Examensklausurenkurs Zivilrecht

Professor Dr. Wolfgang Hau Passau, 31. Mai 2008 Examensklausurenkurs Zivilrecht Der in Passau wohnende Oberstudienrat K will in seinem Einfamilienha...
Author: Daniel Kopp
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Professor Dr. Wolfgang Hau

Passau, 31. Mai 2008

Examensklausurenkurs Zivilrecht Der in Passau wohnende Oberstudienrat K will in seinem Einfamilienhaus umweltgerechter wohnen und sich eine Solaranlage anschaffen, scheut aber die hohen Einbaukosten. Auf einer – ohne weitere Unterhaltungsangebote abgehaltenen – Verbrauchermesse kommt er mit dem vertretungsberechtigten Verkaufsleiter V des in Nürnberg ansässigen H ins Gespräch. V preist ihm den Bausatz einer Solarheizungsanlage zur Selbstmontage zum Preis von 5.000 € an und erklärt, dass die Anlage ohne weiteres auch von handwerklich durchschnittlich begabten Laien zu montieren sei. Sie sei auch deswegen besonders zu empfehlen, weil der Hersteller die Funktionsfähigkeit für fünf Jahre garantiere. V und K schließen den Kaufvertrag noch vor Ort. Dieser soll aber erst gelten, wenn K die speziell für solche Anlagen bereitgestellten staatlichen Fördermittel erhalten hat; da die Anlage förderungsfähig ist, bedarf es hierfür nur eines entsprechenden Antrags des K. Den Bausatz soll K erst bei Wirksamwerden des Vertrags erhalten; V gibt K aber zur Information eine vom Hersteller verfasste Montageanleitung mit. Zuhause studiert K die Anleitung genauer und findet darin den deutlich hervorgehobenen Satz: „Um Schäden an der Anlage oder am Dach zu vermeiden, ist dringend zu empfehlen, die Anlage durch einen Handwerksmeisterbetrieb montieren zu lassen. Bei anderweitiger Montage verliert der Kunde seine Ansprüche aus der Garantie.“ Erbost ruft K bei H an und erreicht wiederum V. Dieser erklärt ihm wahrheitsgemäß, der fragliche Satz sei in den bisherigen Fassungen der Anleitung nicht enthalten gewesen, er sei erst vor kurzem eingefügt worden, und V habe die Neufassung der Anleitung noch nicht gelesen. Zudem halte er an der Ansicht fest, dass auch ein Laie die Anlage montieren könne; immerhin sei dies – was zutrifft – schon mehreren handwerklich nicht vorgebildeten Kunden gelungen. Variante 1: K meint, ihm sei die Sache gleichwohl zu gefährlich. Er wolle den Bausatz nicht mehr haben; keinesfalls werde er nun noch die staatliche Förderung der Anlage beantragen. H verlangt Zahlung des Kaufpreises. K erwidert, er hätte sich wegen des „Betrugs“ des V ja ohnehin von dem Kaufvertrag lösen können. Frage 1: Als H mit einer Zahlungsklage droht, erhebt K zum Amtsgericht Nürnberg Klage gegen H auf Feststellung, dass er den geltend gemachten Kaufpreis nicht schulde. Mit Erfolg? Frage 2: Nachdem dem H die Klage des K zugestellt wurde, erhebt er Zahlungsklage zum Amtsgericht Passau. Wie werden die Gerichte verfahren?

bitte wenden

2 Variante 2: K entscheidet sich doch dazu, die Solarfördermittel zu beantragen und die Anlage von dem Meisterbetrieb M installieren zu lassen. Er will sein Haus nun nur noch über diese Anlage beheizen. Dies teilt er Heizungsinstallateur U mit, den er mit dem Einbau einer neuen, auf die Solaranlage abgestimmten Heizungsanlage beauftragt. U ermittelt für das Haus einen Wärmebedarf von 25 kW und bespricht sich mit M, der ihm zutreffend mitteilt, die Solaranlage könne diese thermische Leistung konstant erbringen. M installiert daraufhin die Solaranlage, jedoch so fehlerhaft, dass sie tatsächlich nur eine Leistung von konstant 12 kW erbringt. U überprüft dies nicht und installiert fachgerecht die neue Heizungsanlage. Diese würde das Haus des K zwar bei entsprechender Energiezufuhr ausreichend beheizen, tut dies aber wegen der zu geringen Energiezufuhr nicht. K stellt dies bei einem ersten Probelauf der Heizung fest und erklärt U, die Heizung entspreche nicht seinen Vorstellungen. Frage 3: Hat U gegen K einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Lohns?

Besprechung: Freitag, 20. Juni 2008, 17 Uhr s.t. HS 2 PHIL

3 Lösungsskizze Teil I.1 BGH NJW 2007, 3057 ff. A.

Zulässigkeit I.

Zuständigkeit des AG Passau 1. Örtlich, §§ 12, 13 ZPO 2. Sachlich, §§ 23 Nr. 1, 71 II GVG: bei negativen Feststellungsklagen entspricht der Streitwert dem Wert des Anspruchs, um dessen Feststellung es geht

II.

Klageart, Feststellungsinteresse Negative Feststellungsklage, § 256 I ZPO; Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass H sich des Anspruchs berühmt; dieser ist feststellungsfähiges Rechtsverhältnis

B.

Begründetheit Kaufpreisanspruch? Kaufvertrag wirksam? Eigentlich nicht, da aufschiebende Bedingung (§ 158 I: Gewährung von Fördermitteln) noch nicht eingetreten bzw. wegen der endgültigen Weigerung des K, die Fördermittel zu beantragen, sogar ausgefallen. Aber § 162 I? Treuwidrige Verhinderung des Eintritt des Bedingung durch K? Die Weigerung des K, den Eintritt der Bedingung herbeizuführen, ist nicht treuwidrig, wenn er sich von einem dann wirksamen Vertrag ohnehin lösen könnte. I.

Rücktritt, §§ 434, 437 Nr. 2, 326 V 1.

Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts: Bei Unbehebbarkeit des Mangels schon vor, jedenfalls aber nach (hypothetischer) Übergabe

2.

Sachmangel, § 434 I a)

Unmöglichkeit der Montage durch Laien? Nein, da

offenbar auch Laien die Anlage montieren können b)

Entfallen

der

Herstellergarantie

bei

Selbstmontage

allenfalls iRd § 434 I relevant, hier aber keine, wohl auch keine konkludente Absprache darüber, das Garantie auch für den Fall

4 der

Selbstmontage gilt (a.A. bei entsprechender Begründung

vertretbar) II.

Anfechtung 1.

§ 123 a)

V ist als Vertreter des H nicht Dritter iSd § 123 II

b)

Irrtum? Wohl nicht über die für die Montage notwendigen

Fähigkeiten (vgl. B I 2 b); möglicherweise aber darüber, dass der Käufer bei Selbstmontage die Herstellergarantie verliert, aA mindestens genauso gut vertretbar, da K sich über einen solchen Zusammenhang wohl überhaupt keine Gedanken gemacht hat. c)

Es fehlt jedenfalls am subjektiven Tatbestand, da V von

der Richtigkeit seiner Angaben überzeugt war (also nicht einmal „ins Blaue hinein“ behauptet hat). 2.

§ 119 II Irrtum über Verlust der Garantie bei Selbstmontage? Vertretbar (vgl. B II 1 b); dann stünde auch die Konkurrenz zu §§ 434 ff. nicht entgegen, weil dieser Zusammenhang kaum einen Mangel iSd § 434 I darstellen dürfte.

III.

Widerruf, §§ 312 I 1 Nr. 2, 355 Verbrauchermesse ohne Unterhaltungsangebot unterfällt § 312 I Nr. 2 nicht

IV.

Anspruch auf Vertragsaufhebung aus §§ 280 I, 241 II, 311 II 1.

Anwendbar auf (fahrlässige) Falschaufklärungen? Nach hM (+), obwohl damit de facto die Schwelle des § 123 relativiert wird

2.

Vorvertragliches Schuldverhältnis

3.

Verletzung einer Pflicht nach § 241 II a)

Falschaufklärung

über

Anforderungen

an

Montage?

Fraglich, da offenbar auch Laien die Anlage montieren können. b)

Falschaufklärung über Verlust der Herstellergarantie bei

Selbstmontage? V hat sich über diesen Zusammenhang nicht, wohl auch nicht konkludent geäußert

5 b)

Fehlende

Aufklärung über Folgen für Garantie?

Unterlassung nur bei Aufklärungspflicht relevant. Grundsätzlich muss jede Partei selbst entscheiden, ob das avisierte Geschäft für sie günstig ist, und sich nicht etwa zum Anwalt der Interessen der Gegenpartei machen. Vorvertragliche Aufklärungspflichten bestehen nach Treu

und

Glauben aber ausnahmsweise

bezüglich für die andere Partei erkennbar besonders wichtige Umstände, die dieser offenbar verborgen blieben; dies ist hier für den

Verlust

der

Herstellergarantie

bei

Selbstmontage

anzunehmen 4.

Verschulden Sorgfaltspflicht iSd § 276 II: V hätte Anleitung und Garantie lesen müssen; wird H nach § 278 BGB zugerechnet

5.

Folge § 249 I: Bei richtiger Aufklärung hätte K offensichtlich den Vertrag nicht geschlossen, er kann also Vertragsaufhebung verlangen

C.

Ergebnis Die Klage des K ist zulässig und begründet und hat daher Aussicht auf Erfolg.

Teil I.2 Nach

hM

führt

die

negative

Feststellungsklage

nicht

zu

einer

Rechtshängigkeitssperre (§ 261 III Nr. 1 ZPO) für eine spätere Leistungsklage. Die Konkurrenz beider Klagen ist danach eine Frage des Rechtsschutzbedürfnisses. Dieses soll für die negative Feststellungsklage entfallen, wenn die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann, also nach Beginn der mündlichen Verhandlung über diese (§ 269 I ZPO). Sobald dies geschehen ist, wird das AG Nürnberg die Klage des K also als unzulässig abweisen. Umgekehrt ist zu erwägen, ob der Leistungsklage des H das Rechtschutzbedürfnis fehlt, wenn die Feststellungsklage des K entscheidungsreif ist – wofür der Sachverhalt hier aber keine Anhaltspunkte bietet.

6 Teil II (BGH ZIP 2008, 273 ff.) Der Anspruch ist mit Abschluss des Werkvertrags entstanden, gemäß § 641 aber erst bei Abnahme fällig, die sich hier mangels Möglichkeit einer körperlichen Entgegennahme in der Billigung durch den Besteller K erschöpft (kein Fall des § 646!). K verweigert offenbar die Abnahme, doch kann U ihm eine Frist gemäß § 640 I 3 setzen, deren fruchtloser Ablauf die Annahme ersetzt, wenn K gemäß § 640 I 1 zur Abnahme verpflichtet, das Werk also vertragsgemäß ist. A.

Mangel, § 633 II 1 I.

Solaranlage: Für Mangelhaftigkeit der Leistung des M hat U nicht einzustehen, insbesondere ist M nicht sein Erfüllungsgehilfe

II.

Funktionstauglichkeit der Heizung Heizung ist nicht schon deshalb mangelfrei, weil sie selbst fachgerecht hergestellt wurde; als Erfolg vereinbart war, dass sich das Haus des K mit der Heizung ausreichend beheizen lassen sollte, was hier nicht der Fall ist: Funktionstauglichkeit des Werks als vereinbarte Beschaffenheit

B.

Ausnahmsweise fehlende Verantwortlichkeit Nach der etwa § 645 zugrunde liegenden Wertung ist der Unternehmer für vom Besteller gelieferte Stoffe oder Vorleistungen von vom Besteller beauftragten Unternehmern nicht verantwortlich, wenn er seine Prüfungs- und Hinweispflichten

erfüllt

hat.

Hier

kannte

U

die

Bedeutsamkeit

der

Energiezufuhr aus der Solaranlage; die Vorarbeit des M, mit dem er sich besprochen hatte, stand auch in engem Zusammenhang mit seiner eigenen Leistung. U hätte die Leistung der Solaranlage daher prüfen müssen, was ihm als Heizungsinstallateur auch möglich und zumutbar gewesen wäre. U hat seine Prüfungspflichten nicht erfüllt, kann sich also nicht von seiner Mängelhaftung befreien. C.

Ergebnis U hat keinen fälligen Anspruch auf Zahlung des Werklohns.

D.

Ergänzende Hinweise

7 •

Verweigert K, dem U eine

vertragsgemäße

Leistung

zu

ermöglichen, trägt er also seinerseits nicht für die Herstellung einer funktionierenden Solaranlage Sorge, soll nach BGH ZIP 2008, 273, 277 § 326 II 1 greifen und offenbar auch das Fälligkeitsproblem aufheben. •

Wer die Mangelhaftigkeit der Werkleistung des U ablehnt, müsste sich mit einem Gegenanspruch des K aus § 280 I, 241 II auseinandersetzen. Der Schadensersatzanspruch dürfte sich hier sachgerechterweise nicht auf eine endgültige Verweigerung der Vergütung richten, denn K hat ja eine für sich genommen funktionsfähige Heizungsanlage erhalten; vielmehr dürfte K Zahlungsaufschub verlangen, bis die Solaranlage hergestellt wurde oder K mit dieser notwendigen Vorleistung in Verzug gerät.