Facharztwissen Viszeral- und Allgemeinchirurgie

Facharztwissen Viszeral- und Allgemeinchirurgie Bearbeitet von Franck Billmann, Tobias Keck 1. Auflage 2017. Buch. XV, 334 S. Hardcover ISBN 978 3 6...
Author: Gabriel Wolf
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Facharztwissen Viszeral- und Allgemeinchirurgie

Bearbeitet von Franck Billmann, Tobias Keck

1. Auflage 2017. Buch. XV, 334 S. Hardcover ISBN 978 3 662 48307 7 Format (B x L): 19,3 x 26 cm Gewicht: 1067 g

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25

Dünndarm und Appendix D. Mutter, L.O. Perotto

2.1

Anatomie des Dünndarmes – 26

2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6

Messwerte – 26 Grenzen – 26 Wandaufbau des Dünndarmes – 26 Durchblutung – 26 Innervation – 27 Dünndarmfunktionen – 27

2.2

Erkrankungen des Dünndarms – 27

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6

Klinik – 27 Bildgebung – 28 Morbus Crohn – 29 Dünndarmneoplasien – 30 Andere Dünndarmerkrankungen – 32 Behandlungsstrategien – 33

2.3

Appendix vermiformis – 35

2.3.1

Anatomie der Appendix vermiformis – 35

2.4

Erkrankungen der Appendix – 36

2.4.1 2.4.2

Appendicitis vermiformis – 36 Maligne Erkrankungen – 39



Literatur – 42

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017 F. Billmann, T. Keck (Hrsg.), Facharztwissen Viszeral- und Allgemeinchirurgie, DOI 10.1007/978-3-662-48308-4_2

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Kapitel 2 · Dünndarm und Appendix

2.1

Anatomie des Dünndarmes

In Kürze

44 Längster Teil des Gastrointestinaltraktes 44 Erschwerter endoluminaler Zugang 44 Chirurgische Exploration: Diagnostische Modalität 44 Nichtinvasive Beurteilung durch Doppel-Ballon-Endoskopie, bildgebende Verfahren, Kapselendoskopie

2.1.1

Messwerte

55 Länge = 510–690 cm beim Mann, 490–580 cm bei der Frau (vom Pylorus bis Zäkum) 44Duodenum = ca. 25–30 cm 44Jejunum = ca. 200–270 cm (2/5) 44Ileum = ca. 300–410 cm (3/5) 55 Durchmesser = 1,8–2,5 cm 55 Oberfläche: 44Dünndarmrohr (Zylinder) = 0,69 m2 (bei einem 5 m langen Dünndarm) 44Funktionelle resorptive Oberfläche = 120–900 m2 (je nach Autor) 2.1.2

Grenzen

55 Duodenum: Vom Pylorus bis duodenojejunale Flexur 55 Jejunum: Orale Grenze = ab duodenojejunaler Flexur (Treitz-Ligament) 55 Ileum: Keine klare Grenze zwischen Jejunum und Ileum; Ileum bis zum ileozäkalen Übergang 2.1.3

Wandaufbau des Dünndarmes

4 Schichten (von außen nach innen): 55 Serosa: 44Bestehend aus viszeralem Peritoneum 44Überzug von Jejunoileum + anteriore Fläche des Duodenums 55 Muscularis propria: 44Glatte Muskulatur 44Feine longitudinale äußere + dickere zirkuläre innere Schicht 44Plexus myentericus: zwischen den 2 Schichten

55 Submukosa: 44Fibroelastisches Bindegewebe 44Beinhaltet Gefäße + Nerven (Meissner-Plexus) 55 Mukosa: 44Muscularis mucosae + Lamina propria + epitheliale Zellschicht 44Epitheliale Zellschicht = Becherzellen, Paneth-Zellen, Enterozyten und enteroendokrine Zellen Oberflächenmultiplikation (s. Abschn. Messwerte) 55 Plicae circulares (Kerckring-Falten): Transversale Falten der Mukosa (prominent im distalen Duodenum + Jejunum) führen zur Erhöhung der Oberfläche von 0,69 m2 auf 1 m2 55 Zotten: Oberflächenmultiplikationsfaktor bis zu 30-fach 55 Mikrovilli: Oberflächenmultiplikationsfaktor = 30

2.1.4

Durchblutung

Arterielle Durchblutung

55 Ausschließlich A. mesenterica superior 55 Ausnahme = Proximales Duodenum durch Äste des Truncus coeliacus 55 Aufteilungsmuster der A. mesenterica superior: 44Spezifische Äste für Pankreas 44Spezifische Äste für distales Duodenum 44Spezifische Äste für Dünndarm 44Spezifische Äste für Colon ascendens und transversum 55 Kollateralsystem = Gefäßarkaden des Mesenteriums 55 Für das Jejunum: Lange Vasa recta von einer oder 2 Arkaden 55 Für das Ileum: Kurze Vasa recta von 4–5 Arkaden (Ileum: bessere Durchblutung)

Venöse Drainage 55 V. mesenterica superior 55 Drainage (mit V. splenica) in V. portae hepatis (hinter dem Pankreashals)

Lymphdrainage 55 Von der Mukosa durch die Dünndarmwand 55 Drainage in Lymphknoten des Mesenteriums 55 Hauptdrainageweg der Fette in den Blutstrom 55 Immunologische Rolle + Rolle in der Verteilung von Zellen im Fall von bösartigen Darmneoplasien

27 2.2 · Erkrankungen des Dünndarms

Mesenteriumbasis

2.2

Erkrankungen des Dünndarms

55 Fixiert an der posterioren Bauchwand 55 Von der linken Ansicht von LWK 2, schräg nach rechts und kaudal bis zum rechten Iliosakralgelenk

2.2.1

Klinik

2.1.5

Innervation

55 Innervation des Dünndarmes = autonomes Nervensystem

Parasympathische Komponente 55 Fasern vom N. vagus 55 Funktion: Einfluss auf Sekretion, Motorik + alle Phasen der Darmaktivität

Sympathische Komponente 55 Nervenganglien: Gesammelt im Plexus um die A. mesenterica superior 55 Funktion: Gefäßkontraktilität, Darmsekretion und -motorik sowie Schmerzempfinden 2.1.6

Dünndarmfunktionen

Verdauung und Nährstoffabsorption

55 Dünndarm: Hauptrolle in Absorption von Nährstoffen + Wasser + Elektrolyten + Mineralien 55 Peristaltik = Darmkontraktionen von oral nach aboral 1–2 cm/s 44Hauptfunktion: Beförderung des Chymus durch den Darm 44Motorikmuster unterschiedlich zwischen Verdauungsphase und Nüchternheit

Endokrinologische Funktion 55 Dünndarm = größtes endokrines Organ im Körper 55 Produkte: Hormone + Peptide 55 Parakrine + autokrine Funktionen + Neurotransmitterfunktion

Immunologische Funktion 55 Antigenprozessierung, humorale und zelluläre Immunität 55 Lymphatisches Gewebe: in den Peyer-Plaques, der Lamina propria + intraepithelialen Lymphozyten

In Kürze

44 Dünndarmerkrankungen = breit gefächert 44 Häufigste Dünndarmerkrankung = Dünndarmileus nach vorangegangener Chirurgie 44 Explorative Laparoskopie/Laparotomie = oft die optimale Lösung: –– Freipräparation des Darmes –– Resektion oder Bypass –– Gut akzeptiert: Kaum postoperative Einschränkungen, Resektion meist limitiert 44 Bildgebung: Schlüsselrolle in der Diagnose + optimale Entscheidungsfindung in Behandlung der Dünndarmerkrankung

Allgemeines

55 Meist unspezifische Klinik 55 Breites Spektrum an klinischen Zeichen: Von einfacheren chronischen Schmerzen bis zur akuten Peritonitis 55 Klinisches Bild abhängig von ätiologischer Grunderkrankung: 44Entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn) = häufigste Dünndarmläsion 44Neoplastische Läsionen 44Dünndarmobstruktion (im Rahmen von Adhäsionen) (7 Abschn. 2.2.5) 44Weitere seltene Pathologien (z. B. Meckel-Divertikel)

Entzündliche Darmerkrankungen Entwicklung 55 Beginn: Oft insidiös 55 Krankheitsgeschichte: Langsam + langwierig 55 Alternativ symptomatische Phasen (Bauchschmerzen + Diarrhö) und asymptomatische Phasen 55 Progressive Zunahme der symptomatischen Phasen: Häufiger, länger und mit ausgeprägterer Symptomatik

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Kapitel 2 · Dünndarm und Appendix

Symptomatik

Neoplastische Darmerkrankungen

55 Entzündungssymptome des gastrointestinalen Traktes 55 Typische Triade: Chronisch-rezidivierende Diarrhöepisoden + Bauchschmerzen + Gewichtsabnahme 55 Mögliche Symptome: 44Schmerzen im rechten Unterbauch (Differenzialdiagnose: Appendizitis) 44Hämatochezie: Blut im Stuhl 44Stuhldrang 44Bauchkrämpfe und Bauchschmerzen 44Gefühl der inkompletten Evakuation 44Obstipation (bis hin zum Ileus) 55 Allgemeine Symptomatik: 44Fieber 44Appetitverlust 44Gewichtsabnahme 44Müdigkeit 44Nachtschweiß 44Menstruationsunregelmäßigkeiten 55 Extraintestinale Manifestationen (30 % der Patienten): 44Manifestation: GI(Gastrointestinal)-Symptome, abhängig oder unabhängig 44Hautläsionen: Erythema nodosum und Pyoderma gangraenosum 44Arthritis/Arthralgien 44Uveitis und Iritis 44Hepatitis und Pericholangitis 44Aphthöse Stomatitis 44Amyloidose 44Pankreatitis 44Nephrotisches Syndrom

55 Variabler Krankheitsbeginn

Komplikationen 55 Obstipation bis hin zum Ileus: 44Ätiologie = chronische fibrosierende Läsionen, Lumenverlegung (partiell bis komplett) 55 Perforation: 44Frei (selten) vs. gedeckt 44Abszesse: Lokalisiert, Bildung in Bezug zu den Perforationen 55 Fisteln: 44Abnormale Verbindung zwischen 2 Nachbarorganen 44Vom Dünndarm: Zum Dünndarm, zur Harnblase, zur Vagina, zum Magen, zur Haut 44Generalisierte Peritonitis = selten 55 Perianale Läsionen (Fissur, Fistel, Striktur, Abszess): Bei analem/rektalem Befall 55 Befall von Ösophagus oder Magen möglich 55 Bösartige Dünn- und Dickdarmneoplasien: Morbus Crohn = Prädisposition

Symptomatik 55 Frühe Symptome: meist unspezifisch, über Monate bis Jahre 44Dyspepsie 44Anorexie 44Unwohlsein 44Dumpfe Bauchschmerzen 55 Schmerzen: Häufigstes Symptom (oft wegen Obstruktion) 55 Intestinale Blutung (Hämatochezie/Hämatemesis) 55 Obstruktion/Ileus: Bei 15–35 % der Patienten durch Tumorinfiltration und Adhäsionen 55 Palpable Raumforderung: Bei 10–20 % der Patienten 55 Perforation: Bis 10 % der Patienten (insbesondere bei Sarkome/Lymphome)

GIST (Gastrointestinale Stromatumoren)/ Karzinoidtumoren 55 Besondere separate Tumorentität 55 Malignes Karzinoidsyndrom = selten (10 % der Fälle) 44Hämodynamische Manifestationen: Flush, Asthma 44Kardiologische Manifestationen: Herzläsionen 44Intestinale Manifestationen: Diarrhö, Hepatomegalie 55 Spezifische Marker: 44Erhöhte Urinmarker: 5-Hydroxyindolacetic-Acid (5-HIAA, 24 h-Messung) 44Chromogranin A im Serum (Marker der neuroendokrinen Tumoren) 55 Metastasen: Klinik = wie bei anderen neoplastischen Erkrankungen 2.2.2

Bildgebung

55 Modalitäten: 44Radiologische Bildgebung 44Endoskopische Bildgebung 55 Indikationen: 44Atypische Symptome 44Komplikationen

Radiologische Bildgebung Konventionelle Abdomenübersichtsaufnahme 55 Obsolet, nicht mehr in erster Linie indiziert 55 Ermöglicht Ausschluss eines Ileus; keine Information über Ätiologie

29 2.2 · Erkrankungen des Dünndarms

55 Ileuszeichen: 44Dilatierte Dünndarmschlingen (mit/ohne Kolondilatation) 44Multiple Luft-Flüssigkeits-Spiegel 55 Lokalisation der Ileushöhe (proximal vs. distal)

CT-Untersuchung mit Kontrastmittel 55 Goldstandard bei V. a. Dünndarmerkrankung/Ileus 55 Vorteile: 44Lokalisation der befallenen Segmente 44Identifikation der Ätiologie (extra- oder intraluminale Läsion) 44Identifikation von Komplikationen: Ileus, Darmischämie (Pneumatosis intestinalis, “portal venous gas”), Darmnekrose 55 Staging-Untersuchung (TNM) im Falle eines bösartigen Tumors

Kolonkontrasteinlauf 55 Obsolet wegen mangelnder Aussagekraft 55 Kontraindiziert wegen Risiko bei Perforation und wenn Chirurgie indiziert

CT-Enterografie/MRT-Enterografie 55 Hohe Sensitivität und Spezifizität bei Diagnose der Dünndarmerkrankungen (insbesondere bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen) 55 Prinzip: 44Dünndarmdistension (durch orale Aufnahme von 1–2 l Präparation 1 h vor Untersuchung) 44i.v.-Kontrastmittel

Abdomensonografie 55 Kein großer Einsatz bei Dünndarmdiagnostik 55 Ausnahme: Darmultraschall mit Kontrastmittel (chronisch entzündliche Darmerkrankungen)

Endoskopische Bildgebung Koloskopie/Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) 55 Sehr nützlich für CED (chronisch-entzündliche Darmerkrankungen): 44Darstellung der aphtösen Ulzerationen 44Kopfsteinpflasterartiges Mukosamuster 44Diskontinuität der betroffenen Segmente 55 Im Rahmen der atypischen/malignen Läsionen: Ideal zur bioptischen Sicherung

Doppel-Ballon-Endoskopie 55 Zugang zum größten Teil des Dünndarmes möglich 55 Biopsie einer Läsion möglich (insbesondere nach Darstellung in radiologischer Bildgebung)

Kapselendoskopie 55 Relativ neue Methode der Untersuchung der Dünndarmmukosa 55 Anwendung erst nach Ausschluss einer Stenose/ Obstruktion (CT) 55 Spezielle Software zur Bildanalyse (automatisierte Analyse der Anomalien) 55 Neue Kapselgeneration: Integriertes Biopsiesystem 2.2.3

Morbus Crohn

Pathophysiologie 55 Benigne Dünndarmläsion (meist Dünndarm und Kolon) 55 Chronische transmurale Entzündung des Darmtraktes (betroffene Segmente vom Mund bis Anus möglich) 55 Unbekannte Ätiologie 55 Pathogenese: 2 Hypothesen: 44Primäre Dysregulation des mukosalen Immunsystems: Exzessive immunologische Antwort gegen normale Mikroflora; als Konsequenzen: 44Änderung in der Darmmikroflora oder unterbrochene epitheliale Barrierefunktion: Pathologische Antwort des normalen mukosalen Immunsystems 55 Auslösende/favorisierende Faktoren: 44Infektionen (Mycobacterium paratuberculosis) 44Immunologische Reaktionen (humoral und zellulär) 44Genetische Defekte (IBD1 locus) 44Umweltfaktoren 44Diätetische Faktoren 44Rauchen

Diagnostik 55 Klinischer Verdacht 55 Laborchemie: Orientierend, serologische Marker: Perinukleäre antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (p-ANCA) und Anti-Saccharomycescerevisiae-Antikörper (ASCA) 44Atypische p-ANCA: bei Patienten mit CED, insbesondere Colitis ulcerosa 44Atypische p-ANCA + ASCA zur Differenzialdiagnose Colitis ulcerosa (p-ANCA +) vs. Morbus Crohn (ASCA +) 44Atypische p-ANCA + ASCA prognostische Aussage zur Entwicklung CED 55 Bildgebung: zur Bestätigung der Diagnose durch 44CT: Typisch = transmurale Darmwandverdickung; Darstellung der extraintestinalen Komplikationen 44Endoskopie: Typisch = aphtöse Ulzerationen mit Granulationen; umgebende Mukosa normal;

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Kapitel 2 · Dünndarm und Appendix

Biopsie: Granulome mit Langerhans-Riesenzellen; systematische Exploration des Ileums

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Differenzialdiagnose (= andere entzündliche Darmerkrankungen) 55 Infektiöse Darmerkrankungen (Yersinia, Campylobacter, Salmonella, Shigella, Tuberculosis, Amöbiasis) 55 Akute Appendizitis 55 Bei CED: Spontane Symptombesserung 55 Wenn Symptome während Chirurgie: Keine Resektion, keine Biopsie (außer Notfallindikationen: Abszess, Perforation) 2.2.4

Dünndarmneoplasien

Epidemiologie 55 Seltene + insidiöse Tumoren = Diagnostik schwierig 55 Notwendigkeit hoher Verdachtsgrad Dünndarm = 80 % des GI-Traktes, 90 % der Mukosaoberfläche; Dünndarmtumoren = selten (1–2 % der malignen GI-Tumoren).

55 Häufig späte Diagnose (fortgeschrittenes Stadium) = schlechte Prognose

Diagnostik 55 Diagnostik durch kombinierte Bildgebungsmodalitäten 55 Flexible Endoskopie: Für Läsionen im Duodenum + terminalen Ileum 55 Doppel-Ballon-Endoskopie: Für Mittelteil des Dünndarmes 55 Kapselendoskopie: Kontraindiziert für maligne Läsionen mit Strikturen 55 CT: 44Zur Detektion extraluminaler gastrointestinaler Stromatumoren (GIST) 44Zum Staging maligner Tumoren (mesenteriale Lymphknoten, Leberbeteiligung, Bauchwandinfiltration) 44Sehr sensitiv (90 % diagnostische Sicherheit) 55 Somatostatinrezeptor-Szintigrafie: Höhere Sensitivität in der Lokalisation und Extensionsbilanz dieser Tumoren 55 Intestinale MRT wird zunehmend benutzt 55 Trotz Bildgebungsmodalitäten Diagnosestellung meist während elektiver oder Notfallchirurgie (z. B. Karzinoidtumoren)

Histologische Einteilung 55 GIST = häufigster Tumor im Dünndarm (meist asymptomatisch) 55 Adenome = häufigster benigner Tumor in Autopsieserien 55 Benigne Tumoren = Mehrzahl der Dünndarmneoplasien

Adenome 55 15 % aller Dünndarmtumoren 55 Inzidenz in Ileum, Jejunum, Duodenum = 50, 30, 20 % 55 Symptome (wenn symptomatisch): Obstruktion, Blutung 55 Klassifikation: 44Wahre Adenome 44Villöse Adenome: Meist im Duodenum, evtl. mit FAP (familiärer adenomatöser Polyposis) verbunden; mögliche Malignität 44Brunner-Drüsen-Adenome: Hyperplastische Läsionen im proximalen Duodenum; können peptisches Ulkus hervorrufen; nicht maligne = endoskopische Behandlung

Hamartome 55 Teil des Peutz-Jeghers-Syndroms 55 Vererbares dominantes Muster mit hoher Penetranz 55 Mukokutane melanotische Pigmentation + gastrointestinale Polypen 55 Kleine Läsionen (1–2 mm), braun-schwarz, in der zirkumoralen Region des Gesichtes, der Mundmukosa, der Unterarme, der Handfläche, plantar, der Finger und der perianalen Region 55 Komplettes Jejunum + Ileum betroffen; seltener Rektum, Kolon, Magen 55 Klinik: Bauchkoliken (intermittierende Invagination); Blutungen seltener

Hämangiome 55 Submukosale Gefäßproliferation 44Meistens im Jejunum 55 3–4 % der benignen Dünndarmtumoren; multiple in 60 % der Fälle 55 evtl. Teil der Osler-Weber-Rendu-Krankheit oder Turner-Syndrom 55 Symptome: Oft Blutungen 55 Therapie: Limitierte Resektion ausreichend

Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) 55 Häufigste mesenchymale Tumoren des GI-Traktes 55 Pathogenese: 44GIST-Zelle: Entwicklung von Prekursorzelle der Cajal-Zelle (myenterischer Plexus)

31 2.2 · Erkrankungen des Dünndarms

44Aktivierende Mutation des KIT-Proteinkinase-

rezeptors (CD117) oder Platelet-derived-growthfactor-Rezeptor α (PDGFRA) 44Expression von CD117 und CD34 55 Benigne/maligne GIST = 3–4/1 55 Lokalisation: Im gesamten GI-Trakt; häufiger: Magen, Dünndarm 55 Symptome: 44Intramurales Wachstum: Obstruktion (Ileus) 44Extramurales Wachstum: Größere Masse, Blutungen 55 Rezidivrisiko: Mitoseindex >2/50 “high-power fields” = erhöhtes Lokalrezidivrisiko 55 Maligne GIST: 4420 % der malignen Dünndarmtumoren 44Häufiger im Jejunum und Ileum 44Meist >5 cm Durchmesser bei Diagnose 44Ursprung = Muscularis propria: Extramurales Wachstum 44Symptome = Obstruktion, Blutung, Perforation (durch hämorrhagische Nekrose) 44Metastasierung: Hämatogen: Leber, Lunge, Knochen; lymphatisch = selten 55 Prognose abhängig von: 44Tumorgröße 44Mitoseindex 44Invasion der Lamina propria

Adenokarzinome 55 50 % der maligne Dünndarmtumoren 55 Lokalisation: Meist Duodenum + proximales Jejunum 55 Risikofaktoren: 44FAP 44“hereditary non-polyposis colorectal cancer” (HNPCC) 44Peutz-Jeghers Syndrom 44Morbus Crohn 44Glutenunverträglichkeitsenteropathien 44Biliäre Diversionen 44Rauchen 44Alkoholkonsum (>80 g/dl Äthanol) 44Genuss von rotem Fleisch oder im Salz aufbewahrtem Essen 55 Prognose abhängig von: 44Stadium der Erkrankung 44Zeitpunkt der Diagnosestellung: Meist spät

Lymphome 55 Manifestation: Primäre Läsion oder Teil einer systemischen Erkrankung 55 Läsion oft im Ileum

55 Oft verbunden mit zöliakaler Krankheit eines Immunodefizienzstatus 55 Läsionen meist groß (>5 cm) mit Infiltration der Darmwand 55 Symptome: 44Schmerzen 44Gewichtsverlust 44Übelkeit, Erbrechen 44Änderungen in den Darmgewohnheiten 55 Komplikationen: 44Perforation: Häufig (25 % der Fälle) 44Fieber = Zeichen der systemischen Beteiligung

Karzinoidtumoren 55 Pathophysiologie: 44Karzinoid = Teil der neuroendokrinen Tumoren (NET) 44Tumorzellen (= multipotente Zellen) kommen von enterochromaffinen Zellen (Lieberkühn-Krypten des Dünndarmes) 44Tumorzellen können Substanzen produzieren (abhängig von Ursprungsort der Zellen): Serotonin, P-Substanz etc. 44Größenwachstum = sehr langsam 44Nach Serosainvasion: Heftige desmoplastische Reaktion, mesenterische Fibrose, intestinales Kinking und intermittierende Obstruktionen 55 Tumorlokalisation (in abnehmender Frequenz): 44Appendix (häufigste Lokalisation) 45 % 44Dünndarm (zweithäufigste Lokalisation, insbesondere die letzten 60 cm des Ileums): Ileum 28 % 44Rektum 16 % 44Karzinoide meist multizentrisch im Dünndarm 44Oft Koexistenz mit einem anderen Malignom eines anderen Types (Kolonadenokarzinom) oder mit einer multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN1) 55 Malignität: 44Karzinoide des Ileums/Jejunums = höhere Malignität als Karzinoide der Appendix 44Malignitätspotenzial verbunden mit: Tumorlokalisation, Tumorgröße, Invasion, Wachstumstyp 44Karzinoide 2 cm: Metastasen in 50, 80 und 90 % der Fälle 55 Prognose: 44Karzinoid = beste Prognose aller malignen Dünndarmtumoren 445-Jahre-Überlebensrate = 65 % (bei Patienten mit regionaler Erkrankung), 35 % (bei Patienten mit Fernmetastasierung)

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Kapitel 2 · Dünndarm und Appendix

55 Klinik: 4470–80 % der Patienten = asymptomatisch; Karzinoid = Zufallsbefund 44Obstruktion: In Verbindung mit Invagination durch Tumor 55 Karzinoidsyndrom: 44Nur bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten 44Klinik: Episodische Attacken von kutanem Flushing, Bronchospasmus, Diarrhö und vasomotorischem Kollaps 55 Therapie: 44Erweiterte Metastasierung: Palliative Resektion (weil langsam wachsende Tumoren) 44NET des Mitteldarmes (hohe Rezidivrate): Langes Follow-up, mindestens 7 Jahre

Metastatische Läsionen 55 Häufiger als primäre Tumoren 55 Meist von intraabdominellen Primärtumoren 55 Dünndarmbeteiligung: 44Durch direkte Extension 44Durch peritoneale Metastasierung 55 Metastasen von extraabdominellen Tumoren selten (Mammakarzinome, Bronchialkarzinome, Hautmelanome) 2.2.5

Andere Dünndarmerkrankungen

Divertikel und Meckel-Divertikel 55 Dünndarmdivertikel = häufiges Vorkommen 55 Selten symptomatisch = meist keine Indikation zur Operation 55 Wahres Divertikel (kongenital): Divertikel bestehend aus allen Wandschichten

Duodenumdivertikel 55 Zweithäufigste Divertikellokalisation nach Kolon 55 Meist periampullär (2-cm-Radius um die Ampulla Vateri) 55 Meist ausgehend von medialer Duodenumwand 55 Meist asymptomatisch; Diagnose während Endoskopie oder Bildgebung 55 Komplikationen: 44Verschluss Ductus choledochus/Ductus pancreaticus 44Blutung 44Perforation 44Blind-loop-Syndrom 55 Therapie: 44Asymptomatisch/Zufallsbefund: Keine Therapie 44Chirurgische Behandlung in weniger als 5 % der Fälle

Jejunum- und Ileumdivertikel 55 Seltener, meist falsche Divertikel 55 Meist multiple, von mesenterialer Seite des Darmes protrudierend 55 Symptomatik (meist chronsich): 44Unklare Bauchschmerzen 44Malabsorption 44Funktionelle Pseudoobstruktion 44Low-grade-Blutung 55 Komplikationen: 44Divertikulitis 44Perforation 44Abszess 44Blutung 44Obstruktion/Ileus 55 Therapie: 44Wenn asymptomatisch/Zufallsbefund: Keine Therapie 44Bei Komplikation: Resektion + primäre Anastomose

Meckel-Divertikel 55 Häufigste kongenitale Dünndarmanomalie 55 Lokalisiert antimesenteriale Seite des Ileums, 45–60 cm proximal der ileozäkalen Klappe 55 Meist Zufallsbefund 55 Pathophysiologie 44Ursprung = inkompletter Verschluss des Ductus omphalomesentericus 44Zellen des Ductus omphaloentericus = pluripotent; Meckel-Divertikel oft mit heterotopem Gewebe: Magen-, Kolon-, Pankreasmukosa 55 Klinik: 44Blutung (häufigste Präsentationsform) 44Obstruktion/Ileus 44Volvulus oder Invagination 44Inkarzeration 44Divertikulitis 55 Therapie (symptomatisches Meckel-Divertikel) = Chirurgie (meist laparoskopisch): 44Meckel-Divertikel-Resektion 44Dünndarmsegmentresektion des divertikeltragenden Segmentes

Ulzerationen und Fisteln Ulzerationen 55 Selten 55 Meist verbunden mit Morbus Crohn, Typhus, Tuberkulose, Lymphome, Läsionen eines Gastrinoms 55 Medikamentösinduzierte Ulzerationen: Beschichtete KCl-Tabletten, Kortikosteroide,

33 2.2 · Erkrankungen des Dünndarms

NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika, Ulzerationen meist im Ileum) 55 Therapie (wenn notwendig) = Dünndarmsegmentresektion + Anastomose

Enterokutane Fisteln 55 Ätiologie: 44Meist iatrogen 44Nachbarabszesse 44Traumata 44Selten spontan (dann im Rahmen eines Morbus Crohn) 55 Risikofaktoren/Prädisposition: 44Bestrahlung in der Anamnese 44Intestinale Obstruktion 44CED 44Mesenteriale Gefäßerkrankung 44Intraabdominelle Sepsis 55 Klinik: 44Generalisierte Peritonitis: Selten 44Einteilung: In Bezug auf Lokalisation und OutputVolumen (High- vs. Low-Output) 44High-Output-Fistel, wenn Output ≥500 ml/24 h 44Proximale Fisteln: Ernsteres Problem wegen höherem Output, Elektrolytverlust, Malabsorption (distales Segment ausgeschaltet) 55 Schlechte Prognosefaktoren (= keine Spontanheilung): 44High-Output 44Schwere Unterbrechung der intestinalen Kontinuität (>50 % der Zirkumferenz) 44Aktive CED 44Bösartige Erkrankung 44Betrahlungsenteritis 44Distale Obstruktion 44Undrainierter Abszess 44Kurzer Fisteltrakt (11,5×103/mm3 55 Erhöhtes CRP Bei dem Fehlen von einem dieser 2 Zeichen ist eine Appendizitis wenig wahrscheinlich. Hier sollte die Überwachung fortgeführt werden (zur Prophylaxe einer unnötigen Operation).

Bildgebung 55 Notwendig, um Diagnose zu sichern (Prävention einer unnötigen Operation) 55 Notwendig im Falle einer unsicheren Diagnose

37 2.4 · Erkrankungen der Appendix

Ultraschall (US) 55 Sensitivität = ca. 85 %; Spezifizität >90 % 55 Zeichen der akuten Appendizitis: 44Anteroposteriorer Durchmesser der Appendix ≥7 mm 44Dickwandige Appendix 44Nichtkompressible luminale Struktur 44Kokardenzeichen: Zielscheibe im transversalen Schnitt der Appendix 44Appendikolith

Computertomografie (CT) 55 Standard Bildgebung bei akuter Appendizitis 44Sensitivität = 90 %, Spezifizität = 80 % 44Negative Appendektomie nach CT = Rate Risiko für Entfernung einer normalen Appendix 55 Seit 1894 Standard = offene Appendektomie (McBurneyInzision) 55 Seit ca. 20  Jahren Standard = Minimalinvasive Appendektomie (auch bei komplizierter Appendizitis)

Vorteile des minimalinvasiven Vorgehens 44 Weniger postoperative Schmerzen, kürzerer Krankenhausaufenthalt, schnelle Genesung, niedrige Komplikationsrate, geringere Wiederaufnahmerate, bessere Lebensqualität 44 Bei perforierter Appendizitis: Weniger Wundinfektionen 44 Diagnostische Appendektomie: Nützlich bei unsicherer Diagnose 44 Konversion laparoskopisch offen: Sehr selten

Absetzungstechnik

Retrospektive Studie (Mutter et al. 2013): Konsekutive Serie mit 262 Patienten: 55 Absetzungstechnik 44Endoskopische Ligatur: 207 Fälle (79 %) 44Stapler-Appendektomie: 55 Fälle (21 %) 55 Indikation zur Stapler-Appendektomie gestellt vom Operateur: 44Schwere Entzündung: 38 Fälle (69 %) 44Fragliche Viabilität der Appendixbasis 14 Fälle (25,5 %) 44Nekrose der Appendixbasis 3 Fälle (5,5 %) Evidenzbasiertes Vorgehen

55 Invertieren des Appendixstumpfes ins Zäkum: Kein Beweis eines Benefits 55 Notwendigkeit der bipolaren Koagulation der Mukosa des Appendixstumpfes (Prävention eines Abszesses durch Sekretion); Risiko der lokalen Nekrose durch monopolaren Elektrostrom und mögliche postoperative Fistel 55 Spülung: Kein Beweis eines Benefits; Risiko der Keimverschleppung (Douglas-Abszess); „Suction only-Strategie“ (nur Absaugen) empfohlen 55 Faszie des 10-mm-Trokars muss adaptiert werden

Offene Appendektomie McBurney-Inzision

55 McBurney-Inzision = konventioneller Zugang 55 Ermöglicht leichten Zugang zur Appendix 55 Limitationen: 44Komplette abdominelle Exploration unmöglich 44Adnexenexploration unmöglich 44Meist übergroße Inzision (entspricht nicht der theoretischen Idealinzision)

39 2.4 · Erkrankungen der Appendix

Medianlaparotomie

55 Indikationen: 44Wenn McBurney insuffizient für adäquate Exploration oder bei sehr entzündeter Appendix 44In Ausnahmefällen bei ernsten intraabdominellen Komplikationen (Notwendigkeit präoperativer Bildgebung) 44Manche dieser Fälle können medikamentös, interventionell oder konservativ behandelt werden

Operatives Vorgehen Offene Appendektomie 55 McBurney-Inzision: Schräge Inzision im rechten unteren Quadranten des Abdomens 55 Distraktion der Muskeln (Prävention der postoperative Hernien) 55 Eröffnung des Peritoneums 55 Lokalisation der Appendix (Taenia des Zäkums folgen) + Vorziehen vor die Bauchdecke; Minimierung Rupturrisiko durch vorsichtiges Manipulieren der entzündeten Gewebe 55 Durchtrennung des Mesenteriolums zwischen Klemmen + Ligatur 55 Skelettieren der Appendixbasis + Ligatur mittels resorbierbarer Fäden 55 Absetzen der Appendix nach Klemmen 55 Bauchdeckenverschluss; keine Drainage empfohlen

Medikamentöse Therapie 55 In 2 Situationen indiziert: 44Unkomplizierte Appendizitis – nur (CT-Nachweis) 44Schwere Komplikationen einer Appendizitis unterstützend

Unkomplizierte Appendizitis 55 Operative Therapie = weiterhin Standard bei komplizierten Appendizitis 55 Evidenzbasiert: 44Effektivität in der Behandlung der unkomplizierten Appendizitis: antibiotisch = operativ 44Notwendigkeit einer adäquaten CT-Diagnostik: Marker der unkomplizierten Appendizitis 44Dauer der Antibiose (z. B. Amoxicillin + Clavulansäure) = 14–21 Tage 44Antibiotikatherapie der unkomplizierten Appendizitis: Belegt durch Studien (Vons et al. 2011, Spirt 2010, Varadhan et al. 2012)

Schwere Komplikationen (dargestellt durch Bildgebung) 55 Perforation: 23–73 % der Fälle 55 Perforation mit Abszess: 10–13 % der Fälle 55 Ziel der medikamentösen Therapie = großen/schwierigen chirurgischen Eingriffe vorzubeugen Therapiestrategie

55 Abszesse >5 cm: Interventionell gesteuerte Drainage 55 Abszesse