Examinatorium. Besitz und Besitzschutz

Besitzschutz PD Dr. Marco Staake Examinatorium Besitz und Besitzschutz 1 Besitzschutz PD Dr. Marco Staake Funktionen des Besitzes Publizitätsfu...
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Besitzschutz

PD Dr. Marco Staake

Examinatorium Besitz und Besitzschutz

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Besitzschutz

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Funktionen des Besitzes Publizitätsfunktion (Rechtsscheinträger)

Erhaltungsfunktion

Selbsthilferecht

gutgläubiger Erwerb

Sukzessionsschutz

(§ 859 BGB)

(§§ 932 ff. BGB)

(z.B. § 566 BGB)

Vermutungswirkung

Ersitzung

(§§ 1006, 1007 BGB)

(§§ 937 ff. BGB)

Schutzfunktion

possessorischer Besitzschutz (§§ 858 ff. BGB)

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Besitzarten

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Unmittelbarer Besitz § 854 BGB – Erwerb des Besitzes (1) Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. (2) Die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerb, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben. § 856 BGB – Beendigung des Besitzes (1) Der Besitz wird dadurch beendigt, dass der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert. (2) Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt.

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Unmittelbarer Besitz § Merkmale - Sachherrschaft § Ausgangspunkt: „tatsächliche Gewalt über die Sache“ §

Aufweichung durch § 856 II BGB

§

Verkehrsauffassung entscheidet - Lehrbuchbeispiel: „Pflug auf dem Feld“

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Unmittelbarer Besitz § Merkmale - Sachherrschaft § 855 BGB – Besitzdiener Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer.

§

Besitzdiener ist nicht Besitzer - Zurechnung zum Besitzherrn („Wirkungsverlagerung“) - keine §§ 861 f. BGB, aber Selbsthilferecht (§ 860 BGB) - „Übergabe“ bei § 929 BGB §

Rechtsfigur des „Geheißerwerbs“ überflüssig

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Unmittelbarer Besitz § Merkmale - Sachherrschaft § Sonderfall: Erbenbesitz Nach dem Tod des kinderlosen E ist ein Erbschein ausgestellt worden, in dem die Ehefrau des Verstorbenen (F) als Erbin ausgewiesen ist. Zum Nachlass gehört auch eine Angelausrüstung. F, der das Hobby ihres Ehemanns immer suspekt war, verkauft und übereignet die Ausrüstung alsbald an den Hobbyangler A. Danach stellt sich heraus, dass E ein wirksames Testament errichtet hatte, in dem er den örtlichen Angelverein „Trübes Wasser e.V.“ als Alleinerben bestimmt hat.

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Unmittelbarer Besitz § Merkmale - Sachherrschaft § Sonderfall: Erbenbesitz - Besitz geht auf den Erben über (§ 857 BGB) - tatsächliche Sachherrschaft nicht erforderlich - Zweck: Schutz des Erben gegen vermeintliche Erben § §

possessorischer Besitzschutz Abhandenkommen (§ 935 BGB) verhindert gutgläubigen Erwerb

§

beachte aber bei Erbschein: § 2366 BGB i.V.m. § 929 ff. BGB (nicht §§ 932 ff., 935 BGB)

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Unmittelbarer Besitz § Merkmale - Besitzwille § natürlicher Wille - daher §§ 104 ff., 119 ff. BGB nicht anwendbar!

§

genereller Wille - Beispiel: Besitzwille des Ladeninhabers umfasst regelmäßig auch verlorene Sache, Individualisierung nicht erforderlich Erwerb und Übertragung nur willentlich möglich

§

Verlust hingegen auch unabhängig vom Willen

§

- davon zu unterscheiden: „Abhandenkommen“ (§ 935 BGB)

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Mittelbarer Besitz

§ 868 BGB – Mittelbarer Besitz Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelbarer Besitz).

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Mittelbarer Besitz § Merkmale - Besitzmittlungsverhältnis (Besitzkonstitut) § Herausgabeanspruch („auf Zeit“) aus … - Gesetz (z.B. GoA) - Vertrag (z.B. Rückgabeanspruch nach Gebrauchsüberlassung, Sicherungsabreden) §

- Hoheitsakt (z.B. Pfändung durch Gerichtsvollzieher) antizipiertes Besitzkonstitut möglich

§

rechtliche Wirksamkeit nicht erforderlich

§

- Herausgabeanspruch kann auch aus § 812 ff. BGB folgen! Verschaffungsanspruch (etwa aus Kaufvertrag) genügt nicht

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Mittelbarer Besitz § Beendigung - Besitzverlust durch unmittelbaren Besitzer - Aufgabe des Besitzmittlungswillens §

unabhängig vom Fortbestehen des Herausgabeanspruchs

§

Kenntnis des mittelbaren Besitzers nicht erforderlich

§ Übertragung § 870 BGB – Übertragung des mittelbaren Besitzes Der mittelbare Besitz kann dadurch auf einen anderen übertragen werden, dass diesem der Anspruch auf Herausgabe der Sache abgetreten wird.

- Kenntnis des unmittelbaren Besitzers nicht erforderlich

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Mittelbarer Besitz § gestufter mittelbarer Besitz § 871 BGB – Mehrstufiger mittelbarer Besitz Steht der mittelbare Besitzer zu einem Dritten in einem Verhältnis der in § 868 bezeichneten Art, so ist auch der Dritte mittelbarer Besitzer.

- Beispiel: Untermiete - Berechtigung nicht entscheidend, sondern tatsächliche Willensrichtung und Bestehen von Herausgabeansprüchen

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Mittelbarer Besitz § Bedeutung - Besitzschutzansprüche auch des mittelbaren Besitzers - Passivlegitimation (= Schuldnerstellung!) bei Herausgabeklage nach § 985 BGB - Übergabesurrogate bei Übereignung nach §§ 930, 931 BGB

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Eigenbesitz vs. Fremdbesitz § Eigenbesitz § 872 BGB – Eigenbesitz Wer eine Sache als ihm gehörend besitzt, ist Eigenbesitzer. - entscheidend ist allein Willensrichtung des Besitzers, nicht die materielle Berechtigung (Eigentum) § auch der Dieb kann Eigenbesitzer sein! § Parallele zur strafrechtlichen Zueignung: „se ut dominum gerere“ - Bedeutung § §1006 BGB: Vermutung gilt nur für Eigenbesitzer § §§ 929 ff. BGB: Erwerber muss Eigenbesitz erhalten § § 937 BGB: Ersitzung nur durch Eigenbesitzer möglich

§ Fremdbesitz: - Anerkennung einer übergeordneten Besitzberechtigung

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Sonstige Besitzarten § statt Alleinbesitz auch möglich ... - Teilbesitz § 865 BGB – Teilbesitz Die Vorschriften der §§ 858 bis 864 gelten auch zugunsten desjenigen, welcher nur einen Teil einer Sache, insbesondere abgesonderte Wohnräume oder andere Räume, besitzt.

§

nicht: Wohnungen i.S.d. WEG

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Sonstige Besitzarten § statt Alleinbesitz auch möglich ... - Mitbesitz: § 866 BGB § 866 BGB – Mitbesitz Besitzen mehrere eine Sache gemeinschaftlich, so findet in ihrem Verhältnis zueinander ein Besitzschutz insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des den einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt.

§ §

schlicht: jeder Mitbesitzer allein qualifiziert/kollektiv: mehrere Mitbesitzer nur gemeinschaftlich

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Sonstige Besitzarten § Organbesitz - bei juristischen Personen - bei rechtsfähigen Personengesellschaften (vgl. § 14 BGB!)

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Besitzschutz § Unterscheide: §

(§§ 859 f. BGB) Ausnahme vom staatlichen Gewaltmonopol („Faustrecht“) (§§ 861 ff. BGB)

§ §

klageweise geltend zu machen „possessorisch“, da grds. nur auf Beeinträchtigung des Besitzes abzustellen ist und nicht auf Berechtigung

§ zentraler Prüfungspunkt jeweils: (§ 858 BGB)

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Verbotene Eigenmacht

§ 858 BGB – Verbotene Eigenmacht (1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht). (2) Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muss der Nachfolger im Besitz gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerb kennt.

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Verbotene Eigenmacht § Voraussetzungen - Besitzentziehung oder Besitzstörung - ohne den (natürlichen) Willen des Besitzers §

nicht zwingend: „gegen“

§

nicht gegeben bei Einverständnis

- widerrechtlich §

wichtig: Herausgabeanspruch genügt nicht

§

erforderlich ist vielmehr gesetzliche Gestattung der Entziehung/Störung als solcher - Notstand (§§ 228, 904 BGB) - Selbsthilfe (§ 229 BGB) - Vermieter-/Verpächterpfandrecht (§§ 562b I, 581 II BGB) - Überhang: Abschneiden von Zweigen und Wurzeln (§ 910 BGB) - Bienenschwarm: Betreten fremder Grundstücke (§ 962 BGB) 21

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Verbotene Eigenmacht § Rechtsfolge: - fehlerhafter Besitz (vgl. § 858 II BGB) … § des Eigenmächtigen §

des Erbens

des (sonstigen) Rechtsnachfolgers, der bei Besitzerwerb Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit hatte, also von verbotener Eigenmacht wusste - Tatbestandsvoraussetzung für Besitzschutzrechte und -ansprüche §

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Verbotene Eigenmacht § (fast) aktuelles Problem: - Versorgungsperre durch Vermieter als verbotenen Eigenmacht gegenüber Mieter? §

siehe hierzu: BGHZ 180, 300 = JuS 2009, 866

3. Leitsatz: Die Einstellung oder Unterbrechung der Versorgung mit Heizenergie durch den Vermieter ist keine Besitzstörung gemäß §§ 858, 862 BGB hinsichtlich der Mieträume.

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Verbotene Eigenmacht Die zur Nutzung des Mietobjekts erforderlichen Energielieferungen sind nicht Bestandteil des Besitzes und können daher auch nicht Gegenstand des Besitzschutzes nach §§ 858 ff. BGB sein. […] Eine verbotene Eigenmacht nach §§ 858, 862 BGB setzt daher voraus, dass in die tatsächliche Sachherrschaft eingegriffen worden ist. Ein Eingriff liegt nur vor, wenn der Besitzer in dem Bestand seiner tatsächlichen Sachherrschaft beeinträchtigt wird. Beim Besitz von Räumen liegt ein Eingriff etwa dann vor, wenn der Zugang des Besitzers zu den Räumen erschwert oder vereitelt wird oder wenn in anderer Form in einer den Besitzer behindernden Weise auf die Mieträume eingewirkt wird […] Die Einstellung der Versorgungsleistungen beeinträchtigt weder den Zugriff des Besitzers auf die Mieträume, noch schränkt sie die sich aus dem bloßen Besitz ergebende Nutzungsmöglichkeit ein […]. Versorgungsleistungen führen vielmehr dazu, dass die im Besitz liegende Gebrauchsmöglichkeit erweitert wird. Die Gewährleistung der Versorgungsleistungen kann sich demnach allein aus dem ihnen zugrunde liegenden Vertragsverhältnis ergeben. Der Besitzschutz nach §§ 858 ff. BGB gewährt dagegen nur Abwehrrechte und keine Leistungsansprüche. 24

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Selbsthilfe (1) (2) (3) (4)

§ 859 BGB – Selbsthilfe des Besitzers Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittels verbotener Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter mit Gewalt wieder abnehmen. Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Täters wieder bemächtigen. Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen denjenigen zu, welcher nach § 858 Abs. 2 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen muss.

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Selbsthilfe § Spielarten § § § §

(§ 859 I BGB) besonderer Fall der Notwehr (§ 227 I BGB) gerichtet auf Verhinderung der Besitzstörung (§ 859 II und III BGB) geht über Notwehr hinaus – „Gegenangriff“ des im Besitz Gestörten gerichtet auf Wiedererlangung des Besitzes

§ Eingriffsbefugnis und Rechtfertigungsgrund § Berechtigter? - unmittelbarer Besitzer (+) - mittelbarer Besitzer (-), da § 869 BGB nicht auf § 859 BGB verweist (str.) - Besitzdiener (+) gemäß § 860 BGB

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Fall: Fahrraddiebstahl Zu seinem großen Ärger hat man dem Studenten F sein neues Fahrrad gestohlen. Als Fußgänger wider Willen steht er einige Tage nach der Entwendung an der roten Fußgängerampel, als neben ihm ein Fahrradfahrer hält. F erkennt das Fahrrad zweifelsfrei als seines. Darf F das Fahrrad an sich nehmen?

§ Selbsthilferecht aus § 859 BGB? - Besitzwehr (Abs. 1) § (-), da Besitzentziehung bereits vollendet

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Fall: Fahrraddiebstahl Zu seinem großen Ärger hat man dem Studenten F sein neues Fahrrad gestohlen. Als Fußgänger wider Willen steht er einige Tage nach der Entwendung an der roten Fußgängerampel, als neben ihm ein Fahrradfahrer hält. F erkennt das Fahrrad zweifelsfrei als seines. Darf F das Fahrrad an sich nehmen?

§ Selbsthilferecht aus § 859 BGB? - Besitzkehr (Abs. 2)? § Verbotene Eigenmacht - Besitzentziehung (+) - ohne den Willen des Besitzers (+) - widerrechtlich (+) §

Täter auf „frischer Tat“ betroffen oder verfolgt - (-), mehrere Tage sind jedenfalls zu viel 28

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Fall: Fahrraddiebstahl Zu seinem großen Ärger hat man dem Studenten F sein neues Fahrrad gestohlen. Als Fußgänger wider Willen steht er einige Tage nach der Entwendung an der roten Fußgängerampel, als neben ihm ein Fahrradfahrer hält. F erkennt das Fahrrad zweifelsfrei als seines. Darf F das Fahrrad an sich nehmen?

§ Selbsthilferecht aus § 859 BGB? (-) - Folge: A würde selbst verbotene Eigenmacht verüben (auch gegenüber dem Dieb möglich!), sofern nicht Gesetz die Selbsthilfe anderweitig gestattet - Sind andere Selbsthilferechte bekannt?

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Selbsthilfe § 229 BGB – Selbsthilfe Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.

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Fall: Fahrraddiebstahl Zu seinem großen Ärger hat man dem Studenten F sein neues Fahrrad gestohlen. Als Fußgänger wider Willen steht er einige Tage nach der Entwendung an der roten Fußgängerampel, als neben ihm ein Fahrradfahrer hält. F erkennt das Fahrrad zweifelsfrei als seines. Darf F das Fahrrad an sich nehmen?

§ Selbsthilferecht aus § 229 BGB? - Anspruch § hier (+): Herausgabeanspruch aus § 985 BGB - obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen § gerichtliche Hilfe (-), da Person dem F unbekannt § polizeiliche Hilfe (-), da für F nicht greifbar - anderenfalls: nur Festhalten gerechtfertigt, bis Polizei vor Ort ist - drohende Anspruchsvereitelung (+) 31

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Fall: Fahrraddiebstahl Zu seinem großen Ärger hat man dem Studenten F sein neues Fahrrad gestohlen. Als Fußgänger wider Willen steht er einige Tage nach der Entwendung an der roten Fußgängerampel, als neben ihm ein Fahrradfahrer hält. F erkennt das Fahrrad zweifelsfrei als seines. Darf F das Fahrrad an sich nehmen?

§ Ergebnis: - F darf Fahrrad an sich nehmen, da Selbsthilferecht gemäß § 229 BGB besteht - hiergegen kann sich der Fahrradfahrer nicht gemäß § 859 BGB wehren, da die Wegnahme durch F keine verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) darstellt §

Grund: Merkmal „widerrechtlich“ ist nicht erfüllt

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Besitzschutzansprüche § 861 BGB – Anspruch wegen Besitzentziehung (1) Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen, so kann dieser die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. (2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft war und in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist. § 862 BGB – Anspruch wegen Besitzstörung (1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen. (2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist. 33

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Besitzschutzansprüche § Voraussetzungen - Besitzstörung oder -entziehung - durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) - kein Ausschluss nach Abs. 2 § §

entzogener/gestörter Besitz seinerseits fehlerhaft und im letzten Jahr erlangt

§ Rechtsfolge - Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes bzw. Beendigung der Besitzstörung Anspruchsgegner: jeder, der fehlerhaft besitzt (insbes. Rechtsnachfolger nach § 858 II BGB!) - bei Besitzstörung zudem ggf. Unterlassungsanspruch §

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Besitzschutzansprüche § Einwendungen § 863 BGB – Einwendungen des Entziehers oder Störers Gegenüber den in den §§ 861, 862 bestimmten Ansprüchen kann ein Recht zum Besitz oder zur Vornahme der störenden Handlung nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, dass die Entziehung oder die Störung des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei.

- Gegner kann sich nur darauf berufen, dass ihm ein Selbsthilferecht zusteht! § Besitzrecht, Herausgabeanspruch etc. unbeachtlich § Telos: Rechtsfriede, kein Faustrecht - daher: einfache und schnelle prozessuale Durchsetzung, i.d.R. nach §§ 935 ff. ZPO

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Besitzschutzansprüche § Erlöschen § 864 BGB – Erlöschen der Besitzansprüche (1) Ein nach den §§ 861, 862 begründeter Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn nicht vorher der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht wird. (2) Das Erlöschen tritt auch dann ein, wenn nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Täter ein Recht an der Sache zusteht, vermöge dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstands verlangen kann.

- Problem: Widerklage §

§ 864 II BGB (+), wenn Klage und Widerklage gleichzeitig entscheidungsreif sind

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Fall: Streit in der Familie

Vater und erwachsener Sohn leben gemeinsam in einem Haus und sie beschließen, ihre Beweglichkeit durch Anschaffung eines PKW zu erhöhen. Nachdem ein PKW angeschafft ist und sie ihn abwechselnd nutzen, kommt es darüber zwischen beiden zum Streit. Eine der Auseinandersetzungen endet damit, dass der Sohn auszieht, und zwar unter Mitnahme des Fahrzeugs. Damit ist der Vater nicht einverstanden. Er will das Fahrzeug zurückhaben, zumindest will er den vorherigen Status der Mitbenutzung wiederherstellen. Nach reiflicher Überlegung konsultiert er einen Anwalt, um seine Rechte schnellstmöglich durchzusetzen. Wie sollte der Anwalt vorgehen?

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Fall: Streit in der Familie § Eigentum als Grundlage von Ansprüchen - insbesondere: Herausgabeanspruch nach §§ 985, 986 BGB? - Problem: Vater als Alleineigentümer? §

mglw. ist Miteigentum durch gemeinsamen Erwerb

§ §

abhängig von konkreten Umständen des Erwerbs bei Bestreiten des Sohnes: Beweislast des Vater - Beweisaufnahme ist zeitaufwändig - Unsicherheit hinsichtlich des Ergebnisses

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Fall: Streit in der Familie § Besitz als Grundlage von Ansprüchen - Besitzschutz bei Mitbesitz? § gegenüber Dritten (+) §

gegenüber Mitbesitzern?

§ 866 BGB – Mitbesitz Besitzen mehrere eine Sache gemeinschaftlich, so findet in ihrem Verhältnis zueinander ein Besitzschutz insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des den einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt.

- bei Streitigkeiten über Gebrauch (-) - bei Besitzentziehung (+)

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Fall: Streit in der Familie § Besitz als Grundlage von Ansprüchen - Anspruch aus § 861 BGB? § Besitzentziehung durch Sohn (+) § durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) § kein Ausschluss nach Abs. 2 (+) - Verteidigung des Sohnes: Stellung als Alleineigentümer oder Recht zum Besitz? § grds. (-) wegen § 863 BGB § Ausnahme: rechtskräftige Feststellung eines „Rechts an der Sache, vermöge dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstands verlangen kann“ (§ 864 II BGB) - Gleichzeitigkeit (soll über Wortlaut hinaus) genügen - Widerklage (§§ 33, 145 ZPO) zulässig, aber possessorische Ansprüche i.d.R. eher entscheidungsreif 40

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kursorisch: § 1007 BGB § 1007 BGB – Ansprüche des früheren Besitzers, Ausschluss bei Kenntnis (1) Wer eine bewegliche Sache im Besitz gehabt hat, kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, wenn dieser bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war. (2) Ist die Sache dem früheren Besitzer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen, so kann er die Herausgabe auch von einem gutgläubigen Besitzer verlangen, es sei denn, dass dieser Eigentümer der Sache ist oder die Sache ihm vor der Besitzzeit des früheren Besitzers abhanden gekommen war. Auf Geld und Inhaberpapiere findet diese Vorschrift keine Anwendung. (3) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Besitzer bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war oder wenn er den Besitz aufgegeben hat. Im Übrigen finden die Vorschriften der §§ 986 bis 1003 entsprechende Anwendung.

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kursorisch: § 1007 BGB § petitorischer Besitzschutz nach § 1007 BGB: - Herausgabeanspruch des früheren Besitzers gegen gegenwärtigen Besitzer - Abs. 1 und 2 als eigenständige AGL - Ausschlussgründe in Abs. 3 gelten für beide AGL § insbes. durch Verweis auf § 986 BGB Recht zum Besitz beachtlich! § z.T. aber bereits in Tatbestandsvoraussetzungen zu berücksichtigen

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Fall: Falschparker

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Fall: Falschparker

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 677, 683, 670 BGB - Voraussetzungen: echte GoA § Geschäftsbesorgungen - weit zu verstehen à rechtliche oder tatsächlichen Handlungen - beachte jüngst BGH NJW 2015, 2880: nicht Gefälligkeiten des täglichen Lebens (hier nicht relevant) § kritisch dazu: Staake, JURA 2016, 651

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 677, 683, 670 BGB - Voraussetzungen: echte GoA § Fremdheit - fremd ist ein Geschäft jedenfalls dann, wenn es nach seinem Inhalt in den Rechts- oder Interessenkreis eines anderen eingreift - hier: Entfernung eines den Privatparkplatz blockierenden Pkw durch den Grundstücksbesitzer à objektiv Geschäft des Fahrers und des Halters, da beide zur Beseitigung der Störung verpflichtet sind. - E hat daher ein fremdes Geschäft geführt, indem er den Pkw abschleppen ließ - Problem: Abschleppen lag auch im (eigenen) Interesse des E - Lösung: „auch-fremdes Geschäft“

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 677, 683, 670 BGB - Voraussetzungen: echte GoA § Fremdgeschäftsführungswille - Handeln im Bewusstsein und mit Willen, ein fremdes Geschäft auszuführen à beim objektiv-fremden Geschäft widerleglich vermutet - Problem: Was gilt beim auch-fremden Geschäft? § verbreitete Auffassung: ebenfalls widerlegliche Vermutung à demnach wäre Fremdgeschäftsführungswillen des E zu bejahen § (vorzugswürdige) Gegenauffassung: keine Vermutung - anderenfalls werden Merkmal „für einen anderen“ ausgehöhlt und GoA zu einem allgemeinen Regressinstitut - Platz für die Vermutung sei nur dann, wenn der altruistische Charakter der Tätigkeit ersichtlich im Vordergrund steht - je nach Auffassung (+) oder (-) 47

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 677, 683, 670 BGB - Voraussetzungen: berechtigte GoA (§ 683 BGB) § Übernahme der Geschäftsführung entsprach dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn § Interesse à objektive Nützlichkeit (+) § §

Wille des E à subjektiv (-) Problem: - Verhältnis Interesse/Wille à Wille geht grds. vor - Ausnahme: § 679 BGB

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 677, 683, 670 BGB - Voraussetzungen: berechtigte GoA (§ 683 BGB) § Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens nach § 679 BGB? - Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt à hier: Wegfahren und Beendigung der Besitzstörung - grundsätzlich besteht ein öffentliches Interesse an der Wahrung der Rechtsordnung - aber: § 679 BGB setzt jedoch ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Wahrung der Rechtspflichten voraus à Erfüllung muss zur Vermeidung der Gefährdung dringender, konkreter öffentlicher Interessen nötig sein

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 677, 683, 670 BGB - Voraussetzungen: berechtigte GoA (§ 683 BGB) § Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens nach § 689 BGB? - hier: Parkplatz war fast leer, so dass das von F abgestellte Fahrzeug weder E selbst behinderte noch Kunden der Einkaufsmärkte daran hinderte, ihre Fahrzeuge abzustellen - daher drohte keine Beeinträchtigung weitere Rechtsgüter des E oder der Allgemeinheit - daher kein besonderes öffentlichen Interesse - § 679 BGB ist nicht einschlägig à entgegenstehender Wille des E daher beachtlich - Ergebnis: kein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 677, 683, 670 BGB - ganz anders aber BGH NJW 2016, 2407 Leitsatz: Wird ein Fahrzeug, das unbefugt auf einem Privatgrundstück in verbotener Eigenmacht abgestellt wird, im Auftrag des Grundstücksbesitzers im Wege der berechtigten Selbsthilfe entfernt, entspricht dies dem objektiven Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Fahrzeughalters. Er ist deshalb nach den Grundsätzen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ersatz der für die Entfernung erforderlichen Aufwendungen verpflichtet

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BGH NJW 2016, 2407 § AGL: §§ 677, 683, 670 BGB

Die Übernahme einer Geschäftsführung liegt dann im Interesse des - ganz anders aber NJW 2016, 2407 und nützlich ist (...) Nach der Geschäftsherrn, wenn sie BGH ihm objektiv vorteilhaft ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt die Tilgung einer einredefreien Schuld grundsätzlich als vorteilhaft und damit als interessegemäß (...) Entsprechendes gilt, wenn ein Grundstückseigentümer eine Eigentumsbeeinträchtigung selbst beseitigt. Der Störer wird von der ihm gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB obliegenden Pflicht frei, so dass die Übernahme des Geschäfts auch in seinem objektiven Interesse liegt (...). Der Umstand, dass der Geschäftsherr Aufwendungsersatz schuldet, kann naturgemäß seinem Interesse nicht schon von vornherein und generell entgegenstehen, weil § 683 BGB sonst nie erfüllt wäre (...). Unter Beachtung dieser Grundsätze und der hiernach gebotenen objektiven Betrachtung stellt sich die Entfernung des Fahrzeugs für die Beklagte als vorteilhaft dar. Sie ist durch die Umsetzung, zu der die Grundstücksbesitzerin gemäß § 859 Abs. 1 und 3 BGB berechtigt war, von ihrer Verpflichtung gemäߧ 862 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. gemäß § 861 Abs. 1 BGB frei geworden.

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BGH NJW 2016, 2407 §Andere, AGL:für §§die 677, 683, 670 BGB Beklagte kostengünstigere und vorteilhaftere Möglichkeiten,

diesen Anspruch zu erfüllen, bestanden nicht. Zu berücksichtigen ist nämlich, - ganz anders aber BGH NJW 2016, 2407 dass die Grundstücksbesitzerin von der Beklagten die sofortige Beseitigung der Störung verlangen und den Anspruch auch im Wege der Selbsthilfe durchsetzen konnte. Zu einer sofortigen Beseitigung waren jedoch weder die Beklagte noch der Fahrer des Fahrzeugs in der Lage, da sie sich in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Geschäftsübernahme weder bei dem Fahrzeug befanden noch binnen kurzer Zeit ermittelt werden konnten. Die einzige Möglichkeit, den rechtswidrigen Zustand unmittelbar zu beseitigen, bestand deshalb in dem Umsetzen des Fahrzeugs. Demgegenüber war die Grundstücksbesitzerin nicht verpflichtet, die Störung so lange hinzunehmen, bis der Fahrer das Fahrzeug selbst von dem Parkplatz entfernte oder aber die Beklagte nach entsprechender Halterermittlung und Unterrichtung über die Störung durch die Grundstücksbesitzerin dies veranlasste. Aus der Sicht eines verständigen, sich rechtstreu verhaltenden Fahrzeughalters entsprach das Abschleppen deshalb seinem Interesse, weil nur auf diese Weise der Beseitigungsanspruch zu der geschuldeten Zeit erfüllt werden konnte. 53

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BGH NJW 2016, 2407 § AGL: §§ 677, 683, 670 BGB - ganz anders aber BGH NJW 2016, 2407 (...) Da sich hiernach der wirkliche Wille der Beklagten nicht feststellen lässt, kommt es entscheidend auf ihren mutmaßlichen Willen an. Das ist derjenige Wille, den der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände im Zeitpunkt der Übernahme geäußert haben würde. Mangels anderer Anhaltspunkte ist als mutmaßlicher Wille der Wille anzusehen, der dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht (...). Da die Entfernung des Fahrzeuges im objektiven Interesse der Beklagten lag, war auch ihr mutmaßlicher Willen hierauf gerichtet. Sie wurde durch die Geschäftsführung von ihrer Verpflichtung zur sofortigen Störungsbeseitigung befreit, die nur durch ein Umsetzen des Fahrzeugs bewirkt werden konnte.

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Besitzschutz

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 823 II i.V.m. 858 BGB - Voraussetzungen § § 858 BGB als Schutzgesetz - Gesetze à Art. 2 EGBGB: alle Rechtsnormen - Norm ist Schutzgesetz i.S. § 823 II BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einen bestimmten Personenkreis vor der Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen - § 858 BGB soll Besitzer vor Besitzentziehung und Besitzstörung schützen à daher (+)

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 823 II i.V.m. 858 BGB - Voraussetzungen § Verstoß gegen Schutzgesetz: verbotene Eigenmacht - Besitzentziehung oder Besitzstörung §

ob unbefugtes Parken Besitzentziehung oder Besitzstörung oder eine Kombination aus beidem darstellt, ist umstritten à bedarf hier aber keiner Entscheidung à jedenfalls (+)

- ohne Willen des A (+) - keine gesetzliche Gestattung (widerrechtlich) (+) - damit: verbotene Eigenmacht (+) §

Verschulden - F handelte fahrlässig (§ 276 BGB)

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 823 II i.V.m. 858 BGB - ersatzfähiger Schaden § haftungsausfüllende Kausalität - E durfte sich zum Eingreifen, also zum Abschleppen, herausgefordert fühlen, da ihm anderenfalls nur die Hinnahme und Duldung der Besitzstörung geblieben wäre - dies verlangt die Rechtsordnung aber nicht, sondern gestattet über § 859 BGB ausdrücklich die sofortige Beseitigung der Störung (Selbsthilferecht) - Abschleppen war eine vorhersehbare und angemessene Reaktion à zumal entsprechendes Hinweisschild §

Schaden auch vom Schutzbereich der verletzten Norm (§ 858 BGB) erfasst

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 823 II i.V.m. 858 BGB - ersatzfähiger Schaden § Abschleppkosten (170 EUR) - § 249 I BGB - Gebot der Wirtschaftlichkeit § Geschädigte hat unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen § erforderlich sind daher diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde § entscheidendes Kriterium hier: Marktüblichkeit à laut Sachverhalt(+) - daher: Anspruch insoweit (+) 58

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: §§ 823 II i.V.m. 858 BGB - ersatzfähiger Schaden § Inkassokosten (15 EUR) - auch insoweit Schaden - aber: Bearbeitungsgebühren und Inkassokosten gehören nach einer Auffassung zum allgemeinen Lebensrisiko à nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst - arg. dagegen: U stellt E diese Kosten in Rechnung à es geht also gerade nicht um den immateriellen Aufwand des E, sondern um einen konkret entstandenen Schaden - je nach Sichtweise (+) oder (-)

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: § 823 I BGB - Voraussetzungen § Rechtsgutverletzung - Eigentum §

weder Substanzbeeinträchtigung noch Minderung der Rechtsposition des A als Eigentümer

§

allenfalls Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs à aber: Grundstück konnte, da der Parkplatz leer war, weiterhin bestimmungsgemäß genutzt werden à daher keine hinreichende Erheblichkeit

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: § 823 I BGB - Voraussetzungen § Rechtsgutverletzung - Besitz §

sonstiges Recht? - Besitz also solcher ist kein Recht, sondern ein bloßes Faktum (tatsächliche Sachherrschaft) - von § 823 I BGB geschützt wird nach h.M. aber der berechtigte Besitz bzw. das vom Eigentümer abgeleitete Besitzrecht à insoweit Ausschlussfunktion (§§ 858 ff., 1004 BGB) und Nutzungsfunktion (aus Vertrag)

§

Verletzung (+) - insoweit ist Erheblichkeit gerade nicht erforderlich 61

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Ausgangsfall: Ansprüche E à F § AGL: § 823 I BGB - Voraussetzungen § haftungsbegründende Kausalität (+) §

Rechtswidrigkeit (+)

§ §

Verschulden (+) Schaden mit haftungsausfüllender Kausalität (+)

- Rechtsfolge: Schadensersatz wie zuvor bei § 823 II BGB

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Abwandlung: Ansprüche F à U § AGL: § 812 I 1 Alt. 1 BGB - Voraussetzungen § etwas erlangt - 350 EUR - Angestellter A ist insoweit lediglich Besitzdiener und nicht Empfänger der Zahlung - Übergabe und Übereignung des Geldes unmittelbar an U

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Abwandlung: Ansprüche F à U § AGL: § 812 I 1 Alt. 1 BGB - Voraussetzungen § durch Leistung - bei unbefangener Betrachtung unproblematisch (+) - anders aber der BGH und Teile der Lit. § Zessionsfälle seien wie die Anweisungsfälle als Mehrpersonenverhältnisse zu behandeln § (vermeintlicher) Schuldner leiste nicht an den Zessionar, sondern an den Zedenten § maßgeblicher Grund: sachgerechte Verteilung der Insolvenzrisiken - Fahrzeugführer sei es eher zuzumuten, Insolvenzrisiko des Grundstücksbesitzers zu tragen als dasjenige des Abschleppunternehmens, auf dessen Auswahl er keinerlei Einfluss hat - gleichzeitig erscheine es billig, das Insolvenzrisiko des Abschleppunternehmens seinem Auftraggeber aufzuerlegen 64

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Abwandlung: Ansprüche F à U § AGL: § 812 I 1 Alt. 1 BGB - Voraussetzungen § durch Leistung - Kritik: § BGH überspannt den bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff à Leistungswille des Schuldners findet keine Beachtung § nach einer erfolgreichen Abtretung besteht die Verpflichtung des Schuldners nur noch gegenüber dem Zessionar à der mit der Erfüllungshandlung verfolgte Leistungszweck ist folglich allein auf den Zessionar gerichtet § dies gilt auch, wenn der Anspruch nicht oder nicht in der angenommenen Höhe besteht § es besteht also gar kein Drei-, sondern ein Zweipersonenverhältnis 65

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Abwandlung: Ansprüche F à U § AGL: § 812 I 1 Alt. 1 BGB - Voraussetzungen § durch Leistung - vorzugswürdig daher: Leistung an F (+) - Gegenauffassung bejaht stattdessen Leistung an E § Folge: Bereicherungsanspruch dann allenfalls gegen E §

Problem: Was soll E denn erlangt haben?

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Abwandlung: Ansprüche F à U § AGL: § 812 I 1 Alt. 1 BGB - Voraussetzungen § ohne rechtlichen Grund - Schadensersatzanspruch aus §§ 823 I und II BGB, den E an U abgetreten hat? § Voraussetzungen liegen jeweils wieder vor - Inkassogebühr wie zuvor beides vertretbar à 15 EUR entweder zurecht oder zu viel gezahlt - Abschleppkosten • BGH (NJW 2014, 3727): Höhe der erstattungsfähigen Kosten für das Entfernen eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs bemessen sich nach den ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und für die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen bemisst • hier Verstoß gegen Gebot der Wirtschaftlichkeit à 180 EUR zu viel gezahlt

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Abwandlung: Ansprüche F à U § AGL: § 812 I 1 Alt. 1 BGB - Voraussetzungen § ohne rechtlichen Grund

§

- Ergebnis: 180 EUR und ggf. weitere 15 EUR wurden rechtsgrundlos gezahlt keine Konditionssperre - § 814 BGB nicht einschlägig, da keine freiwillige Leistung bei Kenntnis der Nichtschuld

- Rechtsfolge §

F hat gegen einen Anspruch auf Zahlung von 180 EUR bzw. 195 EUR aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB (a.A. vertretbar)

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