweit ältere Menschen bei der Verteilung von Ressourcen berücksichtigt werden und inwieweit ein differenzierter, d. h. an den gegebenen Lebensbedingungen und Kompetenzen orientierter Einsatz der Ressourcen erfolgt [4]“. Die existierenden Altersbilder weisen alten Menschen einen bestimmten Platz in der Gesellschaft zu. Zudem integrieren ältere Menschen die negativen Altersstereotype oftmals in ihr Selbstbild: Auf der einen Seite nehmen sie sich innerhalb eines bestimmten Bezugsystems auf eine bestimmte Art und Weise wahr. Andererseits passen sie ihr Verhalten dementsprechend an, d. h. sie verhalten sich restriktiv und bestätigen damit selbst bestehende Vorurteile [12, 22]. Dies zeigen etwa Studien zur Weiterbildung im höheren Erwachsenenalter: Ein negatives Selbstbild und das bei anderen wahrgenommene negative Altersstereotyp zählen zu den wichtigsten Hemmnissen für die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten. Umgekehrt erwies sich eine positive Rückmeldung aus dem sozialen Umfeld als förderlich für die Weiterbildungsteilnahme [19]. Die gesellschaftliche Vermittlung von Bildern über das Alter erfolgte früher primär über Märchen und Sagen, heute in zeitgemäßer Vermittlung über Medien und Werbung [1]. Im Rahmen der vorliegenden Studie wird die Werbung als Untersuchungsgegenstand des existierenden Altersbildes benutzt, da sie in unserer Gesellschaft stets präsent ist und als bedeutsamer Sozialisationsfaktor anzusehen ist. Sozialisation ist heute zu großen Teilen Mediensozialisation [10], in die auch die Werbung durch ihre nicht zu übersehende Präsenz eingeht [20]. Die Werbung konfrontiert fast jeden Menschen mit ihren Bildern von alten Menschen und zeigt, wie nach ihrer Vorstellung ältere Menschen leben sollen; sie bietet damit Deutungs- und Orientierungsmuster, welche die soziale Identität der älteren Menschen beeinflussen können. Ältere sind aufgrund ihrer Kaufkraft für Handel und Industrie interessant geworden [10]: Die „Best Agers“ (über 50-Jährigen) hatten im Jahr 2000 ein Kaufkraftpotential von etwa 20 Mrd. DM; dies ist fast die Hälfte der gesamten Kaufkraft der Erwachse-

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nen in Deutschland [15]. Deshalb ist anzunehmen, dass auch die Werbung die ältere Generation neu entdeckt hat. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wird in einer inhaltsanalytischen Vergleichsstudie das Altersbild in der Anzeigenwerbung untersucht. Es wird der Frage nachgegangen, wie sich das Bild älterer Menschen in einer alternden Gesellschaft verändert hat. Dabei wird davon ausgegangen, dass das in den Werbeanzeigen erfasste Altersbild als Abbild der Realität und Indikator für sozialen Wandel angesehen werden kann. Um einen möglichen Wandel des Altersbildes in der Anzeigenwerbung festhalten zu können, werden die ermittelten Ergebnisse der Studie von Horn/Naegele (1976) „Gerontologische Aspekte in der Anzeigenwerbung“ [9] und der Wiederholungsstudie von Dennersmann/Ludwig (1985) „Das gewandelte Altersbild in der Werbung“ [5] gegenübergestellt. Hierbei interessiert vor allem, ob und wie sich in den letzten Jahren das Altersbild in der Werbung entsprechend dem gerontologischen Forschungsbefund verändert hat, der belegt, dass eine individuell-differenzierende Sichtweise des Alters angemessener ist als eine defizitär-generalisierende [11]. Die Untersuchung soll zeigen, ob die Werbung dazu beitragen kann, die Kluft zwischen wissenschaftlich fundiertem Wissen über das Alter und den älteren Menschen und den immer noch in der Gesellschaft vorhandenen stereotypen Vorstellungen zu schließen.

Untersuchungsmaterial und Untersuchungsmethode Für die Untersuchung des Altersbildes in der Werbung wurden Print-Anzeigen gewählt, da sie zu den effektivsten Werbemitteln zählen und zudem für die Ansprache älterer Menschen besonders geeignet sind [3]. Insbesondere Publikumszeitschriften tragen zur weiten Verbreitung dieses Mediums bei, und die in ihnen enthaltenen Anzeigen zeigen einem großen Teil der Gesellschaft, wie Ältere aus Sicht der Werbung leben können. Für die Analyse wurden Publikumszeitschriften aus den Bereichen aktuelle Illustrierte, Programmzeitschriften und Frauenzeitschriften von Anfang November 1999 bis Ende Januar 2000 ausgewertet. Vier Zeitschriften wurden ausgewählt, die eine hohe Gesamtauflage und damit große Reichweite in allen Bevölkerungsgruppen besitzen: Bild am Sonntag, Hörzu, Stern, Bild der Frau. Insbesondere die Publikumszeitschriften Bild am Sonntag und Hörzu gehören mit über zwei Millionen Heften verkaufter Auflage pro Woche zu den meistverkauften Publikumszeitschriften überhaupt. Zudem haben diese Zeitschriften eine markante Leser-

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schaftsstruktur hinsichtlich Geschlecht und Alter, auf die ihre Werbeteile abgestimmt sind. Die ausgewählten Zeitschriften haben sowohl viele ältere Leser als auch viele männliche Leser (insbesondere Bild am Sonntag) und weibliche Leser (insbesondere Bild der Frau). Alle vier Zeitschriften erscheinen einmal pro Woche. Der Untersuchungszeitraum von drei Monaten wurde in Anlehnung an die 1985 von Dennersmann/Ludwig durchgeführte Analyse [5] ausgewählt. Der Untersuchungszeitraum umfasst ein Quartal oder 13 Ausgaben pro Zeitschrift; insgesamt wurden somit 52 Ausgaben untersucht. Aus diesen Zeitschriften wurden alle eindeutig erkennbaren alteninklusiven und altenspezifischen Anzeigen analysiert: Alteninklusive Anzeigen richten sich an alle Konsumenten, verwenden jedoch ältere bzw. alte Menschen als Werbeelement. Während Dennersmann/ Ludwig die unterste Altersgrenze beim 40. Lebensjahr ansetzten, wurde hier das 50. Lebensjahr gewählt, da in einer Reihe von neueren Studien – meist initiiert von kommerziellen Marketing-, Media- und/oder Werbeagenturen – diese Altersgrenze gezogen wird [6, 15]. Neben der bildlichen Darstellung älterer bzw. alter Menschen wurden alle Anzeigen berücksichtigt, in denen beispielsweise die Begriffe „Alter“, „Oma“ usw. vorkamen. Altenspezifische Anzeigen wenden sich direkt an ältere Menschen. Sie sprechen ausdrücklich die über 50-Jährigen an, z. B. durch Textaussagen wie „50 zu sein ist wundervoll“ (Oil-of-Olaz-Werbung) oder „Reife Haut braucht mehr als nur Pflege“ (Eucerin-Werbung). Insgesamt kamen 364 Anzeigen für die Analyse in Frage, davon 103 altenspezifische Anzeigen und 261 alteninklusive Anzeigen. Für die Untersuchung bot sich das Verfahren der Inhaltsanalyse, genauer die Frequenz- und die Intensitätsanalyse an [14]. Die Anzeigen wurden mit einem hierfür entwickelten Kategoriensystem mehrmals durchgearbeitet. Da das Bild der älteren Menschen in der Werbung vorrangig visuell vermittelt wird, ist der Analysegegenstand in erster Linie die graphische Gestaltung. Um jedoch zusätzlich Informationen zu erhalten über Merkmale wie die Anzeigengestaltung, das Produktangebot, die Verkaufsargumente, die Altersbeschwerden und den Leistungsabfall der älteren Personen, wurde auch der Anzeigentext analysiert. Ein systematisches Rerating für alle Anzeigen durch einen zweiten Kodierer erbrachte sehr günstige Werte der Auswertungsobjektivität zwischen 96 und 100% für die einzelnen Kategorien. Die Ergebnisse wurden mit denen von 1976 und 1985 in Beziehung gesetzt. Ein Vergleich zu 1976 war nicht in allen Hinsichten möglich, da die Ergebnisse von damals nicht mehr vollständig vorliegen; neben einer Zusammenfassung der Ergebnisse [9] werden sie zum Teil in der Arbeit von Dennersmann/Ludwig [5] aufgeführt.

Ergebnisse Gemessen an ihrem Anteil in der Bevölkerung und ihrer Kaufkraft sind die Älteren in der Anzeigenwerbung deutlich unterrepräsentiert. Der Anteil der altenrelevanten Anzeigen an der Grundgesamtheit aller in den Zeitschriften enthaltenen Anzeigen ist sogar seit 1985 gesunken (1985: 14,9%; 1999/2000: 10,7%). Der Vergleich zu 1976 und 1985 zeigt, dass auch damals ein ungleiches Verhältnis der Geschlechter bestand: Bevorzugt werden früher wie heute männliche Models. Dieses Ergebnis entspricht nicht der Realität der Altersgesellschaft, die geprägt ist durch die Feminisierung des Alters. Auch andere Analysen von Altersbildern in der Werbung belegen deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede zugunsten männlicher Personen [2, 8].

n Produktangebot Die in der Anzeigenwerbung vermittelten Altersbilder müssen im Zusammenhang mit den jeweiligen Produktangeboten gesehen werden. Fast alle Anzeigen, die sich 1999/2000 nur an alte Menschen wenden, werben für medizinische Produkte (92,2%). Über den Textteil vermittelt ein großer Teil der altenspezifischen Anzeigen ein defizitäres Bild vom Alter. Diese Anzeigen werben entweder für Produkte, die spezielle Altersbeschwerden wie beispielsweise Arthrose behandeln, für Ratgeber/Zeitschriften, in denen über Altersbeschwerden informiert wird (z. B. die Informationszeitschrift „Arthrose-Info“) oder für die Produktgattung „Vitamine/Stärkungsmittel/Ginseng/Tonika“, die etwa gegen altersbedingte Konzentrationsschwächen oder allgemeines Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit helfen sollen. Durch die Betonung von Krankheit, Schwäche, Leistungsabfall und vielfältigen Verschleißerscheinungen wird das Stereotyp vom kranken und senilen älteren Menschen verstärkt. Hierbei handelt es sich um „die Personifizierung des Defizitmodells vom Alter als Konkretisierung negativer Altersklischees“ [9]. Auf dem Anzeigenphoto werden jedoch nur gesunde und aktive ältere Menschen abgebildet, „da von dessen positivem Reiz eher eine Werbewirkung erwartet werden kann“ [9]. Gesundheit, Leistungskraft und Aktivität stellen in der altenspezifischen Werbung Orientierungsgrößen dar, die über die positive bildliche Darstellung der älteren Menschen und die Verkaufsargumente (Gesundheit/Wohlbefinden; Aktivität/Leistungskraft) vermittelt werden. Häufig arbeitet die altenspezifische Werbung mit dem Mittel der Assoziation. Dadurch soll der ältere Mensch den Eindruck gewinnen, dass er mit Hilfe der angebotenen Produkte wieder der Ide-

U. M. Röhr-Sendlmeier und S. Ueing Das Altersbild in der Anzeigenwerbung Tab. 1 Produktgruppen in altenspezifischen und alteninklusiven Anzeigen 1999/2000

Tab. 2 Berufsklassen in altenspezifischen und alteninklusiven Anzeigen 1999/2000

Anzeigen 1999/2000

Dienstleistungen Medizin Nahrungsmittel/Getränke Tabakwaren Freizeitgestaltung Längerlebige Konsumgüter Verschiedenes Gesamt

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Anzeigen 1999/2000

Altenspezifisch

Alteninklusiv

Altenspezifisch

Alteninklusiv

Gesamt

Absolut

%

Absolut

%

Absolut %

Absolut %

Absolut %

2 95 0 0 0 6 0 103

1,9 92,2 0,0 0,0 0,0 5,8 0,0 99,9 *

68 73 22 2 70 24 2 261

26,1 27,9 8,4 0,8 26,8 9,2 0,8 100,0

Kreative Berufe Einfache Angestellte/ Arbeiter/Dienstleister Akademische Berufe Höheres Management/ Industrielle Landwirtschaft/Weinbau Gastronomie Sonstige Gesamt

* Fehler durch Auf- oder Abrunden einzelner Werte

0 1

0,0 10,0

132 5

4 5

40,0 50,0

7 32

0 0 0 10

0,0 0,0 0,0 100,0

13 5 11 205

64,4 132 2,4 6

61,4 2,8

3,4 15,6

11 37

5,1 17,2

6,3 13 2,4 5 5,4 11 99,9 * 215

6,1 2,3 5,1 100,0

* Fehler durch Auf- oder Abrunden einzelner Werte

alvorstellung des gesunden, aktiven und vitalen alten Menschen entsprechen kann. Auch altenspezifische Anzeigen, die nicht für medizinische Produkte werben, greifen im Text Defizitaspekte des Alters auf, um den älteren Menschen an das Produkt zu binden. Seit 1976 wird dieselbe Strategie verwendet: Im Bild wird eine negative Darstellung vermieden, bevorzugt wird der gesunde, aktive, freundliche ältere Mensch. Dagegen greift der Text der Anzeigen Defizitaspekte des Alters auf, um eine Produktbedürftigkeit beim Verbraucher zu stimulieren. Thimm (1998) konstatiert, „dass diese Form der altersrelevanten Altenwerbung, die ein spezifisches Segment der älteren Generation ansprechen soll, eine Konstante innerhalb der altersrelevanten Werbung darstellt“ [21]. Eine Ausnahme stellen die altenspezifischen Anzeigen dar, die für Haut- und Faltencremes und für Mittel gegen Haarausfall werben. In diesen Anzeigen wird das Alter in der Regel semantisch positiv konnotiert: „Reife Haut braucht mehr als nur Pflege“ (Eucerin), „50 zu sein ist wundervoll“ (Oil of Olaz); „Pflege für die reife Haut“ (Nivea Vital) usw. Der Anteil der altenspezifischen Anzeigen an der altenrelevanten Grundgesamtheit ist seit 1976 rückläufig (1976: 64,6%; 1985: 29,1%; 1999/2000: 28,3%). An dieser Entwicklung ist positiv zu bewerten, dass somit auch die negativen Altersstereotype, die viele dieser Anzeigen vermitteln, nicht mehr so extensiv verbreitet werden. Insgesamt arbeiten 67% der altenspezifischen Anzeigen im Text mit dem Defizitmodell vom Alter. Bezogen auf die Gesamtheit der 364 altenrelevanten Anzeigen haben diese Anzeigen jedoch nur einen Anteil von 17%. Anders als die altenspezifischen Anzeigen werben die alteninklusiven Anzeigen für ein heterogenes Produktangebot, obwohl auch hier die medizinischen Produkte knapp überwiegen (siehe Tab. 1). Diese medizinischen Produkte behandeln jedoch ganz allgemeine Erkrankun-

gen wie beispielsweise Husten, Schnupfen usw., die Personen jeder Altersklasse treffen können. Mit älteren Menschen wird weiterhin vor allem für Freizeitartikel und Dienstleistungen geworben. Diese beiden Produktgruppen entsprechen den aktuellen Trends in Richtung Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft.

n Aktivität Wie schon 1976 stützt sich das Altenbild der alteninklusiven Werbung stärker auf die visuelle als auf die verbale Darstellung vom Altsein [9], so dass Aussagen über das Altersbild fast ausschließlich über Abbildungen älterer Personen gemacht werden können.1 Einerseits wird ein realistisches und andererseits ein sehr positives Altersbild entworfen. Die meisten abgebildeten älteren Personen sind entweder noch berufstätig (siehe Tab. 2), oder sie beschäftigen sich mit einer Vielzahl von Dingen. Viele Beschäftigungen haben kommunikativen Charakter, auch wenn die Personen einzeln abgebildet sind (z. B. beim Golfen, Tennis usw.). Im Vergleich zu 1985 hat eine verstärkte Integration in die Berufswelt stattgefunden. Der prozentuale Anteil der älteren Personen in allen Anzeigen, denen ein Beruf aufgrund ihrer Tätigkeit, ihrer Kleidung oder einer Erläuterung im Text zugeordnet werden konnte, ist von ca. 40% auf etwas mehr als 50% angestiegen, obwohl die Altersgrenze in der vorliegenden Studie angehoben wurde. 1976 betrug der pro1

1985 wurde in Bezug auf die Personendarstellung nicht zwischen altenspezifischer und alteninklusiver Werbung unterschieden (Ausnahme: Funktion der Älteren in der Anzeigenwerbung), aber die altenrelevante Werbung vermittelte damals graphisch insgesamt ein positives Altersbild (5)

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Tab. 3 Beschäftigung bzw. Tätigkeitsfelder in altenspezifischen und alteninklusiven Anzeigen 1999/2000 Anzeigen 1999/2000

Ohne Beschäftigung Berufliche Tätigkeit Geselliges Beisammensein (ab 2 Pers.) Gesundheitsfürsorge Freizeit drinnen Freizeit draußen Essen/Trinken/Rauchen Inanspruchnahme von Dienstleistungen Auf Reisen/unterwegs In einer Filmszene Gesamt

Altenspezifisch

Alteninklusiv

Gesamt

Absolut %

Absolut %

Absolut

16 1 12

31,4 2,0 23,5

140 54 39

0 5 14 1 2

0,0 9,8 27,5 2,0 3,9

9 10 58 25 7

0 0 51

0,0 5 0,0 17 100,1 * 364

%

38,5 156 14,8 55 10,7 51

37,6 13,3 12,3

2,5 2,7 15,9 6,9 1,9

2,2 3,6 17,3 6,3 2,2

9 15 72 26 9

1,4 5 4,7 17 100,0 415

1,2 4,1 100,1 *

im Kontakt mit anderen Personen dargestellt (10,8% von 195 Abbildungen) [9]. 1999/2000 bildet auch die altenspezifische Werbung die Älteren überwiegend bei einer Beschäftigung ab (68,6%) (siehe Tab. 3), deren überwiegender Teil (40%) Aktivitäten im Freien sind. Mit Blick auf die soziale Einbettung überwiegt auch heute noch die Einzeldarstellung, aber abgeschwächt; auf 37,2% der altenspezifischen Anzeigen werden die älteren Personen im Kontakt mit anderen Personen abgebildet. Zudem kann aufgrund der Einzeldarstellung nicht zwangsläufig auf eine isolierte Darstellungsweise älterer Menschen geschlossen werden, da zum einem die Untersuchung von Hastenteufel (1980) einen Zusammenhang zwischen Produktart und Anzahl der abgebildeten Personen feststellen konnte [7] und zum anderen einzeln abgebildete Personen in dieser Untersuchung oftmals einen sehr autonomen Eindruck vermitteln und nicht sozial isoliert wirken.

* Fehler durch Auf- oder Abrunden einzelner Werte

Tab. 4 Beschäftigung bzw. Tätigkeitsfelder in altenrelevanten Anzeigen 1975 und 1985 nach Dennersmann/Ludwig (1985), S. 140

Ohne Beschäftigung Beim Essen Berufliche Tätigkeit Hausfrauenarbeit Besuche Geselligkeit Reisen Beim Einkaufen Beim Ausruhen Freizeitgestaltung (Haus) Freizeitgestaltung (draußen) Familienidylle Gesamt

Anzeigen 1985

Anzeigen 1975

Gesamt

Gesamt

absolut

%

%-Vergleich

214 5 91 0 2 31 11 4 1 34 82 10 485

44,1 1,0 18,8 0,0 0,4 6,4 2,3 0,8 0,2 7,0 16,9 2,1 100,0

62,7 0,0 7,6 3,4 4,9 2,7 5,2 0,0 0,0 2,5 3,9 0,0 100,1 *

* Fehler durch Auf- oder Abrunden einzelner Werte

zentuale Anteil sogar nur 27,8% [9]. Auffällig ist, dass insgesamt der prozentuale Anteil der älteren Personen, die ohne Beschäftigung in den Anzeigen abgebildet werden seit 1976 stark abgenommen hat (siehe Tab. 3 und 4). Der größte Unterschied zu 1976 besteht darin, dass 1999/2000 (wie 1985) auch die altenspezifische Werbung den älteren Menschen insgesamt positiv darstellt. 1976 wurde zwar auch bereits auf die Abbildung kranker alter Menschen verzichtet, aber die älteren Personen wurden sehr selten bei einer Beschäftigung gezeigt (9,8% der 195 Abbildungen) und

n Physiologie und äußere Erscheinung 1999/2000 werden in der Regel gutsituierte Ältere abgebildet, die sich ausgeprägter Gesundheit und Vitalität erfreuen und aktiv ihr Leben genießen. Diese Anzeigen vermitteln ein überaus positives Bild vom Alter. Ein negatives Bild wird nur in ganz wenigen Anzeigen unterstützt; meistens handelt es sich dabei um altenspezifische Anzeigen. Früher wie heute werden die meisten älteren Personen ohne Altersbeschwerden und offensichtlichen Leistungsabbau dargestellt; 1999/2000 werden Ältere jedoch noch deutlich häufiger so abgebildet (1976: 73,9%; 1985: 73,6%; 1999/2000: 91,1%). In Bezug auf die äußere Erscheinung hat eine Veränderung dahingehend stattgefunden, dass die Älteren 1999/2000 wohlhabender und luxuriöser dargestellt werden als früher. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Ältere heutzutage „wohlhabend wie nie“ [15] sind; möglichst viele Leser sollen sich mit den Älteren in der Werbung identifizieren können. Die physiologische Erscheinung der Älteren hat sich dagegen wenig verändert, denn auch in den früheren Anzeigen hatten die älteren Menschen sowohl graue als auch wenig Haare und überwiegend faltige Haut.

Diskussion Die vorliegende Untersuchung zur Erfassung des generalisierten Altersbildes zeigt, dass es in der Anzeigenwerbung – wie etwa in Zeitungen und Zeitschriften oder in der Kinder- und Jugendliteratur auch [16] – keine einheitlichen, sondern widersprüchliche

U. M. Röhr-Sendlmeier und S. Ueing Das Altersbild in der Anzeigenwerbung

Stereotypisierungen vom Alter und vom alten Menschen gibt: Einerseits wird über den Text ein defizitäres Bild von alten Menschen gezeichnet, andererseits wird ein positives Stereotyp von den „neuen“ Alten über die visuelle Gestaltung immer stärker aufgebaut. Positiv zu bewerten ist, dass im Vergleich zu früheren Jahrzehnten nur noch 17% der gesamten Anzeigen dieser Untersuchung ein negatives Altersbild vermitteln. In weit stärkerem Maße werden heute Ältere in der äußeren Erscheinung attraktiv, gesund, aktiv, mit höherem sozialen Status und sozial und beruflich integriert dargestellt. Das in der Anzeigenwerbung vermittelte Bild stützt somit Befunde gerontologischer Forschung vom kompetenten älteren Menschen [11, 13]. Wie wirkt sich das Altersbild der Anzeigenwerbung auf die gesellschaftliche Situation des alten Menschen aus bzw. welche Beeinflussung ist zu erwarten? Die Anzeigen, die im Text die defizitäre Seite des Alters ansprechen – auch wenn es vergleichsweise wenige sind –, bestätigen in der Gesellschaft vorhandene negative Altersstereotype. Deren Auswirkungen reichen von einem Einfluss auf das Verhalten jüngerer gegenüber älteren Menschen bis hin zu Einflüssen auf die Planung und Gestaltung sozialer Institutionen [16], wie sie auch das Verhalten und die Einstellung älterer Menschen selbst beeinflussen können [12]. In Bezug auf die visuelle Darstellung des alten Menschen als Werbeelement ist es dagegen möglich, dass das vermittelte Altersbild zur Festi-

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gung eines positiven Fremd- und Selbstbildes beiträgt, das dem Stereotyp der sogenannten „jungen“ Alten entspricht, die einen neuen Typus des älteren Menschen repräsentieren: „gesundheitlich auf der Höhe, vielfältig interessiert, geistig aktiv, in der Gesellschaft präsent, finanziell gut abgesichert, mobil, usw.“ [16]. Studien zur Weiterbildung im höheren Erwachsenenalter zeigen, dass es vor allem diese „jungen“ Alten sind, welche Weiterbildungsangebote um ihrer selbst Willen nutzen und sich damit selbst befähigen, weiter aktiv am gesamtgesellschaftlichen Leben teilzunehmen [17, 19]. Die positive Darstellung der Älteren in der Werbung hat möglicherweise jedoch auch gegenteilige Effekte: Auf Hilfe angewiesene ältere Menschen, die dem Ideal des aktiven Älteren nicht entsprechen, könnten angesichts dieser Leitvorstellung vom Alter zu einer neuen Außenseitergruppe werden [16]. Das positive Bild vom Alter wird für einige ältere Menschen nicht als realistische Orientierungsgröße erscheinen, da sie sich nicht mit dem in der Werbung vermittelten Bild identifizieren können. Bekannt sind solche Folgen für Ältere mit Blick auf den technischen Wandel: Ältere Menschen, die sich angesichts neuer Technologien verunsichert fühlen, ziehen sich häufig in eine soziale und gesellschaftliche Isolation zurück [18]. Da sich Altersbilder auf das individuelle und kollektive Handeln auswirken, sollten auch die in der Werbung vermittelten Bilder vom älteren Menschen in gesellschaftlichen Analysen stärker berücksichtigt werden.

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