Freibeträge richtig nutzen Die Wirkungsweise der persönlichen Freibeträge in der Erbschaft- und Schenkungsteuer

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„Freibeträge richtig nutzen“ Die Wirkungsweise der persönlichen Freibeträge in der Erbschaft- und Schenkungsteuer von convocat GbR, München www.convocat.de

Einleitung Im Zusammenhang mit der Übertragung von Immobilienvermögen stellt sich die Frage der Funktionsweise der persönlichen Schenkungsteuerfreibeträge gemäß § 16 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Die stark gestiegenen Immobilienpreise führen dazu, dass in aller Regel die persönlichen Freibeträge des ErbStG nicht ausreichen, um die Vermögensnachfolge ohne eine Erbschaftsteuerlast zu gewährleisten. Dies gilt zumindest dann, wenn es sich nicht um ein so genanntes Familienheim im Sinne des ErbStG handelt, für das gegebenenfalls ein objektbezogener Freibetrag gilt. Unterschied Freigrenze / Freibetrag Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass sich Freibeträge – im Gegensatz zu sogenannten Freigrenzen – immer steuermindernd auswirken. Auch wenn der festgelegte (Frei)Betrag überschritten wird, kommt er zunächst vollständig zum Abzug. Hiervon unterscheiden sich die sogenannten Freigrenzen. Sobald der festgelegte Betrag einer Freigrenze überschritten wird, entfällt ihre Wirkung vollständig. Beispiel: Witwe M wird von ihrem einzigen Kind K allein beerbt. Der Netto-Nachlass beträgt € 500.000, der persönliche Freibetrag von K gegenüber M beträgt € 400.000. Der persönliche Freibetrag ist in voller Höhe vom Erwerb abzuziehen, so dass nur der Betrag von € 100.000 der Erbschaftsteuer unterliegt.

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Höhe der persönlichen Freibeträge Steuer-

Erwerber (Beschenkter, Erbe)

klasse

Persönlicher Freibetrag

I

Ehegatte, eingetragener Lebenspartner

€ 500.000

I

Kinder, Adoptivkinder, Stiefkinder

€ 400.000

I

Abkömmlinge der Kinder, Adoptivkinder und Stiefkinder (Enkel, Urenkel usw.) bei Erleben der Kinder

€ 200.000

I

Eltern und Voreltern im Erbfall

€ 100.000

II

Eltern und Voreltern bei Schenkung, Geschwister und deren

€ 20.000

Kinder (Nichten/Neffen), Stiefeltern, Schwiegereltern, Schwiegerkinder, geschiedener Ehegatte bzw. Lebenspartner einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft III

alle übrigen Erwerber (bspw. Paare ohne Trauschein, Freunde usw.)

€ 20.000

Hinweis zur Besonderheit im Fall vorverstorbener Kinder Enkelkinder, also Kinder der Kinder, Stiefkinder bzw. Adoptivkinder, erhalten den Freibetrag wie ein Kind des Erblassers bzw. Schenkers, soweit zum Zeitpunkt des Erwerbs das die Verwandtschaft vermittelnde Familienmitglied bereits verstorben ist. Beispiel: Witwer V ist am 10.03.2017 verstorben. Der Netto-Nachlass beträgt € 800.000. Er wird von seinen beiden Enkelkindern, den Kindern seines im Jahr 2015 vorverstorbenen Sohnes S, zu gleichen Teilen beerbt. Da S vor V verstorben ist, tritt jedes Enkelkind in die Position eines Kindes und erhält gegenüber V je einen persönlichen Freibetrag in Höhe von € 400.000, so dass im Beispielsfall keine Erbschaftsteuer für den Erwerb der Enkelkinder nach V anfällt. Achtung: Wer ist ein Kind im Sinne des ErbStG? Pflegekinder gelten im Gegensatz zu adoptierten Kindern oder Stiefkindern nicht als Kinder im Sinne des ErbStG. Hierzu sei der Hinweis gestattet, dass auch durch Volljährigenadoption angenommene Kinder den vollen Freibetrag für Erwerbe vom Annehmenden erhalten. Eine noch nicht vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedene Frage stellt sich im Zusammenhang mit den Fällen, in denen ein Kind neben dem rechtlichen Vater, dem Ehemann der Mutter zur Zeit der Geburt, auch einen leiblichen Vater hat. Nach Ansicht des Finanzgerichts Hessen, Entscheidung vom 15.12.2016, Az. 1 K 1507/16, steht auch für Erwerbe des Kindes vom leiblichen Vater der volle Freibetrag in Höhe von € 400.000 zur Verfügung. Das zuständige Finanzamt ist anderer Auffassung, so dass derzeit die Revision beim BFH unter Az. II 5/17 anhängig ist.

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Steuervermeidung durch Stückelung des Erwerbs Die persönlichen Freibeträge des ErbStG gelten je Erwerb. Soweit der Erblasser sein Vermögen in mehreren Teilen überträgt, so dass der jeweilige Wert des Freibetrags des Empfängers nicht überschritten wird, könnte das Vermögen ohne weiteres komplett steuerfrei auf die nachfolgende Generation übertragen werden. Als Beschränkung hat der Gesetzgeber daher die so genannte Zehnjahresregelung des § 14 ErbStG vorgesehen, deren Wirkungsweise anhand der nachfolgenden Beispiele erläutert wird: Beispiel: Nacheinander erhält der Sohn (S) von seinem Vater (V) mehrere Immobilien und zwar eine vermietete Eigentumswohnung im Jahr 2002 mit einem steuerlichen Bedarfswert von € 305.000, im Jahr 2009 ein unbebautes Grundstück mit einem steuerlichen Bedarfswert von € 500.000 und im Jahr 2016 wiederum eine vermietete Eigentumswohnung mit einem steuerlichen Bedarfswert in Höhe von € 200.000. Unter Zugrundelegung der Steuerklasse I, des Freibetrags von € 205.000 im Jahre 2002 beziehungsweise € 400.000 im Jahre 2009 und im Jahr 2016 (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) sowie der maßgeblichen Steuersätze (§ 19 Abs. 1 ErbStG) ergeben sich die folgenden Steuerbelastungen: Erwerb im Jahr 2002 Persönlicher Freibetrag als Sohn steuerpflichtiger erster Erwerb zum Steuersatz von 11 % ergibt eine Steuerlast in Höhe von:

€ 305.000 ./. € 205.000 € 100.000 € 11.000 € 500.000

Erwerb im Jahr 2009 Vorerwerb aus dem Jahr 2002 Persönlicher Freibetrag als Sohn steuerpflichtiger Gesamtbetrag zum Steuersatz von 15 % ergibt eine Steuerlast in Höhe von: Anrechnung der früheren Steuer, § 14 Abs. 1 S. 3 ErbStG Steuerlast für den zweiten Erwerb

+ € 305.000 ./. € 400.000 € 405.000 = € 60.750 ./. € 11.000 = € 49.750

Für die Berechnung der Schenkungsteuer für den Erwerb im Jahre 2016 fällt die Schenkung im Jahre 2002 heraus, es verbleibt nur noch die Schenkung aus dem Jahre 2009. Unter Berücksichtigung der anzurechnenden fiktiven Steuer für diesen Vorerwerb ergibt sich folgende Berechnung: Erwerb im Jahr 2016 Freibetrag § 13c ErbStG für vermiete Wohnimmobilie Vorerwerb aus dem Jahr 2009 Persönlicher Freibetrag als Sohn steuerpflichtiger Gesamtbetrag zum Steuersatz von 11 % ergibt eine Steuerlast in Höhe von: Anrechnung der fiktiven Steuer nach § 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG Steuerlast für den dritten Erwerb

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€ 200.000 ./. 20.000 + € 500.000 ./. € 400.000 € 280.000 = € 30.800 ./. € 35.500 =€0

Erläuterung zur Höhe der fiktiven Steuer Für die Berechnung der Höhe der fiktiven Steuer bezüglich des Vorerwerbs 2009 ist nur der Freibetrag anzurechnen, der nicht beim weiteren Vorerwerb im Jahre 2002 verbraucht wurde. Zum Zeitpunkt 2009 betrug der persönliche Freibetrag € 400.000. Für die Vorschenkung 2002 wurde der Freibetrag in Höhe von € 205.000 verbraucht. Somit steht für die Berechnung der fiktiven Steuer ein Freibetragsrest in Höhe von € 195.000 zur Verfügung. Es berechnet sich die fiktive Steuer für den Vorerwerb 2009 beim dritten Erwerb wie folgt: Erwerb 2009 Freibetragsrest steuerpflichtiger Gesamtbetrag zum Steuersatz von 11 % mit Härteausgleich ergibt eine Steuerlast in Höhe von

€ 500.000 ./. € 195.000 € 305.000 = € 35.500

Untergrenze des § 14 Abs. 1 S. 4 ErbStG Neu eingeführt in § 14 Abs. 1 S. 4 ErbStG wurde die Regelung, dass die Steuer, die sich für den letzten Erwerb ohne Zusammenrechnung mit früheren Erwerben ergibt, durch den Abzug der Steuern für frühere Erwerbe nicht unterschritten werden darf. Diese neu geschaffene Untergrenze in Höhe der für den Letzterwerb auf ihn ohne Zusammenrechnung entfallenden Steuer ergibt, dass der persönliche Freibetrag durch die Zusammenrechnung nur einmal im 10-Jahreszeitraum berücksichtigt wird und Progressionsvorteile durch Aufteilung einer Zuwendung in mehrere kleine vermieden werden. Beispiel: Im Jahre 2009 hatte G seiner damaligen Lebensgefährtin L einen Betrag von € 150.000 geschenkt. Die beiden haben sich im Jahre 2012 verehelicht. Im Jahre 2016 erhielt L von G einen weiteren Betrag in Höhe von € 550.000 zugewendet. Da L innerhalb eines 10Jahreszeitraums von ihrem Ehemann mehrere freiwillige Zuwendungen erhalten hat, sind diese zu einem Gesamterwerb zusammenzurechnen, so dass sich nach § 14 Abs. 1 S. 1 – 3 ErbStG folgende Schenkungsteuer ergibt: Schenkung 2009: abzüglich damaliger Freibetrag, L war zu G nicht verwandt, daher § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG steuerpflichtiger Betrag zum Steuersatz von 30 % ergibt eine Steuerlast in Höhe von:

€ 150.000 ./. € 20.000 € 130.000 € 39.000 € 550.000

Schenkung 2016: Vorerwerb 2009: abzüglich Freibetrag: steuerpflichtiger Gesamtbetrag zum Steuersatz von 11 % ergibt eine Steuerlast in Höhe von:

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€ 150.000 ./. € 500.000 € 200.000 € 22.000

Ohne die Regelung in § 14 Abs. 1 S. 4 ErbStG für den Letzterwerb eingeführte Mindeststeuer ist die höhere tatsächliche Steuer des Vorerwerbs auf die Schenkungsteuer des Gesamterwerbs anzurechnen. Die im Zuge der Erbschaftsteuerreform zum 01.01.2009 erfolgte Einführung der Mindeststeuer des § 14 Abs. 1 S. 4 ErbStG hat zur Folge, dass der Letzterwerb als alleiniger Erwerb bei der Schenkungsteuer zugrunde gelegt wird. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass als Mindeststeuer gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG ein Betrag von € 3.500 angesetzt wird, der sich wie folgt berechnet € 550.000

Schenkung 2016: abzüglich Freibetrag: steuerpflichtiger Gesamtbetrag zum Steuersatz von 7 % ergibt eine Steuerlast in Höhe von

./. € 500.000 € 50.000 € 3.500

Fazit Es können erhebliche Vorteile durch die Übertragung von Immobilienvermögen zu Lebzeiten erzielt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Regelungen des § 14 ErbStG beachtet werden. Handlungsbedarf entsteht dabei immer dann, wenn der Gesetzgeber erneut die persönlichen Freibeträge erhöhen sollte sowie bei Ablauf der jeweiligen Zehnjahresfrist.

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