Lehrveranstaltung
Erneuerbare Energien und energieeffiziente Technologien Prof. Dr.-Ing. Mario Adam E² - Erneuerbare Energien und Energieeffizienz Fachbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik Hochschule Düsseldorf
Kapitel „Motivation“ adam
Motivation 1
Problemfeld - Luftverschmutzung 100 80 Anteile in %
Anteile der energiebedingten Emissionen an den Gesamtemissionen der „klassischen“ Luftschadstoffe
60 40 20 0 NOx
SO2
CO
Staub
• Resultat: Waldsterben, Gewässerversauerung, Smog, Zerfall alter Gebäude, Krebs bei Menschen (z.B. durch Staub / Rußpartikel), etc. auch volkswirtschaftliche Belastung • aus der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion jedoch weitgehend verschwunden Quelle: BMWi Energiedaten 10/2014 Tab 9 (Stand 2011) adam
Motivation 2
Problemfeld - Reichweite fossiler Energieträger 150
• seit Jahren etwa konstant
100
• Neuentdeckung von Vorräten hält Schritt mit der Ausbeutung
Jahre
Statische Reichweite bei gegenwärtiger Förderung
50
• Erschließung jedoch häufig aufwändiger als bislang größere Meerestiefen abgelegenere Regionen Ölsande Fracking
0 Erdöl
Erdgas
Kohle
• Sicherlich sind die fossilen Energieträger endlich! Sie stehen aber noch viele Jahrzehnte zur Verfügung. • Ihre Förderung wird jedoch immer aufwändiger und damit teurer! Quelle: BP Statistical Review of World Energy 2014 adam
Motivation 3
Problemfeld - Politische Abhängigkeiten, Kriegsgefahr Erdöl [Mio t] 120.000
Erdgas [Mrd m³]
Steinkohle [Mrd. t SKE]
sicher gewinnbare Reserven
400
abbauwürdige Reserven
300
80.000
200 40.000
100
0
0
„Strategische Ellipse“ rund 70% der weltweiten Erdöl-/Erdgasreserven konventioneller Art
Steinkohle-Reserven sind geographisch anders verteilt als Öl und Gas!
Erdöl
Quelle: BMWi Energiedaten 10/2014 Tab. 40-42 (Stand 2012), Tageszeitungen, ETH adam
Motivation 4
Rohöl-Preisentwicklung
Irak besetzt Kuwait
Nahostkrise + restriktive Fördermengen Wachsender Verbrauch in China, Gas-Durchleitungsstreit Russland/Ukraine Wirtschaftskrise
Inflationsbereinigt
JahresDurchschnittsPreis
adam
$ pro barrel
2.Ölkrise (OPECFörderquotierung Iranische Revolution)
Finanzkrise in Asien
Fracking in den USA
1.Ölkrise (Yom Kippur Krieg)
Bisheriger Höchstwert (2.7.2008): 146 $/b Aktueller Stand Sorte Brent (31.3.2016): 40 $/b
Quellen: Historie: BP Statistical Review of World Energy 2014, Aktuell: www.onvista.de Motivation 5
Problemfeld - Wachsender Energieverbrauch •
2013: 568 EJ
•
nicht enthalten: nicht kommerziell gehandelte Energieträger wie Holz, pflanzliche und tierische Abfallstoffe; Nutzung vor allem in Entwicklungsländern
Ursachen für Anstieg: • wachsender Wohlstand • wachsende Bevölkerung: 1950 = 2,5 Mrd. 12.10.1999 = 6 Mrd. 31.10.2011 = 7 Mrd. aktuell: 7,4 Mrd.
Welt-Primärenergieverbrauch Wirtschaftskrise
Kernenergie Wasser Holz Stein-/Braunkohle Erdgas Erdöl
500 1. und 2. Ölkrise
EJ 400
300
1. und 2. Weltkrieg
200
Wirtschaftskrise
100
0 1880 1900 1920 1940 Quelle: BMWi Energiedaten 1/2016 Tab 31, Ökosystem Erde BP, http://www.weltbevoelkerung.de/ adam
1960 1980
2000 Motivation 6
Energieverbrauch des „Musterknaben“ BRD
Gesamt: Primärenergie, Endenergie in PJ
BRD Gesamt
14000
7000
12000
6000
10000
5000
8000
4000
6000
3000
4000
2000
2000
1000
0 1950
0 1960
1970
Quelle: BMWi Energiedaten 1/2016 Tab. 5
1980
1990 adam
2000
in PJ
8000
Teilbereiche Endenergie: Industrie, Verkehr, ...
Alte Bundesländer
16000
Primärenergie inkl. nicht energ. Verbr. Endenergie Gesamt Industrie
Verkehr
Haushalte + Gew. Handel Dienstleistung Haushalte
Gewerbe Handel Dienstleistung
2010 Motivation 7
Entkopplung von Wohlstand und Energieverbrauch „Musterknabe“ BRD BRD gesamt
alte Bundesländer
Index (1990 = 100 %)
140%
Bruttoinlandprodukt
Endenergieverbrauch ≈
Bruttoinlandprodukt 130% 120% 110%
Endenergieverbrauch 100%
≈ 90%
1960
1970
1980
1990
1990
2000
2010
Entkopplung von Bruttoinlandprodukt und Energieverbrauch seit 1973 durch Einsatz von Kapital statt Energie stagnierende Bevölkerungszahl Quelle: LTT RWTH Aachen / BMWi Energiedaten 1/2016 Tab. 1+5 adam
Motivation 8
Technische Effizienz
Wohlstand und Komfort
300
50
250
40
200
30
150
20
100 1970
10 1980
1990
2000
Steigerung der technischen Effizienz
Wohnfläche [m²/Person]
Endenergieverbrauch temperaturbereinigt [kWh/m²a]
Beispiel: BRD, Raumheizung privater Haushalte Endenergie Raumheizung Haushalte Wohnfläche
2010 Steigerung der Komfortansprüche
Wärmeschutz Wirkungsgrade der Heizgeräte
Wohnflächenzunahme, EFH statt MFH Vollraumbeheizung
Komfort- und Effizienzsteigerung heben sich gegenseitig auf Quelle: DeStatis, BMWI Energiedaten 1/2016 Tab 1+8b
adam
Motivation 9
Energieverbrauch Entwicklungs-/Schwellenländer Pro-Kopf-Energieverbrauch in [GJ/EW]
Land
Weltdurchschnitt 1990 = 70 GJ/EW 1995 = 68 GJ/EW 2000 = 69 GJ/EW 2005 = 74 GJ/EW 2010 = 78 GJ/EW 2013 = 80 GJ/EW
Entwicklungs- und Schwellenländer
1990
2000
2010
2013
26
26
28
28
China Indien Südamerika o. Chile Spanien frühere Sowjetunion
32 15 40 97 206
39 18 44 127 134
77 24 53 115 150
93 26 55 105 154
BRD USA Europa (EU 28)
185 321 144
171 337 145
167 299 143
162 290 134
Afrika
Wohlstand Energieverbrauch
• großer „Nachholbedarf“ bzgl. Wohlstand bzw. Energieverbrauch • gleichzeitig große + stark wachsende Bevölkerungszahl z.B. China, Indien
Entwicklungsländer
Industrieländer
Schwellenländer
Zeit Quelle: BMWi Energiedaten 1/2016 Tab 32 adam
Motivation 10
Problemfeld - Klimaschutz ohne Atmosphäre
mit Atmosphäre und Treibhausgasen
Wärmeabstrahlung von der Erdoberfläche v.a. langwellig Gesamt: σ.T4
Albedo Streuung + Reflexion in Atmosphäre und an Erdoberfläche
einfallende Sonnenstrahlung, v.a. kurzwellig
Wärmeabstrahlung ins Weltall
Atmosphärische Gegenstrahlung Atmosphäre Treibhausgase
thermisches Gleichgewicht (Abstrahlung = Einstrahlung) bei - 18 oC mittlerer Erdtemperatur
thermisches Gleichgewicht bei + 15 oC mittlerer Erdtemperatur = natürlicher Treibhauseffekt
Quelle: nach Energieagentur NRW, Meliss adam
Motivation 11
Emission in kWh/m²µm
theoretische Ausstrahlung der Erde (= schwarzer Körper mit Erdtemperatur) tatsächliche Ausstrahlung der Erde
Physikalische Wirkung der Treibhausgase Große Treibhausgaswirkung, wenn: • Absorption in aktiven Abstrahlungsbereichen • großer Absorptionskoeffizient • große Molekülkonzentration (Angabe in Relation zur Wirkung von CO2)
Wellenlänge in µm
Absorptionskoeffizient
Absorptionskoeffizient
FCKW:
R12
R114 10,5
Wellenlänge in µm 3
5
10
20 30
adam
R11
Quelle: Havlik
11,5 Wellenlänge in µm
12,5 Motivation 12
Anthropogene Treibhausgase BRD
Mio. t CO2-Äquivalente
1.000
Gesamtemission: 936 Mio. t
822
800
(mit Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft: - 3 Mio. t)
1,4%
7,3%
600 400 84,0%
200 49
0
56
9
0
CO2 CH4 N2O HFC PFC • • • • •
7,4% -0,4%
3
SF6
Energie Industrieprozesse Landwirtschaft Landnutzungsänderung,Forstwirtschaft Müll
CO2: vor allem Verbrennung fossiler Energieträger CH4: Faulung von Biomasse (Mülldeponien, Reisanbau), Rinder-Verdauung, Erdgaslecks N2O: Stickstoffdünger HFCs, PFCs: Industrieprozesse, Kältemittel, Lösungsmittel, … SF6: elektrisch isolierendes Gas
Quelle: BMWi Energiedaten 10/2014 Tab 10 (Stand 2012) adam
Motivation 13
Klimaprognosen durch Rechnersimulationen • mit der Erde selbst ließe sich nur in Echtzeit experimentieren • Bei den Rechnersimulationen ist ein komplexer Stand der Modellbildung erreicht (Atmosphäre-Ozean-Zirkulationsmodelle), unter anderem begrenzt durch die Leistungsfähigkeit der verfügbaren Rechner - Atmosphäre: dreidimensional, Zusammensetzung (Treibhausgase, Sulfataerosole, ...), Temperatur, Druck, Bewölkung, chemische Prozesse wie Ozonabbau in der oberen Atmosphäre, Zirkulationssysteme wie das Westwindsystem in Westeuropa, Vulkanausbrüche - Ozean: dreidimensional, Zusammensetzung (Salzgehalt, CO2-Konzentration, ...), Temperatur, Dichte, Zirkulationssysteme wie der Golfstrom, Polareisbedeckung - Biologische Prozesse: CO2-Bindung in Organismen, auf Land und im Wasser - Kopplung der Teilmodelle zur Berücksichtigung vorhandener Wechselwirkungen, z.B. Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre erhöhte Lösung von CO2 in den Ozeanen, erhöhte Biomasseproduktion - weitere Verbesserung der Modelle z.B. bezüglich Stoffkreisläufen und Wolkenbildung sind in Arbeit • Rechenmodelle können natürliche klimatische Phänomene gut voraus berechnen (Beispiele: Wettergeschehen über dem Atlantik, El Nino im Pazifik) • Der bisherige Anstieg der mittleren Erdtemperatur und der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre korrelieren miteinander. Quelle: Deutsches Klima-Rechenzentrum DKRZ adam
Motivation 14
5. Klimabericht des IPCC (2013/14) IPCC - Intergovernmental Panel on Climate Change - 1988 von der UN gegründet - Mitarbeit vieler wissenschaftlicher Institutionen weltweit bislang 5 Berichte: - 1990, 1995, 2001, 2007, 2013/14 (erster Teil, deutsche Übersetzung folgt noch) - unter anderem: Ergebnisse von Rechnersimulationen zur Erderwärmung auf Basis verschiedener Szenarien zur Entwicklung der Treibhausgaskonzentrationen Quelle: IPCC-Bericht 2013/14, Summary for Policymakers
4 Szenarien für die weitere Entwicklung bis 2100: •
„RCP2.6“: 421 ppm CO2 (475 ppm CO2,äq)
•
…
•
„RCP8.5“: 936 ppm CO2 (1313 ppm CO2,äq)
Zum Vergleich: natürliche Schwankung während der letzten 650.000 Jahre zwischen ca. 200 und 300 ppm adam
Motivation 15
Bisheriger Verlauf der Erdtemperatur Korreliert gut mit Klimasimulationen Anstieg der Treibhausgas-konzentratione n Abschattung durch Aerosole (Luftverschmutzung) etc.
Quelle: IPCC-Bericht 2013/14, Summary for Policymakers adam
Motivation 16
IPCC-Prognosen zur globalen Erwärmung
•
lokal unterschiedliche Erwärmungen
•
Kontinente erwärmen sich schneller als Ozeane, Nordhalbkugel stärker als die Südhalbkugel
•
stärkste Erwärmung in der Arktis, selbst verstärkend durch reduzierte Schnee- und Eisflächen
•
dämpfende Wirkung anthropogener Aerosole (Schwefel, Ruß, …) entfällt immer mehr aufgrund von Luftreinhaltemaßnahmen
Quelle: IPCC-Bericht 2013/14, Summary for Policymakers adam
Motivation 17
IPCC-Aussagen zum Anstieg des Meeresspiegels Vergangenheit
Zukunft
mehrere 10 m bei langer Zeit zur Temperaturanpassung! ( erdhistorische Meeresspiegel/Temperaturdaten)
•
lokal unterschiedliche Änderungen
•
überlagerte positive wie negative Rückkopplungen mit dem Klima durch veränderte Ozeanzirkulationen (z.B. Abschwächung des Golfstromes), Verdunstung, Niederschlag, Abschmelzen von Inlandeis
Quelle: IPCC-Bericht 2013/14, Summary for Policymakers adam
Motivation 18
Ziele - global und langfristig 36.000
+56% seit 1990
28.000
WELT
CO2 Emissionen [Mio. t]
20.000 10.000
+297%
China
6.000
+10%
USA
Minderungsziele • häufig Bezugsjahr 1990 • gestrichelte Linien im Diagramm • Kyoto-Protokoll: bis 2012 35 Industrieländer im Durchschnitt - 5,2%
2.000 1.500
Japan
+16%
AFRIKA
+76%
Deutschland
1.000 -23% 500
Großbritannien
Ziel 2020: -40%
Spanien
-24% -30%
-80%
+24% 0 1990
-80%
2000
Quelle: BMWi Energiedaten 1/2016 Tab 12
2010
2020 adam
2030
2040
2050 Motivation 19
Hemmnisse - individuell und momentan • Niedrige Energiepreise • Höhere Investitionskosten • Investor ungleich Nutzer
fehlende Wirtschaftlichkeit Geld nicht vorhanden (Privatpersonen, Entwicklungsländer, …) Interessenkonflikt (Beispiel: Vermieter - Mieter)
• Geringer Anteil der Energiekosten bei Produkten bzw. Dienstleistungen nicht im Focus des unternehmerischen Handelns, anders als die Personalkosten • Amortisationszeiten länger als 3 … 5 Jahre werden in der Industrie selten akzeptiert Marktlage kann sich vergleichsweise rasch ändern • Kenntnisdefizite bei Nutzern und Fachleuten • Nachteilige Auswirkungen der Nutzung regenerativer Energien: - Windkraftanlagen
Veränderung des Landschaftsbildes;
- Wasserkraftanlagen mit großen Stauseen von Menschen (siehe China)
Überschwemmung von Land, Umsiedlung
• Hoher Energieverbrauch ist meist mit Annehmlichkeiten verbunden; keine direkte negative Rückkopplung (außer etwas höhere Energiekosten) • Viele Menschen sind nicht zu 100 % von der Notwendigkeit des Energiesparens überzeugt • Was kann ich schon bewirken? adam
Motivation 20
Energiepreise in Deutschland private Haushalte, inklusive Steuern und Abgaben
„China“
Haushalt-Strom
Marktliberalisierung Strom
25
Fracking USA
Energiepreis [ct/kWh]
30
Wegfall „Kohlepfennig“ Strom
20
Wirtsch. krise
Wiedervereinigung
15
1. Ölkrise
10
2. Ölkrise Verfall OPEC-Kartell
Benzin (Super) Diesel
NahostKrise
Fernwärme Erdgas
5
Heizöl EL 2015
2010
2005
2000
1995
1990
1985
1980
1975
1970
0
Holzpellets
bis 1990: Alte Bundesländer Quelle: BMWi Energiedaten 1/2016 Tab. 26, FHG ISE, C.A.R.M.E.N.a d a m
Motivation 21
Preis und Wert einer Kilowattstunde Energie Was ist eine Kilowattstunde? Wie mache ich eine Kilowattstunde erlebbar?
Preis
3 min Dusche
3…30 ct/kWh
30 l . 1,17 Wh/kgK . (40-10)°C = 1 kWh
0,1 l Öl, 0,1 m³ Erdgas 1 kWh Strom
1 Abend Deckenfluter
Wert?
5 h . 200 W = 1 kWh
1 kWh 15 km Laufen 1500 m Bergsteigen
∙ , / ² ∙ % ∙ /
= 1 kWh
60 kg schwere Person läuft 9 km/h schnell Leistungsumsatz des Körpers = 600 W, über O2-Aufnahme gemessen 600 W . 1:40 h = 1 kWh
1 kWh = viel Energie, sehr preiswert! adam
Motivation 22
Resümee Motivationen
Hemmnisse
global
individuell
langer Zeithorizont
momentan wirkend stark
Appell: Global denken, lokal handeln! Kenntnisdefizite abbauen
adam
Motivation 23