Grundkurs Zivilrecht II

-1D. Schuldrecht Allgemeiner Teil 2. Abschnitt: Das Recht der L eistungsstörungen § 18 Der Schuldnerverzug Prof. Dr. Winkler v. Mohrenfels Grundkurs ...
Author: Jan Becker
14 downloads 0 Views 187KB Size
-1D. Schuldrecht Allgemeiner Teil 2. Abschnitt: Das Recht der L eistungsstörungen § 18 Der Schuldnerverzug

Prof. Dr. Winkler v. Mohrenfels Grundkurs Zivilrecht II Universität Rostock SS 2003

Grundkurs Zivilrecht II D. Schuldrecht Allgemeiner Teil (Fortsetzung) 2. Abschnitt: Das Recht der Leistungsstörungen § 18 Der Schuldnerverzug I. Voraussetzungen Verzug setzt Möglichkeit (Nachholbarkeit) der Erfüllung voraus, sonst Fall der Unmöglichkeit. 1. Fälligkeit, Mahnung, Nichtleistung, § 286 I Fälligkeit ist der Zeitpunkt, von dem an der Gl. die Leistung fordern kann. Sie hängt von (ausdrücklicher oder stillschweigender) Vereinbarung (Auslegung!) ab, fehlt eine solche, gilt § 271: Leistung ist sofort fällig (und sofort erfüllbar). Mahnung ist die an den Sch. gerichtete Aufforderung zur Leistung. Sie muß nach Fälligkeit erfolgen, sonst wirkungslos. Fall 67 (nach BGH NJW 2001, 365): K kauft am 10.10.1991 von der Treuhandanstalt (T) in Berlin einen Geschäftsanteil an der M-GmbH zum Pr eise von 3.925. 000 DM. Beim Abschluss des notariellen Kaufvertrages wird die T durch den vollmachtlosen V vertreten. Der Kaufpreis ist gemäß § 3 des Vertrags binnen 8 Wochen ab Beurkundung des Vertrages fällig. Für den Fall einer verspäteten Zahlung sind nach § 3 II des Vertrags Verzugszinsen in Höhe von 12% vorgesehen. Am 5.11.1991 geht dem K die Genehmigung des Vertrags durch die T zu. K zahlt am 11.2.1992. T verlangt für die Zeit ab 5.12.1991 Verzugszinsen. K wendet ein, er sei nicht gemahnt worden. 2. Verzug mit Entgeltforderung, § 286 III 3. Vertretenmüssen, § 286 IV a) Grundsatz b) Gattungsschulden Fall 68: V verpflichtet sich, dem K zwei Kisten israelische Pampelmusen zu liefern. Nachdem in einigen Früchten eine bläuliche Flüssigkeit entdeckt worden war, werden sämtliche aus Israel importierten Pampelmusen zeitweilig beschlagnahmt. V kann zum vereinbarten Termin nicht liefern. Gerät er dadurch in Verzug? c) Geldschulden Medicus, "Geld muß man haben". Unvermögen und Schuldnerverzug bei Geldmangel: AcP 188 (1988), 489-510.

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003

-2D. Schuldrecht Allgemeiner Teil 2. Abschnitt: Das Recht der L eistungsstörungen § 18 Der Schuldnerverzug

II. Rechtsfolgen 1. Ersatz des Verzögerungsschadens, §§ 280 I, II, 286 Fall 69 (nach BGH NJW 1989, 1215): Bauer Bolte beliefert den Großhändler Grobschik ständig mit Käse. Doch eines Tages streiken seine Kühe, er kann trotz Mahnung nicht an Grobschik liefern. Dieser kann wiederum seinen Kunden Kniesewitz nicht rechtzeitig mit dem begehrten Käse versorgen, so daß der sich anderweitig eindecken muß. Kniesewitz stellt dem Grobschik DM 1000 an Mehrkosten für den Deckungskauf in Rechnung. Grobschik will sich hierfür bei Bolte schadlos halten. Kann er das? 2. Verzugszinsen, §§ 288, 289 3. Erweiterte Haftung, § 287 Fall 70: V hat dem K ein Buch verkauft, liefert aber nicht rechtzeitig. Nachdem V gemahnt worden ist, wird das Buch gestohlen. K hätte das Buch mit 100 DM Gewinn weiterverkaufen können. In Höhe dieses Betrages verlangt er von V Schadensersatz. Zu Recht? 4. Ersatz des Nichterfüllungsschadens und Rücktrittsrecht a) Schadensersatz statt der Leistung, §§ 280 I, III, 281 I 1 Fall 71: Bauer Preuß verspricht seinem Nachbarn Beier, ihm zum Beginn der Erntezeit seinen Traktor zu leihen. Als am 1. September die Erntezeit beginnt, erklärt Pr euß sich auf Anfrage des Beier außerstande, den Traktor zum vereinbarten Zeitpunkt auszuleihen, da dieser sich in Reparatur befinde. Preuß hatte ihn nicht rechtzeitig überholen lassen. Am 5. September mietet Beier einen Traktor, um die Erntearbeiten zu erledigen. Am 10. September kommt Preuß mit dem reparierten Tr aktor vorbei. Beier benötigt ihn nun nicht mehr, da er seine Erntearbeiten beendet hat, und verlangt von Preuss die gezahlte Traktormiete ersetzt. Mit Recht? b) Rücktritt, § 323

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003

- 3 D. Schu ldrec ht Allg eme iner T eil 2. Abschnitt: Das Recht der Leistungsstörungen § 19 Der Gläubigerverzug (Annahmeverzug)

§ 19 Der Gläubigerverzug (Annahmeverzug) I.Voraussetzungen 1. Erfüllbarer Anspruch 2. Angebot des Schuldners a) Tatsächliches Angebot, § 294 b) Wörtliches Angebot, § 295 c) Entbehrlichkeit des Angebots, § 296 3. Leistungsvermögen des Schuldners, § 297 4. Nichtannahme der Leistung oder Nichtangebot der Gegenleistung Fall 72: Fiete hat beim Möbelhaus Klumpe eine Eßbank bestellt. Ihm wird mitgeteilt, daß diese im Laufe der nächsten Woche geliefert werden soll. Zum Zeitpunkt der Anlieferung am Mittwoch nachmittag ist Fiete jedoch nicht zu Hause. Ist er in Annahmeverzug geraten? II. Rechtsfolgen des Annahmeverzuges 1. Haftungsmilderung für den Schuldner, § 300 I 2. Übergang der Leistungsgefahr auf den Gläubiger, § 300 II 3. Übergang der Preisgefahr auf den Gläubiger, § 324 II Fall 73: V teilt dem K telefonisch mit, dass er das nach Katalog bestellte und bereits verladene Fernsehgerät vereinbarungsgemäß anliefern werde. K erklärt sich zur Annahme bereit, will aber nur Ratenzahlungen leisten. V lädt das Gerät daher wieder ab und bringt es in das Lager; dabei wird es durch den Arbeiter A leicht fahrlässig zerstört. Kann V Zahlung des Kaufpreises verlangen? 4. Ersatz der Mehraufwendungen des Schuldners, § 304 Fall 74: Schussel hat bei Buchhändler Nostalski Lenins Werke in 40 Bänden bestellt. Ihm wurde Lieferung zum 1. 10.1987 zugesagt. Als der Postbote das Paket am 1. 10. zustellen will, hält sich Schussel gerade für einen mehrwöchigen revolutionären Kongress auf Kuba auf. Nach 1 Woche Lagerzeit geht das Paket an Nostalski zurück. Dieser verlangt von Schussel den Ersatz der vergeblich aufgewendeten Versendungskosten. Mit Recht? 5. Recht zur Hinterlegung oder Versteigerung, §§ 372, 383

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003

- 4 D. Schu ldrec ht Allg eme iner T eil 2. Abschnitt: Das Recht der Leistungsstörungen § 20 Die positive Forderungsverletzung

§ 20 Die positive Forderungsverletzung I. Dogmatische Grundlagen II. Voraussetzungen 1. Bestehen eines Schuldverhältnisses Fall 75: Klumpe beschädigt beim Einparken Fietes Wagen. Da er eine Kfz.-Reparaturwerkstatt betreibt, verspricht er, Fietes Wagen noch am selben Tage wieder in Ordnung zu bringen. Bei den Reparaturarbeiten zieht sein Geselle Töffel die Radmuttern nicht fest an. Infolgedessen hat Fiete mit dem Wagen später einen Unfall, bei dem erheblicher Sachschaden entsteht. Klumpe führt den Entlastungsbeweis nach § 831 und meint, Fiete solle sich an Töffel halten. Mit Recht? 2. Pflichtverletzung a) Die Schlechterfüllung von Leistungspflichten Fall 76: A beauftragt den B mit einem Reifenwechsel an seinem Auto. B vergisst die Radmuttern fest anzuziehen. Daraufhin erleidet A mit dem Auto einen Unfall. Er verlangt von B Ersatz der Krankenhauskosten. Mit Recht? b) Verletzung von leistungssichernden Nebenpflichten (Leistungsinteresse) c) Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten (Integritätsinteresse) Fall 77: Berta hat den Malermeister Klex mit der Renovierung ihrer Wohnung beauftragt. Klexens sonst stets sehr umsichtiger Geselle Mustafa stößt aus Unachtsamkeit Bertas schönste Vase um. Berta verlangt von Klex Schadensersatz. Mit Recht? d) Beweislast III. Rechtsfolgen 1. Ersatz des negativen Interesses, § 280 I iVm. § 249 Fall 78 (BGH NJW 1982, 1145): Makler M vermittelt dem K ein Haus, ohne ihn darüber aufzuklären, dass der zur Z entralheizungsanlage gehörige Öltank in einem Nachbarhaus untergebracht ist. Hätte K dies gewusst, hätte er das Haus nicht gekauft. Welche Ansprüche hat K gegenüber M? 2. Rücktritt, § 324 An die Stelle des Rücktritts tritt bei Dauerschuldverhältnissen die Kündigung nach § 314. Fall 79: Bäcker Bolte beliefert aufgrund eines Jahresvertrages ein Hotel täglich mit F rühstückssemmeln. Seine Lieferungen bleiben jedoch häufig aus, so dass sich die Hotelgäste dann mit Toastbrot begnügen müssen. Das Hotel möchte sich wegen Boltes Unzuverlässigkeit von dem Vertrag lösen.

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003

- 5 D. Schu ldrec ht Allg eme iner T eil 2. Abschnitt: Das Recht der Leistungsstörungen § 21 Culpa in contrahendo und culpa post contractum finitum

§ 21 Culpa in contrahendo und culpa post contractum finitum I. Geschichte und dogmatische Grundlagen II. Voraussetzungen der Haftung aus gesetzlichem Schutzpflichtverhältnis (Vertrauenshaftung) 1. Bestehen eines rechtsgeschäftsbezogenen Schutzpflichtverhältnisses a) Schutzpflichtverhältnis zwischen künftigen Vertragspartnern, § 311 II (1) Vertragsverhandlungen, § 311 II Nr. 1 Fall 80 (nach RGZ 78, 239): Emma kauft bei Karstadt ein. Als sie die Abteilung für Bodenbeläge betritt, um dort einen Teppich zu kaufen, kommt es durch Unachtsamkeit des Verkäufers zu einem Unfall. Eine der dort aufgestellten Linoleumrollen fällt um und verletzt Emma. Ihrem Schadensersatzanspruch gegenüber beruft Karstadt sich darauf, dass der Verkäufer sorgfältig ausgewählt und unterwiesen worden sei. Mit Erfolg? Ein Vertrauensverhältni s aus Vertragsverhandlungen entsteht auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, und zwar spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch die Bieter (BGH NJW 2000, 661, 662).

(2) Die Anvertrauenshaftung, § 311 II Nr. 2 Fall 81: Schwonbeck besucht den Baumarkt B, um sich nach Fliesen für seinen Wintergarten umzusehen. Konkrete Kaufabsichten hat er noch nicht. Bei seinem Rundgang fällt ihm von einem oberen Regal eine Fliese auf den Kopf, die der Mitarbeiter M des Baumarktes dort ungesichert deponiert hatte. Er verlangt von B Ersatz seiner Behandlungskosten. Fall 82: Der Landstreicher Scheu sucht im Baumarkt Zuflucht vor einem plötzlich einsetzenden Gewitter. Im Eingangsbereich rutscht er auf einer Bananenschale aus, die ein Besucher dort hingeworfen hatte; der für die Säuberung zuständige Mitarbeiter M hatte dies übersehen. Kann Scheu Schadensersatz verlangen? (3) Ähnliche geschäftliche Kontakte, § 311 II Nr. 3 (a) Die laufende Geschäftsverbindung Müller-Graff, Die Geschäftsverbindung als Schutzpflichtverhältnis, JZ 1976, 153-156.

(b) Die Nachwirkung von Verträgen (culpa post contractum finitum) b) Schutzpflichtverhältnis zu Nichtvertragsparteien, § 311 (1) Die Schutzwirkung zugunsten Dritter Bayer, Vertraglicher Drittschutz, JuS 1996, 473-478; Martiny, Pflich tenorientie rter D rittschutz beim Vertra g mit Schutzwirkung für Dritte - Eingrenzung uferloser Haftung, JZ 1996, 19-25; Canaris, Schutzwirkungen zugunsten Dritter bei "Gegenläufigkeit" der Interessen, JZ 1995, 441-446; van Gelder, Schutzpflichten zugunsten Dr itter im bargeldlosen Zahlungsverkehr?, WM 1995, 1253-1262.

(a) Geschichte Lies dazu BGH NJW 1996, 2927 = JZ 1997, 358

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003

- 6 D. Schu ldrec ht Allg eme iner T eil 2. Abschnitt: Das Recht der Leistungsstörungen § 21 Culpa in contrahendo und culpa post contractum finitum

Fall 83: Emma (F all 80) hat ihre minderjährige Tochter Tanja zum Einkauf mitgenommen. Auch Tanja wird durch die umfallende Linoleumrolle verletzt. Haftet Karstadt auch für ihren Schaden? (b) Geschützter Personenkreis i) Leistungsnähe des Dritten ii) Gläubigernähe des Dritten Vgl. dazu BGHZ 69, 82) ("Lastschrift-Fall") sowie die gesellschaftsrechtliche Entscheidung BGHZ 75, 321 (Einbeziehung einer KG in die Schutzwirkung des Vertrages zwi schen der Komplementär -GmbH und i hrem Geschäftsführer).

iii) Schutzbedürfnis des Dritten Vgl. (BGH NJW 1996, 1927, 1929 u. BGHZ 70, 327 = NJW 1978, 883

iv) Erkennbarkeit für den Schuldner v) Zusammenfassung: berechtigte Teilnahme (2)

Berufliche Unterstützung bei der Vertragsanbahnung (Die Eigenhaftung des Sachwalters), § 311 III 2

Wiegand, Die "Sachwalterhaftung" als richterliche Rechtsfortbildung, 1991.

Fallgruppen: 1. Der Sachwalter hat ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss; Provisionsansprüche begründen lediglich ein mittelbares Interesse und reichen deshalb zur Haftungsbegründung nicht aus (BGH NJW 1990, 506). Der Dritte muss eine so enge Beziehung zum Vertragsgegenstand haben, dass er quasi in eigener Sache tätig wird und bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der eigentliche Vertragspartner des anderen Teils ist. Dieser Fall lässt sich nicht unter § 311 III 2 subsumieren. Die Haftung kann entweder auf § 311 III 1 iVm. der früheren Rspr. oder auf § 311 II Nr. 3 (“ähnliche geschäftliche Kontakte”) gestützt werden. 2. Dem Sachwalter wird vom anderen Vertragspartner ein besonderes Vertrauen entgegengebracht, welches sich entscheidend auf den Vertragsentschluss auswirkt (§ 311 III 2). Dies kommt vor allem bei beruflicher Sachkunde in Betracht. Fall 84: Gebrauchtwagenhändler Klumpe tritt zuweilen - zwecks Einsparung der Mehrwertsteuer - als Vermittler von Autoverkäufen auf. Dabei berät er als Fachmann die Kaufinteressenten. Fiete hat auf diese Weise den gebrauchten PKW des Huber gekauft. Leider stellt sich heraus, dass dieser PKW entgegen Klumpes Angaben beim letzten ADAC-Test nicht sehr gut, sondern ausgesprochen schlecht abgeschnitten hatte. Fiete möchte Ansprüche gegen Klumpe geltend machen.

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003

- 7 D. Schu ldrec ht Allg eme iner T eil 2. Abschnitt: Das Recht der Leistungsstörungen § 21 Culpa in contrahendo und culpa post contractum finitum

2. Verletzung einer Schutz- oder Sorgfaltspflicht Fall 85 (BGH NJW 1985, 1769): V vertreibt chemische Reinigungsanlagen. Im Rahmen der Vertragsver handlungen mit K, der sich für eine solche Anlage interessiert, vermittelt V dem K einen Raum, in dem K den Reinigungsbetrieb sofort aufnehmen soll. Später stellt sich heraus, dass die Anlage in diesem Raum nicht betrieben werden darf, weil er nicht die von den Unfallverhütungsvorschriften vorgeschriebene Grundfläche aufweist. Ein anderer Raum steht kurzfristig nicht zur Verfügung. K möchte vom Vertrag loskommen. 3. Verschulden III. Rechtsfolgen der Haftung 1. Ersatz des negativen Interesses 2. Ausnahme: Haftung auf das Erfüllungsinteresse a) Vereitelung des Vertragsabschlusses mit einem Dritten Fall 86 (BGH BB 1974, 1039): Die Stadt Lumpenhausen hat die Renovierung einer Stadthalle öffentlich ausgeschrieben. Die Bauunternehmer Tüchtig und Listig geben ein gemeinsames Angebot ab, an dem jeder von ihnen hälftig beteiligt sein soll. Es gelingt Listig jedoch, den Auftrag allein zu erhalten, indem er bei Lumpenhausen den Eindruck erweckt, dass Tüchtig nur als Subunternehmer tätig werden solle. Listig denkt aber nicht daran, den Tüchtig zu beteiligen, sondern führt den Auftrag allein durch. Der empörte Tüchtig verlangt von Listig die Hälfte des Gewinns. Mit Recht? b) Treuwidrige Her beiführung eines formnichtigen Vertrages c) Die Erfüllungshaftung des Versicherers

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003

- 8 D. Schu ldrec ht Allg eme iner T eil 2. Abschnitt: Das Recht der Leistungsstörungen § 22 Die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313

§ 22 Die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 I. Funktion und Anwendungsbereich Nach der Rechtsprechung wird die Geschäftsgrundlage gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt gewordenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die dem anderen Teil erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen sich der Geschäftswille der Parteien aufbaut (RGZ 103, 328, 332; BGHZ 25, 390, 392; BGHZ 89, 226, 231). In der Rechtslehre und Rechtsprechung wird zwischen der objektiven und der subjektiven, der großen und der kleinen Geschäftsgrundlage unterschieden. Fall 87: A verpachtet an B eine Gastwirtschaft auf 10 Jahre zu einem Pachtzins von DM 3.000,- monatlich. Das Geschäft geht, anders als B es angenommen hatte, schleppend. Kann B aus dem Vertrag heraus? Abw. (RGZ 100, 130 ff.): Wie wäre es, wenn B die Gaststätte wegen der Nähe zu einer Fabrik gepachtet hätte und A deshalb einen hohen Pachtzins erzielen konnte, die Fabrik aber in Konkurs gerät und die Kundschaft ausbleibt? Wie wäre es, wenn der Pachtzins infolge unvorhergesehener Inflation auf einen lächerlichen Betrag zusammenschrumpft? II. Die Voraussetzungen im Einzelnen, § 313 I, 2 -

Es müssen sich nach Vertragsschluss Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, entscheidend verändert (Abs. 1) oder sich als falsch herausgestellt haben (Abs.2).

-

Diese Umstände dürfen nicht Inhalt des Vertrags geworden sein.

-

Die Parteien müssten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen haben.

-

Das Festhalten am unveränderten Vertrag muss für den einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, unzumutbar sein.

Fall 88 (RGZ 105, 406): G hat dem S 1920 in Moskau 30.000 Rubel als Darlehen gegeben. Beide gingen davon aus, ein Rubel sei nach dem geltenden Umrechnungskurs 25 Pfennig wert. Daher stellte S dem G Schuldscheine über 7.500 M aus. In Wahrheit entsprach der Rubel damals nur etwa einem Pfennig. III. Rechtsfolge IV. Anerkannte Fallgruppen 1. Zweckstörung Fall 89 (BGH NJW 76, 565): Ein Fußballverein der Bundesliga hatte an einen Regionalligaverein einen Spieler abgegeben und dafür 40. 000,- DM als Ablösung erhalten. Der Spieler wurde dann wegen seiner Verwicklung in die Bestechung durch Arminia Bielefeld auf Dauer gesperrt. Der Verein verlangt Rückzahlung der Ablösesumme.

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003

- 9 D. Schu ldrec ht Allg eme iner T eil 2. Abschnitt: Das Recht der Leistungsstörungen § 22 Die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313

Fall 90 (BGH NJW 1989, 1986): Die Eheleute M und F vereinbaren am 12.1.1962 Gütertrennung. Im Februar 1985 wird ihre Ehe geschieden. M verlangt von F einen finanziellen Ausgleich in Höhe von 1.498.000 DM für die Finanzierung eines Gebäudekomplexes, an dem beide Ehegatten Miteigentum erlangt haben. F wendet ein, dur ch die Zuwendung habe M ihr eine Alterssicherung verschaffen wollen; auch habe damit ihre Mithilfe in seinem Geschäft honoriert werden sollen. Fall 91: K kauft bei V Wäsche, um sie seiner Tochter als Aussteuer zu geben. Die als bevorstehend angenommene Heirat der Tochter zerschlägt sich jedoch. Kann K zurücktreten? 2. Äquivalenzstörung Fall 92 (BGH WM 1978, 322): Die Mineralölfirma V verkaufte der Stadt K im Dezember 1972 den Bedarf an Heizöl für das Jahr 1973 zu einem Festpreis. Im Laufe des Jahres 1973 steigen u.a. wegen der Haltung der OPEC-Länder, der Verstaatlichung der Förderungsgesellschaften in Libyen und des Jom-Kippur-Krieges die Preise von 98, - M auf 560, - M pro Tonne. Die Mineralölfirma verlangt Preisanpassung. Z u Recht? Fall 93 (OLG Frankfurt DtZ 1993, 27): Klumpe und seine Schwester Nora schlossen im Jahre 1965 nach dem Tode ihres Vaters eine notarielle Vereinbarung, worin Klumpe mit einem Pflichtteilsanspruch von 25.000 DM abgefunden wurde. Die Parteien gingen dabei von einem Nachlaßwert von 100.000 DM aus. Dass zum Nachlass außerdem mehrere in der früheren DDR belegene Grundstücke gehörten, blieb unberücksichtigt, weil diese Vermögenswerte den Berechtigten bei Verlassen der DDR entzogen wurden. Nach der aufgrund der deutschen Wiedervereinigung geänderten Rechtslage könnte Klumpe als Erbe über die Grundstücke verfügen; er möchte deshalb von dem Vertrag mit Nora loskommen, hilfsweise verlangt er eine Anpassung des Vertrages an die geänderte Rechtslage. Mit Aussicht auf Erfolg? 3. Gemeinsamer Irrtum (Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage), § 313 II Fall 94: Bauunternehmer B soll für E mehrere Einfamilienhäuser zu einem Festpreis errichten. B teilt E den Preis pro Haus unter Zusendung seiner Kostenkalkulation mit. Später stellt sich heraus, dass B sich um 50.000, - DM pro Haus verrechnet hat. Er verlangt diesen Mehrbetrag von E. Zu Recht?

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003

- 10 D. Schu ldrec ht Allg eme iner T eil 2. Abschnitt: Das Recht der Leistungsstörungen § 22 Die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313

Winkler v. Mohrenfels

Grundkurs Zivilrecht II

SS 2003