Fallrepetitorium Zivilrecht Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

Sommersemester 2016

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Fallrepetitorium Zivilrecht

Wiederholung

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Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer (§§ 985 ff. BGB) Voraussetzung: Vindikationslage Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz fehlende Berechtigung zum Besitz Herausgabeanspruch des § 985 BGB

Zweck des EBV: Haftungsprivileg für unverklagten und redlichen Besitzer dem Besitzer ist der Mangel der für des Besitzrechts häufig nicht bekannt strenge Haftung wäre unbillig Regelung der Nutzungsherausgabe- und Verwendungsersatzansprüche Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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Anspruchsgrundlagen im EBV Herausgabeanspruch: § 985 BGB

Nutzungsherausgabeanspruch: §§ 987 ff. BGB Verwendungsersatzanspruch: §§ 994 ff. BGB Schadensersatzansprüche: §§ 989 ff. BGB abschließende Regelung: keine Anwendung der §§ 812, 823 BGB

abgestufte Regelung: Privilegierung des berechtigten Besitzers

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Sonderprobleme Vindikationslage Nicht-So-berechtigter Besitzer Überschreitung des Besitzrechts durch eigentlich berechtigten Besitzer Bsp: unberechtigte Untervermietung e.A: EBV anwendbar (§§ 987 ff. BGB) h.M: EBV nicht anwendbar kein Bedürfnis für die Anwendung des EBV, da die vertraglichen und gesetzliche Haftungsnormen ausreichen (§§ 280, 823 BGB)

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Sonderprobleme Vindikationslage Nicht-mehr-berechtigter Besitzer keine Vindikationslage zum maßgeblichen Zeitpunkt Besitzer hatte Recht zum Besitz, hat es jedoch später wieder verloren Bsp: Kauf eines Computers unter Eigentumsvorbehalt, Beschädigung des Computers, dann Rücktritt von Vertrag BGH: Anwendung des EBV (§§ 987 ff. BGB) Billigkeitsrechtsprechung nur für 3-Personen-Verhältnisse a.A. Literatur: keine Anwendung des EBV

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Sonderprobleme Vindikationslage Aufschwingen vom Fremd- zum Eigenbesitzer Bsp: unberechtigte Veräußerung geliehener Sachen h.L.: keine Anwendung des EBV • Verletzung des Besitzmittlungsverhältnisses verletzt nicht das Recht zum Besitz • Vergleichbarkeit mit Fällen des nicht-so-berechtigten Besitzers

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Sonderprobleme Vindikationslage Zusendung unbestellter Waren § 241a BGB anwendbar, idR. kein Besitzrecht BGH:

• kein Besitzrecht, EBV anwendbar • Privileg des § 300 BGB a.A: • keine Anwendbarkeit des EBV (§§ 987 ff. BGB) • EBV erst bei Verweigerung der Herausgabe anwendbar

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Eigentumsvorbehalt § 449 BGB (Eigentumsvorbehalt) (1) Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen wird (Eigentumsvorbehalt). (2) Auf Grund des Eigentumsvorbehalts kann der Verkäufer die Sache nur herausverlangen, wenn er vom Vertrag zurückgetreten ist. (3) Die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ist nichtig, soweit der a.A: Eigentumsübergang davon abhängig gemacht wird, dass der Käufer Forderungen eines Dritten, insbesondere eines mit dem Verkäufer verbundenen Unternehmens, erfüllt.

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schuldrechtliche Ebene: unbedingter Kaufvertrag mit spezieller Abrede: Übergabe der Kaufsache bereits vor der Kaufpreiszahlung Stundung der vollständigen Kaufpreiszahlung

Verpflichtung nur zur bedingten Übereignung

dingliche Ebene: bedingte Übereignung Übereignung unter aufschiebender Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung, §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB

Vor Bedingungseintritt: Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers den Eigentumserwerb des Käufers hindernde Verfügungen sind nach § 161 Abs. 1 BGB unwirksam allerdings: gem. § 161 Abs. 3 BGB gutgläubiger Erwerb möglich

jedoch: § 936 Abs. 3 BGB analog (Anwartschaftsrecht erlischt auch gegenüber gutgläubigen Erwerber nicht)

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Übungsfall: Der LKW-Kauf Spediteur K will seine Fahrzeugflotte erweitern und kauft bei Autohändler V einen neuen LKW der Marke Street-Train TGX 2.0. V behält sich dabei bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung das Eigentum an dem gelieferten LKW vor. Da K plötzlich in Zahlungsschwierigkeiten gerät, nimmt er bei der Bank B ein Betriebsdarlehen auf und übereignet B zur Sicherung des Darlehens den von V gekauften LKW. Den Eigentumsvorbehalt des V erwähnt K gegenüber B dabei nicht. Die finanzielle Situation des K verschlechtert sich zusehends, so dass er weder in der Lage ist, den Kaufpreis zu zahlen, noch das Darlehen zu bedienen. Welche Rechte haben V und B?

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§§ 929 S. 1 , 158 Abs.1 BGB

K § 488 BGB

V

§§ 929 S. 1, 930 BGB

§§ 433 Abs. 1, 2, 449 Abs. 1 BGB

B Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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A. Ansprüche des V I. Herausgabeanspruch V gegen K gem. 985 BGB V könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des LKW gem. § 985 BGB 1. Eigentümerstellung des V

a) Ursprünglich: V = Eigentümer b) Verlust des Eigentums durch Übereignung an K, § 929 S. 1 BGB keine Einigung über bedingungslosen Eigentumsübergang Eigentumsvorbehalt: Übereignung steht unter der aufschiebenden Bedingung (§ 185 Abs. 1 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung, § 449 Abs. 1 BGB fehlender Bedingungseintritt: Eigentumserwerb des K (-)

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Fallrepetitorium Zivilrecht c) Verlust des Eigentums durch Sicherungsübereignung K an B gem. §§ 929 S. 1, 903 BGB, § 929 S. 1 BGB

aa) Einigung (+) Bestimmtheit (+), bloße Bestimmbarkeit wäre nicht ausreichend Konstruktion der Sicherungsabrede auflösende Bedingung der Einigung, § 158 Abs. 2 BGB (automatische Rückfall des Eigentums mit Erlöschen der gesicherten Forderung) oder schuldrechtliche Verpflichtung zur Übereignung nach § 929 S. 2 BGB allerdings: hier unerheblich

bb) Übergabe Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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Fallrepetitorium Zivilrecht keine Übergabe nach § 929 S. 1 BGB aber: Vereinbarung eines Besitzkonstituts als Übergabesurrogat iSv. § 930 BGB Besitzmittlungsverhältnis iSv. § 868 BGB: Sicherungsabrede Sicherungsabrede gem. § 311 Abs. 1 BGB Inhalt der Sicherungsabrede

Pflicht zur Sicherungsübereignung Bestimmung der zu sichernden Forderung aus dem Darlehensvertrag nach § 488 Abs. 1 BGB Zweckbestimmungserklärung (Konnex zwischen Sicherheit und gesicherte Forderung) Gebrauchsrecht des Sicherungsgebers K an Sicherungsgut Pflichten des Sicherungsgebers (sorgsamer, bestimmungsgemäßer Gebrauch des Sicherungsgutes, Anzeigepflicht bei Drittpfändung) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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Rechte des Sicherungsnehmers (z.B. Verwertung ) Pflichten des Sicherungsnehmers (Rückübereignung der Sicherheit bei Erlöschen der gesicherten Forderung) Sicherungsabrede = Besitzmittlungsverhältnis iSd. § 868 BGB Besitzmittlungsverhältnis = Übergabesurrogat iSd. §“ 930 BGB cc) Berechtigung (-) K ist (noch) nicht Eigentümer (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB)

cc) Gutgläubiger Erwerb bei Besitzkonstitut gem. § 933 BGB (1) Übergabe (-) d) Zwischenergebnis V ist weiterhin Eigentümer des LKW

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2. Besitz des K 3. Recht zum Besitz, § 986 Abs. 1 BGB

a) schuldrechtliches Besitzrecht aus Kaufvertrag K-V iSd. § 433 BGB nicht bereits durch Zahlungsverzug erloschen, § 449 Abs. 2 BGB

§ 449 BGB (1) ... (2) Auf Grund des Eigentumsvorbehalts kann der Verkäufer die Sache nur herausverlangen, wenn er vom Vertrag zurückgetreten ist. (3) ... für Erlöschen des Besitzrechts ist Rücktritt vom Vertrag erforderlich, § 449 Abs. 2 BGB Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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aa) Rücktritt, § 323 BGB (1) gegenseitiger Vertrag = Kaufvertrag iSd. § 433 BGB (+) (2) Nichterfüllung fälliger, einredefreier Hauptleistungspflicht (+) Pflicht zur Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs. 2 BGB nicht erfüllt (3) Fruchtloser Ablauf einer angemessene Nachfrist, § 323 Abs. 1 BGB (-) (4) Rücktrittserklärung, § 349 BGB (-) mit der Nichterfüllung der fälligen Kaufpreiszahlungspflicht liegt ein Rücktrittsgrund vor

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V kann vom Kaufvertrag zurücktreten, indem er dem K eine angemessene Nachfrist zur Kaufpreiszahlung setzt und ihm bei fruchtlosem Ablauf den Rücktritt erklärt tritt V wirksam vom Kaufvertrag zurück, so erlischt das mit dem Eigentumsvorbehalt eingeräumte Besitzrecht des K, § 449 Abs. 2 BGB b) dingliches Besitzrecht aus dem Anwartschaftsrecht des K am LKW mit dem Eigentumsvorbehaltskauf (aufschiebend bedingte Übereignung, §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB) hat K zunächst ein Anwartschaftsrecht erworben P: gewährt das Anwartschaftsrecht ein Recht zum Besitz? kann hier dahinstehen, da das Anwartschaftsrecht erloschen ist: aufgrund des Rücktritts des V ist Eintreten der Bedingung der Übereignung ausgeschlossen Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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damit steht K kein Recht zum Besitz zu 4. Ergebnis V hat damit gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des LKW nach § 985 BGB. B. Ansprüche der B I. § 985 BGB ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB scheitert an der fehlenden Eigentümerstellung der B

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Fallrepetitorium Zivilrecht Abwandlung: Selbstjustiz in der Autowerkstatt Ausgangslage wie im Grundfall. K zahlt die Hälfte der Kaufpreisraten. Trotz Fälligkeit kann K jedoch die weiteren Kaufpreisforderungen nicht bedienen. B befürchtet eine Insolvenz des K, erfährt vom Eigentumsvorbehalt des V und möchte sich aufgrund des hohen Restwertes den LKW zur weiteren Verwertung sichern. Zu diesem Zweck zahlt B dem V die noch ausstehende Kaufpreisforderung, um so das Eigentum am LKW zu erlangen. Parallel dazu lässt K den LKW zur Durchführung der jährlich anstehenden Inspektion in der Werkstatt des W „durchchecken“. Dabei wird ein schwerwiegendes und kostenträchtiges Problem im Einspritzsystem des Motors festgestellt, das W auf Weisung des K hin auftragsgemäß behebt und ihm hierfür eine Rechnung stellt. Aufgrund finanzieller Probleme kann K die Rechnung jedoch nicht begleichen. W behält daraufhin den LKW, der sich noch immer in der Werkstatt befindet, bis zur vollständigen Begleichung der Werklohforderung ein. B verlangt von W nun die Herausgabe des LKW. Zu Recht? Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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I. Anspruch der B gegen W auf Herausgabe des LKW nach § 985 BGB B könnte gegen W einen Anspruch auf Herausgabe des LKW aus § 985 BGB haben. 1. Eigentum der B a) Ursprünglich: V = Eigentümer b) Erstarken des Anwartschaftsrechts der B zum Vollrecht durch vollständige Begleichung der Kaufpreisforderung aa) Anwartschaftsrecht zu Gunsten der B (1) Erwerb des Anwartschaftsrechts von K (a) Anwartschaftsrecht des K Übereignung unter Eigentumsvorbehalt zwischen K und V gem. §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB = Anwartschaftsrecht (+) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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Fallrepetitorium Zivilrecht (b) Übertragung des Anwartschaftsrechts von K auf B Übertragung gemäß §§ 929 S. 1, 930 BGB (wesensgleiches Minus zum Vollrecht) (aa) Einigung keine ausdrückliche Anwartschaftsrechts

Einigung

über

Übertragung

des

möglicherweise aber konkludente Einigung Einigung über Sicherungsübereignung = Einigung zur Übertragung des Anwartschaftsrechts? Auslegung nach §§ 133, 157 BGB oder Umdeutung nach § 140 BGB? Zweck der Sicherungsabrede: Sicherungsnehmer will zumindest Minimum an Sicherheit erlangen daher: bei Fehlschlagen der Sicherungsübereignung zumindest Übertragung des Anwartschaftsrechts Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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Fallrepetitorium Zivilrecht (bb) Wirksame Vereinbarung eines Besitzkonstituts, § 930 BGB zugleich mit Sicherungsabrede (cc) Berechtigung als Inhaber des Anwartschaftsrechts war K grundsätzlich zur Übertragung desselben berechtigt allerdings könnte einer Übertragung des Anwartschaftsrechts hier das Werkunternehmerpfandrecht des W aus § 647 BGB entgegenstehen Werkunternehmerpfandrecht iSd. § 647 BGB = dieses stellt gesetzliches Pfandrecht nach § 1257 BGB dar Rechtsfolge: dingliche Belastung des Anwartschaftsrechts vermag Übertragung des Anwartschaftsrechts nicht zu verhindern (Belastung wird mit übertragen) damit war K zur Übertragung des Anwartschaftsrechts berechtigt Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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(dd) Erstarkung des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht mit Bedingungseintritt erstarkt das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht mit Begleichen der noch ausstehenden Kaufpreisforderung zu Gunsten des V durch B ist die für den Eigentumserwerb erforderliche Bedingung eingetreten c) Zwischenergebnis B ist Eigentümerin des LKW geworden 2. Besitz des W W ist unmittelbarer Besitzer des LKW, § 854 Abs. 1 BGB

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3. kein Recht zum Besitz, § 986 Abs. 1 BGB a) Werkunternehmerpfandrecht, § 647 BGB aa) Werkvertrag K-W, § 635 BGB (+) bb) Forderung aus Werkvertrag, § 647 BGB (+) cc) ausgebesserte bewegliche Sache des Bestellers K, § 647 BGB (+) (1) Sache des Bestellers“ = Eigentum kein Eigentum des K am LKW wegen bedingter Übereignung und ausstehender Raten kein „Durchgangserwerb“ des K durch vollständige Kaufpreiszahlung seitens des B und Erstarken des Anwartschaftsrechts des B zum Vollrecht Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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(a) gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts gem. §§ 1207, 932, 934 ff. BGB ? allerdings: §§ 1207, 932, 934 ff. BGB gelten nur für rechtsgeschäftlich bestelltes Pfandrecht aber: § 1257 BGB = Vorschriften über gutgläubigen Erwerb eines rechtsgeschäftlichen Pfandrechts sind auf kraft Gesetzes entstandene Pfandrechte anwendbar jedoch: Pfandrecht muss bereits „entstanden“ sein auf die „Entstehung“ als solche ist die Vorschrift damit eigentlich nicht anwendbar dies ist jedoch umstritten

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P: Anwendung des § 1257 auf Besitzpfandrechte? BGH, h.M.: § 1257 (-)

Wortlaut des § 1257 BGB („entstandenes“) a.A: § 366 Abs. 3 HGB analog (+) gutgläubiger Erwerb möglich = es ist kein gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts möglich (str.)

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Wesensgleiches Minus des Anwartschaftsrechts zum Eigentum gleiche Regeln und Belastungen (Unterwerfung des Anwartschaftsrechts unter das Werkunternhemerpfandrecht) K war zum Zeitpunkt der Bestellung der Reparaturleistung des W Inhaber des Anwartschaftsrechts am LKW

Entstehung eines Werkunternehmerpfandrechts (+) Erlöschen des Werkunternehmerpfandrechts durch Übertragung des Anwartschaftsrechts auf B?

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allerdings: keinerlei Erlöschen eines einmal entstandenen Werkunternehmerpfandrechts durch Übertragung zumal: nach § 936 Abs. 1 S. 3 BGB ist nach Veräußerung unterbietet konstitutive nach den §§ 929, 930 erforderlich, dass 1. der Erwerber den Besitz der Sache erlangt 2. der Veräußerer den Besitz der Sache aufgibt hier (-): das Werkunternehmerpfandrecht ist nicht erloschen Konsequenz: B erwirbt ein mit einem Werkunternehmerpfandrecht belastetes Anwartschaftsrecht am LKW

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durch die Begleichung der ausstehenden Kaufpreisforderung des V durch B ist Anwartschaftsrecht zum Vollrecht erstarkt § 1287 S. 1 BGB: Werkunternehmerpfandrecht des W setzt sich am Eigentum des B am LKW fort Zwischenergebnis: W ist weiterhin Inhaber eines Werkunternehmerpfandrechts am LKW

das rechtmäßig nach § 647 BGB erworbene Werkunternehmerpfandrecht gewährt dem W ein Recht zum Besitz iSd. § 986 Abs. 1 BGB

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4. Ergebnis B hat gegen B keinen Anspruch auf Herausgabe des LKW nach § 985 BGB. Er kann jedoch auf die Forderung des W gegen K hin leisten und damit den LKW auslösen.

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Abwandlung: Der abgetretenen Darlehensanspruch Ausgangslage wie im Grundfall: K kauft von V einen LkW unter Eigentumsvorbehalt. Noch vor vollständiger Begleichung der Kaufpreisforderung übereignet K den LKW zur Sicherung eines Darlehens an die gutgläubige B. Diese tritt die Darlehensforderung gegen K einschließlich ihres Anspruchs aus der Sicherungsübereignung an die refinanzierende Bank R ab. Nachdem K in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist, kann er die ausstehenden Kaufpreisforderungen des V nicht mehr begleichen und stellt die Zahlung ein. V verlangt von K nun die Herausgabe des LkW. Zu Recht?

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Fallrepetitorium Zivilrecht I. Anspruch des V gegen K auf Herausgabe des LKW nach § 985 BGB V könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des LKW aus § 985 BGB haben. 1. Eigentum der V a) Ursprünglich: V = Eigentümer b) Verlust des Eigentums durch Übereignung an K, §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB fehlender Bedingungseintritt: Eigentumserwerb des K (-) c) Verlust des Eigentums durch Sicherungsübereignung K an B gem. §§ 929 S. 1, 930 BGB aa) Einigung (+) bb) Übergabe, Besitzkonstitut (+) cc) Berechtigung (-) K ist (noch) nicht Eigentümer (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard)

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cc) Gutgläubiger Erwerb bei Besitzkonstitut gem. § 933 BGB (1) Übergabe (-) dd) Verlust des Eigentums des V durch Übereignung B an R (1) Einigung (+) (2) Berechtigung (-) ee) Gutgläubiger Erwerb gem. § 934 BGB

(1) Abtretung des Herausgabeanspruchs B-K (aa) Bestehen eines Herausgabeanspruchs B-K Herausgabeanspruch aus Sicherungsvertrag?

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Sicherungsabrede: K soll den LKW für die B besitzen und ihn im Sicherungsfall an diese herausgeben Besitzmittlungsverhältnis K-B iSd. § 868 BGB Gutgläubiger Erwerb nach § 934 Alt. 1 BGB grundsätzlich möglich P: Kollision mit Herausgabeanspruch des Eigentumsvorbehaltsverkäufers V

Ist die Begründung eines neuen BMV trotz Bestehen eines älteren BMV möglich? in anderen Worten: können mehrere BMV nebeneinander bestehen?

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e.A: (Medicus): (+) Nebenbesitz h.M.: (-) Herausgabe nur an eine Person möglich P: Aufgabe des alten BMV durch Aufnahme eines neuen BMV? BGH (+) • altes BMV kann einseitig durch Begründung eines neuen BMV aufgeben werden • Vertrauensschutz des Erwerbers • Förderung der Verkehrsfähigkeit des Sicherungseigentums

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P: einschränkender Auslegung des § 934 Alt. 1 BGB aufgrund der Wertung des § 933 BGB?

aufgrund der damit verbundenen Überschreitung der Wortlautgrenze nicht möglich Wertungswiderspruch wurde vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen dd) Zwischenergebnis V hat sein Eigentum am LKW an R verloren. 2. Ergebnis V hat keinen Anspruch gegen K auf Herausgabe des LKW nach § 985 BGB.

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