Ich stehe hier und kann nicht anders..."

1 „Ich stehe hier und kann nicht anders ..." In: R.Wunderlich/B.Feininger (HG.) Zugänge zu Martin Luther (Festschrift für Dietrich von Heymann) Frank...
Author: Lukas Baum
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„Ich stehe hier und kann nicht anders ..." In: R.Wunderlich/B.Feininger (HG.) Zugänge zu Martin Luther (Festschrift für Dietrich von Heymann) Frankfurt 1997,1ff

Unser Satz - wahrscheinlich gesprochen am 18.4.1521 auf dem Reichstag zu Worms - hatte seine Vorgeschichte und seine Nachgeschichte. In den nächsten 40 Minuten wollen wir in einen kurzen, aber nachhaltig wirkenden

Zeitraum

deutscher

Geschichte

mit

biographischen

Erinnerungen hineinhören und mit Filmausschnitten1 hineinsehen - wie es einer pädagogischen Hochschule ansteht, also didaktisch und methodisch aufbereitet. 1. Filmeinspielung: Wartburg (Foto)

Dort oben auf der Wartburg ging die Geschichte weiter. Begonnen hat sie vielleicht am Fuße des Wartbergs in Eisenach, nämlich in der Schule, in der Luther gelernt - und (wie ich) seine Ohrfeigen empfangen hat. Mit

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Film Martin Luther, 2 Teile

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dem genannten Satz wurde uns Schülern (z.B. in der montäglichen Morgenandacht vom Direktor) der Mut Luthers vorgehalten, den wir im Leben haben sollen, und dann die Ehrlichkeit, an dem einmal Erkannten auch solange festzuhalten, bis bessere Argumente kommen und sich nicht der oft so nützlichen Anpassung zu beugen: also eine gewisse Sturheit, auf jeden Fall gerade Linien und unbedingte intellektuelle Ehrlichkeit bei der Suche nach der Lebenswahrheit - heute sagen wir: nach der Mitte des Lebens. Bei Stotternheim geriet Luther in ein Gewitter („Hilf du, heilige Anna, ich will ein Mönch werden.") 2. Filmeinspielung: Gewitter / Luther kniend

Einige Ereignisse müssen Luther lange vor dem bekannten Gewitter zu dem Entschluß gebracht haben, ins Kloster zu gehen: Da hatte sich ein schwerer Unfall ereignet. „Als er in die Heimat reisen wollte und unterwegs war, stieß er zufällig mit dem Schenkel in den Degen und verletzte die Hauptschlagader. Er war damals mit einem einzigen Begleiter auf dem Felde (eine halbe Meile von Erfurt). Das Blut strömte heftig und ließ sich nicht stillen... Dort war er in Todesgefahr und rief: O Maria, hilf! Da wäre ich ... (fast) gestorben. Darauf brach bei Nacht im Bett die Wunde wieder auf; er verblutete fast…"2 Glaube und Evangelium und die ganze Reformationsgeschichte lassen sich also (wie Geschichte überhaupt) nicht von persönlichen Erfahrungen ablösen. Und die müssen sich für Luther besonders im Kloster eingestellt haben. 1. 2

TR l,119 (Nov. 1531)

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Luther trat ins Augustiner-Eremiten-Kloster in Erfurt ein, obwohl ihn sein Entschluß kurz nachher gereut hat. „Ich bin nicht gerne ein Mönche geworden."3 Immerhin: Sein neues Lebensziel heißt: das Heil für seine Seele erringen. Luther selbst: „Obwohl ich durch Gewalt Mönch geworden bin gegen den Willen meines Vaters, der Mutter, Gottes und des Teufels, habe ich in meiner Mönchszeit den Papst so ehrfürchtig geehrt, daß ich allen Papisten Trotz bieten wollte... Denn ich habe das Gelübde getan nicht um des Bauches, sondern um meiner Seligkeit willen, und habe unsere Regel unbeugsam streng gehalten."4 Da ringt ein Mönch - allein in seiner Zelle mit dem „gerechten Gott" um den gnädigen Gott. Als Luther 20 Jahre alt war, hatte er noch keine Bibel gesehen.5 Nun im Kloster wird die Bibel, diese Bibliothek der Bücher, seine ständige Lektüre, wie es die Regel der Augustiner verlangt. Er studiert so eifrig und gründlich, daß er die Aufmerksamkeit seiner Oberen erregt. Diese gaben ihm daraufhin den Auftrag, Priester zu werden, was ein gründliches Theologiestudium einschloß. „Mitten in diese Arbeit hinein kommt im Oktober 1508 Luthers Abberufung nach

Wittenberg;

dort

hatte

der

Orden

einen

Lehrstuhl

der

Moralphilosophie in der Artistenfakultät zu besetzen."6 Wittenberg ist eine Kleinstadt, was damals weniger als ein heutiges deutsches Dorf zu bedeuten hatte! Luther kam aus anderem Umfeld: Erfurt, turmbewehrt und einwohnerreich. Aber: Wittenberg hatte eine Universität - und Reliquien, die

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TR 2,2286 (Aug./Dez. 1531) T R 4,4414 (März 1539)

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T R 3,3767 (Febr. 1538)

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Fausel 22

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Aus der Genesisvorlesung (1540). WA 43,382, Iff

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es dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen verdankte. - Mit „blutendem Herzen" vertieft er sich in das Geheimnis der Messe, aber statt Freiheit stellt sich Grauen ein: „So bin ich auch ... als ich noch Mönch war, und erstmals im Meßkanon die Worte las: 'Dich also, gnädigster Vater', und weiter: 'Wir opfern dir, dem Lebendigen, Wahren und Ewigen', starr und völlig entsetzt gewesen."7 Das Entsetzen vor der göttlichen Majestät gegenüber der eigenen Nichtigkeit beherrscht ihn den ganzen langen Tag und die noch längere Nacht. 2. Filmeinspielung: Im Kloster

Ein Mitbruder betritt Luthers Zelle: „Ich kann nicht schlafen;" - „Du frierst?" „Nein. Sie müssen meinetwegen nicht aufbleiben, Vater. " - „Der heilige Paulus sagt, so ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit." - „Ich will beichten." „Du hast erst am Abend gebeichtet."- „Inzwischen ist viel Zeit vergangen." -„ Weniger als du denkst. Das Klosterleben soll ein freier und froher Dienst sein, Bruder Martin. Du versiehst ihn eifrig. Darüber ist nicht zu klagen, aber es entgeht keinem, wie sehr du dich quälst. Du sonderst dich ab, du bist stumm in der Gemeinschaft. Du bist zu viel mit dir beschäftigt, Bruder Martin. Von der Liebe steht jedoch geschrieben, daß sie das Gemeinsame über das Eigene stellt." - „Darum bemühe ich mich. Doch vielleicht nicht genug. Ich wollte den Weg, den ich gewählt habe, mit festen Schritten gehen, Vater Wienand. Aber ich gehe ihn unsicher und unruhig, kleinmütig und verzagt. Mich schüttelt die Angst, daß ich zu schwach bin." - „Es ist deine Angst, Bruder Martin, die dich gestärkt zurückläßt, sobald du sie überwunden hast." - „Ich war noch nie so kraftlos, so mutlos." - „ Willst du nicht schlafen, versuch es." - „Als ich vorher das

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Vaterunser betete, schoß mir durch den Kopf, wer ist der, mit dem du redest. Ich nenne ihn vertraulich, Vater. Doch es ist der große und allmächtige Gott, der über Leben und Tod gebietet, dessen Ratschluß unerforschlich ist, der den Gestirnen ihre Bahn weist, der am Anfang war und am Ende sein wird. Wie kann ich hoffen, daß er mich ansieht. Und wenn er mich ansieht, wie kann ich erwarten, daß ich vor ihm stehe, ein Nichts, ein Wurm, eine taube

NUSS,

ein bißchen Staub, ein Häufchen Asche. " - "Er ist

dir gnädig, Bruder Martin, wenn du an ihn glaubst." - „Ich will glauben, doch genügt der Wille, die Absicht, der Eifer, die Sehnsucht, genügen die? Kann ich mir sicher sein, daß ich tatsächlich glaube. Vielleicht glaube ich nur zu glauben." - „Bruder Martin!" - „Mein Glaube ist klein, dürftig, ein Glaube, der hinkt und lahmt. Ein kümmerlicher Krümelglaube, ein Glaube, so fest wie ein Funkenflug. Ich habe mir zu viel vorgenommen. Ich halte keiner Prüfung Gottes stand." - „Du übertreibst!" -„Nein, nein, nein, nein!" - „Gott liebt dich, Bruder Martin!" - „ Welchen Grund hat er, mich zu lieben? Was habe ich getan, daß er mich liebt? Ich bin dem Anspruch, den er stellt, nicht gewachsen. Ich vermag nicht zu leisten, was er verlangt. Wie soll ich seinem Zorn entgehen?" - „Nicht Gott grollt dir, du grollst Gott, Bruder Martin." - „ Wenn er gerecht ist, Bruder Wienand, kann ich nicht vor ihm bestehen." - „ Gott ist nicht nur gerecht, er ist auch barmherzig." -„ Warum soll er mir barmherzig sein? Womit habe ich seine Gerechtigkeit verdient? Nein, ich muß ihn fürchten, ihn und sein Gesetz aus tausenden Gründen, die aus meiner Schwachheit kommen, aus meiner Trägheit, aus meiner Feigheit bis an das Ende meiner Tage. " - „Du grübelst zu viel." - „ Wie finde ich einen gnädigen Gott?" -. „ Wir wollen beten, Bruder Martin." - „Ja. " - „Auf deiner Stirn steht Schweiß, wisch ihn ab." - „Ich danke Ihnen für die Geduld, die Sie mit mir haben, Vater Wienand." - „ Wenn du betest, soll auch in deinem

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Herzen leben, was dein Mund ausspricht." - „Ja! Allmächtiger Gott, du hast mit deinem Wort mein Herz getroffen, Himmel und Erde und alles, was lebt, sagt mir, daß ich dich lieben soll, und hört nicht auf, das alles zu sagen. Auf dich, Herr, sind meine Augen gerichtet, auf dich hoffe ich, du wirst meine Seele nicht zu schänden machen. Amen, Amen... Der Gerechte aber lebt durch den Glauben."

II. In diesem Filmausschnitt sind die Grundlagen seiner Theologie bereits erkennbar. Es ist immer wieder die Bibel mit ihren unendlichen Erfahrungen der Gottesnähe und der Gottesferne, die dann zu den 95 Thesen gegen den Ablaß, zu den großen reformatorischen Schriften, zur sprachschöpferischen Bibelauslegung, zur Neubegründung der Kirchenmusik und zu einem kulturprägenden Familienleben führen werden, alles Themen dieser Ringvorlesung. Später wird Luther den zentralen Satz aus dem Römerbrief8 mit einem zusätzlichen Wörtlein versehen: „So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht werde (allein) aus dem Glauben." Welcher Glaube ist gemeint? Jedenfalls ein anderer Glaube als das, was er bisher Glauben nannte. „Er ist nicht eine durch übernatürliche Gnade eingegossene Seelenhaltung, in der der Mensch vor Gott gefällige, würdige Werke vollbringt, wodurch er dem Urteil Gottes entflieht. Sondern er ist Selbstauslieferung an Gottes Urteil auf Gnade und Ungnade. Der Glaubende bekennt seine Sünde, er rechtfertigt sich nicht... er ist in seinen Augen ein Sünder, und er ist gewiß, daß er in Gottes Augen gerecht ist... Das ist die Rechtfertigungslehre der

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Röm 3,28 Fausel 62f

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Reformation... Eine neue 'Lehre' neben vielen anderen? Ein neuer 'Artikel'?... Ein neuer 'Grundsatz' der Theologie?... Nein! Viel mehr: ... die Mitte aller Theologie..".9 Mit Luthers „Simul iustus et peccator" darf der Glaubende wissen und damit rechnen, daß sein ganzes Leben angenommen, bewahrt und erlöst ist, obwohl er doch zugleich weiß, daß er immer wieder versagt und in eitler Überheblichkeit meint, daß das, was sein Leben ausmacht, von ihm selbst geleistet werden kann oder geleistet werden muß. Es muß nicht, und kann es nicht! Alle Liebe, die ein Mensch zu verschenken vermag, wurde ihm zuvor vom Erfinder der Liebe geschenkt. Über die Gaben des Lebens (wie Gesundheit, Intelligenz, Erfolg, Freunde, kann kein Mensch verfügen (extra nos). Bekanntlich hat gerade dieser Glaube zu höchster Aktivität in der protestantischen Ethik motiviert. Die „iustificatio impii"(des Unfrommen!) führte zu mutiger Entdeckerfreude - und gelassener Fröhlichkeit am Leben. Die schwäbisch-evangelische Geselligkeit und Geschäftigkeit mag hier als Beispiel dienen. Manche halten diese Gewißheit der Erlösung für einen leichtfertigen Religionsoptimismus. Es fällt mir auch schwer, bei all dem Morden in der Welt, dem blindwütigen Terrorismus, der brutalen Drogensucht und den Mafiabanden daran zu glauben, daß Gott diese Menschen erlöst und befreit hat. Ich habe allen Grund zu bezweifeln, daß die Menschen, so wie sie sich aufführen, geliebt sind. Aber eben dieser Zweifel, den Luther oft genug durchlitten hat und der auch uns beschleicht, eben dieses Gefühl, alles sei umsonst, unwahr, Legende, frommes Getue - das meint Sünde. Sünde meint also keineswegs lediglich die unfaire Tat, das Verbrechen oder die vornehme Vergewaltigung des Mitmenschen, die korrekte Gemeinheit, sondern eben die Verzweiflung daran und die Angst das meint „Sünde". Dagegen steht die Entdeckung Luthers, die er aus der

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Bibel herausliest: Der Sünder(!) ist Gott recht. Hier tut sich wie oft beim Sündenbegriff ein Mißverständnis auf: Wenn das so ist, dann brauche ich ja gar nichts mehr zu tun. Ich bin sowieso gerecht, ohne mein Zutun, ohne mein Engagement, ohne meine Verantwortung, ohne meine Aktivität... Wie leicht kann man da in psychotische Resignation abgleiten oder in neurotisches Wehklagen über die Schlechtigkeit der Welt. Wie leicht kann sich der neue Glaube auch mit nachlässiger Oberflächlichkeit der Satzwahrheiten verwechseln oder zur Revolution werden, welche für Luther ein Graus war und zu unschönen Äußerungen im Zusammenhang mit den Bauernkriegen geführt hat. Nein: Aus dieser Glaubensgewißheit folgert Luther gerade die Auflehnung gegen das Unrecht, gegen Ausbeutung, Ungerechtigkeit und gegen Selbstsucht, die so raffiniert versteckte Formen des Rühmens annehmen kann; zugleich weiß er sich aber in Gottes Liebe geborgen und glaubt, daß Gott in ihm und durch ihn Gutes bewirkt. Das macht ihn frei vom Zwang zur Selbstdarstellung und von jeder Angeberei. Freiheit gilt als Kampfwort der Reformation. Aber es ist die Freiheit des vor Gott (coram Deo) stehenden Sünders, nicht des sicheren Selbstgerechten. So stand Luther auch in Augsburg und Worms nicht nur vor Autoritäten, sondern vor seiner letzten Autorität als Suchender - aber in Gewißheit. Dieser Widerspruch in ihm begleitet ihn sein ganzes Leben. Freiheit in der Aporie des Versagens - das ist die neue Entdeckung. Man bleibt Sünder, aber geliebt - das bringt Freiheit. Diese Freiheit ist es auch, die zur Versöhnung unter den Religionen befähigen könnte. Leider hat dieser Begriff schon in der Frühzeit der Reformation zu den bekannten Entgleisungen in Wort und Tat, in Bauernkriegen und fürchterlicher Fürstenrache und schließlich auch zu

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Luthers eigenen Wort-Entgleisungen gegenüber den Juden geführt. Vieles hat Luther bereut, je gesagt zu haben. Wir wenden uns nach Augsburg drei Jahre vor dem Reichstag zu Worms: „Im Palazzo Fugger in Augsburg, dem prachtvollsten Gebäude jenseits der Alpen, stieg der Kaiser ab... Dort fanden Besprechungen statt, die über die Zukunft des Landes entschieden. Dort trat 1518 auch der 'vermessene Mönch' vor eine der Hauptpersonen des Reichstages, den Kardinal und Legaten Cajetan. Mit großem Pomp trat der Kardinal auf. Nach römischer Auffassung sollte ein Kardinal-Legat Vorrang sogar 'vor irgendwelchen Königen' haben... er verlangte,

daß

die

ihm

zugewiesenen

Räume

mit

rotem

Satin

ausgeschlagen würden, und stellte noch weitere Forderungen, bis der Zeremonienmeister des Kaisers... verzweifelte... Seine Schrift „Über die Gewalt des Papstes" hatte ihm neben seiner Stellung als General des Dominikanerordens bei der letzten Schaffung des Kardinalskollegiums den roten Hut eingetragen... Am 12. Oktober 1518 begab sich Luther in eben diesen Palazzo Fugger... der Gegensatz zwischen 'neuer' und 'alter' Lehre war schon in Luthers bisherigen Schriften ein (Haupt)punkt gewesen, den er nun hier vor dem Legaten zu verteidigen hatte."10 Das Gespräch mit Kardinal Cajetan in Augsburg 1518 ist größtenteils wörtlich aufgezeichnet und im folgenden Filmausschnitt wiedergegeben worden. „Zu einer Disputation hatte er das Mönchlein (allerdings) nicht vorgeladen."11 3. Filmeinspielung: Luther vor Kardinal Cajetan

„ Willkommen in Augsburg, Bruder Martin. Ich freue mich, dich endlich zu se-

hen, und ich habe viel von dir gehört, von deiner Gelehrsamkeit, deinem

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Friedenthal 208ff ders. 218

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Glaubenseifer. Nur eines habe ich bisher nicht gewußt, daß Dr. Martin Luther noch so jung ist. Wie alt bist Du, mein lieber Sohn? " - „34 Jahre, verehrter Vater. " „ Was, erst 34 Jahre und schon Universitätsprofessor? Die Universität von Wittenberg soll an Ansehen gewonnen haben, seit du dort lehrst." - „Das ist übertrieben, verehrter Vater." - „ Übertrieben, wirklich? Bist du nicht zu bescheiden, Bruder Martin. Bei Matthäus steht, man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Soviel ich weiß, gibt es in Deutschland keinen Theologen, der nur annähernd so bekannt ist wie du. Ich hoffe, daß die weite Reise nicht zu beschwerlich war und daß du in der Stadt gut wohnst." - „Im Karmeliterkloster, verehrter Vater. " - „Kommen wir zur Sache. Wir müssen miteinander, wie du weißt, ein Mißverständnis aus der Welt schaffen. Ein völlig unnötiges Ärgernis, das unliebsames Aufsehen erregt und der Kirche schädlich ist. Ich komme nicht als Kläger oder als Richter, mein lieber Sohn, sondern als väterlicher Freund. Ich will den Streit, den du vom Zaun gebrochen hast, mit Wohlwollen und Nachsicht schlichten. Wobei ich hoffe und erwarte, daß du deinen Teil zum Frieden beiträgst." „Gewiß, verehrter Vater." - „ Gut, so höre: Den Tetzel habe ich bestraft, weil er die Befugnisse, die er besaß, weit überschritten hat. Das ist erledigt. Was ich von dir verlange, ist nicht viel. Ich muß dich bitten, mein lieber Sohn, daß du in dich gehst, deine Irrtümer einsiehst und widerrufst. Versprich mir auch, daß du in Zukunft alles unterläßt, was Streit und Unruhe in die Kirche bringt." - „Das will ich gerne tun, verehrter Vater." - „Sehr gut, dann widerrufe." - „Darf ich vorher eine Bitte äußern?" - „Welche Bitte?" - „ Würden sie mich bitte belehren, wo mein Irrtum liegt." - „Soviel ich weiß, hat man dich längst belehrt, daß Rom den Ablaß billigt, oder nicht?" - „Das ist geschehen, gewiß, mehrfach sogar. Ich kann es nur nicht glauben, verehrter Vater, denn er widerspricht der Heiligen Schrift." - „

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Wie die Schrift zu verstehen und auszulegen ist, hat das nicht der Heilige Vater zu entscheiden, Bruder Martin?" - „ Gewiß, doch. Aber..." - „Was aber? " - „Die Päpste haben auch schon geirrt." - „Nun, aber die Autorität eines Konzils wirst du doch anerkennen?" - „Auch Konzile haben geirrt." - „Bruder Martin, du wirst doch nicht die Kompetenz von Papst und Konzil ablehnen!" - „Nein. Aber über den Ablaß, verehrter Vater, steht in der Heiligen Schrift kein Wort." - „Die päpstliche Gewalt steht über allem, der Kirche, dem Konzil und der Schrift." - „Nein." - „Nein?" - „Über allem steht das Wort." „Vergiß nicht den Gehorsam, Bruder Martin, den du Kirche und Papst geschworen hast." - „Es ist die erste Pflicht der Diener Gottes, dem Wort Gottes furchtlos zu gehorchen." - „Der Papst erwartet, daß du widerrufst." - „Er hat kein Recht, es zu verlangen." - „ Was? " - „ Warum erlaubt er dem Mainzer Bischof, daß er mit dem Ablaßhandel Geschäfte macht, die zum Himmel stinken. Nur weil ich das laut frage, fallen alle über mich her, als hätte ich die Welt in Brand gesteckt. Sie verkennen meine Absichten, ich möchte doch nur meiner Kirche dienen. " - „Mit dem Geschrei, das du machst, dienst du ihr nicht." - „Die Kirche, Eminenz, ist krank." - „Das zu beurteilen, steht einem Mönch nicht zu. Doch sollte sie je krank sein, wird sie eine deutsche Roßkur nicht heilen." - „Sobald der Ablaßhandel aufhört, Eminenz, werde ich so still wie früher leben." - „Also kein Widerruf? " - „Ich bin mir nicht bewußt, etwas gesagt zu haben, was der Bibel widerspricht." Zum Protokollanten gewendet: „Du schreibst doch mit?" „ Wort für Wort. " - „ Was ich sagte, Eminenz, erscheint mir wahr, vernünftig und katholisch." - „Das heißt, es irrt der Papst, die Kardinale irren, die gesamte Geistlichkeit irrt, nur Dr. Martin Luther, der irrt nicht?" - „Ich bin ein schwacher Mensch, der irren kann und schon oft geirrt hat, Eminenz. Deshalb bin ich bereit, mit Professoren der Universität Basel und Paris zu diskutieren. Und im Fall, daß man mich widerlegt, zu widerrufen." - „ Was

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willst du noch? Öffentlich diskutieren in Basel und Paris? Das Aufsehen ist ja schon groß genug, willst du es noch vermehren? Basel und Paris, das fehlte gerade! Das treib dir aus dem Kopf. Ich werde nicht zulassen, daß du noch mehr Unruhe stiftest, Bruder Martin!" „Das war nie meine Absicht, Eminenz." - „ Entscheidend ist nicht, was du willst, sondern was du bewirkst. Die Unruhe ist da, und du bist schuld daran!" - „Nein, der Ablaßhandel ist das Ärgernis! Nur er ganz allein! Nicht die Kritik, die er zehnmal verdient hat." - „Auf den Gedanken, daß du in deinem blinden Eifer zu weit gegangen bist, kommst du allein wohl nicht?" - „Ich habe nur den Eifer, Gott zu dienen." - „Den haben wir alle, mein lieber Sohn. Und ich bin sicher, daß es unter uns nicht einen gibt, der zuließe, daß ihn der Eifer eines anderen übertrifft. Der Unterschied ist nur, du willst allein entscheiden, wie du Gott zu dienen hast. Du schreibst dir deine Pflichten selber vor. Das kann unsere Kirche nicht zulassen. Wenn du sagst, über allem steht die Heilige Schrift, heißt das nicht auch, man muß die Bibel unter das Volk bringen, damit sie jedermann versteht, der Knecht, der Viehhändler, der Schuster? Was auch heißt, der Mensch bedarf nicht mehr der Unterweisung durch die Kirche, er findet von allein den rechten Weg. Er steht vor Gott ohne die Vermittlung und Hilfe der Heiligen und die Fürbitten der Jungfrau. Er gehorcht nur noch Gottes Wort und seinem Gewissen. Heißt das nicht auch, du überläßt die Menschen sich selber?" - „Ja." - „Das kannst du doch nicht wollen!" - „Warum nicht? War es so schlimm?" „Wie viele sind dem gewachsen, Bruder Martin?" - „Es wären mehr, wenn nicht die Kirche viele am Wachsen hindern würde. Warum soll die Freiheit einen Christen überfordern? Er ist für sie und sie für ihn gemacht. " - „Ich gebe dir Bedenkzeit, drei Tage, ist es genug?" - „Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe." - „Hochmütig und verstockt, du wirst es bereuen!" - „Warum drohen Sie mir? Warum machen Sie sich nicht die Mühe, mich zu

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überzeugen? Ich widerrufe nicht." - „Du fügst der Kirche schweren Schaden zu." - „Im Gegenteil, ich wende den Schaden von ihr ab." - „Dazu sind andere berufen." - „Nein, diese Pflicht hat jeder Christ." - „Worauf willst du hinaus?" - „Ich will, daß endlich alle Menschen begreifen, daß Gottes Wort mehr gilt als alle Reden aller Päpste, denn das Papsttum ist vom Menschen geschaffen -worden, nicht von Gott, in der Bibel steht kein Wort davon. " - „Du redest dich um Kopf und Kragen." - „Ich werde die Wahrheit sagen und wenn es mich 20 Hälse kostet!" „Die Verhandlungen dauerten mehrere Tage. Luther suchte bei den Räten seines Kurfürsten Unterstützung. Einflußreiche Persönlichkeiten der Stadt nahmen sich seiner Sache an... Wenn selbst hohe Kirchenfürsten wie der Bischof von Lüttich so offen gegen Rom sprachen, wenn die sämtlichen Stände protestierten gegen das ständige Eingreifen der Kirche in die Gerichtsbarkeit, gegen Bann und Interdikt, dann konnte der 'Fall Luther' nicht mehr als ein bloßes 'Mönchsgezänk' gelten. Die Theologen mochten sich über dogmatische Einzelheiten streiten: Hier ging es darum, ob Rom das Recht hätte vorzuladen, zu verdammen, womöglich zu verbrennen, und zwar in einer Frage, die alle Welt aufregte und empörte... Widerruf..., nichts andere wünschte Cajetan. Nur damit konnte er den Fall erledigen..."12 Der Fall ist bis heute nicht erledigt. Wirkliche Ökumene läßt noch auf sich warten. An Absichtserklärungen fehlt es nicht. Warum soll denn eine Straße in einem Nachbarort Freiburgs ausgerechnet „Martin-Luther-Straße" genannt werden? Der Antrag wurde im Gemeinderat abgelehnt, weil man nach einem Ketzer keine Straße nennt. Im Lutherjahr 1996 besuchte der Papst Paderborn und nicht die Wartburg oder Wittenberg. Mußte er auch nicht, könnte er aber. 12

Friedenthal 219ff

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Friedenthal 220

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Daß nicht nur der Papst, sondern auch Konzilien irren können, war ein ungeheuerlicher Angriff auf die Autorität der Kirche. Aber „Luther wollte keinen Bruch. Er glaubte noch immer, der Papst sei nur ungenügend informiert und müßte bei besserer Einsicht ihm recht geben... (So) hat er dann oft erklärt: Wenn das geschehen wäre, hätte er sich beruhigt in seine Zelle zurückgezogen. Niemand wird das entscheiden können. Daß aber die endgültige Entscheidung in Augsburg vor Cajetan erfolgt ist, dürfte sicher sein. Hier, und nicht drei Jahre später in Worms..."13 zeigt Luther, wie der Mensch ganz allein und ohne eine Vermittlung der Kirche vor Gott stehen muß. „Der Kardinal meinte (in Augsburg) verbindlich zum Abschied, er wolle alles väterlich und nicht als Richter behandeln. Aber es kam anders. Man hielt sich nicht ans Stillschweigen. So nahm Luther wieder die Feder zur Hand, und es ist charakteristisch für ihn, den man sich gern als donnernden Redner vorstellt, wieviel stärker ihm doch die Worte gehorchen, wenn er sie, mit sich allein in seinem Stübchen, zu Papier bringt. Er ist auf eine sehr faszinierende Weise der Mann der Einsamkeit und zugleich der Öffentlichkeit und breitesten Wirkung. Das 'allein mit seinem Gott' ist schon die innerste Zitadelle seines Glaubens, nur da fühlt er sich ganz sicher, wenn er auch ständig seine Anfechtungen bestehen muß. Sobald er heraustritt vor die Welt, um zu verkünden..., wird er unsicher und laut; er schreit oft, bereut dann seine Übereilung und Heftigkeit..., widerruft unbedenklich kühn Gesagtes, und das macht seine Schriften so widerspruchsvoll und auch anfällig für verschiedene Auslegungen. Einheit ist nur in seinem Leben und in dem, was er als seine Überzeugung ansah. Da allerdings kannte er weder Schwanken noch Widerruf."14 Seine Botschaft im Anschluß an den Apostel Paulus heißt denn auch: Der Mensch bleibt

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Friedenthal 221

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Sünder - aber zugleich vor Gott gerecht, erlöst und geliebt.

III. Nach dem Augsburger Religionsgespräch hält die Geschichte für einen Moment den Atem an: „Was soll nun mit Luther geschehen? Der Kurfürst ist in peinlicher Verlegenheit."15 Auf der einen Seite sucht der Kardinal Luthers Auslieferung zu erzwingen. Auf der anderen Seite bietet Luther an, freiwillig Sachsen zu verlassen. - Die Kaiserwahl steht an, der Papst will den Kurfürsten für seine Politik gewinnen, gleichzeitig aber Luther zum Schweigen bringen. Schließlich entscheidet der sächsische Kurfürst: Luther bleibt in Wittenberg. Aus aller Herren Länder strömen nun Studenten herbei, bekommt er hohen Besuch. Wittenberg wird noch für Jahre ein Ort sein, wo das Evangelium von der unverdienten Gnade diskutiert wird. Inzwischen geht die Weltgeschichte weiter. Der 60 Jahre alte Kaiser Maximilian stirbt 1519. Papst Leo X. will unbedingt die Wahl Karls verhindern, damit der Kirchenstaat nicht räumlich umklammert wird. Was solls, daß Friedrich den Ketzermönch schützt? Von all den Ränkespielen der Weltpolitik erfährt Luther nichts, auch nicht von dem Plan der Kurie, Luther mit dem roten Kardinalshut zu schmücken und ihm vielleicht sogar ein Erzbistum anzuvertrauen.16 Die Frage, ob der Papst oder Christus der Herr der Kirche sei, ist unausweichlich geworden. Für Luther ereignet sich Kirche da, wo das Wort von der Freiheit der erlösten Sünder verkündigt, gehört und geglaubt wird. Luthers Wirkung breitet sich weiter aus. - Es ergeht an ihn die Einladung zu einem neuerlichen Reichstag nach Worms, der seine Sache endgültig klären soll. 15

Fausel 101

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„Seine Fahrt durch Deutschland gleicht einem Triumphzug. Wo er durchführt, strömt das Volk zusammen. In Erfurt empfangt ihn die ganze Universität..."17 Indessen: In Eisenach erkrankt Luther schwer, aber allen Höllen und Dämonen zum Trotz will er nach Worms kommen. Am 16.4.1521 morgens um 10 Uhr fährt er durch die eng gedrängten Straßen in Worms. Am folgenden Tag, abends um 6 Uhr, wird er vom Reichsherold Kaspar Sturm vor den Reichstag in der bischöflichen Pfalz geführt. Bevor Luther den Saal des Reichstags betreten darf, soll ihm ein Türsteher ins Ohr geflüstert haben: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang." Worum ging es denn dem „unbedeutenden Augustiner" vor Kaiser und Reich, der UNO von damals? Immer noch um seine Botschaft von der Freiheit eines Christenmenschen, freilich auch um die Bande der Kirche. Und worum ging es den Mächtigen und Regierenden? Jedenfalls nicht mehr um Diskussionen, Disputationen, Friedensangebote oder Reformen, sondern er wird nur gefragt, ob er widerrufen wolle oder nicht.

Filmeinspielung: "Vor Kaiser und Kirche in Worms"

„Du bist vorgeladen, Bruder Martin, vor die kaiserliche Majestät, weil du Lehren unter das Volk bringst, die ärgerlich, verführerisch und falsch sind. Du hast mit deinen Schriften nicht nur der Kirche Schaden zugefügt, sondern auch Zwietracht und Unruhe gestiftet, womit es jetzt ein Ende haben muß. Beantworte zwei Fragen: Hast du diese Bücher geschrieben?" - „Ja." - „ Willst du, was du geschrieben hast aufrechterhalten? Oder willst du davon etwas widerrufen?" - „Darauf ist nicht mit einem Satz zu antworten." - „ Wenn du bereit bist zu widerrufen, braucht es weiter keine Antwort." - „So einfach ist die Sache nicht." - „Dann verteidige dich." - „Kaiserliche Majestät,

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verehrte Fürsten und Herren. Ich bin, wie mir befohlen wurde, nach Worms gekommen, um mich vor Ihnen zu rechtfertigen. Ich bitte Sie, mir unvoreingenommen und ohne Vorurteil zuzuhören. Sollte ich jemand nicht mit dem richtigen Titel ansprechen, so bitte ich im voraus um Nachsicht, ich habe mein Leben nicht an einem Hof verbracht, sondern in einer Klosterzelle. Die Bücher, die ich geschrieben habe, Majestät, muß man teilen. Die frommen Schriften kann ich unmöglich widerrufen, denn selbst meine Gegner geben zu, daß diese Schriften lesenswert für Christen sind. Und wenn ich meine anderen Schriften widerrufe, die sich gegen die Vorherrschaft des Papstes richten, handle ich wider meine Überzeugung. Den Vorwurf, ich trüge mit meinen Schriften dazu bei, Unruhe und Zwietracht in die Welt zu bringen, finde ich nicht schlimm. Das hat sogar Gottes Wort stets getan. Es war für viele stets ein Ärgernis. Es ist es auch heute noch und wird es bleiben. Das ist der Lauf, der Weg, den Gottes Wort zu nehmen pflegt. Ein Herrscher, Majestät, der nur darauf aus ist, in seinem Land Ruhe und Ordnung zu behaupten, richtet sich zugrunde, wenn das, was er unternimmt, um der Unruhe Herr zu werden, dazu führt, daß er die Wahrheit unterdrückt, muß er scheitern." - „Die Kirche sagt, du bist ein Ketzer." - „Der Prophet Amos sagt, sie verabscheuen den, der ihnen die Wahrheit sagt." - „Wer sich gegen die päpstliche Gewalt auflehnt, Bruder Martin, ist ein Ketzer." - „Ich habe nur gefordert, daß Leben und Lehre der Kirche übereinstimmen. Ist das zuviel verlangt? Ich stehe hier, weil ich nicht nur Mißstände aufgezeigt habe, sondern auch deren Ursache. Weil ich zu fragen wagte, wie sich die Praktiken der Kirche mit den Vorstellungen des Evangeliums vertragen. Doch davon will der Papst nichts hören. Er scheut das Wort Reform, als hätte es der Teufel erfunden. Das kommt daher, weil jene, die sie durchführen müßten, nicht bereit sind, etwas zu tun, was ihnen Nachteil bringt." - „Wenn du

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nicht widerrufen magst, Bruder Martin, weil du Angst vor enttäuschten Anhängern hast, kann ich helfen. Mein Erzbischof sucht einen Prior für ein reiches Kloster, ich könnte mir denken, daß du dich dort wohlfühlen würdest. Es gäbe für deine Fähigkeiten und Neigungen Aufgaben genug." Kopfschütteln Luthers. „Komm zur Sache und zum Ende." - „Ich gebe zu, daß ich in einigen meiner Schriften heftig und ausfallend geworden bin, wohl auch grob, und im Zorn manches Wort hinschrieb, das sich für einen Mönch nicht schickt und das ich heute bereue. Ich bin kein Heiliger. Doch an meiner Kritik an der Kirche halte ich fest. Sie ist nur zu berechtigt. Bis zum Beweis des Gegenteils nehme ich keinen Vorwurf zurück. Warum sollte ich lügen? Es wäre eine Lüge, Majestät, die nirgends geglaubt würde." - „Du willst also nicht widerrufen?" - „Nein." - „Der Kaiser befiehlt es dir. Du bist dem Kaiser Gehorsam schuldig." - „Mein Gewissen läßt sich nichts befehlen. Ich kann dem Kaiser nicht gehorchen, denn es ist schlecht, gegen sein Gewissen zu tun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen." Der Kaiser verläßt den Reichstagssaal, mit ihm einige geistliche und weltliche Fürsten.

Luther: „Ich bin hindurch. Ich bin hindurch." Damit sind die Würfel gefallen: Schmerzliche Kirchentrennung, die bis heute darauf wartet, überwunden zu werden. Die Botschaft der Bibel, speziell die eigenverantwortliche Freiheit bei Paulus, die Luther wieder und wieder als einzige Grundlage entdeckte und verkündigte, lautet: Der Sünder ist Gott recht - nicht der Gerechte, schon gar nicht der Selbstgerechte. So wie er eben ist - der Mensch - voller Schwächen, nachlässig, vergeßlich, ein Lügner gegen sich und andere, eitel (wie morgens beim Zähneputzen), überheblich, egoistisch, unsensibel gegenüber den Nöten der anderen, krank zum Tode, kaum zu ändern... Das

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müßte ihn eigentlich zur Verzweiflung an sich selbst treiben und ihn in Grauen und Angst vor sich selbst stürzen. Aber: Eben dieser Mensch ist von Gott so sehr geliebt. Darin liegt der Sinn des Redens und Sterbens Christi. Das ist Luthers Glaube, gelernt aus der Bibel, bezeugt von Erfurt bis Wittenberg. Allein dieser Glaube macht frei und fähig zum Empfangen der Gaben des Lebens und zur Aktivität. Aus diesem Empfangen strömt die Aktivität - nicht umgekehrt! Literatur H. Fausel, D. Martin Luther, Stuttgart 1955 R. Friedenthal, Luther. Sein Leben und seine Zeit, München/Zürich 91983 H. Haug u.a., Martin Luther, Stuttgart 1995 H. J. Schultz (Hg.), Luther kontrovers, Stuttgart 1983 Film Martin Luther, Buch: Theodor SchübeL, Regie: Rainer Wolflhardt, ZDF 1983, Länge 105'

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