Frühjahr 2015

Hunter S.Thompson Gonzo-Briefe

also, halt Dich gut fest, kann ich da nur sagen – ich muss Dir nämlich eine ziemlich fiese Geschichte erzählen: eine Geschichte von Terror und Tortur, Scham und Schmerz, Armut und Perversion … An Heiligabend habe ich mich in einem Vorort von Chicago freiwillig und unter Alkoholeinfluss zu einem verabscheuungswürdig grausamen homo­ sexuellen Vergehen in vier Fällen bekannt und wurde daraufhin am Neujahrstag zu 73 Jahren in einem Gefängnis in Joliet verurteilt. Nach der Urteilsverkündung kannte ich kein Erbarmen mehr und erschlug einen der Geschworenen sowie drei Wachen und flüchtete mich in die Nacht. Mittlerweile bin ich als Zuhälter an der Upper West Side in New York beschäftigt, mittendrin im puerto­ ricanischen Viertel. In einem Zeitraum von gerade einmal drei Wochen wurde ich morphiumsüchtig, entwickelte eine Abhängigkeit von Cheddar-KäseExtrakt und komme von drei weiteren Formen sexueller Perversion nicht mehr los. Ich brauche moralische Unterstützung – schicke Geld und eine Bibel an Emanuel Hunteros Nama, 110 Morningside Drive, Apt. 53, New York, New York. Jetzt aber mal im Ernst, es ist der reinste Horror hier. Ich war die letzten zehn Tage ununterbrochen betrunken, mein Geld schmilzt dahin, die Polizei klebt mindestens einmal am Tag ein Ticket an meinen Wagen und allmählich habe ich den Verdacht, dass ich wohl oder übel arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Die Aussichten sind tatsächlich finster. An Weihnachten bin ich hier also angekommen, und ich muss Dir ja nicht extra sagen, dass ich diesen bekloppten Ort in Pennsylvania nicht mehr ausgehalten habe – erst dort fing es an, dass ich so gut wie ständig trinke. Meine Abreise aus Pennsylvania war denn auch ein wenig überhastet, nach einer wüsten Orgie mit der jungen Tochter von einem der Redakteure. Sie ist genau an dem Tag nach Chicago abgereist, an dem ich mich nach New York aufgemacht habe. Am Freitag vor Weihnachten waren wir noch die ganze Nacht zusammen unterwegs gewesen, haben den Wagen ihres Vaters auf einer einsamen Straße in ein Schlammloch gesteuert und beim Versuch, ihn mit einem Traktor wieder auf die Straße zu ziehen, die vordere Stoßstange heruntergerissen, um uns dann mit Ram’s Head Ale endgültig die Kante zu geben... Foto: David Hiser

Hunter S. Thompson inszeniert sich in seinen frühen Reportagen als Drogen fressender Paranoiker, als betrunkener Rabauke, als vor sich hin fluchendes Großmaul, als panisch Getriebener, der ein feines Gespür für die in den 60er und 70er Jahren aufbrechenden Risse im Gefüge der amerikanischen Gesellschaft hatte und der den Irrsinn zum Sprechen brachte, der ihn umgab. Thompson erweist sich dabei als glänzender Stilist, der den Lebensnerv einer ganzen Generation traf, und für viele wurde er zu einem der letzten Freiheitshelden, die er immer wieder besungen hat, er wurde zum Outlaw, der vom Gesetz gejagt wird, zum Anarchisten, der auf seiner Maschine dem Sonnenuntergang entgegendonnert, zum Sinnbild all dessen, was das Amerika Nixons für abartig und dement hielt. Hunter S. Thompson war der Rock’n’Roll-Star unter Amerikas Autoren, und das beweist er eindrücklich in seinen neu aufgelegten großen Reportagen, in denen er den Irrsinn in der Politik und die Paranoia im Leben Amerikas aufdeckt.

Hunter S. Thompson, 1937 geboren, wächst in den Zeiten von Beat-Literatur und Kaltem Krieg in Louisville auf. 1966 erscheint sein Buch über die Hell's Angels. Sein größter Erfolg »Angst und Schrecken in Las Vegas« wird später mit Johnny Depp verfilmt. Er prägt in grandiosen Reportagen den Gonzo-Stil. Am 20. Februar 2005 erschießt er sich. Buchpremiere in Berlin zum 10. Todestag Hunter S. Thompsons: Am 19. Februar, 20 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz Weitere Termine sind geplant.

Hunter S. Thompson * Die große Haifischjagd

Lieber Fred,

New York, 2. Januar 1958

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