Energieeffizienz und erneuerbare Energien

Berlin, April 2010 Energieeffizienz und erneuerbare Energien A. Investitionen in die energetische Qualität des Wohnungsbestandes I. Investitionskraf...
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Berlin, April 2010

Energieeffizienz und erneuerbare Energien A. Investitionen in die energetische Qualität des Wohnungsbestandes I.

Investitionskraft privater Immobilieneigentümer

30,5 Mio. Wohnungen stehen im Eigentum privater Haushalte. Dies sind über 75 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes in Deutschland. Davon werden rund 14,5 Mio. Wohnungen vermietet und etwa 16 Mio. selbst genutzt.1 Das private Grundeigentum verteilt sich auf alle Bevölkerungsschichten. So verfügen u. a. etwa je die Hälfte der Arbeiter- und der Rentnerhaushalte über Haus- und Grundeigentum.2 1. Selbstgenutztes Wohneigentum Für eine vollständige energetische Modernisierung eines Einfamilienhauses werden über 70.000 Euro benötigt. Auf den selbstgenutzten Wohnimmobilien mit laufender Finanzierung lasten Restschulden von durchschnittlich 100.000 Euro.3 Viele private Eigentümer wollen oder können daher keine weiteren Kredite aufnehmen. 2. Vermieteter Wohnungsbestand Bundesweit konnten 60 Prozent des privaten Mietwohnungsbestandes in den Jahren 1999 bis 2004 nicht mit Gewinn bewirtschaftet werden. 40 Prozent der privaten Bestände wiesen sogar Verluste aus. In Ostdeutschland erreichten 80 Prozent des Mietwohnungsbestandes nicht die Gewinnschwelle, während in Westdeutschland 55 Prozent keinen Gewinn erwirtschafteten.4 II. Einsparpotential im Wohnungsbestand Die politischen Annahmen gehen von einem mangelhaften Zustand der Bestandswohngebäude aus. So wird beispielsweise im Musterenergieausweis für Wohngebäude, welcher der EnEV als Anlage beigefügt ist, ein durchschnittlicher Energieverbrauch von rund 250 bis 300 Kilowattstunden (kWh) je Quadratmeter Gebäudenutzfläche pro Jahr angenommen. Für die Gesamtheit der Wohngebäude in Deutschland ergeben sich jedoch durchschnittliche Verbräuche von 136 bis zu 170 kWh.5 1

IW Köln, „Die Immobilienmärkte aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive“, 2009, Seite 22 Statistisches Bundesamt, „Wirtschaftsrechnungen“, Fachserie 15, Heft 2, 2009, Seite 68 Statistisches Bundesamt, „Wirtschaftsrechnungen“, Fachserie 15, Heft 2, 2009, Seite 24 f. 4 Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, „Investitionsprozesse im Wohnungsbestand - unter besonderer Berücksichtigung der privaten Vermieter“, Forschungen Heft 129, 2007, Seite 79 f. 5 Vgl. „ista-IWH-Energieeffizienzindex“ des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, 2009; ferner „Unsere alten Häuser sind besser als ihr Ruf“ der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. Kiel, 2009 2 3

Haus & Grund Deutschland, Mohrenstraße 33, D-10117 Berlin Telefon +49 30 20216-0, Telefax +49 30 20216-555, [email protected], www.hausundgrund.de

III. Wirtschaftlichkeitsgebot Staatlicher Zwang zu unwirtschaftlichen Modernisierungsmaßnahmen im Gebäudebestand ist ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes. Das EnEG schreibt vor, dass die Anforderungen der EnEV wirtschaftlich vertretbar sein müssen. Für den Bestand soll dies dann vorliegen, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb angemessener Fristen durch die eintretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können. 1. Selbstgenutztes Wohneigentum Die vorgeschriebenen konkreten Maßnahmen erfüllen für Selbstnutzer oftmals nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die ihnen zugrunde liegenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen beruhen auf falschen Annahmen (s.o. A. II.). Der tatsächliche Energieverbrauch von Bestandsgebäuden liegt zumeist weit unter den für nicht modernisierte Gebäude allgemein angenommenen Werten. Das Einsparpotenzial vieler Gebäude ist daher sehr viel geringer als angenommen. Da mit dem Energieeinsparpotenzial auch die möglichen jährlichen Heizkostenersparnisse des Eigentümers sinken, rechnet sich eine Investition in Energieeffizienz erst zu einem vergleichsweise späteren Zeitpunkt. Energetische Modernisierungsmaßnahmen sind also deutlich unwirtschaftlicher als bisher angenommen. 2. Vermieteter Wohnungsbestand Die für die energetische Modernisierung erforderliche Investition trägt der Eigentümer allein. Die eintretende Energieeinsparung kommt jedoch als Betriebskostenersparnis nur dem Mieter zugute (Investor-Nutzer-Dilemma). Die Investitionen des Vermieters können also nicht über die mögliche Energieeinsparung, sondern nur über eine Erhöhung der Mieteinnahmen erwirtschaftet werden. Nur in etwa einem Fünftel der Modernisierungsfälle greifen die privaten Vermieter zum Instrument der Modernisierungsmieterhöhung.6 Die komplexen formellen Anforderungen an die Modernisierungsmieterhöhung schrecken zahlreiche Investoren ab. Darüber hinaus lässt der Wohnungsleerstand in Deutschland auf vielen Wohnungsmärkten kein höheres Mietenniveau zu. IV. Miet- und steuerrechtliche Hemmnisse energetischer Modernisierungen Investitionen in die energetische Qualität unterbleiben nicht allein aufgrund ihres fernen Amortisationshorizontes. Darüber hinaus verhindern miet- und steuerrechtliche Hemmnisse Fortschritte bei der energetischen Modernisierung im Wohngebäudebestand.

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Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, „Investitionsprozesse im Wohnungsbestand - unter besonderer Berücksichtigung der privaten Vermieter“, Forschungen Heft 129, 2007, Seite 5



1. Mietrechtliche Hemmnisse Im bestehenden Mietrecht existieren verschiedene Hemmnisse, die einer energetischen Modernsierung des vermieteten Bestandes entgegenstehen:7 a. Mietminderung Die Durchführung einer klima- oder umweltfreundlichen Modernisierung eines Bauwerkes ist mietrechtlich ein „Mangel“. Kraft Gesetzes wird die Miete für die Zeit der Arbeiten zwischen 50 und 100 Prozent gemindert. b. Duldungspflicht Gemäß Literatur und Rechtsprechung ist Klimaschutz für die Duldungspflicht des Mieters hinsichtlich energetischer Modernisierungen i. S. d. § 554 BGB unbeachtlich. So besteht nach § 554 BGB keine Duldungspflicht für den Einbau klimaschonender Technologien, wie beispielsweise Solaranlagen. c. Modernisierungsmieterhöhung § 559 Abs. 1 3. Alt. BGB ermöglicht Modernisierungsmieterhöhungen wegen nachhaltiger Einsparung von Energie oder Wasser. Die herrschende Auslegung dieses Kriteriums sieht im Wechsel auf erneuerbare Energien keine Energieeinsparung, sondern lediglich den Austausch des Energieträgers. So können z.B. die Kosten für Solaranlagen nicht Gegenstand einer Mieterhöhung sein. Die Modernisierungsmieterhöhung ist außerdem für eine Vielzahl von Mietverträgen, wie z. B. Staffelmietverträgen, ausgeschlossen. Darüber hinaus sind formell wirksame Modernisierungsmieterhöhungen angesichts ihrer bürokratischen Komplexität eine kaum rechtssicher zu meisternde Herausforderung. d. Betriebskosten Betriebskosten, die infolge einer klima- oder umweltfreundlichen Modernisierung neu entstehen, kann der Vermieter im Regelfall nicht auf den Mieter umlegen, da hierfür eine Vereinbarung im Mietvertrag erforderlich wäre. Dies ist regelmäßig nicht der Fall, da die Betriebskostenverordnung, auf die in fast allen Mietverträgen verwiesen wird, moderne Anlagen zur Energiegewinnung (beispielsweise Solaranlagen) nicht kennt.

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Zur Beseitigung dieser mietrechtlichen Hemmnisse fordert Haus & Grund eine Anpassung des Mietrechts. Die einzelnen Forderungen können dem Haus & Grund-Positionspapier „Das Mietrecht novellieren – klima- und umweltfreundliche Modernisierungen ermöglichen“(März 2010) entnommen werden.



2. Steuerliche Hemmnisse Nach der derzeit geltenden Rechtslage stellen Investitionsmaßnahmen bei Wohngebäuden, auch soweit sie der klima- und umweltgerechten Modernisierung dienen, Erhaltungsaufwendungen dar, die im Jahr der Investition steuerlich geltend zu machen sind. Dies gilt jedoch nur für Einzelmaßnahmen, wie zum Beispiel den Austausch einer Heizungsanlage oder die Dämmung von Außenwänden. Wenn der Eigentümer mehrere Maßnahmen durchführt, ist steuerlich von nachträglichen Herstellungskosten auszugehen. Dies führt dazu, dass die Kosten für Modernisierungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum – in der Regel über 50 Jahre – abzuschreiben bzw. bilanzrechtlich zu aktivieren sind. Im Ergebnis führt dies zu einer Besteuerung von Scheingewinnen, weil die steuerliche Abschreibungsdauer von 50 Jahren wesentlich länger als die tatsächliche wirtschaftliche Nutzungsdauer beispielsweise einer Heizungsanlage ist. Außerdem erleben angesichts dieser Dauer ältere Eigentümer die Amortisation ihrer Investitionen häufig nicht mehr. Für Herstellungskosten an Gebäuden bestand bis in die 90er Jahre hinein die Möglichkeit, erhöhte Abschreibungssätze für bestimmte energiesparende Anlagen und Einrichtungen an Gebäuden in Anspruch zu nehmen, z. B. Anschluss an ein Fernwärmenetz oder Einbau von Wärmepumpen (§§ 51 Abs. 1 Nr. 2q EStG, 82a EStDV). Zur Beseitigung der bestehenden steuerrechtlichen Hemmnisse fordert Haus & Grund die Wiedereinführung des § 82a EStDV in veränderter Form durch entsprechende Anpassung an die ordnungsrechtlichen Vorgaben (EEWärmeG und EnEV 2009). Die hierdurch verkürzten Abschreibungszeiträume trügen der tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzungsdauer klima- und umweltfreundlicher Anlagen Rechnung. Darüber hinaus stellten sie für Eigentümer einen hohen Anreiz dar, in ihre Immobilien zu investieren.8 V. Zusammenfassung Die Klimaschutzpolitik im Gebäudebestand beruht auf unterstellten hohen Verbrauchswerten, die durch die Nutzungspraxis nicht bestätigt werden. Vor diesem Hintergrund müssen die verlangten Modernisierungsmaßnahmen ebenso wie die ihnen zugrunde liegenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen nochmals auf den Prüfstand. Eine Politik, die verfassungswidrige Eingriffe in die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes vermeiden will, muss die nachfolgend skizzierten Eckpunkte berücksichtigen:  Die Formulierung klimapolitischer Anforderungen an den Wohngebäudebestand verlangt zuvor zwingend die Erfassung des tatsächlichen Energieverbrauchs dieses Segments.  Die Erfassung des tatsächlichen Energieverbrauchs des Wohngebäudebestandes muss Bestandteil der geplanten Evaluation der EnEV 2009 werden. Ohne diese Evaluation müssen weitere Verschärfungen der EnEV unterbleiben.  Die Analyse der Wirtschaftlichkeit von energetischen Modernisierungsmaßnahmen muss zukünftig strikt zwischen selbstgenutztem und vermietetem Wohneigentum unterscheiden.

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Weitere Details zu dieser Forderung können dem Haus & Grund-Positionspapier „Steuerrechtliche Hemmnisse der klima- und umweltfreundlichen Modernisierung beseitigen“ (März 2010) entnommen werden.



 Fortschritte bei der energetischen Modernisierung im vermieteten Wohngebäudebestand hängen ganz wesentlich davon ab, wie konsequent mietrechtliche Hürden der Modernisierung beseitigt werden.  Breitere Resonanz unter den privaten Immobilieneigentümern und eine stabile, wenn nicht höhere Modernisierungsquote verlangen eine Verstetigung der bestehenden Förderprogramme, die alternativ um steuerliche Vorteile - z. B. durch die Wiedereinführung des § 82a EStDV in einer an die EnEV und das EEWärmeG angepassten Form – ergänzt werden sollte. Wenn selbst unter den hier genannten Voraussetzungen klimapolitische Anforderungen mit Art. 14 Absatz 1 Grundgesetz kollidieren, müssen die Anforderungen orientiert am Wirtschaftlichkeitsgebot abgesenkt werden. B. Erneuerbare Energien und das EEWärmeG Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) regelt die Nutzung erneuerbarer Energien zur anteiligen Deckung des Wärmebedarfs in Gebäuden. Zurzeit ordnet das EEWärmeG zwar nur eine Nutzungspflicht für den Neubau an. Nach § 3 Abs. 2 EEWärmeG können die Länder jedoch eine Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien auch für Bestandsgebäude festlegen. In BadenWürttemberg ist eine solche Pflicht durch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz eingeführt worden und am 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Auch andere Länder arbeiten zurzeit an vergleichbaren Gesetzen. Der Wettlauf um die schärfsten landesrechtlichen Anforderungen hat bereits begonnen. Haus & Grund fordert daher eine einheitliche, einfache und beständige Regelung der energetischen Anforderungen an Gebäude. 

Als erster Schritt sollte hierfür das EEWärmeG in die EnEV integriert werden. Diese Vorschriften müssen thematisch einheitlich betrachtet und geregelt werden.



Zudem muss die Öffnungsklausel für landesrechtliche Regelungen abgeschafft werden. 16 unterschiedliche Klimaschutzgesetze zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen werden die Investitionsbereitschaft nicht fördern, sondern bremsen.

Haus & Grund fordert ferner, die anteilige Nutzungspflicht von erneuerbaren Energien zur Deckung des Wärmebedarfs in Gebäuden strikt dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu unterwerfen. Der vermietete und der selbstgenutzte Wohnungsbestand müssen dabei getrennt voneinander betrachtet werden. Zudem bedarf es einer Klarstellung in der Betriebskostenverordnung, um die infolge einer klima- oder umweltfreundlichen Modernisierung neu entstehenden Betriebskosten auch auf die Mieter umlegen zu können.



C. Energieausweis Die EnEV kennt zwei verschiedene Energieausweise: einen bedarfsabhängigen und einen verbrauchsabhängigen Energieausweis. Beim Energiebedarfsausweis wird der vermeintliche Energiebedarf eines Gebäudes anhand der Gebäudegrunddaten mittels komplexer Formeln berechnet. Der Energieverbrauchsausweis hingegen basiert auf den durchschnittlichen Verbrauchsdaten der letzten drei Jahre. Die EnEV schreibt in der Regel die Ausstellung von Bedarfsausweisen vor. Der Energieausweis soll dem potenziellen Kauf- oder Mietinteressenten eines Gebäudes oder einer Wohnung Informationen über die energetische Beschaffenheit geben. Er soll sich hierdurch einen Überblick über die anfallenden Heizkosten oder Modernisierungsarbeiten verschaffen können. Zudem soll der Interessent die Möglichkeit haben, verschiedene Gebäude miteinander zu vergleichen. Die existierenden Energieausweise erfüllen diesen Zweck jedoch nicht ausreichend. Zum einen besteht oftmals ein gravierender Unterscheid zwischen dem berechneten Energiebedarf und dem tatsächlichen Energieverbrauch eines Gebäudes. Der errechnete Bedarf ist oftmals weit höher als der tatsächliche Verbrauch. Zum anderen haben Studien gezeigt, dass Energiebedarfsausweise je nach Aussteller unterschiedliche Werte für dasselbe Gebäude enthalten. Ursächlich hierfür ist die komplexe Ermittlung der erforderlichen Grunddaten. Die Praxis zeigt, dass die Aussteller jeweils unterschiedliche Werte ermitteln. Eine weitere Fehlerquelle liegt in der für die Erstellung der Bedarfsausweise benötigten Software. Am Markt haben sich mehrere Anbieter etabliert. Die unterschiedlichen Programme liefern jedoch auch bei der Eingabe derselben Gebäudegrunddaten unterschiedliche Ergebnisse.9 Der Energiebedarfswert stellt also oftmals lediglich einen angenäherten, zufälligen Wert dar. Beide Probleme existieren hingegen bei der Erstellung von Verbrauchsausweisen nicht. Um einen Gebäudevergleich mit praxisgerechten Werten zu ermöglichen, fordert Haus & Grund eine Stärkung des Energieverbrauchsausweises. Bedarfsausweise sollten zukünftig nur dann erstellt werden müssen, wenn keine ausreichenden Daten für die Erstellung eines Verbrauchsausweises vorhanden sind. Zudem müssen auf nationaler und europäischer Ebene alle Bemühungen gestoppt werden, den Energieverbrauchsausweis abzuschaffen.

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Institut für angewandte Informatik im Bauwesen, „Qualitätsprüfung für Energieausweis-Software“, 2009



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